Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Klopfen Sie mal nicht zu früh! Denn diejenigen, die in diesem Zusammenhang über 30 Jahre in der Verantwortung standen, waren nicht die Grünen. Die Problematik, die wir an der Stelle haben, ist ja im Prinzip durch eine entsprechende Vereinbarung gelöst worden. Jetzt käme es darauf an, sich an diese Vereinbarung zu halten und das, was man da miteinander vereinbart hat, umzusetzen.

Ich habe nichts gegen beschleunigte Verfahren. Für mich ist entscheidend, dass die Demokratie, die Transparenz und die Bürgerfreundlichkeit bei diesen Verfahren gewahrt bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alles andere widerstrebt mir.

Dasselbe gilt übrigens auch für naturschutzfachliche Belange. Bei dem täglichen Flächenverbrauch, den wir in dieser Republik haben – gerade in NRW, weil wir durch die Infrastruktur ein stark beanspruchtes Land sind –, ist es doch Unsinn, diese Dinge einfach auszublenden und zu sagen: Wir brauchen keinen naturschutzfachlichen Belang, das nehmen wir einfach alles wieder weg, so wie Sie es gefordert haben, Herr Schulte. – Ich weiß, dass das auch die SPD immer gefordert hat. Darüber haben wir in unserer Koalition auch, wie ich meine, zu Recht gestritten. Aber es ist doch ein Unding, das auszublenden, denn diese Belange sind doch Teil unserer gesetzgeberischen Zusammenhänge. Wir haben FFH-Gebiete, wir haben Naturschutzgebiete, wir haben Landschaftsschutzgebiete. Die rechtfertigen eben einen gesetzeskonformen Umgang damit. Deshalb kann man nicht so wie Sie sagen: Das macht alles keinen Sinn. Das muss weg. Hier muss gebaut werden auf Teufel kommt raus. – Am Ende stehen Sie dann vor maroden Bauwerken, deren Erhalt und Sanierung Sie, weil Sie das Geld immer nur für Neubau ausgegeben haben, nicht bezahlen können.

In diesem Sinne werden wir uns mit dem Antrag sicher weiter auseinander setzen. Er ist ein Stück weit der Versuch, noch einmal zusammenzufassen, worauf es aus Sicht der SPD ankommt. Ich hoffe, ich habe deutlich gemacht, dass wir da einen etwas anderen Standpunkt vertreten haben und weiter vertreten und vor dem Hintergrund immer dafür sind, wenn wir Geld im Verkehrsbereich in die Hand nehmen, es zunächst einmal in die Sanierung der vorhandenen Strecken und Straßen, aber auch der Schienen zu stecken. Wir sind dafür, da, wo wir Schiene brauchen, Schiene zu erneuern. Deswegen haben wir uns immer für

eine Schienenvorrangpolitik ausgesprochen. Im Übrigen wollen wir dem Verkehrsträger Wasserstraße weiter mehr Gewicht geben, weil wir alle wissen, dass das ein ökologisch sinnvoller und auch ökonomisch ausgesprochen konkurrenzfähiger Weg ist, Güter zu transportieren.

Das ist das entscheidende Problem. Die künftigen Verkehre auf der Straße werden wir doch sicher nicht dadurch bewältigen, dass wir weiter Straßen ausbauen. Wir müssen vielmehr eine intelligente, fortschrittliche, nach vorne weisende Verkehrspolitik betreiben. Und die hat nichts mit dem zu tun, was im Antrag steht, nämlich Neubau zu fordern. Sie hat etwas damit zu tun, dass man das Vorhandene erhält und an den Stellen intelligent ausbaut, an denen Verkehrspolitik dringende Bedarfe hat: auf der Schiene und auf dem Wasser. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Rasche das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einbringung dieses Antrages durch den Kollegen Wißen, den ich ansonsten sehr schätze, war schon interessant, denn rund drei Viertel seines Vortrages befassten sich in keiner Weise mit dem Antrag. Er hat über IGVP geredet. Davon steht nichts im Antrag. Er hat über Landesstraßen geredet. Auch davon steht nichts im Antrag. Wir werden beide Themen behandeln. Ich gehe jetzt auf Ihren Antrag ein. IGVP werden wir noch ausführlich behandeln.

Sie müssen nur wissen, dass die Ergebnisse, die bei IGVP herausgekommen sind, auf Ihrem Auftrag beruhen. Sie haben das eingeleitet. Sie haben all die Straßenprojekte und Schienenprojekte genannt, die untersucht werden sollten. Ich verstehe nicht, warum Sie sich heute darüber beklagen, dass da etwas untersucht worden ist. Und über das Ergebnis dürfen Sie sich auch nicht beklagen.

(Beifall von FDP und CDU)

Der nächste Redner der alten Koalition war Herr Keymis. Herr Keymis, wir haben einen erheblichen Bedarf in der Verkehrsinfrastruktur, einen erheblichen bei der Sanierung – da gebe ich Ihnen Recht –, aber auch einen erheblichen beim Ausbau. Denn wir haben in den nächsten Jahren unglaubliche Verkehrszuwächse. Die können wir mit dem bestehenden Verkehrsinfrastrukturnetz nicht bewältigen.

Herr Keymis hatte zu Beginn seiner Rede eine sachliche Debatte eingefordert und beklagte sich bei seinen beiden Vorrednern. Er hat sich nur leider selber nicht daran gehalten. Was an den Argumenten sachlich war, das muss mir mal einer erklären.

Das Problem von Herrn Keymis ist nämlich die Einseitigkeit, die hundertprozentige Aufstellung gegen den Verkehrsträger Straße. Diese Einseitigkeit ist falsch. Das belastet das Vorgehen der Grünen. Das hat übrigens früher auch die Koalition von RotGrün belastet.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich habe doch Herrn Horstmann beobachten können, wie er bei der Rede von Herrn Keymis immer weiter im Sessel versunken ist und wahrscheinlich an alte Tage gedacht hat, als es um Verhandlungen zum Straßenbau ging.

Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen eine ausgewogene Verkehrspolitik, die wirklich alle Verkehrsträger – dazu gehören die Straße, die Schiene, die Luftfahrt, die Binnenschifffahrt und auch moderne Technologien – ausgewogen betrachtet und entsprechend in sie investiert. Genau an dieser Ausgewogenheit hat es der alten Koalition total gefehlt.

Wenn ich dann von Herrn Keymis höre, die Grünen seien für Demokratie und Transparenz, mit anderen Worten, die anderen drei Fraktionen, nämlich CDU, SPD und FDP, seien dagegen, muss ich sagen: Herr Keymis, wo leben Sie denn mit Ihren Vorwürfen? Wenn alle Leute in diesem Plenum eine andere Auffassung hätten als Sie: Sie würden bei Ihrer bleiben, Sie würden kein Stück dazulernen, Herr Keymis, kein Stück.

Ich komme jetzt zum Antragsinhalt. Da muss ich den Kollegen der SPD ein Kompliment machen, es ist ihnen nämlich gelungen, einen wirklich hübschen Antrag zusammenzubasteln. Sie fordern den sechsstreifigen Ausbau von Autobahnen, eine zügige Realisierung von Ortsumgehungen und Lückenschlüssen sowie eine schnellstmögliche Verschiebung des Infrstrukturbeschleunigungsgesetzes. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie erfinden die SPD-Verkehrspolitik gerade völlig neu. Denn während Ihrer langjährigen Regierungsverantwortung haben Sie diesen Bereich völlig vernachlässigt

(Zuruf von der SPD: Das ist gar nicht wahr!)

und sind den im Antrag formulierten Forderungen nicht nachgekommen. Ich werde Ihnen das gleich erklären.

Warum übrigens haben Sie einen solchen Antrag nicht bereits in der 13. oder der 12. Legislaturperiode eingebracht? Mehr Bundesmittel für den Verkehrsinfrastrukturhaushalt hätten wir auch damals schon gebrauchen können. Ich habe eine Ahnung: Sie hätten diesen Antrag bei Ihrem Koalitionspartner niemals durchbekommen. Nehmen wir doch nur die folgende Aussage – Zitat –:

„Die künftige wirtschaftliche Bedeutung Nordrhein-Westfalens ist somit unmittelbar davon abhängig, dass die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur des Landes den Anforderungen der Wirtschaftsentwicklung gerecht wird.“

Herr Abgeordneter Rasche, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Horstmann?

Wenn Sie die Zeit bitte anhalten.

Ja, natürlich wird die angehalten. – Bitte, Herr Horstmann.

Die läuft immer noch.

Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Rasche, dass schon in der Regierungszeit der letzten Landesregierung sämtliche Autobahnabschnitte der A 1, A 2 und A 3 um das Ruhrgebiet herum – das sogenannte Ruhrgebietsdreieck – und sämtliche Bauabschnitte der A 1, A 3 und A 4 auf dem Kölner Ring für den sechsstreifigen beziehungsweise teilweise sogar achtstreifigen Ausbau in Angriff genommen worden sind?

Das ist mir sehr wohl bekannt. Ich frage mich nur, warum dann Ihre Fraktion in ihrem Antrag genau diesen sechsspurigen Ausbau fordert. Vielleicht ist das Ihrer eigenen Fraktion nicht bekannt.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist doch klar!)

Dass der nicht bekannt ist, ist mir schon klar.

So richtig die Feststellung, die ich gerade zitiert habe, auch ist, sie ist mit dem grünen Ziel in der Verkehrspolitik, nämlich der Verkehrsverhinderung, zumindest auf der Straße und in der Luft, nicht zu vereinbaren. Es ist für die SPD aber zu einfach, alles auf den alten Koalitionspartner abzuschieben. Sie haben die entscheidenden Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Transport, zwischen Arbeitsplätzen und Verkehrsinfra

struktur einfach nicht erkannt oder sind sie nicht offensiv angegangen.

Selbstverständlich freuen wir uns als Landespolitiker darüber, dass der Bund beabsichtigt, mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur bereitzustellen. Was diese Absichtserklärung wert ist, wird sich noch zeigen. Ich möchte nur an das damalige Versprechen des Bundes erinnern, die Nettoeinnahmen aus der LKW-Maut zusätzlich für Verkehrsinvestitionen einzusetzen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, woher die 4,3 Milliarden € kommen sollen. Im Koalitionsvertrag in Berlin heißt es sehr nebulös, dass die Mehrausgaben für das gesamte 25-MilliardenEuro-Konjunkturprogramm der Bundesregierung etwa zur Hälfte über einen Zukunftsfonds finanziert werden sollen, der sich aus der Mobilisierung bundeseigenen Vermögens speist. Nach der rotgrünen Haushaltspolitik der vergangenen Jahre dürfte hier aber nicht mehr allzu viel zu holen sein. Über die andere Hälfte wird erst gar nichts gesagt.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Bund die Mittel tatsächlich im zugesagten Umfang bereitstellt, ist die Freude darüber doch etwas getrübt. Die SPD weist in ihrem Antrag darauf hin, dass das Volumen der Verkehrsinvestitionen durch das Konjunkturprogramm von 8 Milliarden € auf 9 Milliarden € erhöht wird. Das ist okay. Zwei Dinge wurden dabei jedoch verschwiegen: erstens dass die Aufstockung des Etats auf 9 Milliarden € lediglich frühere Kürzungen der rotgrünen Bundesregierung rückgängig macht, zweitens dass 9 Milliarden € immer noch viel zu wenig sind. Damit kann man nämlich noch nicht einmal den Bundesverkehrswegeplan finanzieren, der ein Volumen von jährlich 10 Milliarden € für die Investitionen in die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasser vorsieht. Die Regierungskommission zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, die sogenannte Pellmann-Kommission, hat zur Sicherung und notwendigen Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur – also sämtlicher Verkehrsträger – sogar einen Bedarf von 12 Milliarden € pro Jahr festgestellt.

Meine Damen und Herren, das zeigt: 4,3 Milliarden € zusätzlich für vier Jahre reichen nicht aus, um den enormen Investitionsstau aufzulösen. Deshalb sind sie auch kein Grund, um sich in Berlin oder hier in Düsseldorf feiern zu lassen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, letztlich kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die SPD von ihrem eigenen verkehrspolitischen Scheitern ablenken will. Fakt ist doch, dass auf NordrheinWestfalen ein Anteil von nur 16 % an den Investi

tionen aus dem Bundesverkehrswegeplan entfällt, und zwar trotz der wiederholten Forderung der alten Landesregierung, den Anteil auf 22 % zu erhöhen. Tatsache ist auch, dass auf Betreiben der rot-grünen Landesregierung etliche NRW-Projekte aus dem vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans entfernt oder mit dem Vorbehalt eines naturschutzfachlichen Planungsauftrages versehen wurden. Alles Ihre Politik!

Meine Damen und Herren, die von der SPD gestellten Forderungen in dem uns vorliegenden Antrag stehen im völligen Gegensatz zu Ihrer Arbeit in der alten rot-grünen Regierung. Sie haben damit vielleicht eine Gelegenheit genutzt, um Ihre neue Verkehrspolitik bekannt zu machen. Sie werden es mit diesem Antrag aber nicht erreichen, von Ihren großen Versäumnissen und Fehlern in der Verkehrspolitik der Vergangenheit abzulenken. Nordrhein-Westfalen und seine Bürger werden noch lange unter den Folgen der rotgrünen, ideologisch gegen Straße angelegten Verkehrspolitik leiden.

Wir arbeiten seit Monaten daran, endlich möglichst viel Baurecht für Verkehrsinfrastrukturprojekte zu bekommen. Genau diesem Ziel ist die alte Regierung nicht gefolgt. Sie wissen selbst, wie lange Planungs- und Genehmigungsvorhaben dauern. Sie hätten vieles einstielen müssen. Heute beklagen Sie, dass wir zu wenig Straßenbaurecht haben.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme sofort zum Schluss. Letzter Satz!

Herr Keymis will allerdings noch eine Zwischenfrage stellen.

Das kann er anschließend tun. Okay. – Die CDU und die FDP werden diese Fehler abarbeiten und dafür sorgen, dass der Zusammenhang von Wirtschaft und Transport tatsächlich wieder in den Vordergrund rückt – für alle Verkehrsträger, Herr Keymis.

Herr Keymis.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Rasche, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es nicht an Verfahrensfragen im Sinne von Gerichtsverfahren liegt, dass bestimmte Pläne nicht so schnell umgesetzt werden, wie sie umgesetzt werden könnten, und

dass nur 5 % dieser Verfahren überhaupt in eine höhere Instanz gehen, dass das also nicht der entscheidende Punkt ist?