Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

lem ist groß in Nordrhein-Westfalen. Die Lösungsansätze sind vielfältig. Ich glaube, es gibt nicht einen Weg, sondern viele Wege.

Ich meine auch, das ist ein Thema, bei dem man hervorragend zeigen kann, dass es nicht nur um Parteipolitik geht, sondern um die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Deswegen hoffe ich auf einen konstruktiven Diskussionsprozess im Ausschuss in den weiteren Beratungen, um wirklich zu Lösungen für beide Gruppen, die Älteren und die Langzeitarbeitslosen, zu kommen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Als nächster Redner hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Kleff das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in ihrem sehr umfangreichen Antrag die Problemlage ausführlich beschrieben. Der Sachdarstellung kann ich weitestgehend zustimmen. Es ist sicher das Anliegen aller hier vertretenen Fraktionen, die Situation von älteren Menschen, die sich in Krisensituationen befinden oder dauerhaft hilfebedürftig sind, mit oder ohne Pflegestufe, zu verbessern.

Frau Steffens, ich möchte die Diskussion über den Ausbau haushaltsnaher Dienstleistungen aber nicht auf den Bereich der älteren Menschen beschränken, wie in dem uns vorgelegten Antrag geschehen, sondern auch auf die Nachfrage von Dienstleistungen in privaten Haushalten generell erweitern und diese einbeziehen. Einen besonderen Bedarf sehe ich hier insbesondere bei Alleinstehenden und jungen Familien.

Der Beschäftigungssektor Haushalt in Deutschland ist längst noch nicht erschlossen. Wenn wir über den Bedarf sprechen, müssen wir unter anderem berücksichtigen, dass in Deutschland 40 % der Haushalte Einpersonenhaushalte sind und sich durch die demographische Entwicklung die Nachfrage enorm erhöhen wird.

Ich muss aber zunächst feststellen, dass der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Herr Laumann, bereits am 7. September 2005 die Initiative seines Ministeriums auf diesem Feld im Ausschuss angekündigt hat. Der uns jetzt vorliegende Antrag wäre aus meiner Sicht zu diesem Zeitpunkt entbehrlich gewesen.

Ferner muss sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Frage gefallen lassen, warum dieses

Thema bisher unter ihrer Regierungsverantwortung nicht einer Lösung zugeführt worden ist. Die Antwort können Sie demnächst im Ausschuss geben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, leider mündet die Arbeitsnachfrage im Bereich Haushalt immer noch zu oft in der Schwarzarbeit. Warum dies so ist, haben Sie in Ihrem Antrag ausdrücklich dargestellt. Die im Antrag genannten Gründe sind auch die Ursache für den Einsatz der osteuropäischen Helferinnen und Helfer, auf die Sie ebenfalls ausführlich eingegangen sind. Der Arbeitsplatz Haushalt muss endlich aus der Grauzone der Schwarzarbeit herausgeholt werden.

(Beifall von der CDU)

Es müssen konsequente Anreize zur legalen Beschäftigung geschaffen werden. Es ist wichtig, dass wir zu einem Verfahren kommen, das auch Pflege- und Hilfebedürftigen den Zugang zu diesen Dienstleistungen ermöglicht. Das für geringfügig Beschäftigte geltende Verfahren ist hier noch zu kompliziert, meine ich.

Es ist richtig, dass die Professionalisierung nicht in jedem Fall und bei jeder Dienstleistung notwendig ist. Die Unterstützung beim Einkaufen oder beim Behördengang erfordert keine Ausbildung, sondern Bereitschaft und Einfühlung, aber auch eine Menge Vertrauen bei der Tätigkeit in der Privatsphäre der Menschen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich stimme mit der Antragstellerin überein, wenn es darum geht, die haushaltsnahen Dienstleistungen auch für die Menschen zugänglich zu machen, die nur ein geringes Einkommen haben. Hier müssen verschiedene Modelle überlegt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Minijobs im Bereich der Wohlfahrtspflege. Über Dienstleistungsgutscheine muss im Zusammenhang mit dem möglichen Einsatz von ESF-Mitteln nachgedacht werden. Insgesamt kommt es hier auf eine solide Finanzierung an.

In dem uns vorliegenden Antrag vermisse ich das Wort Subsidiarität. Die Familien, die Nachbarn und die ehrenamtlich tätigen örtlichen Gruppen der Wohlfahrtsverbände leisten hier bereits wertvolle Dienste. Altenbegegnungen werden organisiert, Besuchsdienste werden eingerichtet usw. – eine ausgesprochen wertvolle Arbeit, die großen Respekt verdient. Die Nachfrage und Bereitschaft, sich sozial zu engagieren, ist vielfach vorhanden und bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Die Denkstruktur von Bündnis 90/Die Grünen sieht aber wie folgt aus – und dies zieht sich wie

ein grüner Faden durch den Antrag –: Es besteht Handlungsbedarf; der Staat muss organisieren und bezahlen. – Diese Haltung hat uns in die Haushaltssituation gebracht, die wir jetzt vorfinden.

Wir dürfen nicht immer so tun, als ob der Staat für alles, was Solidarität bedeutet, die Alleinzuständigkeit hätte. Dem Staat obliegt eine regulative Funktion: die Feststellung des Bedarfs, die Koordination der Anbieter – ehrenamtliche und professionelle – und die Sicherstellung, falls überhaupt erforderlich, bestimmter Qualitätsstandards.

Es soll hier allerdings nicht der Eindruck entstehen, dass der Staat aus seiner Verpflichtung entlassen werden soll – und schon gar nicht, dass es darum geht, Ehrenamtliche und Freiwillige als Lückenbüßer einzusetzen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen ein Potenzial – vorwiegend Frauen – für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, das gehoben werden muss. Hier stimmen wir mit der Intention des Antrags ausdrücklich überein.

Ich sehe den Kombilohn nicht als Allheilmittel, aber als einen möglichen Einsatzbereich, wenn es um die Bezahlbarmachung von Dienstleistungen durch gering Qualifizierte oder Menschen mit Behinderung geht. Auch ist meines Erachtens eine Gegenrechnung aufzumachen, wenn es durch die Arbeitsaufnahme zur Einsparung bei den Unterstützungszahlungen im Bereich von SGB II oder SGB III kommt. Hier halte ich eine intensive Prüfung für erforderlich.

Abschließend will ich in die Diskussion um die Lebensqualität im Alter die Prävention und die Mitwirkung einbringen; denn die Aufrechterhaltung der Autonomie und der Unabhängigkeit muss das Ziel jedes Einzelnen, aber auch das Anliegen der Politik sein. Die Politik des aktiven Alters beinhaltet die Unterstützung der Eigenverantwortung. Auch aus ökonomischen Gründen ist die Steigerung der Mitwirkung älterer Menschen sinnvoll. Hier müssen alle Beteiligten ihren Beitrag leisten. Die Mitwirkung erhält die Arbeitskraft und reduziert letztlich die Kosten für die Versorgung, indem sie nachweislich auch die Menschen länger gesund erhält.

Ich hoffe, dass wir mit den Beratungen in den beteiligten Ausschüssen zügig zu einer für alle Beteiligten guten Lösung kommen. – Für Ihre Aufmerksamkeit bedanke ich mich.

(Beifall von der CDU)

Danke schön. – Als Nächster hat Herr Killewald das Wort für die SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in Ihrem Antrag bieten Sie eine detaillierte Ausarbeitung der Problemlage in den haushaltsnahen Dienstleistungen an. Ich verstehe Ihre Ungeduld, werte Mitstreiter, und zwar deshalb, weil die Landesregierung – insbesondere Sie, Herr Laumann – seit Monaten in Sache Pflege eigentlich Signale vermissen lassen, auch wenn Herr Kleff etwas anderes wahrgenommen haben will. Das sind zum Beispiel Signale, wie es mit dem Abschlussbericht der Enquetekommission, wie es mit Wohnen und Pflege und wie es mit dem Aktionsprogramm Pflege in NRW weitergeht.

Bekennen Sie endlich Farbe. Sie haben heute die Möglichkeit, hier Klartext zu reden. Herr Kleff, ich habe bisher nicht wahrgenommen, dass Herr Minister Laumann Klartext geredet hätte.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU: Vielleicht brauchen Sie ein Hörgerät!)

Vielleicht brauche ich das. Für mein linkes Ohr wird das stimmen, für mein rechtes Ohr nicht.

Führen Sie das Aktionsprogramm fort und ergänzen es! Sie haben damit die Möglichkeit, genau das aufzugreifen, was Herr Kleff gesagt hat.

Doch jetzt zurück zum vorliegenden Antrag: Der Enquete-Bericht „Zukunft der Pflege in NRW“ ist uns allen bekannt. Er bietet eine nahezu vollständige Problembeschreibung der jetzigen und zukünftigen Situation der Pflege in NRW. Ich traue jedem – oder zumindest fast jedem – von uns zu, diese Ausführungen im Blick zu haben. Insofern sollten wir bei unseren Sachstandsberichten vor unseren Anträgen nicht zu frühzeitig die gemeinsame Basis dieser Feststellungen im Bericht verlassen. Eine gemeinsame Plattform gerade für die Pflege und die Schritte, die wir unternehmen müssen, ist unbedingt notwendig.

Wir wissen von den inzwischen wohl rund 60.000 Menschen – vor allen Dingen Frauen aus osteuropäischen Ländern –, die in deutschen Pflegehaushalten beschäftigt werden. In der Regel passiert das in illegalen Beschäftigungsverhältnissen mit einem Lohn von 500 bis 800 € plus Kost und Logis, bei Arbeitszeiten rund um die Uhr und der ständigen Erreichbarkeit.

Wir wissen, dass eine 24-Stunden-Betreuung durch hiesige Pflegedienste durchschnittlich 3.000 bis 5.000 € kostet, wobei die Behandlungspflege noch nicht eingerechnet ist. Bei dieser Gegenüberstellung, meine Damen und Herren, ist klar, wieso sich viele Familien oder Pflegende für diese Lösung der haushaltsnahen Dienstleistung in illegaler Beschäftigung entschließen.

Wir wissen, dass in häuslicher Pflege von Angehörigen oder anderen nicht professionellen Kräften die Qualität der Pflege fast gar nicht überprüfbar ist. Auch wissen wir, dass besonders die ambulanten Dienste in einigen Regionen von Nordrhein-Westfalen heute schon erhebliche Einnahmerückgänge aufgrund dieser illegalen Beschäftigungsverhältnisse verzeichnen müssen.

Die SPD-Fraktion ist der festen Überzeugung, dass sich die Politik auf kommunaler, auf Landes- und auf Bundesebene der Problematik der haushaltsnahen Dienstleistungen widmen muss. Es ist uns klar, dass die Problematik der Pflege nur im Zusammenhang mit den häuslichen Dienstleistungen gelöst werden kann. Gerade die häuslichen Dienstleistungen bieten Möglichkeiten, die Finanzstruktur der Pflege zu entlasten.

Klar ist aber auch, dass wir die betroffenen Menschen nicht einfach in eine Ecke stellen dürfen. Wir bauen daher auf eine gemeinsame, politische wie gesellschaftliche Lösung. Wenn wir allein auf eine politische Lösung bauen, werden wir wie in der Vergangenheit Schiffbrauch erleiden.

Die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen mit den komplementären ambulanten Diensten zeigen, dass wir als Land nur stark begrenzte Möglichkeiten haben. Aus diesem Grund werden wir uns in den Diskussionen der Ausschüsse neben den Motiven und den Notwendigkeiten der Betroffenen auch der Frage widmen müssen, welche politische Ebene eigentlich am Zuge ist. Welche Fragestellungen sind bundespolitisch? Wie sieht die Landesrolle in diesem Sachverhalt aus? Vor allen Dingen geht es um die Frage: Wie sieht die kommunale Rolle aus, die besonders gefragt ist?

Wir sind gerne bereit, einen breiten Konsens zu erarbeiten, der die Chancen der haushaltsnahen Dienstleistungen für den Pflegesektor nutzt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD)

Nun setzt der Abgeordnete Dr. Romberg die Debatte für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unbestreitbar, dass es einen wachsenden Bedarf für haushaltsnahe Dienstleistungen gibt, vor allem für die Gruppe älterer Menschen. Zukünftig werden immer mehr von ihnen alleine leben. Entsprechend können solche Dienste dazu beitragen, die selbstständige Haushalts- und Lebensführung auch bei bestehenden Beeinträchtigungen sowie bei fehlenden informellen Netzwerken aufrechtzuerhalten. Auf diese Weise ist es möglich, Heimeinweisungen zu vermeiden.

Auch im Bericht der Enquetekommission Pflege wird hervorgehoben, dass sogenannte vorpflegerische und pflegeergänzende Leistungen den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit unterstützen können. Die Zielgruppen für solche Leistungen sind entweder Personen, die Hilfe benötigen, aber eben noch nicht pflegebedürftig im Sinne des SGB XI sind, sowie Personen, die einen eigenen Hilfebedarf haben, der über das Leistungsangebot des SGB XI hinausgeht.

Besonders wichtig sind pflegeergänzende Dienste für die Personengruppe der demenziell Erkrankten, die zu Hause versorgt werden, und deren Angehörige. Gerade ihr Unterstützungsbedarf wird derzeit nicht durch die Kernleistungen der Pflegeversicherung gedeckt.

Allerdings haben sich durch das Pflegeleistungsergänzungsgesetz Möglichkeiten zur Inanspruchnahme entsprechender komplementärer Angebote ergeben. Nachweisbar ist, dass ältere Menschen derzeit in höherem Maße Haushaltshilfen einsetzen. Eine Auswertung des sozioökonomischen Panels für den Fünften Altenbericht der Bundesregierung hat ergeben, dass 14,1 % der Haushalte mit mindestens einem Mitglied, das 55 Jahre oder älter ist, eine Haushaltshilfe beschäftigen. Dieser Anteil ist deutlich höher als in anderen Altersgruppen.

Eine weitere Zielgruppe stellen die Angehörigen dar, die eine hilfe- oder pflegebedürftige Person zu Hause versorgen, aber zugleich erwerbstätig sind. Die damit verbundenen Probleme müssen überwiegend Frauen bewältigen.

Eine Studie hat bestätigt, dass rund 14 % der Hauptpflegepersonen ihre Erwerbstätigkeit aufgrund der Pflege der Angehörigen deutlich einschränken müssen. 16 % geben sie sogar ganz auf. Mit solchen Entscheidungen verbinden sich diverse soziale Nachteile, beispielsweise Einkommensverluste und verringerte Karrierechancen. Hinzu kommen die körperlichen und psychischen Belastungen, die mit der Pflege verbunden

sind. Entlastungsangebote werden auch in dieser Hinsicht benötigt.

Da das Unterstützungspotenzial von pflegenden Angehörigen aufgrund der demographischen Entwicklung ohnehin in den nächsten Jahren abnehmen wird, müssen alternative Möglichkeiten gefunden werden, um den Verbleib von Älteren in der eigenen Wohnung zu sichern. Zu berücksichtigen ist auch die unterschiedliche Verteilung von finanziellen Ressourcen, die sich in Zukunft noch verstärken könnte.

Das Institut für Arbeit und Technik hat ermittelt, dass bundesweit 11,5 % der Privathaushalte regelmäßig oder gelegentlich eine Haushaltshilfe beschäftigen. Der größte Anteil an haushaltsnahen Dienstleistungen wird jedoch nach wie vor als freiwillige Leistung zum Beispiel durch Angehörige und Nachbarn oder durch Schwarzarbeit erbracht.

Es gibt zahlreiche Aspekte, die eine Ausweitung legaler Beschäftigung erschweren. Dies gilt zum Beispiel für die Vermeidung von Sozialabgaben oder das Fehlen von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen bei Migranten. Dennoch könnte sich hier ein Beschäftigungsfeld eröffnen, von dem vor allem ältere Erwerbslose und Personen mit geringer Qualifizierung profitieren.