Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Viele Beiträge – eigentlich die meisten – haben sich heute mit der Vergangenheit beschäftigt: Was war wann, und wer hat wo? Meine Damen und Herren, wir sollten uns um die Zukunft kümmern. In einigen Redebeiträgen wurde gesagt: …

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende, deswegen hat Ihre Rede jetzt auch keine Zukunft mehr.

Ich komme sofort zum Ende!

… Wir können nicht allein entscheiden. – Das stimmt, meine Damen und Herren, aber wir kön

nen entscheiden, ob wir Motor oder Bremser bei diesem Vorgang sind. Wir sollten in NordrheinWestfalen im Gegensatz zu früher dazu beitragen, dass wir Motor bei dieser Infrastrukturmaßnahme sind und nicht weiter bremsen. – Vielen Dank. – Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren, liegen nicht vor. Deswegen schließe ich die Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/1107 einschließlich des Entschließungsantrags Drucksache 14/1165 an den Ausschuss für Bauen und Verkehr – federführend – und an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dieser Überweisungsempfehlung zu? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Das ist einstimmig beschlossen.

Wir kommen zu:

3 Keine Aushöhlung der Rechte von Stadt- und Gemeinderäten

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/1114

Ich eröffne die Beratung. Als erster Redner hat als Vertreter der antragstellenden Fraktion Herr Abgeordneter Becker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Befürchtung bei all denen, die Innenminister Wolf vor seinem Amtsantritt kannten und beobachtet hatten, war groß – offensichtlich so groß, dass er als einziger einen Parlamentarischen Staatssekretär, nämlich Herrn Palmen, hinzu bekam.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Wolf unter Palmen!)

Wolf unter Palmen, Herr Kollege; so ist es. Heute steht fest: Auch das hat nichts genützt. Kommunalfreundlich, wie in Oppositionszeiten von CDU und FDP angekündigt, ist diese Partei, diese Regierung nicht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Die bisher bekannt gewordenen Änderungsabsichten

sind in ihrer wesentlichen Substanz, was die Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, das Recht der Räte angeht, kommunalfeindlich. Statt ruhig zu arbeiten, wurde der Sommer 2005 nicht nur, aber auch von Herrn Wolf mit allen möglichen Ankündigungen gefüllt, so auch mit der Ankündigung vor dem Präsidium des nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebundes, in Kürze mit Vorstellungen zur Änderung der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens in einer ersten Tranche präsent zu sein, sie den Spitzenverbänden vorzulegen und sodann im Parlament im letzten Jahr schon zur Verabschiedung vorzulegen.

Meine Damen und Herren, „Reform der Gemeindeordnung“ hört sich gut an. In der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen gibt es tatsächlich einiges zu reformieren. Ich denke dabei zum Beispiel an die unsäglichen Vorgänge in Düsseldorf rund um das dortige Bürgerbegehren, an die CDU- und FDP-Mehrheit und Bürgermeister Erwin. Dort hat man ein dem Grunde nach erfolgreiches Bürgerbegehren einfach ausgehebelt. An solche Sachen hätten Sie herangehen sollen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Dr. Robert Orth [FDP]: Blödsinn!)

Was machen Sie? – Seit der Jahreswende wird ein Versuchsballon nach dem anderen gestartet. Es wird ständig ausprobiert, welcher Widerstand in der kommunalpolitischen Szene gegen die Änderungen, die Einschränkungen in § 107 zur wirtschaftlichen Betätigung und auch gegen die Bürgermeisterdirektwahl und die Entkopplung der Amtszeit noch da ist.

Meine Damen und Herren, wer sich die Presse genau ansieht, erkennt: Der Widerstand ist da. Er ist insbesondere bei Ihren eigenen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern vorhanden. Unter anderem haben zuletzt die „Westfälischen Nachrichten“ vom 21. Januar darüber berichtet, dass die GO-Reform, sowohl was die Bürgermeisterwahl, was die Einschränkung der Ratsrechte, aber auch was die Einschränkung bei § 107 angeht, ganz wesentlich kritisiert wird.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, dort wurde ausgeführt – das ist wohl der Grund dafür, dass wir bis heute keine konkreten Vorschläge von Ihnen haben –, dass die GO-Reform, anstatt wie ursprünglich in Tranchen, in Pakten und Einzelmaßnahmen geplant, jetzt wieder in einem Gesamtpakt kommen soll, und zwar dann, wenn eine Arbeitsgruppe in größerem Kreis, in der erst einige Detailprobleme ausgeräumt werden sollen, erfolgreich darüber

beraten hat. Das, so hört man jetzt, solle wohl im Juni sein.

Es gibt folgende Detailprobleme: Die Amtszeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister soll acht Jahre betragen. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sollen demnächst in einer entkoppelten Wahl ohne Stichwahl gewählt werden. Das ist ein absolutes Demokratisierungsverbot für die Bevölkerung. Sie werden teilweise mit weniger als 25 % der abgegebenen Stimmen – nicht der Wählerinnen und Wähler – Bürgermeisterin oder Bürgermeister wählen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Außerdem werden Sie zusätzliche Wahlen mit entsprechendem Aufwand produzieren, Sie werden niedrigere Wahlbeteiligungen hervorrufen, und Sie schaffen möglicherweise nebenbei – möglicherweise beabsichtigt –Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die mit nur einer Amtszeit bereits einen Anspruch auf Pension haben.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Darum geht es!)

Wie absurd Ihre ganzen Überlegungen sind, zeigt die bereits hinter den Kulissen geführte Diskussion um die Frage, wann denn die nächsten Bürgermeisterinnen- und Bürgermeister-Wahlen stattfinden sollen. Die einen von Ihnen fabulieren davon, diese sollten mit der Europawahl durchgeführt werden, die anderen überlegen, dass man die Amtszeiten mit krausen Konstrukten möglicherweise so verlängert, dass man sie mit der Landtagswahl zusammenlegt. Das Ganze geschieht, um diese Wahlen von der Kommunalwahl, dort, wo sie hingehören, zu entkoppeln. Sie entkoppeln diese Wahlen von der Kommunalwahl und koppeln sie mit der Landtagswahl oder Europawahl. Das halte ich für ein absurdes Theater. Sie entkoppeln sich geradezu von der Vernunft, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Gleichzeitig – das zeigt das ganze Ausmaß des Vorhabens – ist in der Blackbox der Herren Wolf und Palmen Weiteres enthalten. Den Räten soll das Recht auf die Festlegung der Geschäftskreise für die Dezernate entzogen werden.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Hört, hört!)

Stellen Sie sich das einmal vor. Die Räte haben bisher die Dezernentinnen und Dezernenten gewählt. Die Räte haben ein Auskunftsrecht gegenüber diesen Dezernentinnen und Dezernenten. Diese Dezernentinnen und Dezernenten sind in ihren Fachbereichen nicht den Oberbürgermeis

tern untergeordnet. Sie haben ein eigenes Auskunftsrecht.

Wenn demnächst einer Oberbürgermeisterin oder einem Oberbürgermeister eine Auskunft eines Dezernenten im Ergebnis nicht passt, dann setzt er den Dezernenten oder die Dezernentin in einen anderen Geschäftskreis, und der Rat kann dann sehen, wie er demnächst noch die Auskünfte bekommt. Das steckt hinter Ihren Plänen.

Sie wollen mit Einschnitten in das Personalrecht den Räten auch die Möglichkeit entziehen, Einstellungen vorzunehmen. Sie wollen darüber hinaus den Räten sogar das Recht entziehen, allein über die Dezernentinnen und Dezernenten zu bestimmen, wenn die gewählt werden. Die Räte sollen nur noch auf Vorschlag des Oberbürgermeisters einen Dezernenten ablehnen oder ihn wählen können. Das wäre ein rein reaktives Recht, und das wäre bedeutend weniger als das, was wir heute haben.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Sonnenköni- ge!)

Das alles wollen Sie durch ein wenig Akteneinsichtsrecht kompensieren, was heute schon weitestgehend durch das Informationsfreiheitsgesetz, das die alte Koalition verabschiedet hat, mit abgedeckt ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist alles lächerlich.

Wenn Sie so weitermachen, wenn Sie diesen Trend fortschreiben, sage ich Ihnen voraus: Sie werden in Zukunft die allseits beschworenen ehrenamtlichen Ratsmitglieder, die die Arbeit leisten sollen, insbesondere im ländlichen Raum, verschrecken. Wenn Sie diese nämlich allein dafür zuständig machen, dass die Räte für die Entscheidungen über Einsparungen zuständig sind, aber alles, was mit Rechten und Gestaltungsrechten verbunden ist, den kleinen Sonnenkönigen im Übergang vom Lokalfürst zum Sonnenkönig zuschreiben, dann werden Sie immer weniger Leute finden, die dazu bereit sind.

Ich darf kurz noch etwas zu § 107 GO sagen, weil der damit zusammenhängt: Alles, was die FDP oder Herr Wolf hier mitmachen oder gestalten, hängt auch wieder wesentlich mit ideologischen Vorgaben zusammen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie kaufen sich dafür das Recht, den § 107 so zu schleifen, dass den Kommunen die wirtschaftliche Existenz genommen wird, wo sie Verluste in den

Aufgabenbereichen, die wichtig sind und die sie abdecken müssen, durch Gewinne aus anderen Bereichen abdecken können. Das ist Ihr Ziel. Sie wollen diese Gewinne allein den Privaten zuschreiben. Sie wollen der öffentlichen Hand das Geld entziehen, um Privaten die Gewinne zuzuschreiben. Deswegen machen Sie auf der anderen Seite diese Fokussierung auf CDUOberbürgermeister mit. Das ist verwerflich. Kommen Sie endlich zu Potte, zeigen Sie uns Ihre Pläne und diskutieren Sie diese endlich konkret mit der kommunalen Familie. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Wüst von der CDUFraktion das Wort.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Oh! – Horst Becker [GRÜNE]: Geheimwaffe!)

Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich Sie mit meiner vierten Rede schon so freudig erregen darf, dass Sie sich hier schon ein bisschen „aufkaspern“. Das ist eine herrliche Geschichte.