Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

Nordrhein-Westfalen ist im Bereich von Industrie, Logistik und Handel auf den Umschlag in Antwerpen angewiesen, nicht nur Duisburg-Logport. Gerade das Logistikzentrum in Duisburg ist allerdings ein national und international bedeutendes Zentrum. Das ist sicherlich richtig. Von daher ist es auch richtig, dass auf der deutschen Seite der Endpunkt liegt.

Wenn wir Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich und sozial – es geht auch um Arbeitsplätze – weiter nach vorne bringen wollen, ist eine leistungsfähige Logistikinfrastruktur für den Gütertransport notwendig. Mindestens jedoch zeigen sich zwei Schwachstellen: Die hier diskutierte Verbindung Eiserner Rhein und die Schienenverbindung Betuwe-Linie haben Sie nicht angesprochen, Herr Jäger. Auch beim Ausbau der Betuwe-Linie hat die rot-grüne Landesregierung – Herr Dr. Horstmann, als ehemaligen Verkehrsminister beziehe ich Sie ausdrücklich ein – komplett versagt. Bis zum Grenzübergang Emmerich ist die Bahnlinie auf der niederländischen Seite ausgebaut. Für das wichtige Teilstück zwischen Emmerich und Duisburg befindet man sich noch in den Planungen.

Auch dieses Beispiel belegt, dass die SPD in all diesen wichtigen Verkehrsfragen zunächst einmal ihre Vergangenheit aufarbeiten sollte und sich dann den von ihr vernachlässigten Verkehrswegen zuwenden kann.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Verkehrsminister Oliver Wittke ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, das unter Einbezug des Den Haager Schiedsgerichtsurteils vom 24. Mai 2005 eine mögliche Trassenführung aufzeigt. Unsere Ansprüche an eine Schienentrasse Eiserner Rhein sind vielschichtig:

Erstens. Wir sind der Auffassung, dass eine einvernehmliche Verständigung zwischen Belgien, den Niederlanden, dem Bundesland NordrheinWestfalen und natürlich dem Bund auf eine gemeinsame Trasse erforderlich ist.

(Frank Sichau [SPD]: Eine Trasse ist vor- handen!)

Das ist interessant und sicherlich ein Punkt, der in diesem Zusammenhang mit geprüft werden kann. Allein diese Aussage macht deutlich, dass Sie sich mit diesem Thema nicht sachlich beschäftigt haben.

Zweitens. Unser Anspruch auf deutscher Seite ist, dass die Interessen der Wirtschaft und insbesondere der Logistikbranche berücksichtigt werden. Daneben hat natürlich die Bevölkerung einen Anspruch auf Schutz vor Lärmbelästigung und auf eine städtebaulich vertretbare Trassenführung.

Uns ist klar, dass der Wirtschafts- und Logistikstandort Nordrhein-Westfalen besser über den Schienenweg an das internationale Verkehrssystem angebunden werden muss.

Von dem in Auftrag gegebenen Gutachten erwarten wir Antworten auf das Wie. Die Frage ist, welche Streckenführung eine leistungsfähige, finanzierbare und gleichzeitig eine sozialverträglich und ökologisch tragfähige Schienenverbindung ermöglichen kann. Es muss die optimale Trasse gefunden werden. Dabei ist die Fokussierung auf nur eine Trasse, wie es gerade in Ihrem Zwischenruf deutlich wurde, falsch.

(Beifall von der CDU)

Auf der Grundlage des in Aussicht gestellten Gutachtens werden wir die Beratungen im Fachausschuss fortsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sahnen. – Für die Fraktion Bündnis

90/Die Grünen erteile ich dem Abgeordneten Keymis das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Sahnen, herzlichen Dank für Ihre Einlassungen bezüglich des Eisernen Rheins. Das Gleiche gilt für den Kollegen Jäger. Sie haben in Ihren Reden auf wesentliche Zusammenhänge hingewiesen.

Aber es gibt eine Unterscheidung im Akzent, die ich von Bedeutung finde. Mein Eindruck ist, dass wir hier ein Stück weit um des Kaisers Bart streiten, denn wir diskutieren über eine Situation, die wir nicht alleine bestimmen, sondern die im Wesentlichen davon bestimmt wird, was Niederländer und Belgier darüber denken und inwieweit sie bereit sind, künftig in dieses Projekt einzusteigen. Wir haben mit dem Schiedsgerichtsurteil vom 24. Mai 2005 deutliche Hinweise darauf, dass die beiden gewillt sind, sich zu einigen. Meines Wissens hat man sich bisher jedoch noch nicht geeinigt, insbesondere nicht mit Blick auf möglicherweise anfallende Kosten.

Ich will für uns Grüne deutlich sagen: Wir haben sowohl in den zehn Jahren unserer Regierungsbeteiligung als auch danach und davor immer erklärt, dass wir Güter auf die Schiene verlagern wollen und müssen. Es gibt dazu keine Alternative. Wir alle wissen, dass bis 2015 rund 60 % mehr Güterverkehr auf der Straße erwartet werden. Dazu müssen wir eine entsprechende logistische und verkehrliche Alternative schaffen.

Ich will auch deutlich machen, dass wir uns neben der Betuwe-Linie immer für eine zweite Linie aus dem Raum der ARA-Häfen, also Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam, ausgesprochen haben, weil wir der festen Überzeugung sind, dass es erstens wettbewerblich nötig ist, sich nicht von einem Hafen, sprich Rotterdam, abhängig zu machen,

(Beifall von der SPD)

und es zweitens sinnvoll ist, dass der Eiserne Rhein als auch historisch kürzeste Verbindung zwischen Antwerpen und Ruhrgebiet reaktiviert werden soll. Wir sehen allerdings die Problematik – auch dazu haben wir uns in verschiedenen Foren und Gesprächskreisen über die Jahre hinweg immer wieder Gedanken gemacht –, dass natürlich eine uralte Strecke, die schon lange nicht mehr benutzt wird, viele Probleme aufwirft.

Das bezieht sich unter anderem auf das Thema Lärm, auf die Frage, ob die Strecke in einem technischen Zustand ist, in dem eine moderne Güterverkehrsschienenstrecke zu sein hat, auf die

Elektrifizierung, auf die Ein- oder Zweigleisigkeit usw. Es ist also ein sehr kompliziertes Gemenge, über das wir uns politisch auseinander zu setzen haben.

Es gab immer wieder verschiedene Vereinbarungen zwischen verschiedenen Verkehrsministern. Ich halte es, Herr Kollege Sahnen, vor dem Hintergrund der letzten Jahre nicht für redlich, zu behaupten, in diesem Bereich sei auf deutscher Seite nichts getan worden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zurufe von der CDU)

Natürlich hat sich auch die rot-grüne Landesregierung immer bemüht, diese Strecke im politischen Dialog zu halten und sich dafür einzusetzen, dass sie realisiert wird. Ich möchte gerne aus einem Vermerk der rot-grünen Landesregierung, und zwar aus dem Verkehrsministerium, aus dem Jahre 2001 zitieren:

„Die Landesregierung hat sich in ihrer Stellungnahme zur Startnotiz Eiserner Rhein vom November 1999 nicht auf eine Führung festgelegt und hält eine Abnahme des Güterverkehrs sowohl in Dalheim wie auch über Venlo (sowohl im Süden als auch im Norden an der A 67, A 40) für vorstellbar.“

Das ist für mich ein wichtiger Satz, weil die Debatte, solange sie nicht in eine Zielrichtung führt, die uns zwingt, an einer bestimmten Stelle abzunehmen, natürlich bei uns ein Stück weit offener geführt werden kann, als das – das ist meine Kritik an dem Antrag der SPD – die Eilbedürftigkeit, die Sie in dem Antrag implizit verbreiten, Glauben machen will. Ich meine nicht, dass wir so eilig handeln müssen, bevor nicht auch die anderen ein wenig gezeigt haben, wohin die Reise aus ihrer Sicht gehen soll.

Gleichwohl sage ich ganz offen – wir haben das bei uns sehr differenziert diskutiert –: Es ist ein TEN-Projekt, also ein Projekt, das von Europa gefördert werden soll. Die Gefahr, auf die der Kollege Horstmann im Rahmen der Aktuellen Viertelstunde in der letzten Ausschusssitzung hingewiesen hat, dass solche Projekte aufgrund von Sparsamkeitszwängen in Europa wieder in die Diskussion geraten sind, ist gegeben. Deshalb muss – das versucht ja auch der Minister – gehandelt werden.

Gehandelt werden muss aber meines Erachtens so, dass insbesondere die Menschen, die künftig entlang dieser Trasse leben müssen, mit dieser Trasse leben können. Deshalb ist für uns Grüne eine entscheidende Bedingung der, wie es bei der

Betuwelijn schon formuliert worden ist, vorlaufende Lärmschutz.

(Beifall von der SPD)

Es gibt aus meiner Sicht keine Alternative für die Menschen – es handelt sich um viele Tausende –, die entlang dieser Trasse leben müssen, wenn es künftig verstärkt Verkehre gibt. Das ist sicher eine der entscheidenden Bedingungen.

Auch eine zweite Kritik muss ich in Ihre Richtung, Herr Minister, loswerden. Es ist für uns erkennbar, dass Sie auf der einen Seite – aus meiner Sicht zu Recht – den Lärmschutz für die Menschen in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen stellen und sagen: Da müssen wir einfach noch einmal schauen. – Das kann man tun. Auf der anderen Seite legen Sie diese Empfindlichkeit gegenüber den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in anderen Bereichen, die wir hier diskutieren – ich erinnere an den Lärm durch Luftverkehr –, nicht an den Tag. Da gleichen Sie leider Ihrem Vorgänger. Zu diesem Thema haben wir Grüne offenbar eine Position, die konsequenter den Blick auf den Schutz der Menschen richtet, als das bei Ihnen – an vielen Stellen erkennbar – bisher der Fall ist.

(Lachen von der FDP)

Ich würde nicht so laut darüber lachen, weil ein Teil dessen, was Sie in Ihrem Entschließungsantrag geäußert haben, in diese Richtung geht. Ich freue mich immer, wenn CDU und FDP Worte wie „ökologisch“ und „Menschenschutz“ in Ihre Anträge schreiben.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE] und Christof Rasche [FDP])

Damit hat auch die SPD beizeiten angefangen. Wir Grüne tun das schon immer. In dem Sinne hoffe ich, dass wir zu einer konstruktiven Debatte über die beiden Anträge kommen und anschließend zu einer Aktivierung des Eisernen Rheins über welche Strecke auch immer.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Keymis. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Rasche. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Keymis, ich möchte zwei Ansätze aus Ihrer Rede ansprechen: zum Ersten das Thema Ökologie.

Natürlich interessiert die Ökologie auch in der SPD, in der CDU und in der FDP.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Bei Ihnen nicht!)

Wir nehmen auch eine vernünftige Abwägung mit allen anderen Interessen des Landes vor.

(Beifall von der CDU)

Nur: Der Unterschied liegt darin, dass bei Ihnen die Ökologie bei der Abwägung oben stand und bei uns anderen auf einer Stufe mit anderen Interessen rangiert. Das war Ihr Fehler, und darunter hat Nordrhein-Westfalen gelitten.

Zum Zweiten hat Herr Keymis gesagt: Es bestehen noch zahlreiche Fragen, unter anderem beim Lärmschutz und der Elektrifizierung. Sie waren der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, also einer Fraktion, die Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit regiert hat. Wenn Sie sich mit diesen Fragen noch nicht beschäftigt und noch keine Antworten erarbeitet haben, stimmt der Vorwurf von Herrn Sahnen, dass sich die frühere Regierung mit dem Thema „Eiserner Rhein“ nicht ausgiebig beschäftigt hat. Sie haben es einfach schluren lassen; das haben Sie gerade selber bewiesen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, ich komme auf das eigentliche Thema zurück und gehe auf die Historie des Eisernen Rheins ein, ursprünglich im 19. Jahrhundert als Hinterlandverbindung zwischen Antwerpen und Ruhrgebiet gebaut, bis zum Ersten Weltkrieg sehr intensiv genutzt, danach nur noch sehr eingeschränkt. 1991 wurde der Güterverkehr ganz eingestellt. Zwischen Roermond und der Bundesgrenze liegt die Strecke still, wird aber nach wie vor unterhalten. Zwischen Dalheim und Mönchengladbach findet heute Personenverkehr mit etwa 30 Zügen pro Tag statt.

Herr Rasche, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Keymis, der auf dem Platz von Herrn Remmel sitzt? Die Zeit rechnen wir Ihnen nicht an.

Christof Rasche (FDP)*): Ich würde mich über eine Frage von Herrn Remmel freuen, freue mich aber auch über eine von Herrn Keymis.