Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Helle Köpfe sind unser wichtigstes Kapital. In unseren Schulen und Hochschulen entscheidet sich die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft zuallererst.

Die Weichen für eine nachhaltige Verbesserung unserer Schulen sind gestellt. Gemeinsam mit dem Schulministerium wird mein Haus im Frühjahr vorstellen, wie wir den Übergang zwischen Schule und Hochschule so gestalten können, dass den jungen Menschen in NordrheinWestfalen der Einstieg ins Studium besser gelingt.

Im Hochschulbereich haben wir ebenfalls seit der Regierungsübernahme bereits große Schritte gemacht. Wir haben den Hochschulen trotz schwierigster Haushaltslage eine tragfähige finanzielle Basis geschaffen und den Qualitätspakt gesichert.

Seit dem 1. Januar 2006 haben wir mit Einführung des Globalhaushaltes den Hochschulen die Möglichkeit eröffnet, durch Eigenbewirtschaftung die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel noch wirksamer einsetzen zu können.

(Zuruf von Dr. Michael Vesper [GRÜNE])

Wir haben zudem den Entwurf für ein Studienbeitragsgesetz vorgelegt, das einen Mentalitätswechsel im Verhältnis von Hochschulen und Studierenden einleitet.

(Zuruf von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD])

Die Hochschulen erhalten die Möglichkeit, jährlich zusätzlich bis zu rund 320 Millionen € einzunehmen. Die Hochschulen übernehmen aber zugleich die Verpflichtung, dieses Geld dafür einzusetzen, Studium und Lehre in den Naturwissenschaften genauso wie in den Kultur- und Gesellschaftswissenschaften nachhaltig zu verbessern. Die Studienbeiträge sind für die Hochschulen echte Zusatzeinnahmen. Der Zukunftspakt wird die kompensatorische Kürzung des Landeszuschusses für die laufende Legislaturperiode ausschließen. Der Gesetzentwurf soll Ihnen im März abschließend zur Beratung im Parlament vorliegen.

Nun bereiten wir den nächsten großen Schritt vor. Das geplante Hochschulfreiheitsgesetz ist ein Paradigmenwechsel im Verhältnis zwischen Staat und Hochschule. Das Kabinett hat inzwischen die Eckpunkte des Gesetzes beschlossen. Oberstes Ziel der Gesetzesinitiative ist es, die nordrheinwestfälischen Hochschulen noch leistungsfähiger und national wie international wettbewerbsfähiger zu machen.

Dazu wollen wir ein Höchstmaß an Gestaltungs- und Entfaltungsfreiheit geben. Hochschulen sollen künftig Vermögen bilden und eigene Einnahmen erwirtschaften können. Zur Nutzung und wirtschaftlichen Verwertung wissenschaftlicher Ergebnisse sollen sie Unternehmen gründen und sich an Unternehmen beteiligen können. Es soll für innovative Unternehmen leichter werden, auf dem Campus der Hochschulen gemeinsam finanzierte Forschungseinrichtungen und Labore zu unterhalten.

Unsere Hochschulen müssen besser, schneller und beweglicher werden können. Deshalb geben

wir ihnen das freiheitlichste Hochschulrecht in ganz Deutschland.

(Beifall von CDU und FDP)

Profilierungen und das Stärken ihrer Stärken fördern wir außerdem mit Instrumenten wie der leistungsbezogenen Mittelverteilung, die wir ausgebaut haben und weiterentwickeln werden. Künftig werden über eine halbe Milliarde Euro jährlich vom Land an die Hochschulen nach leistungsbezogenen Parametern vergeben.

Damit Neugier, Wissensdurst, Erkenntnisdrang und Erfindergeist bei uns wieder gedeihen können, machen wir Schluss mit der Ideologisierung der Forschungs- und Technologiepolitik.

(Beifall von CDU und FDP – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Das sagt der Richtige!)

Wir werden die Rahmenbedingungen gezielt so verändern, dass sie Forschung und Entwicklung, insbesondere auch der Firmen, wieder stimulieren statt strangulieren. Die Blockade wichtiger Technologiefelder durch Barrieren und Denkverbote werden wir abbauen, ob in der Energie- oder in der Biotechnologie.

(Beifall von der FDP)

Damit stellen wir uns der Verantwortung für die großen Probleme der globalen Welt: den Hunger besiegen, bisher untherapierbare Krankheiten heilen, das Wasserproblem lösen, ausreichend Energieversorgung für eine wachsende Menschheit garantieren. Unseren Beitrag dazu können wir nur leisten, wenn wir alle technologischen Optionen nüchtern in Betracht ziehen, ihre Risiken ausloten, aber auch ihre echten Chancen verfolgen.

Nehmen wir als Beispiel die moderne Biotechnologie, eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Blicken wir auf die grüne Gentechnologie. Sie bietet große Chancen, Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Für viele Millionen Menschen in den armen Ländern heißt dies: Sie bietet die Chance zu überleben.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Monsanto! Absoluter Quatsch!)

Wie gehen wir in Nordrhein-Westfalen bisher mit den Chancen dieser Zukunftstechnologie um? Wir verfügen über eine exzellente biotechnologische Grundlagenforschung. Doch das geltende Gentechnikrecht macht die Entwicklung neuer Produkte nahezu unmöglich. Unternehmen hierzulande können sich die Überregulierung und unkalkulierbare Haftungsrisiken nicht leisten. Sie stellen die

Entwicklung innovativer Produkte ein oder verlagern sie ins Ausland.

Das Gentechnikrecht, meine Damen und Herren, der alten Bundesregierung schadet dem Innovationsstandort und muss deshalb dringend geändert werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Scheuklappen ablegen und den Blick wieder öffnen müssen wir auch in der Energieforschung. Angesichts des weltweit steigenden Energieverbrauchs bedeutet eine verantwortungsvolle Politik, dass man keine bestehende Möglichkeit für eine sichere, wirtschaftliche, ökologisch vernünftige und ausreichende Energieversorgung vernachlässigen darf.

Natürlich brauchen wir zusätzliche Anstrengungen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Für den Standort Deutschland brauchen wir aber auch weiterhin eine starke Expertise auf den Gebieten der Sicherheit von Kernkraftwerksanlagen und Entsorgung, wie wir sie etwa in Aachen und Jülich haben.

Im internationalen Kontext tragen wir Verantwortung dafür, unsere Kompetenz für diejenigen Länder mit zur Verfügung zu stellen, die auch aus Klimaschutzerwägungen in Zukunft Kernenergie nutzen werden.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Iran zum Bei- spiel!)

Unter dem Eindruck des Klimawandels mehren sich in Europa die Stimmen für die Nutzung der Kernkraft zur Energiegewinnung. Das muss uns darin bestärken, unsere hohe wissenschaftliche und technologische Kompetenz zu sichern. Scheuklappen ablegen heißt also: Wir machen uns stark für Forschung und Entwicklung zu erneuerbaren Energien, Klimaschutz und modernster Kraftwerktechnik. Wir machen uns aber auch zugleich stark für den Erhalt unserer Kompetenz in der Kernforschung.

(Beifall von CDU und FDP)

Damit aus frisch entfalteter Kreativität tatsächlich wissenschaftliche Exzellenz und Innovationsvorsprung der Wirtschaft erwachsen, müssen wir unsere Kräfte bündeln. Was bedeutet das für die Innovationspolitik der Landesregierung? Bislang war die Förderlandschaft in Nordrhein-Westfalen unübersichtlich, die Förderinstrumente waren stumpf, die Förderprinzipien waren unklar. Was, warum, von wem, unter welchen Bedingungen gefördert wird, dass war für Forscher, Wissenschaftler und die Wirtschaft auch völlig undurchsichtig.

Die Vielzahl vermeintlicher Leuchttürme trägt mehr zur Verwirrung denn zur Orientierung bei. Das Gleiche gilt für die Vielzahl der geförderten Initiativen und Agenturen. Das heißt, meine Damen und Herren, wir müssen aufräumen, neue Klarheit schaffen, unsere Ressourcen zusammenführen und ein professionelles Standortmarketing betreiben.

(Beifall von CDU und FDP)

Exzellenz kann nur im Wettbewerb entstehen. Dazu taugt das Prinzip Gießkanne nicht. Wir schaffen es daher ab. Die Vergabe von Fördermitteln erfordert künftig strikt wettbewerblich unter Beteiligung von Experten aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Und wir werden die Instrumente so gestalten, dass wir unsere Mittel wirksamer einsetzen können.

Wo immer möglich, werden wir die pure Subvention in Anschubfinanzierung verwandeln. Das heißt, dass wir die Zuschussförderung weitgehend durch revolvierende Förderprogramme, Eigenkapital verstärkende Mezzanine-Finanzierungen und durch Eigenkapitalverstärkung im Gründerbereich ersetzen. Dazu entwickelt die NRW-Bank gemeinsam mit uns Programme, die wir im laufenden Jahr starten werden.

Die NRW-Bank wird uns auch dabei unterstützen, soweit möglich, private Beteiligungsfonds für die Finanzierung von Innovationsprojekten in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen. Diese neuen Ansätze brauchen wir dringend, denn auf vielen Feldern mangelt es in Nordrhein-Westfalen an hoch innovativen Start-ups mit nachhaltigem Unternehmenserfolg.

Für unser Land werden auch in der 2007 beginnenden Förderperiode Strukturhilfemittel der Europäischen Union im Umfang von rund 1 Milliarde € bereitstehen, sogenannte Ziel-2-Mittel. Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich die Absicht der Europäischen Union, diese Mittel zukünftig stärker zur Erreichung der Ziele des LissabonProzesses einzusetzen, und wird in der neuen Förderperiode einen wesentlichen Schwerpunkt im Bereich Innovation setzen.

Auch diese Mittel sollen, soweit möglich, nach dem Wettbewerbsprinzip vergeben werden. Strukturell benachteiligte Regionen des Landes wie das Ruhrgebiet bleiben auch weiterhin ein Schwerpunkt der EU-Förderung.

Projekte mit der größeren Hebelwirkung bei der Mobilisierung zusätzlicher privater Investitionen wollen wir den Vorrang geben. Wichtig für die europäische Vernetzung unserer Forschung sind zu

dem die EU-Forschungsrahmenprogramme. Wir unterstützen die Hochschulen, Forschungseinrichtungen und kleine und mittlere Unternehmen beim Einwerben von Mitteln. Wir beraten sie und koordinieren ihre Aktivitäten.

Fazit bis hierher: Wir brauchen zielgerichtete Instrumente der Forschungsförderung. Und wir müssen sie strikt an qualitätsorientierte wettbewerbliche Verfahren binden.

Wir brauchen zudem eine stärkere Konzentration auf Zukunftsfelder. Unabhängige Experten diagnostizieren das Festhalten an den Steinkohlesubventionen als den Faktor schlechthin, der dafür verantwortlich ist, dass das Ruhrgebiet in puncto Forschung und Innovation immer weiter zurückfällt. Sie bestätigen, dass wir beherzt umsteuern müssen. Die neue Landesregierung ist entschlossen, die Vergangenheit nicht durch Subventionen zu verlängern, sondern diese Mittel in Zukunftsinvestitionen umzuwandeln. Damit betreiben wir nachhaltigen Strukturwandel.

(Beifall von CDU und FDP)

Um Wachstum und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu erreichen, müssen wir unsere Förderung auf zukunftsorientierte Märkte konzentrieren. Wir wissen, dass die langen Konjunkturzyklen immer von Basisinnovationen ausgelöst werden, die Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend prägen und verändern.

Der letzte derart umwälzende Innovationsschub löste den Boom der Informationstechnik und des Computers aus. Noch vor gut zehn Jahren gab es nur 60.000 Internetanschlüsse in Deutschland, vorzugsweise bei Wissenschaftlern. Heute ist bereits jeder Zweite Deutsche online.

Wir müssen jetzt schon fragen: Was kommt danach? – Vieles deutet darauf hin, dass die großen Innovationsschübe von den Life-Sciences und den Nanowissenschaften ausgelöst werden.

Diese Zukunftsfelder für die Gesellschaft erschließen können nur Wissenschaft und Wirtschaft. Der Staat hat aber die Aufgabe, die Öffentlichkeit über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung, die Chancen und Risiken der Zukunftsfelder zu informieren. Außerdem muss er rechtzeitig die rechtlichen Rahmenbedingungen vorbereiten, damit wir Chancen auch nutzen können. Vor allem muss er die staatliche Förderung so ausrichten, dass sie sich auf diejenigen Wissensgebiete konzentriert, in denen die Basisinnovationen der nächsten Generationen stecken.

Der Erkenntnisfortschritt in den Lebenswissenschaften geschieht mit atemberaubendem Tempo.

Entsprechend hoch ist die Innovationsdynamik in den Anwendungsfeldern. Zugleich steigt die Nachfrage aus der Gesellschaft. Die demographische Entwicklung verstärkt die hohe Bedeutung der Life-Sciences und der Gesundheitswirtschaft. Auch die Wachstumspotenziale der Märkte für Nanotechnologien werden weltweit als besonders hoch eingeschätzt. Und wir müssen uns darauf einstellen, dass die wirklich innovativen Schübe heute aus der grenzüberschreitenden interdisziplinären Zusammenarbeit resultieren.

Dies hat auch für die Bereiche Konsequenzen, in denen unser Land traditionell stark ist: Chemie, Energie, Verkehr und Maschinenbau. Wir werden auch künftig auf diese Stärken setzen. Und wir müssen genau beobachten, wo sich hier neue Potenziale auftun. Dabei müssen wir diejenigen Bereiche stärker in den Focus nehmen, die eine besondere Dynamik entfalten: die innovativen Durchstarter, die vom Erkenntnisfortschritt besonders profitieren und ihn besonders gut in Markterfolg umsetzen können – sei es in der Medizintechnik, in der Biotechnologie oder auf dem Gebiet der neuen Werkstoffe.