Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, ich bin natürlich sehr gespannt auf das, was Sie zu sagen haben. Offensichtlich muss ich mich aber noch ein bisschen gedulden – wenn Sie überhaupt vorhaben, in die Debatte einzugreifen. Bis dahin muss ich mich besonders an Frau Kollegin Freimuth wenden, denn ich würde gerne die aktuelle Finanzpolitik der Regierung und der sie tragenden Fraktionen aus dem Blickwinkel der Gemeinden und Kommunen beleuchten.

(Zuruf von der FDP: Och!)

Sie haben sich gerade mit einigen selektiven Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände ge

schmückt, die sich im Expertenhearing ausdrücklich auf den Nachtragshaushalt bezogen haben.

(Angela Freimuth [FDP]: Der ist ja Gegens- tand der Beratung!)

Sie haben immerhin zugegeben, dass die Auswirkungen auf die Kommunen im Nachtragshaushalt, der hier unmittelbarer Gegenstand der Beratung ist, relativ überschaubar sind. Ich nehme Sie beim Wort und gehe davon aus, dass Sie bei den Haushaltsplanberatungen für das nächste Jahr ebenso die Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände zitieren werden. Ich gebe Ihnen schon jetzt Brief und Siegel, dass die Bewertungen dann anders ausfallen werden und müssen. Denn man muss sich über diesen Nachtragshaushalt hinaus anschauen, was Sie in der Finanzpolitik insgesamt vorhaben. Dabei sind Sie, die Kolleginnen und Kollegen der CDU und besonders der Finanzminister, zu beobachten.

Der Verbundsatz soll immerhin bei 23 % bleiben. Das ist aus Sicht der SPD-Fraktion auch das Mindeste. Gemessen an dem, was Sie vorhaben, ist damit das Gute auch schon gesagt.

(Lachen von Gisela Walsken [SPD])

Denn was Sie im Windschatten dieser von Ihnen selbst gerühmten Großtat, den Verbundsatz gleich zu halten, vorhaben, hat durchaus dramatische Auswirkungen, die benannt und am Ende korrigiert werden müssen.

Sämtliche Zweckbestimmungen aus dem GFG werden in die Haushalte der Ressorts transferiert. Das ist Ihr Vorhaben, das der Finanzminister so zum Besten gegeben hat. Es hört sich harmlos an; aber was dann passiert, kann man sich leicht an einer Hand ausrechnen. Diese Mittel werden letztlich zum Spielball der Ressorts werden, zum Steinbruch, aus dem sich die Fachminister nach den restriktiven Top-down-Vorgaben des Finanzministers zulasten der Kommunen bedienen werden. Wenn ich ehrlich bin und mich hier umschaue – der Kommunalminister ist ja noch nicht einmal da –, kann ich im Kabinett niemanden erkennen, der sich am Ende diesen restriktiven TopDown-Vorgaben des Finanzministers entziehen kann.

(Beifall von der SPD – Zurufe von CDU und FDP)

Ich glaube nicht, dass es da jemanden gibt.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Das sagen ge- rade Sie, Herr Börschel!)

Ja, Herr Finanzminister, seien Sie doch nicht so aufgeregt darüber, über was wir hier reden und über was wir hier nicht reden.

(Zurufe von CDU und FDP)

Herr Finanzminister, ich habe Sie im Finanzausschuss ausgiebig angehört. Ich habe mitbekommen, dass Sie selbst derjenige sind, der von Anfang bis Ende jede noch so kleine Aktivität Ihres Hauses und von Ihnen persönlich als Großtat deklariert. Dann werden Sie doch sicherlich damit einverstanden sein, dass wir heute über Ihre Großtaten reden. Dazu gehört eben auch, dass Sie selbst die kommunalen Interessen zum Steinbruch Ihrer Finanzpolitik machen. Es muss gesagt werden, weil das dramatische Auswirkungen hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Noch spannender ist das – man muss ja immer den Blick nach vorne richten –, was sich am Rande, was sich neben dem GFG abspielt. Im Jahre 2005 – liebe Kolleginnen und Kollegen, das werden Sie wissen – sind etwa 5,1 Milliarden € an Zuweisungen für die Gemeinden veranschlagt. So weit, so gut! Wenn man aber den Finanzminister – dieses verlangt er von uns im HFA ja immer – beim Wort nimmt, dann sollen auch hier Kürzungen von etwa 20 % vorgenommen werden. 20 % von 5,1 Milliarden € etwa sind, summa summarum, nach Adam Riese gut 1 Milliarde €.

Das heißt: Sie, Herr Finanzminister, haben und geben vor, auf dem Rücken der Kommunen etwa 1 Milliarde € einzusparen. Was das bedeutet, haben wir heute Morgen in der ersten Aktuellen Stunde schon ausführlich diskutieren können. Es geht um den Landesjugendplan, um Jugendhilfeausgaben, Kindertagesstätten, Kürzungen bei der Stadterneuerung und -sanierung sowie Kürzungen bei der Investitionspauschale.

Hier ist Ihnen und insbesondere den Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP in der Tat Wortbruch vorzuhalten, weil Sie sich an Ihre Versprechen aus dem Wahlkampf und aus der Zeit danach nicht halten und die Wolkenkuckucksheime, die Sie aufgebaut haben, nicht einmal im Ansatz realisieren. Deswegen geht es gar nicht darum, ob wir hier konkrete Einsparvorschläge machen oder nicht, sondern es geht darum, dass Sie Ihre eigene, hoch gehängte Latte unterlaufen und nicht einmal im Ansatz überspringen und hier die Wählerinnen und Wähler und damit auch uns, dieses Parlament, für dumm verkaufen wollen.

Vor dem Hintergrund dieser beiden Analysen ist klar: Die Regierung Rüttgers steht auf der Liste der kommunalpolitischen Katastrophenszenarien

mittlerweile ganz oben. Das kommt auch vor Ort an.

(Zurufe von der FDP)

Entschuldigen Sie, regen Sie sich doch nicht so auf! – Die von Ihnen geführten Kommunen – da muss ich die FDP weniger angucken; davon gibt es ja zum Glück wenige, umso mehr aber die Kolleginnen und Kollegen von der CDU – werden mittlerweile extrem nervös und sagen: Meine Güte, was die Landesregierung mit Finanzminister Linssen plant, ist an Absurdität und letztlich an Dramatik für die Kommunen kaum zu überbieten.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Papke?

Mit Freuden.

Bitte, Herr Dr. Papke.

Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, dass wir unter diesem Tagesordnungspunkt über den Nachtragshaushalt debattieren? Sie haben bisher nur in Ansätzen zum Nachtragshaushalt gesprochen, sondern Sie reden über den Haushalt 2006. Ist Ihnen entgangen, worüber wir hier als Landtag Nordrhein-Westfalen debattieren?

(Beifall von der FDP)

Herr Kollege Papke, keineswegs. Ich habe mir aber angewöhnt, ist er zumindest in einem, was er sagt, beim Wort zu nehmen. Und der Finanzminister hat im Haushalts- und Finanzausschuss und auch hier immer wieder eingefordert, dass wir die Finanzpolitik der Landesregierung aus einem Guss zu behandeln haben und dass wir deswegen eine sehr umfassende Bewertung vornehmen müssen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nichts anderes tue ich hier. Das mag Ihnen vielleicht im Rahmen dieser Generaldebatte entgangen sein.

Was aber – damit komme ich schon zum Schluss; deswegen müssen Sie sich nicht weiter aufregen – dem Fass den Boden ausschlägt bei dem, was an Kürzungen in Höhe von 1 Milliarde € angedacht ist, sind Äußerungen wie: Na ja, ist alles nicht so schlimm. Die Kommunen können das, was ihnen wichtig ist, auf die eigene Payrole nehmen. Sie können aus den eigenen kommunalen Haushalten

diese gekürzten Summen auffangen und dann die Leistungen weiter erbringen.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Die Regierungs- bank ist leer!)

Sie wissen selbst, dass etwa 50 % der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im Haushaltssicherungskonzept sind oder der vorläufigen Haushaltssicherung unterliegen.

(Christof Rasche [FDP]: Warum denn wohl? Wegen der alten Landesregierung!)

Diesen Kommunen gegenüber, den Menschen in diesen Städten gegenüber ist es wie Hohn, wenn Sie solche Äußerungen machen und so tun, als könnte das alles mal so eben kommunal aufgefangen werden. Das ist eine kommunalpolitische Ahnungslosigkeit, die ich selbst von Ihnen nicht erwartet hätte und die hier beim Namen genannt werden muss.

(Beifall von der SPD)

Dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon gut ein halbes Jahr nach Amtsantritt so die Bodenhaftung verloren haben, dass Sie schon ein halbes Jahr nach Amtsantritt nur noch so wenig von dem wissen, was real in den Kommunen, Städten und Gemeinden vor sich geht, ist schon ein Unding. Das hätte ich selbst Ihnen nicht zugetraut. Dass Sie vor dem Hintergrund der eigenen Abgehobenheit eine Imagekampagne nötig haben, kann ich gut verstehen. Gut fürs Land ist das nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Börschel. – Herr Dr. Petersen von der CDUFraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat: Auf der Agenda stehen der zweite Nachtragshaushalt und nicht irgendwelche Planungen für das kommende Jahr.

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist doch auch Haushalt!)

Der zweite Nachtragshaushalt 2005 ist schlicht und einfach die Schlussbilanz und das Resultat rot-grüner Misswirtschaft der letzten Jahrzehnte, Herr Börschel.

(Beifall von CDU und FDP)

Er ist damit auch die Reifeprüfung des ehemaligen Ministerpräsidenten und des ehemaligen Fi

nanzministers, der an dieser Debatte nicht teilnimmt.

(Martin Börschel [SPD]: Legen Sie mal eine andere Platte auf!)

Er wird seine Gründe haben, warum er nicht im Saal ist.

(Zurufe von der SPD)