Hätten Sie diese Milliarde nicht in den Sparstrumpf geschoben, hätten Sie nicht den Flughafenausbau vorgesehen oder die Kammern weiter subventioniert, bräuchten Sie diese Kürzungen in dieser Größenordnung nicht vorzunehmen. Das, meine Damen und Herren, ist unser zentraler Vorwurf; denn hier zeigt sich, dass sich in diesem Land zulasten der Schwachen eine Menge negativ verändern wird. Das werden wir Ihnen in den Haushaltsplanberatungen der nächsten Wochen und Monate immer wieder vorhalten.
Herr Dr. Rüttgers, Sie sind stolz auf einen Haushalt, in dem angeblich mit ehrlichen Zahlen gearbeitet wird. Sie werden dabei nicht rot. Ich frage mich: Wo sind denn die etatisierten Steuermehreinnahmen? Wo ist das Geld aus der so effektvollen Haushaltssperre? Schade, dass der Finanzminister jetzt nicht da ist. Normalerweise ist es üblich, dass man bei den Haushaltsplanberatungen dabei ist. Ich finde das außerordentlich schade.
(Beifall von der SPD – Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Darf er nach vier Stun- den nicht einmal kurz herausgehen?)
Natürlich darf er auch einmal raus, aber schade, dass er gerade in diesem Moment nicht da ist. – Wo ist denn die Konsolidierung? Wo ist denn die Rückführung der Neuverschuldung, Herr Dr. Rüttgers, insbesondere dann, wenn ich mir die Meldung von ddp von heute Morgen um 9.18 Uhr ansehe, wonach Ihr Koalitionspartner, proklamiert durch Herrn Lindner, offensichtlich die Mehrwertsteuererhöhung im Bundesrat nicht mittragen
will? Dr. Linssen hat heute Morgen erklärt, das wird das Geld sein, das hier zum Abbau der Neuverschuldung verwendet wird. Wo sind denn die ehrlichen Zahlen? Wo sind die ehrlichen Positionen, auf die Sie stolz sind und die dazu führen, dass es in diesem Land sozial und gerecht zugehen wird?
Meine Damen und Herren, wir haben ganz erhebliche Bedenken. Es wird nicht tragen, wenn Sie versuchen, die Menschen in diesem Land zu belügen und ihnen Sand in die Augen zu streuen.
Warum, Herr Dr. Rüttgers, Herr Dr. Linssen, meine Damen und Herren von den die Landesregierung tragenden Fraktionen, machen Sie zusätzliche Schulden? Sie sagen, Sie fahren die Ausgaben im Landeshaushalt zurück, und zwar um gut 5 %. Nicht einmal das ist seriös. Ihr Haushalt wächst, die Ausgaben wachsen. Sie wissen, dass es mehrere Einmaleffekte gibt, die man aus der Haushaltsrechnung 2005 herausrechnen muss, nämlich die Strafzahlung an die WestLB in Höhe von 1,4 Milliarden €, die Kapitalzuführung an den BLB und Drittmittel in Höhe von fast 350 Millionen. Wenn ich das addiere, dann stelle ich fest, dass Ihr Haushalt ein höheres Volumen hat, obgleich Sie die Schwächsten dieser Gesellschaft, die Kinder, zu den Verlierern machen. Deshalb, Herr Dr. Rüttgers, werden wir Sie fragen, was Sie in diesem Land planen. Wo ist der Umbau in diesem Land? Was ist die Erneuerung, und zu wessen Lasten wird die Erneuerung in diesem Land stattfinden?
Meine Damen und Herren, ich als Haushälterin will nicht verschweigen, dass auch wir kürzen mussten. Das ist überhaupt keine Frage. Wir haben im Doppelhaushalt 2004/2005 die Ausgaben um 1,4 Milliarden € gekürzt. Aber wir haben – das unterscheidet uns nachhaltig von Ihrer Politik – darauf geachtet, dass die sozial Schwachen nicht zu sehr belastet werden. Wir sind die Erfinder der Staffelung beim Weihnachtsgeld. Wir haben dafür gesorgt, dass soziale Einrichtungen, auch der Landesjugendplan, mit Kürzungen leben mussten, wobei wir wussten, dass wir die Mittel im nächsten Jahr wieder erhöhen werden. Wir haben mit Augenmaß geschaut, wo die sozialen Netze in Nordrhein-Westfalen sind und wie wir verhindern können, dass Löcher in diese Netze gerissen werden. Das ist der Unterschied zwischen unseren Politikkonzepten, meine Damen und Herren von CDU
Meine Damen und Herren, ich möchte nun auf die Finanzpolitik an sich eingehen. Diesbezüglich würde ich mich gerne mit dem Finanzminister, der leider immer noch nicht da ist, auseinander setzen. Vielleicht machen wir das in den Ausschussberatungen. Ich versuche trotzdem, einige Aussagen, die mir wichtig sind, über den ehrlichen Kaufmann Dr. Linssen zu transportieren.
Sie haben im Haushalts- und Finanzausschuss gesagt, dass es bei Ihnen keine intransparenten Vorgänge in diesem neuen ehrlichen Haushalt geben wird. Ein Beispiel dafür waren die globalen Minderausgaben. Wenn ich mir den vorgelegten Haushaltplanentwurf ansehe – ich bin sehr nah an den Zahlen –, dann stelle ich fest, dass das auch zu dem Kapitel „versprochen – gebrochen“ gehört. Fast 500 Millionen € haben Sie, obwohl der Finanzminister den Haushaltsplanenturf für transparent erklärt hat, an globalen Minderausgaben und globalen Posten im Haushalt verteilt, insbesondere über die 1,5%ige Stelleneinsparung, die Absenkung des Weihnachtsgeldes, sächliche Verwaltungsausgaben und sogar die Erhöhung der Wochenarbeitszeit der Beamtinnen und Beamten. Meine Damen und Herren, verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich kann man mit globalen Minderausgaben arbeiten. Man kann jedoch nicht wenige Monate, nachdem man die Regierungsverantwortung übernommen hat, das, was man der alten Regierung permanent vorgeworfen hat, nämlich ein intransparentes Verfahren, selber machen, und zwar in einer Größenordnung, die wir in den Jahren vorher kaum erreicht haben.
Er ist wieder da. Herzlich willkommen, Herr Dr. Linssen. Schön, dass wir uns heute doch noch in einen Dialog begeben können.
Interessant ist das Thema BLB; wir haben es bereits vorhin angesprochen. Sie haben in der Diskussion während der zweiten Beratung über den Nachtragshaushalt sehr deutlich dafür geworben, den Bau- und Liegenschaftsbetrieb zu entschulden. Wir sind bis heute der Meinung, das war falsch. Die Operation war nicht nötig, denn der
Aber Sie haben gesagt, Sie lösten einen Schattenhaushalt auf. Wenn wir uns das jetzt genau ansehen, stellen wir fest, dass Sie genau das machen, was Sie damals im Haushalts- und Finanzausschuss angekündigt haben.
Nein, Sie haben es bei beiden gesagt. Sie haben gesagt, Sie unternähmen diese Operation, um Schattenhaushalte aufzulösen. Gott sei Dank sind ein paar Kollegen aus dem Haushalts- und Finanzausschuss anwesend, Herr Kollege Klein auch. Vielleicht ist er in der Lage, das hier mit einzubringen. Sie haben gesagt: Wir machen das, um Transparenz herzustellen, und wir lösen den Schattenhaushalt auf. – In Wirklichkeit haben Sie einen Sparstrumpf angelegt.
Aber: Wir schauen in den Haushaltsgesetzentwurf und reiben uns verwundert die Augen. Paragraph 26 beschreibt, dass der Bau- und Liegenschaftsbetrieb künftig wieder Kredite – meine Damen und Herren, Sie hören richtig – in Höhe von 240,66 Millionen € aufnehmen soll. Das lesen wir exakt vier Wochen,
nachdem uns geschildert worden ist, wie notleidend dieser Betrieb ist. Ganz abgesehen davon, dass man damit das Thema Schattenhaushalte selbst ad absurdum führt, ist das ein Punkt, den wir uns noch genauer anschauen werden. Ich glaube, das, was wir Ihnen im Zusammenhang mit dem Sparstrumpf vorgeworfen haben, ist durch Ihre eigene Arbeit im Haushaltsplanentwurf 2006 mehr als dokumentiert.
Meine Damen und Herren, wir haben sicher noch Zeit, um uns mit einer ganzen Reihe von Themen, die den Haushalt betreffen, auseinander zu setzen. Wir werden uns noch viele Facetten genau anschauen. Wir werden an vielen Stellen sicherlich noch mehr Beispiele dafür finden, wie Sie die Ankündigungen der letzten Monate – nicht nur während des Wahlkampfes, sondern auch schon in der Regierungszeit – hier nicht umsetzen.
Ein Punkt ist mir heute schon wichtig: die Expertenkommission. Lieber Herr Dr. Rüttgers – aber jetzt ist der Herr Finanzminister da, dann machen wir das so –: Die Expertenkommission, von Ihnen hoch gelobt – der Herr Ministerpräsident hat sie persönlich eingesetzt –, ist zweifelsohne kompetent besetzt. Sie hat ein Ergebnis vorgelegt, das sich verkürzt so umschreiben lässt: Wir brauchen
Der Finanzminister hat flugs betont, dass die Vorschläge der Expertenkommission erst einmal geprüft werden. Er hat sie kurz danach im Grunde schon wieder in die Schublade geschoben, weil er nämlich festgestellt hat, dass auch er einen solchen Stellenabbau in diesem Lande kaum realisieren könnte. Er hat dann gesagt, man werde erst einmal 1,5 % der Stellen abschmelzen.
Interessant ist, dass wir jetzt erfahren, dass der Herr Finanzminister eine Ausschreibung für ein Projektbüro Hartmann-Kommission herausgibt.
Das ist nicht nur interessant, weil wir fragen werden, was das kostet, sondern es ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass die 1,5 % Stelleneinsparungen offensichtlich nur eine Zwischenoperation sind und dass Herr Finanzminister Dr. Linssen plant, sich dem Ergebnis der HartmannKommission – 10 % weniger Stellen – doch langsam zu nähern.
Das ist mein Vorwurf, Herr Dr. Linssen. Sagen Sie den Menschen deutlich, wenn das so ist. Sagen Sie ihnen, dass Sie ihnen über kurz oder lang kündigen werden müssen und sie aus vielen Dienststellen und aus vielen nachgeordneten Bereichen herausschmeißen müssen, wenn Sie diese 10 % Stelleneinsparungen umsetzen. Oder erklären Sie dem Haushalts- und Finanzausschuss und diesem Parlament, warum Sie eine Ausschreibung für ein Projektbüro Hartmann-Kommission inszenieren. Wir werden Ihnen dieses Thema noch in der einen oder anderen Debatte präsentieren, und wir werden uns in diesem Zusammenhang auch anschauen, was Sie mit dem Personal – den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Lande – machen.
Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit dem Personal ist interessant: die Absenkung des Weihnachtsgeldes. Herr Dr. Linssen hat im Haushalts- und Finanzausschuss angekündigt, die Absenkung des Weihnachtsgeldes werde vom Bund eins zu eins übernommen. Herr Dr. Linssen, wir haben uns über das gewundert, was Ihnen Ihre Mitarbeiter damals aufgeschrieben haben, denn bis jetzt ist nirgendwo belegt, dass der Bund das Weihnachtsgeld auf 30 % absenken wird. Nach unseren Informationen irren Sie an dieser Stelle auch, denn in Berlin war das bis heute niemals ein Thema.
Wir sind der Ansicht, Sie sollten schleunigst Wort halten und der Beamtenschaft in unserem Land das geben, was Sie versprochen haben, nämlich mindestens 50 % des Weihnachtsgeldes, so, wie es auch der Bund machen will und wie es der Bundesinnenminister angekündigt hat. Wir sind gespannt, ob Sie Wort halten und im Rahmen einer Ergänzungsvorlage zu diesem Haushalt auch die 220 Millionen €, die dafür notwendig sind, einstellen und vor allen Dingen seriös decken. Ansonsten sind wir in der Kategorie „versprochen – gebrochen“, und ich bin sicher, an dieser Stelle wollen Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – den Beamten – in diesem Lande diese Enttäuschung ersparen.
Dem Thema Stellen und Stellenakrobatik werden wir noch das eine oder andere Mal begegnen. Wir hatten ja vorhin schon die eine oder andere Kostprobe. Lassen Sie mich zur Situation an den Schulen nur so viel sagen – das wird sicher an anderer Stelle deutlich zu diskutieren sein –, dass das, was hier an Zahlenakrobatik geboten wird, ein Wahnsinn ist. Auch die Fachleute haben Probleme, dem noch zu folgen.
Sie verschweigen die Tatsache, dass Sie bis Ende 2006 500 Stellen an den Schulen abbauen werden. Die kw-Vermerke sind nämlich bis heute nicht aufgehoben. Wenn das so ist, dann bitte ich Sie, mir genau zu zeigen, wo das steht. Dann müsste es in diesem Haushaltsgesetzentwurf eine entsprechende Ermächtigung geben. Sie haben das bisher nicht gemacht. Im Gegenteil, bis zum Ende dieser Legislaturperiode stehen dort sogar 2.000 Stellen mit einem kw-Vermerk.
Herr Finanzminister, es gibt bisher noch keinen Hinweis, was mit diesen Stellen passieren soll. Wenn ich das unterstelle, schrumpfen nach Haushaltslage vom heutigen Datum die versprochenen 4.000 Stellen schon mit diesem Haushaltsentwurf 2006 um 50 %.
Das ist in diesem Haus zu widerlegen. Mein Wunsch an den Ministerpräsidenten ist – wenn er meint, wir operierten nicht mit seriösen Zahlen –, das aufzuklären, denn spätestens dann müsste, vielleicht über die Fraktionen CDU oder FDP, eine Veränderung im Hinblick auf die kw-Stellen und den Umgang mit ihnen erfolgen.
Lassen Sie mich deshalb zusammenfassen: Dieser Haushaltsentwurf der neuen Landesregierung ist kein Haushalt der Erneuerung, sondern er ist ein Haushalt des Abbruchs. Er weist die höchste Verschuldung bei Einbringung eines Haushalts, die wir je in diesem Lande hatten, auf. Er ist verfassungswidrig; denn die Verfassungsgrenze wird erneut sehr deutlich gerissen. Dazu haben wir uns an anderer Stelle schon geäußert.
Wir werden in unserer Entscheidung, vor das Verfassungsgericht zu ziehen, deutlich bestärkt. Die Ausgaben dieses Haushalts wachsen, obwohl gerade da gekürzt wird, wo es nicht sein sollte, nämlich bei den Kleinen. Das ist ein Haushalt der Politik ohne Herz und Verstand.
Das ist ein Haushalt, bei dem die Kleinsten die größten Verlierer sind, und das im rüttgersschen Jahr der Kinder. Meine Damen und Herren, 2006 wird ein Jahr der Kinder, aber nicht im Sinne des Ministerpräsidenten. – Herzlichen Dank.