Protokoll der Sitzung vom 15.02.2006

Sie haben vorgetragen, unsere Politik würde die zivilgesellschaftlichen Strukturen zerstören. Es ist bereits mehrfach in Pressemitteilungen von Minister Armin Laschet vorgetragen worden, dass er durch eine Veränderung der Prozentsätze von 60 auf 80 % dafür sorgt, dass wahrscheinlich die teiloffenen Türen, die offenen Türen und die Jugendverbandsarbeit in diesem Jahr mehr Geld zur Verfügung haben werden als im vergangenen Jahr.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb ist es unehrlich von Ihnen zu sagen, dass wir da Strukturen zerschlagen. Es ist und bleibt unehrlich, und ich behaupte sogar: Gegen besse

res Wissen tragen Sie das hier vor. Und das ist nicht in Ordnung.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD] – Minister Dr. Helmut Linssen: Kapieren Sie das doch end- lich mal!)

Lassen Sie mich auch eine Bemerkung zum Thema Steinkohle machen. Frau Löhrmann hat mich eben zitiert: „Weg mit den Steinkohlensubventionen“ haben Sie versprochen. – Ich habe das nie so gesagt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich habe nicht Sie gemeint, sondern die FDP!)

Sie haben es in meine Richtung gesagt. Wenn Sie sich versprochen haben, ist es okay. – Schauen Sie, auch da sollten Sie mich über die Jahre gut genug kennen. Natürlich haben wir vorher darüber diskutiert, ob wir die Steinkohlensubventionen etatisieren.

Ich möchte nur in Ergänzung dessen, was gesagt worden ist, auf einen kleinen Punkt verweisen. Dieser kleine Punkt ist, dass es die von Ihnen getragene Landesregierung war, die bis zum Jahre 2008 Bewilligungsbescheide erteilt hat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich im Wahlkampf darauf hingewiesen habe, dass man in Verhandlungen auch über die von Ihnen erteilten Bewilligungsbescheide reden muss. Damals gab es von Ihnen nach einem Fernsehinterview einen Riesenaufschrei: Jetzt bricht er das Recht, und es ist alles ganz furchtbar. – Das war mitten im Wahlkampf. All das ist vor der Wahl gewesen und nicht hinterher.

(Horst Becker [GRÜNE]: Die Grünen nicht!)

Auch die Grünen, Herr Becker. Da waren Sie noch nicht dabei.

(Unruhe)

Die von Ihnen erteilten Bewilligungsbescheide, die in meiner Verantwortung so nicht erteilt worden wären, sind nun einmal erteilt. Wenn sie erteilt und rechtskräftig sind, halte ich mich an dieses gesetzte Recht. Ich lasse mir ja vieles vorwerfen, aber hierbei lasse ich mir nicht vorwerfen, dass wir eine Etatisierung vornehmen müssen, die leider dazu führt, dass bis zum Jahre 2009 nur 300 oder 350 Millionen € etatisiert werden konnten, und Sie verlangen: Das müsst ihr alles schneller machen. – Ich darf Sie darauf hinweisen: Es gibt auch noch das Jahr 2010, das im mittelfristigen Finanzplan leider nicht enthalten und frei ist. Wir bleiben bei dem, was wir gesagt haben:

Erstens. Wir müssen die Steinkohlensubventionen abbauen, um Spielräume für Investitionen in neue zukunftssichere Felder zu bekommen, gerade auch im Ruhrgebiet.

(Beifall von der CDU)

Zweitens. Es ist völlig klar, dass es beim Beschluss in der Koalitionsvereinbarung bleibt, bis 2010 bei den Steinkohlensubventionen insgesamt 750 Millionen € einzusparen. Darüber werden wir mit den Betroffenen – es gibt mehrere: nicht nur die RAG, sondern auch die IG BCE, die Bundesregierung und die saarländische Landesregierung – reden, wie das zu geschehen hat. Aber das Ziel ist klar.

Drittens. Es bleibt bei dem, was ich vor der Landtagswahl angekündigt habe und was im Koalitionsvertrag steht: Die bis 2008 erteilten rechtsverbindlichen Zuwendungsbescheide an die Deutsche Steinkohle sind einzuhalten. Für die Zeit danach gibt es keine Rechtsansprüche. Wir wollen mit allen Beteiligten einschließlich der Anteilseigner über die Rahmenbedingungen für das sozialverträgliche Auslaufen des subventionierten Bergbaus verhandeln und entscheiden.

Das ist die Position der Koalition und der Landesregierung. Wenn Sie in diese Richtung mitgehen wollen, sind Sie dazu herzlich eingeladen. Das ist das, was wir durchsetzen wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Nur finde ich es dann abenteuerlich, dass in der SPD – heute in der „Rheinischen Post“ nachzulesen – jetzt eine Debatte darüber geführt wird und es schon Gespräche über die Aufstockung von Subventionen gibt. Frau Kraft, in welchem Land leben Sie eigentlich? Kein vernünftiger Mensch kann doch ernsthaft die Aufstockung der Subventionen fordern, die 50 % der Investitionen für neue Arbeitsplätze ausmachen.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, die erste Lesung des Haushaltsplanentwurfs ist, wie ich finde, in vielfacher Hinsicht interessant gewesen. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass wir es mit einer Opposition zu tun haben, die angreift und heute in der Zeitung ankündigt, dass man an diesen Haushalt Forderungen in Höhe von einer halben Milliarde Euro stellen will, uns allerdings verschweigt, wie man das Ganze finanzieren will.

(Widerspruch und Zurufe von der SPD)

Ich werde überhaupt nicht nervös. Sie müssen schon ein bisschen früher aufstehen, um mich nervös zu machen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Der Rede Sinn ist wohl und dunkel: 500 Millionen € fordern, aber ohne jeden Vorschlag, wie man das bezahlen will angesichts einer Neuverschuldung von fast 6 Milliarden € – Unseriosität, dein Name ist SPD, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn eine Partei, die der Wähler in die Opposition geschickt hat, ein so kurzes Gedächtnis hat, dass sie sich nicht mehr an das erinnern kann, was sie selbst noch vor wenigen Monaten vorgetragen hat, dann muss das einen Grund haben. Wir wissen auch, welchen Grund das hat. Der Grund liegt darin, dass die SPD genauso wenig wie die Grünen ihre Rolle in der Opposition bisher gefunden hat.

Wir lesen mit Interesse vom Streit zwischen der Fraktionsvorsitzenden und dem Parteivorsitzenden in der SPD.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir lesen mit Interesse über die Strategiedebatten: Der eine steht für eine langfristige Vorbereitung, die andere steht für Angriffe. – Das mag Sie intern alles interessieren, mich interessiert eigentlich etwas anderes – nicht, wie Sie gegenseitig Ihre Claims abstecken, sondern mich interessiert: Wofür stehen Sie eigentlich inhaltlich? Das wollen wir gerne einmal wissen: Wofür stehen Sie inhaltlich?

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Kraft, es reicht nicht, eine Politik auf der Ebene des Boulevards zu machen. Es reicht nicht, nur laut und schrill mit Angriffen und Schlagworten zu argumentieren. Hier in diesem Parlament geht es nicht um parteipolitische Reden, sondern hier geht es um die Wirklichkeit. Es geht um die Menschen im Land. Die Wahrheit ist, dass Sie wahrlich nicht das Recht haben, irgendjemand anderem vorzuwerfen, er betreibe eine unsoziale Politik. Denn Sie von SPD und Grünen sind für das unsozialste Schulsystem verantwortlich, das es in einem Land der Bundesrepublik Deutschland gibt.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie sind für 112 Milliarden € Schulden verantwortlich. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Integrationspolitik, die wir vor fünf Jahren in diesem Land gemeinsam verabredet haben, nicht richtig umgesetzt worden ist. Und Sie sind, wie Helmut

Schmidt das vor wenigen Tagen gesagt hat, dafür verantwortlich, dass es in der Zentralregion dieses Landes, nämlich im Ruhrgebiet, bisher nicht gelungen ist, den Durchbruch hin in eine gute Zukunft zu erzielen.

Ich nenne Ihnen den Grund dafür – das belegen im Übrigen auch Ihre Ausführungen über Staatsverständnis im Rahmen dieser Haushaltsdebatte –: Sie haben Angst vor Veränderung, Sie haben Angst vor Neuem. Stattdessen fordern Sie immer vom Alten mehr. Aber so gewinnt man keine Zukunft.

(Lang anhaltender Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Walsken das Wort.

(Zurufe von CDU und FDP: Oh! – Unruhe)

Meine Damen und Herren, darf ich Sie, wenn Sie den Plenarsaal verlassen, bitten, das schweigend zu tun.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So viel Begeisterung? Bleiben Sie doch einfach. Von mir aus müssen Sie nicht gehen. Ich verspreche Ihnen: Es wird sich lohnen. Ich will das auch heiter machen. Herr Dr. Rüttgers, ich will Ihnen gerne auch durch meinen Auftritt klar machen, dass wir überhaupt nicht von Angst geprägt sind. Im Gegenteil! Sie haben sich heute an mehreren Stellen über diese Opposition beklagt. Das kann ich nachvollziehen: Wir jagen Sie und sagen Ihnen Dinge, die Sie nicht gerne hören.

(Zuruf von Helmut Stahl [CDU])

Herr Kollege Stahl, Sie kommen mir mit Ihrem Zwischenruf gerade recht. Ich finde es hochinteressant, dass der Ministerpräsident und der Finanzminister als Einbringer des Haushaltes die Einzigen waren, die sich mit dem Haushalt auseinander gesetzt haben. Weder Sie, Herr Stahl, noch der Kollege Dr. Papke hielten es für nötig, über den Haushalt zu reden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben sich mit uns und den Grünen beschäftigt. Wir danken dafür. Das scheint einen Riesenstellenwert zu haben.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das Gefühl, es geht um etwas anderes. Herr Ministerpräsident Dr. Rüttgers hat gerade diesem Haushalt einen Stempel aufgeprägt. Er hat gesagt, er sei fair und gerecht und er sei stolz auf

diesen Haushalt. Meine Damen und Herren, wenn man die höchste Neuverschuldung vorlegt, die es jemals in diesem Land gegeben hat, und wenn man darauf stolz ist, dass der Haushaltsplan sozial gerecht und fair ist, wenn man nur bei den Kindergärten mehr als 100 Millionen € kürzt, also bei den schwächsten Gliedern dieser Gesellschaft, obgleich es nicht nötig gewesen wäre, dann ist mir klar, warum sich weder die FDP noch die CDU hier vollmundig für diesen Haushalt entscheiden.

Es war nicht nötig, Herr Dr. Rüttgers, dass Sie diese Kürzungen vornehmen. Es geht nicht darum, dass wir nicht kürzen wollen, sondern es geht darum, dass Sie zulasten der Kleinen, zulasten der sozial Schwachen diese ungerechten und unsozialen Kürzungen vornehmen, weil Sie 1 Milliarde € im Nachtragshaushalt in gut funktionierende Landesbetriebe geschoben haben. Das ist unser Vorwurf.

(Beifall von der SPD)

Hätten Sie diese Milliarde nicht in den Sparstrumpf geschoben, hätten Sie nicht den Flughafenausbau vorgesehen oder die Kammern weiter subventioniert, bräuchten Sie diese Kürzungen in dieser Größenordnung nicht vorzunehmen. Das, meine Damen und Herren, ist unser zentraler Vorwurf; denn hier zeigt sich, dass sich in diesem Land zulasten der Schwachen eine Menge negativ verändern wird. Das werden wir Ihnen in den Haushaltsplanberatungen der nächsten Wochen und Monate immer wieder vorhalten.