Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Fachpolitiker!)

Eine solche Kritik läuft doch darauf hinaus, dass wir hier im Landtag mit der erhöhten Gestaltungsfreiheit nicht verantwortungsbewusst umgehen werden. Das ist das, was ich in Ihren Äußerungen immer wieder entdecke. Ich bin überzeugt, dass nicht nur der Umweltminister Eckhard Uhlenberg, sondern auch die Mehrheiten in den für Umwelt zuständigen Fachausschüssen sehr wohl eine vernünftige und abgewogene Form treffen werden. Subsidiarität muss man auch wirklich leben, und wo kann man das besser machen als in diesem Bereich?

Abschließend möchte ich anmerken, dass es nach den Erfahrungen der Vergangenheit nicht richtig ist, sich auf bundeseinheitliche Regelungen zu konzentrieren. Ich glaube, dass wir mit zu vielen zentralistischen Zuständigkeiten günstigstenfalls zu einem verordneten Mittelmaß gekommen sind.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Wie bei Pisa!)

Ich habe den Eindruck, dass wir in vielen Bereichen dem Subsidiaritätsprinzip viel mehr Möglichkeiten einräumen müssen. Ein irgendwie gearteter Wettbewerb um die jeweils beste Lösung auch im Umweltbereich wird durch zentralistische Zuständigkeiten jedenfalls nicht von vornherein befördert. Der Kollege der FDP hat deutlich gemacht: Wenn Sie Ihren Gedanken konsequent zu Ende bringen würden, würden sich die Bundesrepublik und die Länder komplett aus der Umweltkompe

tenz verabschieden und dann alles der Europäischen Union überlassen.

Ich bin überzeugt, dass mit der Föderalismusreform der freiheitliche und republikanische Charakter unserer Verfassung gestärkt wird, um so den Föderalismus zu einer politischen Ideenschmiede zu machen, in der unterschiedliche Lösungen nicht nur diskutiert werden, sondern auch die konkrete Umsetzung einem Praxistest unterzogen werden kann. Nur so, durch mehr Freiheit und mehr eigene Gestaltungsspielräume, kann ein föderales System mit Leben erfüllt werden.

Ich bin überzeugt, dass die große Mehrheit der Menschen das so sieht, und ich bin überzeugt, dass die große Mehrheit des nordrheinwestfälischen Landtags das so sehen wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Breuer. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kuschke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige wenige Anmerkungen: Erstens. Ich denke – wenn man genau hinguckt, wird man es an den Beiträgen auch erkennen –, dass es gar nicht um die Frage des Entwederoder geht, sondern dass unsere Frage lautet – so habe ich zumindest Teile des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen verstanden –: Ist es die richtige Austarierung, Herr Kollege Ellerbrock – ich sehe ihn im Augenblick nicht –, in der dort bisher die Dinge festgezogen worden sind, oder gibt es die Chance, dort noch etwas anders auszutarieren, immer unter dem Vorbehalt, den Frau Kollegin Watermann-Krass eindeutig formuliert hat, dass wir nicht das Paket in seiner Substanz gefährden wollen?

Zweitens. Ich erinnere mich, dass gestern in diesem Hohen Hause eine Debatte stattgefunden hat, in der es um die Frage ging, ob es Männer und Frauen ohne Vergangenheit in den Reihen der Abgeordneten geben würde. Da muss ich ganz deutlich sagen – und das sage ich in Richtung fast aller Vorredner –, dass ein Stück dieser Vergangenheit vergessen worden ist.

Herr Kollege Ortgies, es ist ja richtig, dass gerade von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und auch der damaligen Ministerin sehr stark Landeslösungen, dezentrale Lösungen, wie es formuliert worden ist, favorisiert worden sind. Nur, Sie müssen sich auch daran erinnern, dass Sie immer dagegen vorgegangen sind und das kritisiert haben.

Dann müssen Sie sich die Frage stellen lassen, ob Sie sich bei Ihrer Argumentation nicht doch ein ganz erhebliches Stück von Ihrer ursprünglichen Argumentation entfernt haben.

Dritte Anmerkung – Herr Kollege Remmel, das kann ich Ihnen nicht ersparen; manchmal bringt das die Weisheit einer Tagesordnung mit sich, wenn man sich den Tagesordnungspunkt anschaut, den wir gleich beraten –: Ein Gesetz zur Einführung von Mitwirkungsrechten für Tierschutzvereine in Nordrhein-Westfalen zu verlangen, steht etwas im Widerspruch zu dem Antrag, den wir gerade beraten, den Sie eingebracht haben. Das wäre vielleicht nicht ganz so deutlich geworden, wenn die Tagesordnung etwas anders gewesen wäre, aber so ist es unumgänglich und fällt deutlich auf.

Vierter Punkt – ich will gar nicht das wiederholen, was meine Kollegin vorgetragen hat –: Wir haben es dort mit einem Spannungsfeld zu tun. Damit muss man klarkommen. Ich denke, das geht auch, das kann man aushalten. Innerhalb dieses Spannungsfeldes muss man sich bewegen.

Nun gibt es – das soll meine fünfte Anmerkung sein – im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen den Punkt „II. Der geplante Abbau der Umweltverwaltung in Nordrhein-Westfalen – ein Widerspruch“. Das ist, Herr Minister Breuer – jetzt wende ich mich der anderen Seite zu, dagegen werden Sie nichts einzuwenden haben –, ein hoch spannender und interessanter Punkt.

Herr Kollege Ortgies, Sie sprechen davon, dass man hier Bürokratie abbauen will, Dinge verschlanken und zusammenführen will. Ich bin im Intranet der Bezirksregierung Arnsberg auf ein Papier gestoßen, wo das Konzept aus dem Hause von Herrn Minister Uhlenberg zum Umbau der Umweltverwaltung vorgestellt wird.

Das ist ein interessanter Vorgang. Ich weiß nicht, ob es schon einen Kabinettsbeschluss gibt, der die Basis für ein solches Konzept bietet. Sind das eigene Überlegungen, oder was ist das?

Nach diesem Konzept soll es sechs oder acht Dienstleistungsagenturen geben, denen Aufgaben übertragen werden. Im ersten Ansatz sollen das – das scheint der Weg zu sein, Herr Uhlenberg, den Sie gehen wollen – Dienstleistungsagenturen sein, die losgelöst von den Bezirksregierungen sind; Sie reden ja von Regionalpräsidien. Sie nehmen da schon eine Entscheidung vorweg.

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP])

Sie kennen das Konzept wahrscheinlich noch nicht. Ich kopiere Ihnen das gleich, damit Sie eine vernünftige Informationsbasis haben, Herr Kollege

Ellerbrock. Die eigene Regierung stellt das bei Ihnen ja nicht sicher. Wir werden das nachholen.

Wenn ich dann darauf stoße, dass dort ein solcher Weg gegangen werden soll, dass wir die Möglichkeiten, die Chancen, die wir innerhalb der Umweltverwaltung haben, aber zwischen Umweltverwaltung und anderen Verwaltungsbereichen nicht mehr vernünftig nutzen können sollen, dann sehe ich nicht, …

Herr Kuschke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ellerbrock?

Ich führe eben zu Ende.

… dass da unbedingt ein Beitrag zur Verschlankung angestrebt wird. – Bitte.

Bitte schön, Herr Ellerbrock.

Herr Kollege Kuschke, wir lassen uns in der Koalition an Transparenz und Diskussion sicherlich nicht übertreffen, aber solche Sachen diskutieren wir erstens vorher, und zweitens muss ich dann sagen: Das Konzept sieht eigentlich vor, dass die entsprechenden Umweltverwaltungsstellen an die Bezirksregierung angedockt werden. Das Konzept ist ein längerfristiges. Ich sehe darin letztendlich eine Stärkung der Bezirksregierung. Wir beide wissen ja, dass wenigstens wir beide als Personen uns viel von den Bezirksregierungen versprechen und dass wir sie achten.

Herr Kollege Ellerbrock, ich bin Ihnen nicht undankbar für die Zwischenfrage. Erster Punkt – da nehme ich in der Tat die Frage des Kollegen Remmel auf –: Ist das eine beschlossene Sache? Ist das mit den Koalitionsfraktionen abgekaspert? Dann würde das gesamte Parlament gerne wissen wollen, was da besprochen worden ist.

Zum zweiten Punkt, Herr Kollege Ellerbrock, herrscht noch Unsicherheit bei uns, deshalb setze ich jetzt fort: Das, was ich vorgetragen habe, scheint die reine Lehre zu sein. Das, was Sie gerade angesprochen haben, soll ein Kompromisskonzept sein, dass nämlich die Dienstleistungsagenturen – acht an der Zahl, mal taucht auch die Zahl sechs auf – möglicherweise doch bei den Regionalpräsidien angedockt sind. Dann habe ich überlegt: Regionalpräsidien? Moment mal! Was ist das

denn? Haben wir das schon? – Nein, haben wir nicht. Wir haben Bezirksregierungen.

Also: Wir haben noch keinen Kabinettsbeschluss gehabt, aber es ist interessant festzustellen, dass es innerhalb der Koalition schon eine Entscheidung zur Umweltverwaltung gibt. Ich denke, das wird auch die anderen interessieren. Das wird das LEJ interessieren. Das wird das Landesumweltamt interessieren, das wird die LÖBF und viele andere interessieren. Sie werden vor den Kopf geschlagen sein, wenn sie erfahren müssen: Das ist alles schon abgekaspert und besprochen. Wir sind überhaupt nicht mit einbezogen worden und werden vor vollendete Tatsachen gestellt.

(Beifall von der SPD)

Das, meine Damen und Herren, ist ein Punkt, den ich nicht nur, weil er als ein Punkt in dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen auftaucht, hier erwähne, sondern weil er auch dem widerspricht, was Kollege Ortgies hier vorgetragen hat, was Kollege Ellerbrock nach wie vor vermutet. Ich unterstelle weiterhin eine grundständige Sympathie für Bezirksregierungen. Von daher hoffe ich sehr stark, dass es nicht zu einer unsinnigen Verschmelzung von staatlicher und kommunaler Mittelinstanz kommt. Okay, das werden wir sehen.

Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren! Punkt 1: keine Gefährdung des Gesamtpakets Föderalismusreform; Punkt 2: Wir haben eine Möglichkeit dargestellt, wie man auf dem Weg zum Umweltgesetzbuch innerhalb dieses Zeitraums von drei Jahren mit diesem Spannungsfeld umgehen könnte; Punkt 3 – er ergab sich so, ich fand es reizvoll, ihn anzusprechen, Herr Minister Uhlenberg – ist die anstehende Frage des Umbaus der Umweltverwaltung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kuschke. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Jostmeier das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich versuche, mich kurz zu fassen, weil die Kollegen, insbesondere der Kollege Ortgies, bereits ausreichend zu den rechtstechnischen und materiellen Fragen des Antrages der Grünen Stellung genommen haben. Herr Minister Breuer und der Kollege Biesenbach haben gestern bei dem Tagesordnungspunkt bzw. heute auch über die Gefahr und die Probleme gesprochen, die es mit sich bringen würde, wenn das

geschnürte Paket neu diskutiert und wieder aufgeschnürt werden würde. Es bestünde die Gefahr, dass die Reform als Ganzes tatsächlich auf der Strecke bliebe.

Meine Damen und Herren, im Wesentlichen geht es darum, dass der Bund demnächst statt der Rahmengesetzgebung die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für den Bereich des Naturschutzes, für den Wasserhaushalt und für die Raumordnung bekommen soll und dass die Länder in diesem Bereich abweichende Regelungsmöglichkeiten haben.

Herr Remmel, was ist daran so schlimm? Ich kann nur das wiederholen, was die Kolleginnen und Kollegen vorher gesagt und gefragt haben: Was ist schlimm daran, wenn Bayern oder Sachsen als Bundesländer den Bereich des Wasserhaushaltsrechtes nuancierter oder differenzierter regeln als Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein?

Ich halte die Möglichkeit, zur Stärkung der Länderkompetenzen Subsidiarität walten zu lassen und vor Ort die sachgerechten Entscheidungen zu treffen, für richtig und für gut.

Mit zwei Argumenten, die Sie in Ihrem Papier gut nachvollziehbar, gut lesbar und aus Ihrer Denkweise und mit Ihren Wertvorstellungen begreifbar dargestellt haben, möchte ich mich auseinander setzen.

Der erste Punkt. Sie sagen: Es wird Bürokratieabbau verhindert. Es würde die Einsparung von Verwaltungskosten verhindert. Wir gäben Planungssicherheit auf.

Meine Damen und Herren, das ist ein ernst zu nehmendes Argument, wenn es zuträfe. Sie verbinden das dann mit wohlklingenden und großartigen Worten. Sie sagen: Wir verpassen die historische Chance, das Umweltrecht bundesstaatlich zu regeln.

Ich sage: Es würde zentralistisch geregelt. Dafür möchte ich zwei Argumente aufgrund der Erfahrungen anführen. Ist es tatsächlich im Sinne der Wirtschaft, im Sinne der Erfordernisse einer schlanken Verwaltung und schlanker staatlicher Strukturen?

Herr Remmel, meine Damen und Herren von den Grünen, das hätte doch zwangsläufig zur Folge, dass Sie eine zusätzliche große Bundesverwaltung für die Kontrolle, für die Durchführung usw. schaffen müssten mit der weiteren Folge, dass zwangsläufig die Notwendigkeit gegeben wäre, dass die 16 Bundesländer, um das Ganze durchzuführen, zu kontrollieren, ebenfalls etwas schaffen müssten. Auch in der Zwischenebene würde zusätzlich etwas geschaffen werden. Die Wege

würden nach meiner festen Überzeugung länger. Sie würden komplizierter, sie würden bürokratischer. Es würde wesentlich weitere Wege geben.

Im Land Nordrhein-Westfalen hätte Rot-Grün im Bereich der Umweltpolitik das Sagen. Man hat Frau Höhn – Sie mögen das angesichts der Zahlen, die Kollege Ortgies vorgetragen hat, bestreiten – gewähren lassen. Herr Rau hat nichts dagegen getan. Herr Clement hat es versucht, hat den Versuch wieder aufgegeben, und Herr Steinbrück hat resigniert.

(Beifall von der CDU)