Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Als nächste Rednerin hat die Kollegin Schäfer für die Fraktion der SPD das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben Ihre Ausführungen mit der Mahnung an diese Runde eingeleitet, wir mögen keine Ideologiedebatten beginnen. – Herr Ministerpräsident, ich kann mich an eine Zeit erinnern, die vor dem 22. Mai lag, in der die CDU über Land gezogen ist und die Menschen aufgescheucht hat mit einer Diskussion über Einheitsschulen, die NordrheinWestfalen demnächst drohen würden. Sie haben die Debatte und diese Ängste geschürt. Sie haben sie ideologiebefrachtet.
Sie sollten, wenn es Ihnen mit dieser Mahnung Ernst ist, einmal zu der Bertelsmann-Stiftung gehen und sich mit den Fachkundigen vor Ort über Schulstrukturfragen unterhalten. Vielleicht laden Sie auch den Chef von McKinsey Deutschland ein, Herrn Kluge, der sich auch schon einmal in
dieser Art und Weise geäußert hat. Oder vielleicht sprechen Sie einmal mit der Handwerkskammer in Baden-Württemberg, da Sie die Südländer so gerne zitieren. Hier werden Sie viele Stimmen hören, dass man sich dieser Diskussion zumindest öffnen sollte.
Ich kann mich gut daran erinnern, als wir über Pisa-E 2003, den Ländervergleich, gesprochen haben. Als ich gesagt habe: Lassen Sie uns wenigstens tabulos diskutieren!, hatte ich – klatsch! – aus Ihrer CDU-Fraktion wieder die Einheitsbreidiskussion an der Backe. Mit anderen Worten: Sie sprechen hier Denkverbote aus. Damit blockieren Sie die Weiterentwicklung unseres Bildungssystems in Nordrhein-Westfalen.
Ich möchte einen weiteren wichtigen Punkt aufgreifen, der klar bleiben und nicht verwischt werden sollte: Sie sprechen immer davon, 1.000 Stellen zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls geschaffen zu haben. Wer hat denn nun Recht? Der Finanzminister, der uns gegenüber in einem Brief erklärt, dass diese 1.000 Stellen notwendig seien, weil es in verschiedenen Schulformen einen Anstieg der Schülerzahlen gegeben habe, oder die Schulministerin, die behauptet, diese seien zusätzlich, und zwar zur Bekämpfung von Unterrichtsausfall, geschaffen worden? Dies haben Sie noch immer nicht aufgeklärt.
Aber wir können uns die Statistiken angucken. Dann sehen wir, wie es ist. Wenn Sie über Land gehen und mit den Menschen sprechen, werden Sie hören: Bei uns ist nichts angekommen. Im Oberbergischen Kreis ist eine Stelle angekommen.
Über die Aussage „Rüttgerlinge“ werden Sie sich vielleicht auch noch einmal freuen. Mir ist nämlich bekannt geworden, dass diese 1.000 Stellen, die Sie vor der Bundestagswahl im Hauruckverfahren gegen den freien Willen der Schulen den Schulen zugewiesen haben, …
Ob Ihnen das gefällt oder nicht: Das von Ihnen gewählte Verfahren war für die Schulen nicht unbedingt das beste. Das haben Ihnen die Schulen auch mitgeteilt.
Nein, das tue ich nicht. – Ich möchte gerne noch einmal ausführen, dass sich die Schulen natürlich über die zusätzlichen Kräfte gefreut haben, aber sie hätten schon gerne die Lehrer eingestellt, die sie für die Mangelfächer an ihren jeweiligen Schulen gebraucht hätten. Insofern warten Sie erst einmal ab und nehmen jetzt den Mund bitte nicht so voll.
Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, den Herr Witzel erörtert hat: Herr Witzel, Sie sprechen von einer „bornierten Debatte“ um die Abschaffung der Schulbezirke. – Wissen Sie, wen Sie da abwatschen? – Die kommunalen Spitzenverbände, die Repräsentanten der Kommunen in NordrheinWestfalen. Denen geben Sie die Watschen, nicht uns.
Klar, dass wir uns streiten, aber Herr Rüttgers, Herr Ministerpräsident, erzählen Sie den CDUVertretern in Ihren Kommunen einmal, dass Herr Witzel diese Debatte als borniert bezeichnet hat. Da frage ich mich, wo die Borniertheit in diesem Hohen Hause sitzt. An der Stelle gucke ich Sie einfach mal an.
Ich habe die herzliche Bitte: Wenn Sie hier mit getragener Stimme darauf drängen, dass wir keine ideologiebefrachteten Diskussionen führen, dann machen Sie selbst erst einmal Ernst damit. Fangen Sie an, eine offene Diskussion in allen Fragen der Weiterentwicklung unseres Bildungssystems zuzulassen, und picken Sie sich nicht nur steinbruchartig das heraus, was in Ihre Ideologie passt, so wie Sie es jetzt tun.
Sie skizzieren Skandinavien. Sie sagen, was dort alles toll ist, aber über die Schulform in Skandinavien reden Sie nicht. Sie reden über SchleswigHolstein und kümmern sich um die Schulbezirke dort, aber dass die Schleswig-Holsteiner die Gemeinschaftsschule entwickeln wollen, darüber reden Sie nicht. Warum machen die das? – Das hat etwas mit Demographie zu tun.
Was machen Sie im neuen Schulgesetz, Stichwort: Verbundschule? – Die Möglichkeit, die wir den Kommunen mit Verbundschulen eröffnet haben, alle Schulformen zusammenzuführen, wenn sie es möchten, reduzieren Sie wieder auf Haupt- und Realschule und auf Haupt- und Gesamtschule. Sie minimieren die Verantwortung der Kommunen an der Stelle. Schauen Sie sich in Deutschland um und ziehen endlich die richtigen Konsequenzen.
Es ist in der Tat bemerkenswert, Herr Ministerpräsident, dass Sie immer in die Debatte eingreifen müssen. Frau Beer hat eine wunderbare Rede über den Titanic-Vergleich geschrieben, aber bei der Titanic stand jemand auf der Brücke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schäfer. – Als nächster Redner hat der Kollege Stahl für die Fraktion der CDU das Wort, auch noch einmal sechs Minuten. Da die Anzeige kaputt ist, kann es sein, dass ich mich dann räuspere.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei dem Schulgesetz, das wir vorhaben, dessen Eckpunkte wir heute beraten, handelt es sich zweifelsfrei um eine große Reform in dieser Legislaturperiode. Die Menschen, die Eltern, Schülerinnen und Schüler, junge Leute warten darauf, dass hier ein Reformwerk vom Stapel läuft, das die Situation in unserem Land, an unseren Schulen verbessert, das Zukunftschancen sichert für dieses Land und die jungen Menschen, die in diesem Land eine Perspektive suchen.
Der Ministerpräsident hat etwas getan, was man nicht muss, aber was man tun kann, wenn man die innere Größe hat.
Er hat Ihnen die Mitarbeit angeboten. Er hat Ihnen angeboten: Lasst uns über viele Dinge reden. – Wenn ich versuche zu gewichten, wie auf ein solches Angebot reagiert wird – es tut mir Leid –, waren das sehr, sehr kleine Münzen.
Ich kann mich nicht erinnern, dass der Ministerpräsident mit Ideologie agiert hat. Sie jedoch haben sich dann langatmig der Vergangenheit gewidmet.
Liebe Frau Löhrmann, Sie haben immer wieder darauf verwiesen, dass Sie in der Vergangenheit mit uns hätten sprechen wollen.
Nein, ich will Sie im Gegenteil noch einmal verstärkend einladen, will aber ganz kurz zurückblicken, weil Sie immer nur auf die Vergangenheit Bezug nehmen und fast nie auf die Zukunft.
Frau Löhrmann, hätten wir mit Ihnen über die Position des Schulleiters reden können? Hätten wir mit Ihnen über Weiterentwicklung im gegliederten Schulsystem sprechen können? Ist es wirklich so schief, Frau Schäfer, wenn wir mit dem Begriff Einheitsschule agiert haben? Haben Sie nicht die Einheitslehrerausbildung forciert? Haben Sie nicht die Einheitsaufsicht forciert? Haben Sie uns nicht ein Schulgesetz vorgelegt und in Kraft gesetzt, das ganz darauf angelegt war – eine leichte Übung –, die Differenziertheit der Schulformen aufzuheben und die Schulen zu einer Einheitsschule zusammenzufassen?
Wir haben vor der Wahl erklärt: Wir wollen starke Schulen. Wir wollen gegliederte Schulen. Wir wollen unser Land nach vorne bringen. – Genau das tun wir jetzt.
Meine Empfehlung – ganz ruhig – ist die: Erkennen Sie bitte an, dass in den vergangenen sechs Monaten eine Menge geschehen ist. Es gab zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer. Wir sind dabei, den Schulen, den Kommunen die Freiheit zu geben, die sie brauchen, damit sich Schulen vor Ort entfalten können. – Wenn Sie weiter Ihre Schlachten von gestern schlagen wollen, verehrte Damen von der Opposition, müssen Sie das tun. Das ist Ihr Job.
Bleiben Sie in Ihren alten Spuren! Das ist für uns eine gute Voraussetzung, die Wahlen in 2010 zu gewinnen, weil die Leute es leid sind, mit Ihnen in den alten Spuren weiterzulaufen. Wir bringen das Land nach vorne. Wenn Sie mitmachen wollen, sind Sie herzlich dazu eingeladen.
Vielen Dank, Herr Kollege Stahl. – Für die FDP-Fraktion liegt noch eine Wortmeldung der Kollegin Pieper-von Heiden vor.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Ministerpräsident hat es auf den Punkt gebracht: Wir dürfen keine Zeit damit verlieren zu diskutieren, wie das Schulsystem irgendwann einmal aussehen könnte.
Zu Ihrer Erinnerung: Die eine Schule für alle in Skandinavien, die Sie haben möchten, hat in jeder einzelnen Jahrgangsstufe sechs unterschiedliche Befähigungsgruppen. Wir haben im gegliederten Schulwesen drei Schulformen plus Gesamtschule.