Zweiter Punkt. Fachpolitik ist Teil der Gesamtpolitik – völlig klar. Wir haben ein Paket geschnürt, das man begrüßen kann oder auch nicht – in einzelnen Positionen teile ich durchaus Ihre Gedanken –, aber das Oberziel, die Föderalismusreform als einen ersten Schritt zu einem neuen Länderfinanzausgleich jetzt in Gang zu setzen und nicht auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben, das teile ich vollkommen. Das ist ein Geben und Nehmen – „Do, ut des“. Es gilt, das Oberziel zu verwirklichen: Ja zur Föderalismusreform. – Das nur, um es deutlich zu machen.
Der stellvertretende Ministerpräsident, Andreas Pinkwart, hat im Bundestag einst deutliche Ausführungen gemacht und klargestellt, dass es jetzt mit dem Föderalismusreformprojekt die einmalige Chance gibt, einen guten Schritt voranzukommen auf dem Weg zu einer effizienteren und grundlegend erneuerten bundesstaatlichen Ordnung. Das ist doch das, was wir alle hier im Hause gefordert haben, und das, was aus den Äußerungen bisher immer deutlich geworden ist. Es darf nicht scheitern, und wir wollen nicht, dass es scheitert. Es ist ein Geben und Nehmen.
Drittens. Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünen ist für mich in manchen Positionen vor dem Hintergrund Ihrer bisherigen Argumentation überhaupt nicht verständlich. Sie waren es doch immer, die uns aufgefordert haben, die Vor-OrtEntscheidungen zu suchen, sie haben doch im
mer eingefordert, dass es vor Ort geklärt werden muss, sie waren doch immer für die Dezentralisierung, Sie haben sich doch gegenüber jeglichen Überlegungen hinsichtlich einer Zentralisierung gesperrt; und jetzt auf einmal soll es ganz anders sein. Das kann ich nicht so ganz nachvollziehen.
Wenn man Ihren Gedanken aufgreift und behauptet, dass man dieser von Ihnen – ich glaube gar nicht, dass es so sein wird – vermuteten Abwärtsspirale nur mit einem zentralen Umweltrecht auf Bundesebene begegnen kann, dann brauchen wir auch kein Bundesrecht, sondern dann benötigen wir EU-Recht. Denn 80 % unserer Gesetze im Umweltbereich kommen von der EU. Also setzen wir auf ein EU-Recht, das für alle gleich ist. Das könnte akademisch sogar überlegenswert sein, aber in Kenntnis der Diskussion um die Umsetzung bei FFH, EU-Wasserrahmenrichtlinie oder Feinstaubrichtlinie habe ich meine großen Probleme, ob das der richtige Weg ist.
Man kann aber auch einen ganz anderen Gedankengang nehmen, Herr Remmel, und feststellen: Hier haben die Länder eine Chance, sich mit gleichen Zielrichtungen und mit einheitlichem Vollzug als echter Partner des Bundes zu beweisen. Diese Chance besitzen die Länder jetzt, und dazu sind die Länder jetzt auch aufgerufen. Die Länderarbeitsgemeinschaften, deren Existenz von uns allen oftmals beklagt worden ist, weil sie außerhalb der parlamentarischen Kontrolle agieren, werden jetzt einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Denn deren Arbeit als Koordinationsgremium der Bundesländer bedarf jetzt der parlamentarischen Beratung und Absegnung.
Das ist doch das, was viele – wenigstens von uns –, wenn nicht sogar alle, immer gefordert haben. Das ist doch eigentlich schon einmal ein ganz guter Fortschritt. Meine Damen und Herren, ich sehe darin, dass die Länder jetzt aufgerufen sind, den einheitlichen Vollzug und eine einheitliche Gesetzgebung in einem Wettbewerb um die besten Lösungen zu entwickeln, eine Chance.
Heute Morgen hat mir mein Innenminister Ingo Wolf noch berichtet, dass er gerade mit kanadischen Parlamentariern diskutiert und festgestellt hat, dass der Föderalismus in Kanada im Bereich des Bildungswesens vollständig ist. Trotzdem erreichen die bei Pisa hervorragende Noten. Es kann doch nicht richtig sein, wenn man dann behauptet: Das kann alles nur schlecht sein.
Ich will gar nicht verhehlen, dass es durchaus problematisch sein kann, wenn man zu einem Flickenteppich kommen würde. Da bin ich auch be
reit zu sagen: Das darf nicht sein. Aber ich glaube, dass alle Länder die Kraft besitzen, sich zusammenzufinden und vernünftige Lösungen nach vorne zu bringen. Und, Herr Remmel, wir haben doch jetzt eine einmalige Chance. Wir stehen da unter Zeitdruck.
Herr Ellerbrock, einfach weil es mich interessiert und ich Sie auch bei Ihrer Berufsehre packen möchte – Sie sind ja Raumplaner –: Würden Sie es denn für den Raumordnungsbereich auch so konzipieren, wie Sie das gerade für den Umweltbereich generell vorgetragen haben?
Herr Remmel, unterschiedliche Problemkreise verlangen nach unterschiedlichen Lösungen. Bei der Raumplanung, zum Beispiel im Bereich der Kernkraft, bei länder- oder staatenübergreifenden Lösungen, da muss es entsprechende Konstrukte geben.
Wir als FDP sind immer ein ganz starker Verfechter des Subsidiaritätsprinzips: Soweit wie möglich nach unten, aber wenn die Verantwortung oben liegen muss, dann muss sie auch nach oben gegeben werden. Damit habe ich überhaupt keine Probleme.
Die Länder verfügen doch jetzt zusammen mit dem Bund über eine hervorragende Chance: Es soll ein neues Umweltgesetzbuch kommen. Ein neues, strenges Umweltgesetzbuch, das schlank sein soll, möglichst wenige Paragraphen enthalten soll, aber gleichzeitig umfassend sein soll. Es ist doch eine Chance für uns alle, mit einem neuen Umweltgesetzbuch klar und übersichtlich einfach das, was wir alle vor Augen haben, zu ändern.
Die deutsche Umweltgesetzgebung ist gescheitert. Das müssen wir ganz nüchtern attestieren. Wir sind viel zu zersplittert, wir sind im Vollzug unterschiedlich. Das kann so nicht bleiben.
Meine Damen und Herren, wir müssen zu neuen Instrumenten kommen. Unser Ordnungsrecht, das brauchen wir – völlig klar –, aber wir müssen zu neuen Instrumenten bei den Genehmigungen kommen. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass wir ganz neue Instrumente finden, indem wir etwa das Element des Vertrages viel stärker in den Vordergrund rücken.
Die öffentliche Hand soll sich aus den ganzen Kontrollen direkt herausziehen. Unser altes Schlagwort
seit langer Zeit: Kontrolle der Kontrolleure. Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Wirtschaft, auf die Produktverantwortung, auf die Selbstverantwortung und Selbstkontrolle. Der Staat muss ein scharfes Schwert in der Hand haben, um dieses als Kontrolleur der Kontrolleure dann auch wirklich umzusetzen.
Nein, Herr Remmel, das ist Ihr völliges Missverständnis vom Staat. Das ist kein Nachtwächterstaat. Das ist ein starker Staat, der das, was er will, in seiner Kernkompetenz auch durchsetzt. Das ist eben keine Zersplitterung. Wir setzen eben auf die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Wir setzen darauf, dass wir als Staat den Rahmen vorgeben.
Wir setzen darauf, dass wir diesen Rahmen konsequent kontrollieren und ihn auch inhaltlich umsetzen. Wir wollen nicht im Detail alles regeln. Das unterscheidet uns grundsätzlich.
Sie wollen § 4 Abs. 5 Schraube 6 Gleis 7 mit einem Inbusschlüssel festsetzen. Wir sagen: Das muss grundsätzlich geregelt werden. Da unterscheiden wir uns grundsätzlich.
Meine Damen und Herren, ich sehe diese Föderalismusreform auch im Umweltbereich als Chance für uns Länder, zu völlig neuen Strukturen zu kommen und bis 2011, so der Bund denn dann ein neues Umweltgesetzbuch vorlegt – Wie sagten Sie, Frau Watermann? Ein Umweltgesetzbuch aus einem Guss und damit vielleicht übersichtlicher –, wirklich einen Schritt nach vorne zu machen.
Wir haben festzustellen: Die deutsche Umweltgesetzgebung ist gescheitert, sie ist zersplittert, sie ist zu unübersichtlich, sie ist letztendlich nicht anwendbar. Jetzt lasst uns das ändern! Und dazu gibt dieser Baustein Föderalismusreform die Chance, dass wir von den Ländern aus nach vorne gehen und so etwas einleiten. Lasst uns die Chance nutzen. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Ellerbrock. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Breuer das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhobenen Forderungen zu der im Rahmen der Föderalismusreform geplanten Neuordnung der Gesetzgebungskompetenz im Umweltbereich sind ja nicht neu, Herr Remmel. Das Gegenteil ist der Fall.
Sie wurden in langwierigen Beratungen der Föderalismuskommission seit November, spätestens seit November 2003, von der Bundesseite immer wieder erhoben und auch ausgiebig diskutiert. Das ist nicht heute vom Himmel gefallen. Ich bin auch dankbar, dass die Vorrednerinnen und Vorredner das angemerkt haben.
Dabei wurde deutlich, dass diese Forderungen keine Realisierungschance hatten, weil dies zu einer drastischen Beschneidung der Länderkompetenzen im Umweltbereich geführt hätte. Das war für uns als Land Nordrhein-Westfalen nicht hinnehmbar.
Deshalb wurden in dem Reformkonzept zum Föderalismus, das Bestandteil des Koalitionsvertrages der großen Koalition geworden ist, die Kompetenzen im Umweltbereich eben anders zugeschnitten, als sie es jetzt sind und es zum wiederholten Male auch von den Grünen wieder verlangt wurde, nämlich mit Abweichungsmöglichkeiten für die Länderparlamente von bundesrechtlichen Regelungen bei Naturschutz, Wasserhaushalt und Landschaftspflege, mit Erforderlichkeitsvoraussetzungen für bundesrechtliche Regelungen im Abfallrecht und eben ohne eine Querschnittskompetenz des Bundes für den umfassenden Bereich des Umweltrechtes insgesamt.
Mit diesen Inhalten, Herr Remmel, wurde das Reformkonzept auch in den Gesetzentwürfen umgesetzt, die die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD am 10. März in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Und da diese Gesetzentwürfe mit den Ländern im Vorfeld bis ins Detail abgestimmt waren, haben die Regierungschefs der Länder auf ihrer Sonderkonferenz am 6. März 2006 den federführenden Ländern Bayern, Berlin, Bremen und natürlich Nordrhein-Westfalen den Auftrag erteilt, gleichlautende Gesetzentwürfe im Bundesrat einzubringen.
Wir sind nicht Ihrer Auffassung – ich habe Sie eben so verstanden –, dass das, was jetzt mit dem Föderalismuskonzept organisiert ist und vorgeschlagen wird, nicht zu einem Umweltgesetzbuch auf Bundesebene führen wird. Wir sind genau der gegenteiligen Auffassung, dass es nämlich richtig ist, dass jetzt in der Arbeit, die natürlich alle Insti
Nach der entsprechenden Billigung dieses umfassenden Werkes durch das Landeskabinett hat Ministerpräsident Rüttgers als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz diese Gesetzentwürfe dem Präsidenten des Bundesrates mit der Bitte zugeleitet, sie auf die Tagesordnung der Bundesratssitzung zu setzen.
Aber bereits vor den Sonderkonferenzen und vor der intensiven Debatte der Regierungschefs der Länder haben verschiedene Ministerpräsidenten deutlich gemacht, dass mit der Einbringung der Gesetzentwürfe der Abschluss der Verhandlungen für diesen Teil erreicht ist. Es geht jetzt also nicht um ein neues Verfahren, sondern es geht eigentlich um den Abschluss einer Debatte, die wir seit drei, vier Jahren haben. Ich finde, den Menschen muss man deutlich machen, dass die Politik auch irgendwo zu Potte kommen muss. Dass sie nicht mit allem einverstanden sind, ist klar, aber wir müssen den Menschen zeigen, dass wir gewillt sind, Lösungen auch durchzusetzen.
Ich habe den Eindruck, Herr Remmel, dass genau dies mit dem vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen torpediert werden soll. Es geht nicht mehr darum, dass Fragen geklärt werden müssen, bei denen man grundsätzlich anderer Auffassung ist. Wir haben den Eindruck, dass es nur um sinnvolle Verbesserungen im Detail gehen kann, während durch Sie das gesamte Gesetzgebungsverfahren immer wieder streitig gestellt wird.
Ich habe den Eindruck, dass das so ist, obwohl diese Fragen in langwierigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern doch wirklich austariert worden sind.
Ich sage Ihnen deutlich, Herr Remmel, dass ich auch nicht Angst vor dem Föderalismus habe, ganz im Gegenteil. Ich freue mich über das Ergebnis und bin überzeugt, dass der Wettbewerb zwischen den Ländern eine gute Sache ist. Angst vor Verantwortung kennen wir in Nordrhein-Westfalen nicht. Wir werden die umfangreichen Abweichungsmöglichkeiten so handhaben, dass es für das Land besser ist als das, was wir bisher haben.
Genau vor dem Hintergrund will ich betonen, dass wir zusammen mit den vier mitantragstellenden Ländern der Auffassung sind, dass wir jetzt wirklich am Ende einer wichtigen Debatte sind. Und
als Vorsitzland der Ministerpräsidentenkonferenz trägt Nordrhein-Westfalen eine besondere Verantwortung für das Gelingen der Föderalismusreform, deren Leitgedanken ich noch einmal hervorheben will.
Der Vermischung von Verantwortlichkeiten soll durch Entflechtung der staatlichen Ebenen entgegengewirkt werden. Bund und Länder sollen mehr eigenständige Gestaltungsspielräume erhalten. Dafür verzichten die Länder – letztendlich auch die Ministerpräsidenten – auf etwas, nämlich auf einen Großteil ihrer Mitwirkungsrechte im Bundesrat, um im Gegenzug mehr Gesetzgebungskompetenzen für die Länder, also Gestaltungsspielräume für die Länderparlamente, zu erhalten.
Damit soll unsere Verfassung in Richtung von mehr Freiheit, und zwar gerade in Richtung von mehr Gestaltungsfreiheit der Landesparlamente, geändert werden. Dass nun dieser erhöhte Gestaltungsspielraum ausgerechnet von einem Landespolitiker kritisiert wird, kann ich eigentlich nicht nachvollziehen.