Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

Es gibt zahlreiche Aspekte, die eine Ausweitung legaler Beschäftigung erschweren. Dies gilt zum Beispiel für die Vermeidung von Sozialabgaben oder das Fehlen von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen bei Migranten. Dennoch könnte sich hier ein Beschäftigungsfeld eröffnen, von dem vor allem ältere Erwerbslose und Personen mit geringer Qualifizierung profitieren.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Auch im Landesaltenplan „Alter gestaltet Zukunft“ wird auf die Möglichkeit einer verstärkten Verknüpfung komplementärer Dienste mit den Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung verwiesen.

Dies geschieht zum Beispiel durch Dienstleistungspools. Solche Pools, aber auch Dienstleistungsagenturen wurden in den letzten Jahren vielfach bundesweit gefördert. Da viele Haushalte nur für wenige Stunden Dienstleistungen benötigen, bündeln sie die Einsätze so, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse entstehen. Vorteile für die Nachfrageseite bestehen beispielsweise darin, dass die Agentur die Vertrauenswürdigkeit des Personals gewährleistet und im Falle von Krankheit oder Urlaub von Mitarbeitern eine Vertretung besorgt.

Einem Großteil der bisher geförderten Agenturen ist es trotzdem nicht gelungen, nach dem Auslaufen der Anschubfinanzierung kostendeckend zu arbeiten. Aus diesem Grund sollte man sich eingehender mit der Gestaltung der Rahmenbedingungen auseinander setzen.

Die bisherigen Erfahrungen mit Dienstleistungspools in NRW haben gezeigt, dass deren Preise erheblich über denen des Schwarzmarktes liegen.

Dies lässt sich offenbar nur durch eine hohe Professionalität der Leistungen vermitteln.

Ein zentrales Ziel des Dienstleistungspools in NRW besteht in der Förderung von Personen, die kaum Chancen auf eine Integration in den Arbeitsmarkt haben, wie es zum Beispiel bei Langzeitarbeitslosen der Fall ist.

Das Angebot selbst richtet sich zum einen an private Haushalte, die über ein höheres Einkommen verfügen, zum anderen sollte die Gruppe der älteren, kranken, pflege- und sozial bedürftigen Personen angesprochen werden.

Eine besondere Herausforderung besteht in der Qualifizierung. Auch im Antrag der Grünen wird betont, dass es sich bei den haushaltsnahen Dienstleistungen keineswegs durchweg um leichte Aufgaben handelt. Das Spektrum an Dienstleistungen ist äußerst heterogen und reicht von Tätigkeiten wie Einkaufen und Rasenmähen bis zu unmittelbar personenbezogenen Aufgaben wie der psychosozialen Betreuung von Menschen zum Beispiel mit Demenz.

Zugleich haben die Erfahrungen der Dienstleistungspools gezeigt, dass der Teilnehmerkreis über die Qualifizierungsmaßnahmen hinaus eine individuelle sozialpädagogische Betreuung benötigt. Festzustellen sind zahlreiche persönliche Problemlagen, etwa durch Überschuldung, psychische Probleme, Probleme mit dem Partner oder kulturell bedingte Probleme bei Menschen mit einem Migrationshintergrund. Hinzu kommt häufig nur ein geringes Selbstbewusstsein als Folge der langen Arbeitslosigkeit.

Man muss dafür Sorge tragen, dass dieser Personenkreis über ausreichende Ressourcen verfügt, um den Belastungen gewachsen zu sein. Dies liegt selbstverständlich auch im Interesse derjenigen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen, insbesondere dann, wenn es sich um pflegebedürftige allein lebende Menschen handelt, die in besonderem Maße schutzbedürftig sind.

Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von haushaltsnahen Dienstleistungen liegt außerdem in der regionalen Vernetzung. Diese ist bislang jedoch nur selten erfolgt.

Darüber hinaus sollte auf Überschneidungen bei den Tätigkeitsfeldern von bürgerschaftlich Engagierten geachtet werden. Zu erinnern ist etwa an die Inhalte von Fortbildungen zu Seniorenbegleitern. Man muss sich genau überlegen und abgrenzen, wie eine sinnvolle Ergänzung aussehen könnte, damit keine ungewollte Konkurrenz entsteht.

Über diese Details sollten wir gemeinsam im Ausschuss diskutieren und gemeinsam Lösungen für NRW und für die bedürftigen Menschen in NRW erarbeiten. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen im Landtag von Nordrhein-Westfalen heute auf Initiative der Grünen wahrlich über ein großes gesellschaftliches Problem. Das Problem ist aber nicht neu.

Ich habe seit 15 Jahren die Arbeitsmarktpolitik in diesem Land verfolgt. In dieser Zeit gab es verschiedene Regierungen unterschiedlicher Couleur. Unterschiedliche Verbände und unterschiedliche Initiativen haben sich immer wieder Gedanken darüber gemacht, wie man diesen Bereich der Dienstleistungen rund um den älteren Menschen – ich möchte den Kreis nicht nur auf pflegebedürftige Menschen beschränken; vor der Pflegebedürftigkeit gibt es durchaus Bedarfe – für unseren Arbeitsmarkt in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung erschließen kann. Das ist eine lange Debatte.

In diesen Bereich der Arbeitsmarktpolitik ist im Übrigen sowohl über das Land als auch über den Bund sehr viel Geld in Projekte geflossen. Schon zu Zeiten von Arbeitsminister Norbert Blüm sind Dienstleistungsagenturen und ist ein Haushaltsscheck gefördert worden.

Am Ende müssen wir feststellen, dass all diese Bemühungen nicht dazu beigetragen haben, in ausreichendem Umfang ein für die Betroffenen adäquates Angebot in der Fläche zu schaffen. Das ist die Wahrheit. Da ist wirklich viel experimentiert worden.

Von daher glaube ich, dass das Problem über die Förderung von Einzelprojekten, so viel Charme sie jeweils haben mögen, nicht lösbar ist. Auch die Projekte, Frau Steffens, die Sie angesprochen haben und die Nordrhein-Westfalen gefördert hat, sind mit einer wahrlich riesigen Anschubfinanzierung – diese waren nicht von Pappe – unterstützt worden. Sie haben selber gesagt, dass die Dienste zu Preisen angeboten werden, die viele Menschen nicht finanzieren können.

Die große Koalition in Berlin hat es sich zum Ziel gesetzt, mehr Jobs in den Haushalten zu schaffen. Sie geht den Weg der steuerlichen Begünstigungen von Jobs in Haushalten.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Ist doch lä- cherlich!)

Das wird uns bei älteren Menschen nur bedingt helfen, weil steuerliche Anreize bei einem großen Teil von Haushalten älterer Menschen aufgrund der im Alter abnehmenden Steuerlast bei weitem nicht so wirken können, wie das bei den jüngeren Familien der Fall ist.

Mein Ansatz seit Beginn meiner Tätigkeit im Ministerium war, eine größere Lösung zu finden. Sie ist schon einmal rund um den älteren Menschen in der Generation der Sozialpolitiker vor mir in einem ganz anderen Betätigungsfeld gefunden worden. Ich habe das noch einmal checken lassen.

Es geht um das Thema „Essen auf Rädern“. In diesem Sektor arbeiten in Deutschland weit über 300.000 Leute. In Nordrhein-Westfalen werden es zwischen 70.000 und 80.000 sein. Man hat es geschafft, die Probleme älter werdender Haushalte, was die Essensversorgung angeht, flächendeckend mit einer Kombination aus einem ersten Arbeitsmarkt und einem weiteren Arbeitsmarkt flächendeckend zu lösen. Das Ergebnis: eine gute Qualität sowohl was die Verlässlichkeit als auch das Essen selbst angeht.

Wir müssen uns auch darüber unterhalten, dass wir hier über viele Witwenhaushalte reden, bei denen die Renten zwischen 600 und 700 € im Durchschnitt liegen. Dennoch wird dieses Angebot angenommen, weil es für diese Haushalte bezahlbar ist.

Ich glaube, dass die damalige Idee als Grundlage dienen kann bei dem Versuch, flächendeckend in eine solche Versorgung mit haushaltsnahen Dienstleistungen – Stichworte: Wäsche, Reinigung der Haushalte, Einkaufen – hineinzukommen.

Ich setze nicht nur auf ein Instrument, glaube aber, dass die zurzeit auf unterschiedlichen politischen Ebenen diskutierten Kombinationsmodelle, Kombilohnmodelle – ich gehöre zu den Menschen, die glauben, dass wir Kombimodelle in erster Linie dort machen sollten, wo wir zusätzliche Arbeitskräftepotenziale heben, und nicht etwas fördern sollten, was es heute schon gibt – vielleicht eine Lösung wären, um einen Teil der Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ein solches Thema stärker in die Fläche hineinzutragen.

Der Weg, den Markt wie bei der Pflegeversicherung mit den reinen Pflegeleistungen durch die Schaffung einer Pflegeversicherung anzukurbeln, die den pflegebedürftigen Menschen Geld in die Hand gedrückt hat, wobei sich mit diesem Geld ein Markt entwickelt hat, steht uns über eine neue Sozialversicherung und über staatliche Förderung in diesem Bereich schlicht und ergreifend wegen Mangels an Ressourcen in dem Maße nicht mehr zur Verfügung wie damals. Ich sehe diese Ressourcen nicht. Ich glaube auch, dass sie realistischerweise hier niemand sieht.

Deswegen kann man über die Idee des Kombilohns und dadurch, dass wir mit Anbietern ein bestimmtes Know-how entwickeln, mehr erreichen als über die Förderung einzelner Dienstleistungspools. So viele, die wir für eine flächendeckende Versorgung brauchen, werden wir nicht fördern können. Wenn man früher vier gefördert hat: Was ist das für ein so großes Land wie NordrheinWestfalen?

Wir als neue Landesregierung entwickeln zurzeit einen Ansatz weiter, der die Chance bietet, eine in die Fläche hineinwirkende Dynamik zu entfalten.

Ich möchte einen zweiten Gesichtspunkt in die Debatte einführen, den wir nicht vergessen sollten. Ich bin wahrlich kein Freund der Ich-AGs. Die Wahrheit ist allerdings schon, dass über die vielen in Form von Ich-AGs angebotenen Hausmeisterservice ein Markt entstanden ist, der teilweise auch in diesen Bereich mit ergänzenden Arbeitsangeboten hineingreifen kann. Es wäre interessant zu untersuchen, wie stark beispielsweise ein solcher Service auch von Haushalten älterer Personen in Anspruch genommen wird, um eine selbstständige Haushaltsführung möglichst lange zu erhalten.

Ich wäre sehr dafür, dass wir gemeinsam, aufbauend auf den Strukturen, die wir bei der ambulanten Pflege, in der Vernetzung der Regionen haben, versuchen, diese Infrastruktur – Essen auf Rädern, Pflege – stärker mit einer haushaltsnahen Dienstleistungsangebotskomponente in der Breite zu verbessern.

Das Kunststück wird sein, die hehren Ziele einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, einer gerechten Entlohnung, eines zuverlässigen Overheads mit bezahlbaren Preisen für Haushalte der unteren Einkommensschichten in Einklang zu bringen. Das ist eben nicht einfach.

Deswegen wäre es angezeigt, das Ganze vielleicht stärker mit der Kombination aus eingespar

ten staatlichen Transferleistungen und dem Angebot einer gesellschaftlichen Arbeit, die ein Mehrwert wäre für die Gesellschaft, aber auch für die einzelnen, die sie leisten, zu verbinden. Ich glaube, dass das, worüber wir jetzt reden, ein Segment ist – wahrscheinlich eines der größeren –, das man über ein solches Kombimodell heben kann.

Das Wirtschaftsministerium, das Generationenministerium und mein Haus arbeiten in dieser Frage zusammen. Wir werden dazu im Frühjahr dem Parlament von Nordrhein-Westfalen Vorschläge vorlegen.

Die Wahrheit ist aber auch, dass man zur Entwicklung eines solchen Marktes ein Stück weit eine Mentalitätsveränderung bei älteren Personen braucht. Auch daran scheitern viele Nachfragen, denn es ist im Alter, wenn man es aufgrund seiner Einkommenssituation nicht gewohnt war, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, nicht nur eine Frage des Geldes, sich diese dann nutzbar zu machen, sondern auch eine Frage von Mentalitäten. Wenn man wie ich, der bis vor kurzem in einem Drei-Generationen-Haushalt gelebt hat, um diese Mentalitäten weiß, weiß man auch, dass dieses bei der Inanspruchnahme solcher Leistungen eine große Rolle spielt.

Es ist nicht notwendig, über parteipolitische Fragen zu reden, sondern es geht darum – das ist ein gesellschaftliches Problem –, einer größer werdenden Gruppe ein Angebot zu machen. Wenn ich das richtig sehe, wächst in Nordrhein-Westfalen allein die Zahl der Pflegebedürftigen zukünftig jedes Jahr um 15.000 Menschen. Das ist schon eine gewaltige Entwicklung.

Wir werden die Pflege nicht finanzieren können, wenn wir nicht möglichst lange die Eigenständigkeit der Menschen in ihren Wohnungen erhalten. Wir müssen den Menschen jedoch ehrlich sagen: Man muss sehen, dass man im Alter persönliche Beziehungsgeflechte hat, denn zunehmendes Alter bedeutet trotz komplementärer Mittel immer ein mühsameres eigenständiges Leben als in jungen Jahren. Vieles, was Älteren in familiärer Hilfe wie selbstverständlich gewährt werden kann, ist, wenn man es von außen organisieren muss, gar nicht so einfach zu bewerkstelligen.

Das war und ist der Grund, weshalb wir uns in der Erschließung dieses Arbeitsmarktes für den ersten Arbeitsmarkt so sagenhaft schwer tun. Im Übrigen ist die Bezahlbarkeit solcher Angebote entscheidend dafür, ob sich dieses Potenzial für den ersten Arbeitsmarkt erschließen lässt. Wenn die Angebote für die Menschen nicht bezahlbar sind,

wird sich logischerweise hier wie in vielen anderen Bereichen eine Schattenwirtschaft sowohl auf dem inländischen Arbeitsmarkt als auch auf dem Arbeitsmarkt, der von Menschen, die aus Osteuropa in diese Nischen drängen, ausgefüllt wird, entwickeln.

Es liegt also an uns, gemeinsam eine Lösung zu finden, wobei ich Ihnen offen sage: Alle diese hehren Ziele unter einen Hut zu bekommen, wird nicht einfach sein und sicherlich unterschiedlichster Wege bedürfen. Wenn uns die Debatte über den Antrag neue Erkenntnisse brächte, würde es mich sehr freuen, aber ich glaube, dass wir in der Pflege und in der Sorge um dieses Thema nicht unbedingt neue Erkenntnisse brauchen, sondern Schritt für Schritt unsere Aufgaben erledigen müssen.

Herr Minister, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Die neue Landesregierung wird dieses in diesem Jahr beherzt tun. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Herzlichen Dank. – Die nächste Wortmeldung habe ich für die SPD-Fraktion vom Kollegen Garbrecht, dem ich hiermit das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Ich freue mich, wenn eine gelernte Werkzeugmacherin einem gelernten Werkzeugmacher das Wort erteilt.

Ich will für die SPD-Fraktion abschließend drei Bemerkungen machen, die sich insbesondere an der Schnittstelle zwischen Arbeitsmarktspolitik und haushaltsnahen Dienstleistungen bewegen. Herr Minister ist darauf eingegangen.