Protokoll der Sitzung vom 23.03.2010

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Später!)

Wir wollen aber sehr wohl demografische Entwicklungen in den Blick nehmen und deshalb mit mehr Flexibilität dafür sorgen, dass dort, wo neue Lösungsansätze notwendig sind, dies ein zusätzlicher Weg zu den vorhandenen Schulformen ist.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das scheint Ih- nen aber sehr viel Angst gemacht zu haben!)

Nachgerade scheinheilig, Frau Beer, ist das, was Sie zum Sozialindex vorgetragen haben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Dazu habe ich gar nichts gesagt!)

Wir haben zu Zeiten rot-grüner Verantwortung als bürgerliche Fraktionen immer wieder Anträge gestellt, dass die Schulen, die besonders schwierige Aufgaben wahrnehmen müssen, zusätzliche Ressourcen bekommen, weil man eben nicht jeden über einen Kamm scheren will, wie Sie das in Ihrer nivellierten Einheitsgesellschaft bzw. in Ihrem Gesellschaftsbild so gern machen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Meine Güte, ist das neurotisch, oder wie?)

Genau das funktioniert nicht. Sie – SPD und grüne Linkspartei – haben diese Anträge entsprechend abgelehnt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: In diesem Plenum gibt es keine Linkspartei!)

Jetzt stellen Sie sich, nachdem wir die Stellen nach Sozialindex geschaffen haben und sie der demografischen Entwicklung anpassen, hierhin und kritisieren das.

(Zuruf von den GRÜNEN: Herr Witzel möchte an der Regierung bleiben! Deswegen be- schwört er die Linkspartei!)

Ich glaube, Herr Link möchte eine Frage dazu stellen.

Herr Link hat sich nicht gemeldet.

Jetzt hat er sich gemeldet. Vorher hat er sich nicht gemeldet. Er hat den Finger gehoben, aber er hat sich nicht bei mir eingedrückt. Tut mir leid, dass ich Ihnen das so sagen muss. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Witzel, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Ich habe immer eingeräumt, dass der Weg des Sozialindexes ein richtiger Weg ist. Ich habe genauso immer eingeräumt, dass die Stellen dringend benötigt werden.

Würden Sie umgekehrt einräumen, dass die Stellen, die eigentlich zusätzlich den Schulen zur Verfügung stehen sollten, ihnen nicht zusätzlich zur Verfügung gestanden haben, und dass es jetzt den Schulen enorm wehtut – in Duisburg geht es um 15 Lehrerstellen, die abgebaut werden –, diese zusätzlich eingeplanten Stellen wieder abgeben zu müssen? Würden Sie das zugestehen?

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Die Frage ist nicht ideologisch genug! Darauf kann er nicht antworten!)

Ich gestehe Ihnen zu, dass jede Schule, die eine Anpassung ihrer Lehrerstellenberechnung nach unten hin hat, sich über diesen Umstand nicht freuen wird, weil selbstverständlich immer mehr Förder- und Personalressourcen von den Schulen gewollt werden.

Ich sage Ihnen aber auch, Herr Kollege Link: Wenn es eine solche Schülerzahlentwicklung gibt – es findet eine demografische Anpassung statt, wobei eigentlich nach dem demografischen Rückgang an diesem speziellen Standort, der betroffen ist, stärker in der Anpassung der Lehrerstellen in Relation zu der Schülerzahl gehandelt werden müsste –, kann sich die Schule im Vergleich zu anderen Standorten nicht beschweren.

Wenn die konkrete demografische Entwicklung an einem Standort so ist, dass die Schule bei fairer Betrachtung von Relationswerten eigentlich zwei Stellen abgeben müsste, sollte sie eine von zwei Stellen behalten, damit es eine faire Verteilung im Vergleich zu anderen Standorten gibt. Das halte ich in der Tat für sachgerecht.

Deshalb, Herr Kollege Link, würde ich Ihnen empfehlen, sich den Gesamteffekt anzuschauen. Es hat immer Situationen gegeben – das war zu rot-grünen Zeiten so; dazu finden Sie Einzelbeispiele natürlich auch in schwarz-gelber Verantwortung bei fast 7.000 Schulstandorten landesweit in NordrheinWestfalen –, in denen temporär an der einen Schule jemand neu gesucht wird, während die andere Schule einen Überhang hatte, weil sich Schülerzahlen auch mal verschoben haben. Diesen Ausgleichsprozess, diesen Anpassungsmechanismus zwischen Schulstandorten gibt es immer mal. Für mich ist entscheidend: Wie sieht es unter dem Strich aus?

Wir haben den Sozialindex in einer Größenordnung von rund 1.000 Stellen bewusst als Kriterium angelegt, was wir bereits in der letzten Legislaturperiode eingefordert haben, was aber leider, Kollege Link, von Ihrer Fraktion zusammen mit den Stimmen der

grünen Linkspartei in diesem Landtag abgelehnt worden ist. Das haben wir in der Tat bedauert,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

zumal Sie in der Kinderkommission in dieser Legislaturperiode als SPD ausdrücklich unserem Vorschlag gefolgt sind, dieses von uns eingeführte Instrumentarium auch für die Zukunft als positiv und wünschenswert für Schulen und darüber hinaus auch für Kindertagesstätten festzuschreiben. Insofern danken wir Ihnen, dass Sie einräumen,

(Sören Link [SPD]: Darum streichen Sie da die Stellen! Das ist doch widersinnig!)

dass wir hier ein gutes Instrumentarium entwickelt haben, und möchten Sie ermuntern, unseren zukünftigen Haushaltsvorschlägen dann Ihre Zustimmung zu erteilen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank. – Durch die Zwischenfrage hat sich natürlich die Redezeit verdoppelt. Das muss man wissen, wenn man so etwas macht. – Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort. Herr Witzel hat die Chance genutzt. Das ist sein gutes Recht.

(Zurufe von der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben offensichtlich schönes Wetter. Es gibt keinen Nebel. Deswegen möchte ich ein paar wirklich gute Botschaften ins Land hinaustragen.

Meine Damen und Herren, die Lage der Schulen in Nordrhein-Westfalen ist so gut wie nie zuvor.

(Beifall von CDU und FDP)

Noch nie gab es so wenige Sitzenbleiber. Noch nie gab es so viele Aufsteiger. Noch nie gab es so viele Schüler, die ihr Abitur ansteuern und dann so gut abschneiden.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ehe Sie Ihre Augenbrauen hochziehen müssen, liebe Frau Beer: Alle Schulformen sind daran beteiligt. Noch nie gab es so viel Ganztag. Noch nie gab es so wenig Unterrichtsausfall. Nirgendwo in der Bundesrepublik sind Schulen unabhängiger als in Nordrhein-Westfalen. Nirgendwo in der Bundesrepublik sind Schulen so innovativ wie bei uns in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP)

Und die Zahl der Jugendlichen – und das ist eine Größe, die wichtig ist – ohne Schulabschluss sinkt. Da sind wir im Ländervergleich ganz oben. Nur noch Baden-Württemberg liegt vor uns. All das, was

ich Ihnen gesagt habe, ist nachzuweisen, ist zu überprüfen und ist damit unstrittig.

Meine Damen und Herren, das ist eine kleine Bilanz. Ich könnte das noch weiter ausführen. Ich tue es nicht. Aber es ist unsere Bilanz. Und wenn ich sage „unsere Bilanz“, dann meine ich an dieser Stelle auch die Zigtausend Lehrerinnen und Lehrer, die diese Bilanz erarbeitet haben und die die Ärmel hochgekrempelt haben. Vielen herzlichen Dank dafür!

(Beifall von CDU und FDP)

Gehen wir aber bitte mal auf die andere Seite! Ich nehme Sie mit. Wir haben heute schon verschiedentlich gehört, Frau Schäfer, Sie mussten – Sie haben das auch bestätigt – 16.000 Stellen streichen. Wenn man streicht und das veröffentlicht, dann bewerben sich auch keine Lehrerinnen und Lehrer, denn dann haben sie keine Zukunftsperspektive.

Gucken wir uns an, wie das ausgesehen hätte, wenn Sie noch weiter in dieser Streich- und NichtEinstellungsphase geblieben wären:

Es gäbe auf jede Lehrerstelle zwei Schüler mehr. Es gäbe immer noch 5 Millionen Stunden Unterrichtsausfall. Es gäbe mehr Wiederholer, weniger Durchlässigkeit. Denn wo bleibt die individuelle Förderung, wenn man keine Lehrer hat? Es gäbe keinen Englischunterricht. Es gäbe keine neuen gebundenen Ganztagsschulen. Es gäbe den Ganztag nur einseitig in der Gesamtschule. Es gäbe weniger kleine Grundschulen und Hauptschulen. Es gäbe keinen deutlichen Anstieg des gemeinsamen Unterrichts für Kinder, die es schwerer haben. Es gäbe keine zusätzlichen 75 Schulpsychologen im Landesdienst. Und es gäbe auch keine Schulverwaltungsassistenten zur Entlastung der Schulleitungen.

Meine Damen und Herren, diese Liste ließe sich fortsetzen. Ich darf Ihnen am Ende dieser Debatte sagen, meine Damen und Herren, Frau Schäfer, und Sie wissen es selbst: Diese 16.000 Lehrerstellen, die Sie hätten streichen müssen, die werden Sie nicht los. Die kleben an Ihnen wie Pech.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Wenn wir im Schuljahr 2010/2011, vorweisen können, dass wir über 8.000 Lehrerinnen und Lehrer „geschaffen“ haben, dann sind das mit den 16.000 24.000. Dann mache ich Ihnen noch einmal die Rechnung auf. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Sommer. – Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr.