Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Er wird von unabhängigen, wissenschaftlich ausgewiesenen Instituten erstellt. Damit sorgen wir für die notwendige Transparenz im Hinblick auf den Investitionsstandort und überprüfen regelmäßig unser politisches Handeln. Zudem erhalten wir wichtige Daten und Hinweise, wie wir unsere Innovationsstrategie fortschreiben müssen.

Die Landesregierung wird in dieser Legislaturperiode trotz des strikten Kurses der Haushaltskonsolidierung größte Anstrengungen unternehmen, die Ausgaben des Landes für Forschung und Entwicklung weiter zu erhöhen. Wir werden mit dem Zukunftspakt die Finanzierung der Hochschulen auf der Grundlage des Qualitätspaktes sichern. Zudem werden wir die Kofinanzierung für die EUStrukturföderung sicherstellen, ebenso die Kofinanzierung für die Vorhaben der Hochschulen, die sich im Exzellenzwettbewerb durchsetzen.

Wie es Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in seiner Regierungserklärung angekündigt hat, wird die Landesregierung zur nachhaltigen Förderung von Exzellenz in Wissenschaft und Forschung einen neuen landesweiten Innovationsfonds auflegen, der sich aus Privatisierungserlösen der nächsten Jahre speisen soll. Wir wollen ihn vorzugsweise dort einsetzen, wo Hochschulen und Forschungseinrichtungen des Landes auf besonders innovativen Gebieten arbeiten oder, gemeinsam mit der Wirtschaft, besonders nah an Problemlösungen forschen.

Trotz der dramatischen Haushaltslage werden wir die Ausgaben für die überregionalen Einrichtungen der Spitzenforschung in den nächsten Jahren um mindestens 3 % steigern, wie es vom Bund im Pakt für Forschung vorgesehen ist. Wir haben den festen Willen, darüber hinauszugehen, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind, wieder einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen.

Die Trendwende für den Innovationsstandort Nordrhein-Westfalen ist eine riesige Kraftanstrengung. Gemeinsam mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen werden wir den Forschungsstandort Nordrhein-Westfalen profilieren. Großunternehmen, den innovativen Mittelstand und die technologieorientierten Gründer werden wir durch bessere Rahmenbedingungen wieder als Partner für Innovation in unserem Land gewinnen.

Wir brauchen alle, die Studierenden wie die Betriebsratsvorsitzenden, die Gründungsunternehmerin wie den Vorstandsvorsitzenden, die Wissenschaftlerin wie den Laboranten und den Industriefacharbeiter, die Ingenieurin und den Ingenieur wie die Bürgermeisterin und den Landrat. Wir setzen auf ihre Erfahrungen, ihre Kompetenzen und ihre Begeisterung für unser Land. Wenn alle mitziehen, werden wir es schaffen. Dann werden wir es erreichen, dass Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2015 das Innovationsland Nummer eins ist. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Ich eröffne die Aussprache zur Regierungserklärung und erteile für die SPDFraktion Herrn Abgeordneten Eumann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt 43 lange, lange Minuten zugehört.

(Christian Lindner [FDP]: Nicht nur auf die Uhr gucken!)

Dabei haben wir zumindest eine Erkenntnis gewonnen: Das war eine echte FDP-Regierungserklärung. FDP – das ist in diesem Fall die Abkürzung für „fast drei Pressemitteilungen“, denn wirklich Neues war dem nicht zu entnehmen. Es waren die Pressemitteilungen von gestern, von der letzten Woche und von Anfang Januar. Es gab also nichts wirklich Neues. Wie gesagt, ein Teil kam über das Landespresseamt, und der andere, weitaus größere Teil, Herr Pinkwart, bringt Sie wirklich in Kollision mit dem Urheberrecht. Mit anderen Worten: Diese Regierungserklärung beschreibt vor allem eines: ihren rasanten Weg vom vermeintlichen Innovator zum Plagiator Nummer eins dieses Landes, Herr Pinkwart.

(Beifall von der SPD)

Diese Kunst allerdings beherrschen Sie gut. Ein paar Beispiele gefällig?

Sie sprechen von „Stärken stärken“. Im Konzept der Vorgängerin „Wissen aus NRW“ steht dazu: Profilierung nach dem Prinzip „Stärken stärken“. – Sie sprechen von leistungsbezogener Mittelvergabe. Im Hochschulkonzept NRW 2010 der Regierung Steinbrück geht es im Baustein 3 „mehr Anreize“ um die leistungsorientierte Mittelvergabe.

(Christian Lindner [FDP]: Wir haben das ver- doppelt!)

Sie sprechen von einer sehr viel intensiveren Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Im Forschungskonzept 2010 liest sich das so:

„Nordrhein-Westfalen wird die Verzahnung von universitärer mit außeruniversitärer Forschung weiter optimieren und mit der Forschung der Wirtschaft verbinden.“

Noch mehr Beispiele? Gerne! Diese sogenannte Regierungserklärung, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist voll von Plagiatsbeispielen. Ich zitiere: Wir brauchen zudem eine stärkere Konzentration auf Zukunftsfelder. – Als Beispiele nennen Sie: Lebenswissenschaften, Nanotechnologie, neue Werkstoffe.“

Ich empfehle Ihnen, Herr Pinkwart, diese Übersicht; da wird das noch deutlicher.

(Der Redner hält eine Zeitschrift hoch.)

Life-Sience, Energie- und Umwelttechnologie, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel, neue Medien, neue Materialien, Logistik und Verkehrssysteme – das ist das Konzept Ihrer Vorgängerin, das sind Ihre Schwerpunkte.

Herr Abgeordneter Eumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lindner?

Herr Lindner, bitte.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Eumann. Ich will Ihre philosophischen Betrachtungen nicht zu sehr stören. Ich habe trotzdem die Frage, ob Sie dem Landtag erläutern können, wie sich die leistungsbezogene Mittelvergabe unter der Regierung Rüttgers/Pinkwart im Unterschied zur Vorgängerregierung verändert hat.

Wir haben dem Minister eben 45 Minuten lang zugehört. Er hat dazu nichts gesagt. Ich glaube, Sie sollten das koalitionsintern klären, Herr Lindner. Zu Ihren Fähigkeiten zur Selbsthypnose komme ich gleich auch noch.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Die hat sich verdoppelt!)

Also: Sie haben fast alles abgeschrieben. Da ist es schon bemerkenswert, meine Damen und Herren, was bei Ihnen keine Rolle spielt – im Unterschied zu dem Manuskript, das Sie uns gestern kurz vor 9 Uhr zur Verfügung gestellt haben, ha

ben Sie es jetzt an einer Stelle noch kurz erwähnt, aber, ich meine, an der falschen Stelle –: Es ist eine totale Fehlanzeige bei den Geistes- und Kulturwissenschaften in Ihrem Konzept und übrigens auch eine totale Fehlanzeige beim Thema Logistik.

Ist das ein Abschreibfehler, meine Damen und Herren, oder steckt mehr dahinter? Letzteres ist zu befürchten. Geistes- und Kulturwissenschaften werfen ja keine unmittelbare Rendite ab. Das passt nicht in Ihr Konzept. Wir sagen: Das ist falsch. Es ist eine falsche Weichenstellung, die Sie da vornehmen. Auch hier gibt es Exzellenz, und auf diese sollte unsere Gesellschaft nicht verzichten.

(Beifall von der SPD)

Sie opfern die Geistes- und Kulturwissenschaften auf Ihrem neoliberalen Altar.

(Beifall von der SPD)

Das ist, weil Sie ja der FDP angehören, nicht wirklich verwunderlich. Verwunderlich ist es, dass diese Landesregierung es Ihnen hat durchgehen lassen.

(Zuruf: Was?)

Das gilt übrigens auch, meine Damen und Herren, für das Timing. Es gehört schon eine gehörige Portion Kaltschnäuzigkeit dazu, heute eine sogenannte Regierungserklärung zu halten und mit keinem Wort auf den Haushaltsentwurf, der den Landtag gestern erreicht hat, einzugehen. Mit keinem Wort!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

An Dreistigkeit nicht zu überbieten ist die Aussage, dass die Landesregierung größte Anstrengungen unternehmen werde – Zitat –, um die Ausgaben des Landes für Forschung und Entwicklung weiter zu erhöhen. – Herr Pinkwart, kennen Sie Ihren Entwurf nicht? Sie erhöhen nicht, Sie überrollen nicht. Sie kürzen um rund 36 Millionen €! Sie kürzen! Und kein Wort dazu von Ihnen! Kein Wort!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Bis gestern waren Sie ein Innovationsankündiger. Heute sind Sie ein Innovationskürzer. Das haben wir schwarz auf weiß. Sie kürzen beim Technologie- und Innovationsprogramm „Tip“ um 20 %. Das sind fast 6,3 Millionen €. Sie kürzen in der zusammengefassten Titelgruppe 63 und 64 um insgesamt 35 %. In Zahlen: 14,722 Millionen €!

Aber was verbirgt sich dahinter? Sind es die Programme, die den Vorgaben vielleicht nicht mehr entsprechen? Nein! Hinter den alten Titelgruppen 63 und 64 verbergen sich die Programme für Multimedia, für Informatik, für die Unterstützung des Bologna-Prozesses, für den Zielvereinbarungsprozess, für die strategische Forschungsförderung, für Existenzgründerprogramme, Pfau, und vieles mehr.

Nur zur Erinnerung, meine Damen und Herren – das Gedächtnis ist ja manchmal kurz –: 2004 stieg der Etat des Ministeriums um 1,3 %, 2005 um 1,4 %. Sie machen eine sogenannte Regierungserklärung – und Sie kürzen in Ihrem Etat!

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Mut zur Ungleichheit!)

Mit anderen Worten, Herr Minister Pinkwart: Sie sind genauso viel Innovationsminister, wie Jürgen Rüttgers einmal Zukunftsminister gewesen ist. Wenn das die Trendwende ist, dann geht das in die falsche Richtung. Anders formuliert: Kreativität freizusetzen heißt für Sie, Hochschulen und Studierende im Stich zu lassen. Kräfte bündeln bedeutet in Ihrer Politik, es wird gekürzt. Da, wo Innovationen stimuliert werden sollten, leiten Sie keine Trendwende ein, sondern marschieren in eine Sackgasse. Geistes- und Kulturwissenschaften spielen keine Rolle.

Dabei gibt es eine Menge guter Nachrichten. Gestern gab es gute Nachrichten für das Ruhrgebiet aus Brüssel. Die Emscher-Lippe-Region ist EUweit eine von vier Modellregionen für Brennstoffzellentechnik. – Das verkündet die Landesregierung stolz. Das ist in Ordnung. Sie hätten – darauf hinzuweisen wäre richtig gewesen – zu dem Projekt in der Publikation „Wissen aus NRW“ aus dem vergangenen Jahr nachlesen können. Es wurde unter der Verantwortung Ihrer Vorgängerin erarbeitet. Da konnte man schon lesen, dass der Bus als Shuttle bei der WM unterwegs sein wird. Eine hervorragende Gelegenheit, der Welt die Stärke NRWs und die Innovationsfähigkeit des Ruhrgebietes zu zeigen!

Und nochmals gute Nachrichten für das Ruhrgebiet: Gestern verkündeten Frau Thoben und Herr Pinkwart: In Dortmund entsteht ein neues MaxPlanck-Zentrum für Systembiologie. – Keine Frage: eine wichtige Bereicherung des Standortes Dortmund! Übrigens schon vor anderthalb Jahren konkret geplant, Herr Ministerpräsident! Das führt zusammen, was die Stadt Dortmund mit dem Dortmund-Projekt, mithilfe der EU-Ziel-2-Förderung und der bisherigen Kofinanzierung des Landes konsequent und erfolgreich auf den Weg ge

bracht. Es ist gut, dass Sie das weiter unterstützen. Es ist Exzellenz im Ruhrgebiet – eine Exzellenz, die entstanden ist durch die Anstrengung vieler und nicht durch die Gießkanne, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Es ist gut zu wissen, dass Gerhard Langemeyer, der Dortmunder Oberbürgermeister, in einer Stellungnahme an den Landtag festhält – ich zitiere –:

„In Europa gilt und galt der nordrhein-westfälische Maßnahmenansatz als vorbildlich, berücksichtigt er doch schon sehr frühzeitig die Ausrichtung auf die sogenannten Ziele von Lissabon und Göteborg.“

Es gibt viele, viele weitere Beispiele: ThyssenKrupp und das Dortmunder Oberflächenzentrum oder auch die von Ihnen angesprochene Zusammenarbeit von Eon mit der Aachener Hochschule. Aber da sind andere Weltunternehmen vorangegangen. Ich erinnere nur an Microsoft. Sie alle wissen und haben es auch zitiert: Aachen ist nicht aus dem Nichts entstanden. Es macht Sinn, sich dort als Unternehmen anzusiedeln.