Natürlich ist es schwierig, ein solches Thema in der Öffentlichkeit zu diskutieren, weil viel zu sehr mit Emotionen und nicht mit sachlichen Argumenten gearbeitet wird.
Für die Fraktion der CDU steht fest: Wir haben keinen Zweifel daran, dass unser Finanzminister Dr. Helmut Linssen hier und im Bundesrat wieder einmal den richtigen Weg in einer schwierigen Situation beschreiten wird. Besonnenes und umsichtiges Handeln sind nun einmal sein Markenzeichen.
Davon lenkt auch kein Vorwahlkampfpalaver der SPD ab. Als solches bewerten wir diesen Antrag. Wir werden ihn auch ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anders als bei einigen anderen heutige Anträgen der SPD geht es jetzt um ein Thema, das auch eine ernsthaftere Auseinandersetzung wert ist.
Im Zusammenhang mit dem Ankauf der Steuerdaten-CD aus der Schweiz kommt es in den letzten Wochen laut Berichterstattung in der Tat zu einer Anhäufung von Selbstanzeigen von Personen, die sich möglicherweise selber nicht sicher sind oder nun Ungemach befürchten.
Meine Damen und Herren, wir haben bei der hier im Parlament geführten Debatte um den Ankauf dieser Daten bereits schon einmal über die Frage der Selbstanzeige diskutiert. Dort wurde auch der Vergleich zur Kronzeugenregelung genannt.
Die Folge einer Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung ist, dass der Steuerzahler bzw. der Steuersünder – zu diesem Zeitpunkt ist er ja nur Steuerpflichtiger, aber offensichtlich nicht Steuerzahler – dann straffrei wird.
Ich komme gleich noch einmal darauf zurück, Herr Kollege. Ich habe in diesem Hause jedes Mal sehr deutlich gemacht – auch für die FDP-Fraktion –, dass Steuerhinterziehung ein krimineller Tatbestand ist.
Herr Kollege, ja, ich habe dagegen rechtsstaatliche Bedenken, und wenn man das nicht wahrhaben will, muss man es auch dabei lassen.
Wenn der Steuerpflichtige bei dieser Selbstanzeige vollständig aufklärt und die hinterzogenen bzw. verkürzten Steuern einschließlich Zinsen unverzüglich nachzahlt, kann diese Strafbefreiung eintreten.
Bei der Debatte, die wir jetzt im Parlament – ich sage noch einmal: zu Recht – führen, geht es in der Tat darum, ob durch eine solche Straffreiheit für die sich selbst anzeigenden Steuerhinterzieher letztlich der ehrliche Steuerzahler benachteiligt wird, ob dort also vielleicht der umgangssprachliche Ausdruck „Der Ehrliche ist der Dumme“ Geltung erlangt.
Diese Sichtweise ist auch zulässig. Man muss sich wirklich schon Gedanken darüber machen, ob es nur darum gehen darf, dass ansonsten verloren gehende Steuern, die der Staat für seine zahlreichen wichtigen Aufgaben benötigt, auf diese Art und Weise dann doch noch ihren Weg zum Fiskus finden. Letztlich ist das ein, wenn nicht der Grund, warum eine extra Vorschrift wie der § 371 der Abgabenordnung in Deutschland überhaupt geschaffen wurde und dass diese Regelung mit der Folge Straffreiheit den übrigen Regelungen des Strafrechts in gewisser Weise systemfremd gegenübersteht.
Neben den fiskalischen Gesichtspunkten gibt es aber auch andere Gründe, die bislang dafür sprachen und meines Erachtens auch nach wie vor dafür sprechen, im Steuerrecht eine Ausnahme von dem Grundsatz der Bestrafung bei dem Verstoß gegen ein Gesetz vorzusehen. Generell ist die Abgabenordnung geprägt von der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen an der Ermittlung steuerrechtlicher Sachverhalte. Es wäre den Finanzbehörden in einer Vielzahl der Fälle in keiner Weise möglich, Sachverhalte ohne die Mitwirkung der Steuerpflichtigen überhaupt in Erfahrung zu bringen. Und das gilt eben auch bei der Ermittlung von Steuerhinterziehung.
Deswegen ist hier auch eine in gewisser Weise nachträgliche Mitwirkung bei der Steuerfestsetzung auf jeden Fall mit einem anderen Auge zu sehen als eine solche im Fall einer Straftat, die von Amts wegen aufgeklärt werden müsste.
Ohne die strafbefreiende Selbstanzeige gäbe es in vielen Fällen keine Möglichkeiten, hinterzogene Steuern doch noch dem Staatshaushalt zuzuführen.
Auf die Amnestien ist gerade hingewiesen worden. Da teile ich die Bewertung, dass sich diese nicht bewährt haben, sondern letztlich zu viel problematischeren Abgrenzungsfragen geführt haben.
Dem gestellten Antrag werden wir heute nicht zustimmen. Ich möchte aber einen Punkt ergänzen und die Frage stellen, ob wir die Abgabenordnung nicht bezüglich der Hinterziehungszinsen anpassen müssten. Ob diese in der Höhe noch angemessen sind, da habe ich jedenfalls erhebliche Zweifel. Das sinnvolle und vertretbare Instrument der Selbstanzeige sollte nämlich nicht zu Steuerhinterziehung animieren. Und das ist sicherlich bei zu geringen Hinterziehungszinsen und Nachzahlungszinsen der Fall.
Deswegen werden wir eine notwendige und intensive Debatte führen, die wir gemeinsam zwischen Bund und Ländern zu führen haben und führen sollten. Die Debatte sollte aber nicht auf der Grundlage dieses auf die Schnelle erstellten Antrags, der noch dazu mit einem humoresken Titel versehen ist, geführt werden.
Ich darf dem Kollegen Peschkes herzlich für die gute Zusammenarbeit in den fünf Jahren danken. Er ist immer so charmant gewesen, sich niemals auf meine Füße zu stellen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er das bei irgendeinem anderen Kollegen getan hat. Aber in der Sache haben wir manchmal hart gerungen, konstruktiv gerungen. Ich habe Deine Meinung und Deine Einschätzung immer sehr wertgeschätzt. Alles, alles Liebe und Gute! Danke für die Zusammenarbeit! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Es wäre auch im Augenblick etwas schwierig, sich auf deine Schuhe zu stellen. Das kann man kaum schaffen im Augenblick. – Herr Kollege Groth, bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Theo Peschkes, ich bin sehr dankbar für diesen Antrag, der mit hohem moralischen Anspruch geschrieben ist und dessen Tenor ich durchaus zu teilen weiß. Es ist richtig: Es geht hier nicht um irgendetwas, nicht um ein Kavaliersdelikt. Deshalb habe ich auch wieder so entsetzt dazwischen gerufen, Frau Kollegin Freimuth. Sie haben vor 14 Tagen schon einmal versucht, die Steuerhinterzieher, die Straftäter sind, als Steuersünder zu bezeichnen. Das ist aus meiner Sicht eine Verharmlosung.
Das klingt fast so: Wir sind alle Sünderlein, haben dann auch noch das Zipfelmützchen auf, und das ist alles nicht so schlimm. – Nein, nein, ausdrücklich nein und noch mal nein. Hier geht es um Straftaten. Es ist kein Kavaliersdelikt. Zum Gemeinwesen gehört dazu, dass starke Schultern viel zu tragen haben. Starke Schultern müssen viel tragen, und schwache Schultern müssen entlastet sein. So ist das richtig.
Steuerhinterziehung geschieht oft mit Vorsatz. Die meisten derjenigen, die starke Schultern haben und Steuerhinterziehung begehen, ziehen sich ja nicht auf ihre ach so hohe Steuerbelastung und das ach so komplizierte Steuersystem und darauf zurück, sie hätten das alles nicht so richtig gewusst. Nein, meine Damen und Herren, Steuerhinterzieher sind die Regel – das zeigen die Ermittlungsergebnisse – vorsätzliche Straftäter.
Frau Kollegin, Sie können sich ja gleich noch einmal zu Wort melden, wenn Sie noch eine andere FDP-Sicht einbringen wollen. Wir Grüne jedenfalls sagen: Steuerhinterzieher sind vorsätzliche Straftä
Meine Damen und Herren, wer es zulässt, dass die öffentlichen Kassen nicht mit dem gefüllt werden, was nach Gesetzeslage da reingehört, der versündigt sich an den Aufgaben, die der Staat hat.
Von den Aufgaben auf Landesebene will ich nicht nur die Schulen und Hochschulen nennen, sondern auch die Finanzierung von Kindertagesstätten und so weiter bis hin zur Verkehrsinfrastruktur. Alles das leidet Not, weil unsere Kassen sich nicht so füllen, weil Steuerhinterziehung in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik an der Tagesordnung ist. Meine Damen und Herren, das muss sich ändern.
Ich konstatiere da eine gewisse Bewusstseinsspaltung. Wenn es darum geht, zu sagen, der Staat muss dies und jenes leisten, und zu fragen, warum der Staat das denn nicht leistet, sind alle dabei. Wenn es aber darum geht, in den kommunalen, den staatlichen, den Landessäckel oder den Bundessäckel zu zahlen, dann ergreifen viele die Flucht und versuchen, dem Ganzen zu entkommen. Das sind einige.
Der entscheidende Punkt ist: Man muss sie auch erwischen. Da kommen bei mir Zweifel auf, ob man diesen Antrag so unterstützen kann oder ob man nicht noch einmal einen Augenblick darüber nachdenken muss. Der Tenor ist richtig, Theo Peschkes. Ich freue mich, dass Du, wenn Du hier mit Deinem Sachverstand nicht mehr mitwirkst, demnächst wieder auf der anderen Seite, auf der praktischen Ebene mithelfen kannst, weil in den letzten fünf Jahren, als Du hier warst, die Finanzämter des Landes Nordrhein-Westfalen Not gelitten haben. Man hat deutlich gespürt, dass Deine Kompetenz dort nicht vorhanden war. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass Du den Weg zurück suchst und wir darauf wieder vertrauen können.
Entscheidend ist, meine Damen und Herren: Wir müssen sie auch erwischen. Dazu gehört – das ist der springende Punkt – eine Steuerverwaltung, die entsprechend ausgestattet ist mit dem entsprechenden Personal. Das haben wir in den letzten fünf Jahren auch vernachlässigt. Das Personal ist nicht ausgebaut worden, sondern abgebaut worden. Die Steuerprüfer, die Steuerfahnder – all das ist nicht aufgebaut, sondern abgebaut worden, auch im Übrigen durch PEM. Das führt dazu, dass diejenigen, die solche Straftaten begehen, sich ruhig schlafen legen können, mehr als früher, meine Damen und Herren. Das ist ein Problem, das wir haben.
Man muss einen Augenblick darüber nachdenken, ob eine gesetzliche Änderung Sinn macht. Ich glaube, wir sollten auch über das nachdenken, was in den USA und in Skandinavien passiert. Es ist sehr
überzeugend, dass man dort ein solches Steuergeheimnis, wie wir es hier kennen, überhaupt nicht kennt. Jeder weiß vom Nachbarn, was er an Steuern zahlt. Es ist alles öffentlich. Man kann die Steuerakten einsehen. Ich finde das richtig. Man muss das nicht verheimlichen.
Diese Öffentlichkeit und diese Transparenz werden dazu dienen, dass diejenigen, die starke Schultern haben, auch stolz darauf sein können, dass sie viel einzahlen. Wer Gewinne mit dem Lastwagen nach Hause fährt, der muss wenigstens mit der Schubkarre zum Finanzamt fahren und kann nicht sagen: Ich habe nichts für den öffentlichen Säckel übrig.
Meine Damen und Herren, es geht darum, über neue Formen der öffentlichen Kontrolle – wenn schon die Finanzämter nicht vernünftig ausgestattet sind; dazu wollen Sie vermutlich auch nicht zurückkommen – und der Transparenz nachzudenken. Ich glaube, dann könnte sich ein Vorschlag wie dieser, dass es Strafbefreiungen gibt, auch erübrigen.
Im Übrigen stimme ich völlig zu: Bei keiner anderen Straftat ist es so, dass jemand, der eine Straftat begangen hat, zum Staatsanwalt oder zur Polizei geht und sagt: Ich zeige mich jetzt an und habe Strafbefreiung. – Der Betrüger, der sich selbst anzeigt, der Räuber, der etwas gestohlen hat oder was auch immer man an Straftaten begehen kann – niemand wird von der Strafe befreit, sobald er sich selbst anzeigt. Das kann nicht richtig sein.
Jeder, der reuig ist, jeder, der sozusagen Wiedergutmachung betreibt, was man auch von Steuerstraftätern erwarten kann – Reue, Aufklärung, Wiedergutmachung –, der kann mit mildernden Umständen rechnen. Das ist bei anderen Straftätern auch so. Wir als Grüne sind bereit, über solche Formen nachzudenken.
Bei diesem Antrag enthalten wir uns heute. Aber dem Tenor und dem moralischen Anspruch nach unterstützen wir das sehr wohl. – Vielen Dank, Theo Peschkes, dass du es uns ermöglicht hast, das an dieser Stelle noch einmal zu sagen. Ich freue mich, nach der Parlamentszeit mit dir weiterhin in Kontakt zu bleiben. – Meine Damen und Herren, in diesem Sinne schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Finanzminister Dr. Linssen das Wort.