Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

Bei aller Notwendigkeit einer Güterzugstrecke zwischen dem Hafen Antwerpen und dem RheinRuhr-Gebiet dürfen wesentliche Schwierigkeiten bei der Reaktivierung der historischen Trasse auf deutscher Seite, zwischen Dalheim und Mönchengladbach, nicht außer Acht gelassen werden.

Herr Minister, ich versuche es noch einmal: Möchten Sie Frau Abgeordnete Kraft eine Frage stellen lassen?

Nein, ich möchte im Zusammenhang vortragen. Vielen Dank.

Sie möchten es nicht. Bitte schön.

Die Wiederinbetriebnahme stellt uns sowohl vor verkehrstechnische und verkehrsökonomische als auch vor ökologische Herausforderungen. Der Streckenabschnitt ist, wie gerade schon dargelegt, eingleisig, nicht elektrifiziert und aus dem vorletzten Jahrhundert. Das entspricht nicht den Anforderungen, die heute an einen modernen Güterzugbetrieb gestellt werden.

Aus diesen – kurz gefassten – Gründen lasse ich derzeit überprüfen, ob es eine andere und bessere Lösung gibt, die den Notwendigkeiten einer grenzüberschreitenden Anbindung Genüge tut. Das wäre übrigens schon eine Aufgabe der Vorgängerregierung gewesen – wenn sie denn ihre Aufgabe wahrgenommen hätte.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die im Jahr 2001 durchgeführten Untersuchungen erstrecken sich nur auf die Folgewirkungen der Wiederinbetriebnahme der historischen Trasse zwischen Dalheim und Mönchengladbach. Alternativen und Varianten hinsichtlich der Streckenführung sind dabei nicht oder nur unzureichend untersucht worden. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auf deutscher Seite eine fundierte Grundlage für eine ausreichende Bewertung des Eisernen Rheins fehlt. Diese Grundlage möchte ich vor weiteren Festlegungen hinsichtlich der Trassenführung erarbeiten lassen.

Mit dem Plenarantrag soll die Landesregierung zu weiteren, der Reaktivierung des eisernen Rheins dienenden Maßnahmen und zur Durchführung einer erneuten Hafenkonferenz aufgefordert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dieser Aufforderung bedarf es nun wirklich nicht. Die neue Landesregierung setzt die Gespräche mit Belgien und den Niederlanden über den Eisernen Rhein unbeschadet der Zuständigkeit der Bundesregierung für dieses trilaterale Vorhaben fort.

Nur beispielhaft möchte ich darauf hinweisen, dass ich persönlich Gespräche mit der niederländischen Verkehrsministerin, Frau Peijs, geführt habe, zuletzt im vergangenen November. Auch in dem bevorstehenden Treffen von Ministerpräsident Dr. Rüttgers mit dem flämischen Ministerprä

sidenten Leterme und mit dem belgischen Ministerpräsident Verhofstadt wird der Eiserne Rhein selbstverständlich auf der Tagesordnung stehen und thematisiert werden.

Für uns ist es selbstverständlich, dass wir über unsere Vorstellungen zu alternativen Streckenführungen auf deutscher Seite intensiv und vertrauensvoll mit unseren Nachbarländern sprechen und mit diesen und der Bundesregierung nach einer gemeinsamen Lösung suchen werden.

Herr Jäger, es ist nicht richtig, was Sie gesagt haben, dass jetzt auf belgischer und holländischer Seite alles geklärt und alles in bester Ordnung ist. Das Gegenteil ist der Fall. Sie wissen selbst, wie intensiv in Belgien und in den Niederlanden über eine Trassierung gesprochen wird, über die Aufteilung der notwendigen Finanzmittel

(Ralf Jäger [SPD]: Lassen Sie eine Zwi- schenfrage zu?)

in dreistelliger Millionenhöhe gestritten wird. Bis zum heutigen Tage hat weder die niederländische noch die belgische Regierung in irgendeinem Infrastrukturplan oder in irgendeinem Haushaltsplan auch nur einen Euro für eine Reaktivierung des Eisernen Rheins eingestellt. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt gemeinsam weiterkommen.

Eine erneute den Hinterlandverbindungen zu den Nordseehäfen und zu den ARA-Häfen gewidmete Hafenkonferenz hält deshalb die Landesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für erforderlich. Eine derartige Konferenz würde voraussichtlich zwar die Notwendigkeit einer attraktiven und leistungsfähigen Schienengüterstrecke zwischen dem Hafen Antwerpen und dem Rhein-RuhrGebiet bekräftigen; die Probleme der Trassenführung aber beileibe nicht lösen.

Lieber Kollege Jäger, lassen Sie mich eine Bemerkung zum Schluss machen – weil Sie in diesen Wochen eine durchsichtige Kampagne zu reiten versuchen. Mehr als Ihre Reden und mehr als Ihre Anträge auf dem Papier hilft dem Ruhrgebiet aktives Handeln dieser Landesregierung. Mehr als dieser Antrag, den Sie heute stellen, hilft beispielsweise dem Ruhrgebiet, dass endlich durch das Zutun von Frau Wirtschaftsministerin Thoben eine leistungsfähige Pipeline-Anbindung des Chemiestandortes Ruhrgebiet an Antwerpen und Rotterdam gebaut wird. Das hilft dem Ruhrgebiet.

Dem Ruhrgebiet hilft, dass es durch Verhandlungen mit dem Bund und die Zertifikatszuteilung gelungen ist, Kraftwerkinvestitionen in Milliardenhöhe zu reaktivieren. Das hilft dem Ruhrgebiet, nicht Ihre Papiere. Dem Ruhrgebiet hilft beispielsweise,

dass wir es gemeinsam mit der Europäischen Union hinbekommen haben, im nördlichen Emscher-Lippe-Raum ein Kompetenzzentrum für Wasserstoffentwicklung errichten zu können.

Das sind tatsächliche Fakten, die dem Ruhrgebiet helfen – nicht Ihre Anträge, nicht Ihre Papiere und erst recht nicht irgendwelche Wolkenkuckucksheime, auf die Sie in der Vergangenheit im Ruhrgebiet gesetzt haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Dr. Horstmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser ersten Rederunde ist es vielleicht ganz sinnvoll, zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen, womit die Regierungsfraktionen von CDU und FDP hier heute aufwarten. Sie bitten den Landtag, die Landesregierung aufzufordern zu prüfen, ob es eine andere und bessere Lösung als die historische Trasse des Eisernen Rheins gibt, um eine tragfähige verkehrsökonomische und technisch leistungsfähige, ökologisch vertretbare und anwohnerfreundliche Schienenverbindung zwischen dem Rhein-Ruhrgebiet und dem Hafen Antwerpen sicherzustellen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Sind Sie jetzt Dieter Thomas Heck?)

Wer hier einen solch nassforschen Auftritt hinlegt, Herr Minister Wittke, und nichts anderes zu bieten hat als dies, der erzeugt den größtmöglichsten Widerspruch bei jedem, der ihm zuhört.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Herr Kollege Weisbrich, was Sie hier heute präsentieren, ist vielleicht Ausdruck des regierungsamtlichen Zusammenraufens zweier Fraktionen; aber es ist wahrlich kein Ausweis von Regierungskunst.

(Beifall von der SPD)

So, wie Sie das hier tun, kann man strategische Interessen Nordrhein-Westfalens nicht wahrnehmen. In Wahrheit wissen Sie das auch.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Um das für den Wirtschaftspolitiker hinzuzufügen: Das ist nicht Vorfahrt für Arbeit, für die Sie antreten wollten. Das ist eher Ausdruck des Gefühls:

Wieso? Im Kreisverkehr herrscht doch auch Bewegung, Herr Kollege Weisbrich. Mehr nicht!

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie das ernst meinen, was hier steht, dann kann ich Ihnen nur sagen: Es spricht so viel gegen die Möglichkeit, mit einer Suche nach einer Alternative Erfolg zu haben, dass es schon gewagt ist, es überhaupt zu versuchen, erst recht aber waghalsig ist, bevor eine solche Prüfung beginnt, den Eisernen Rhein auf der historischen Trasse zur Disposition zu stellen.

(Beifall von der SPD)

Außerdem, Herr Kollege Ellerbrock: Das mit den 39 Jahren kein Eiserner Rhein stimmt ja gar nicht. Der Güterverkehr ist erst 1991 aufgegeben worden, übrigens wegen einer falsch angelegten Verkehrspolitik unter Helmut Kohl, die dazu geführt hat, dass immer mehr Güter von der Schiene auf die Straße verlagert worden sind, Herr Kollege Ellerbrock.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP)

Lassen Sie mich das auch noch sagen: Dass wir so weit gekommen sind, ist das Ergebnis jahrelanger Bemühungen einer rot-grünen Bundesregierung und einer rot-grünen Landesregierung, mit Vereinbarungen, die schon von Herrn Clement getroffen worden sind, von unzähligen Gesprächen mit der niederländischen Regierung, der erfolgreichen Anstrengung, dass der Eiserne Rhein Bestandteil der transeuropäischen Verkehrsnetze geworden ist. Wir haben die Erwartung, dass dafür auch europäische Mittel zur Verfügung stehen.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Horstmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte jetzt keine Zwischenfrage zulassen.

Keine Zwischenfrage, gut.

Herr Weisbrich, noch ein ganz anderes Argument, weil Sie von dem Schiedsgerichtsurteil zwischen den Niederlanden und Belgien gesprochen haben, das das Europäische Schiedsgericht getroffen hat. Es hat Belgien am 24. Mai 2005 endlich ein Durchfahrungsrecht in den Niederlanden gestattet, aber auch nur – und nur! – auf der historischen Trasse, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Auch das muss man sehen. Das setzt Zwangspunkte für den Verlauf der Strecke auf der deutschen Seite.

Übrigens: Der Wettbewerb zwischen Straße und Schiene im Güterverkehr besteht noch immer. Und ich sage Ihnen voraus: Sie werden mit einer solchen Hinterlandanbindung Nordrhein-Westfalens nach Antwerpen nur erfolgreich sein, wenn Sie den kürzesten Weg von Duisburg nach Antwerpen suchen und nicht irgendwoher fahren.

(Beifall von der SPD)

Auch das spricht für diese historische Trasse.

Wer sich schließlich über Alternativen unterhält, wird feststellen: Jede andere Lösung wird teurer sein. Natürlich mag man sich darüber unterhalten, dass nicht alles bereits befahrbar ist. Selbstverständlich ist es das nicht, weil eingleisig und zum Teil nicht elektrifiziert. Aber jede andere Lösung wird teurer sein. Sie wird vor allen Dingen sehr viel länger dauern. Dies vor dem Hintergrund, Herr Minister Breuer, dass nach dem EU-Gipfel vom Dezember 2005 die vorgesehenen 20 Milliarden € für die transeuropäischen Netze nicht zur Verfügung stehen werden, sondern das Europäische Parlament jetzt mit der Europäischen Kommission eine Debatte darüber beginnt, wie man mit den noch verbleibenden 7 Milliarden € auskommt.

Mit anderen Worten: Brüssel ist auf der Suche nach Projekten, die man aus dem Katalog der TEN-Maßnahmen herausstreichen kann. Ich frage Sie als Europaminister einmal: Halten Sie es in einer solchen Situation für taktisch klug, wenn ausgerechnet Nordrhein-Westfalen, die wichtigste Industrieregion Westeuropas, dieses Projekt infrage stellt? Ich sage Ihnen: Das ist keine Interessenvertretung des Landes.

(Beifall von der SPD)