Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie zu unserer heutigen 21. Sitzung des Landtages Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Meine Damen und Herren, wir haben heute wieder ein Geburtstagskind. Seinen Geburtstag feiert heute Herr Holger Ellerbrock. Er wird 58 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege!
1 Nachwahl einer Schriftführerin beziehungsweise eines Schriftführers des Landtags Nordrhein-Westfalen
Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung über den Wahlvorschlag, der Ihnen in Drucksache 14/1166 vorgelegt worden ist. Wer ist damit einverstanden? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Wahlvorschlag einstimmig angenommen. Herr Becker ist als neuer Schriftführer gewählt. Herzlichen Glückwunsch!
2 Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2006 und Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsstrukturgesetz 2006)
Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2006
Zur Einbringung der Gesetzentwürfe erteile ich zuerst dem Finanzminister, Herrn Dr. Linssen, das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor Ihnen liegt der Haushaltsentwurf für das Jahr 2006. Es ist der erste Haushalt der neuen Landesregierung. Mit diesem Haushalt steuern wir um und stellen die Weichen in Richtung Zukunft. Der Haushaltsentwurf ist von vier Grundsätzen geprägt:
Erstens. Haushaltskonsolidierung hat höchste Priorität für die Gestaltung unserer Zukunft. Wir sind verpflichtet, den nachfolgenden Generationen finanzielle Handlungsspielräume zurückzugeben und zu erhalten.
Zweitens. Haushaltskonsolidierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen künftig eine Kultur des Verzichts. Nahezu jede Bürgerin und jeder Bürger wird von Kürzungen betroffen sein. Die Kürzungen sind schmerzhaft. Aber wir haben alles daran gesetzt, die Belastungen gerecht zu verteilen.
Drittens. Haushaltskonsolidierung ist Aufgabe der gesamten Regierung und des Parlaments. Dahinter müssen viele, auch viele berechtigte Ressortinteressen zurückstehen.
Viertens. Haushaltskonsolidierung erfordert Ehrlichkeit. Auf Dauer bringen wir den Landeshaushalt nur in Ordnung, wenn wir unsere Einnahmen und Ausgaben realistisch kalkulieren. Haushaltstricks mit schön gefärbten Zahlen gehören der rot-grünen Vergangenheit an. Das ist vorbei!
Die öffentliche Verschuldung in Deutschland hat inzwischen ein gewaltiges Ausmaß angenommen. Zum 31. Dezember 2005 belief sich der Schuldenstand aller öffentlichen Gebietskörperschaften auf knapp 1,5 Billionen €. Auf Nordrhein-Westfalen entfielen davon 112,2 Milliarden €. Der Schuldenstand des Landes stieg allein in den letzten fünf Jahren um 42 %, meine Damen und Herren. Dank historisch niedriger Zinsen können wir von Glück
Dieser riesige Schuldenberg ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Den letzten ausgeglichenen Bundeshaushalt hatten wir 1970, auf Landesebene stammt der letzte Haushalt ohne Neuverschuldung aus dem Jahre 1973. Seitdem stieg die Verschuldung rasant mit teilweise zweistelligen Zuwachsraten.
Nun müssen Schulden nicht grundsätzlich schlecht sein. Das weiß jeder Unternehmer, der mithilfe kreditfinanzierter Investitionen sein Unternehmen am Markt günstiger positioniert, das weiß auch jeder Häuslebauer. Wenn man allerdings Schulden macht, muss man zweierlei im Auge behalten:
Erstens. Bringt uns das, was wir mit Schulden finanzieren auf die Dauer wirklich weiter? – Diesen Aspekt berücksichtigt beispielsweise der verfassungsrechtliche Grundsatz in Art. 83 der Landesverfassung, dass die neuen Schulden die Summe der Investitionen nicht überschreiten dürfen.
Zweitens. Können wir die Schulden irgendwann zurückzahlen? – Beide Punkte, meine Damen und Herren, gelten erst recht für die öffentliche Hand, die mit dem Geld des Steuerzahlers arbeitet. Deswegen können und dürfen wir nicht dauerhaft über unsere Verhältnisse leben!
Grund für die rasante Steigerung der öffentlichen Verschuldung seit Beginn der 70er-Jahre war zunächst ein Politikwechsel. Die damals herrschende Lehre in der Ökonomie, die auch Eingang in die praktische Wirtschaftspolitik fand, ging davon aus, dass man durch gezielte Staatsnachfrage Konjunkturschwankungen glätten könne. Auch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz aus dem Jahre 1967, das noch heute Gültigkeit hat, basiert auf diesem keynesianischen Wirtschaftsverständnis.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, seit einiger Zeit sind wir schlauer. Die tatsächliche Entwicklung hat uns gelehrt, dass antizyklische Nachfragesteuerung aus den unterschiedlichsten Gründen nicht funktioniert. Viele unserer heutigen Probleme haben nicht konjunkturelle, sondern strukturelle Ursachen. Dafür ist das keynesianische Instrumentarium – wenn es denn überhaupt funktioniert – ungeeignet. Die immense Ausweitung des öffentlichen Sektors seit den 70er-Jahren macht uns heute zu schaffen, und zwar hauptsächlich in Form von Personal- und Zinskosten, aber auch in
Allerdings können wir es uns nicht leisten, auf den Hexenmeister zu warten. Wir müssen selbst tätig werden, und dies schnell und nachhaltig.
Der Erfolg dieses Umsteuerns, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird sich nicht von heute auf morgen einstellen. Es ist ein langer und mühsamer Prozess. Deswegen werden wir – leider – auch im Haushalt 2006 neue Schulden machen müssen. In diesem Jahr wird die Nettoneuverschuldung bei 5,89 Milliarden € liegen. Damit liegt sie zwar deutlich unter dem Ergebnis von 2005, ist aber dennoch bei Weitem zu hoch. Die Nettoneuverschuldung liegt über der Summe der eigenfinanzierten Investitionen und somit oberhalb der von der Verfassung vorgesehenen Grenze für die Kreditaufnahme.
Das ist ein Umstand, mit dem ich mich als Finanzminister auf die Dauer nicht abfinden kann. Niemand, der in der Politik Verantwortung trägt, kann und darf sich damit abfinden.
Die SPD-Fraktion hat gegen den zweiten Nachtragshaushalt 2005 vollmundig eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster angekündigt.
Ich kann mir das Wehklagen, das Sie angesichts der Überschreitung der Kreditverfassungsgrenze auch mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf 2006 erheben werden, lebhaft vorstellen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle aber klipp und klar: Trotz der Überschreitung der Kreditverfassungsgrenze verstößt der Haushaltsentwurf nicht gegen die Landesverfassung.
Wie wir dies schon mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2005 getan haben, legt ihnen die Landesregierung auch in diesem Jahr einen Haushalt vor, der mit der Landesverfassung im Einklang steht, und wir werden dies auch in den nächsten Jahren tun.