Draußen versammeln sich nicht nur die Bergleute von Bergbauspezialgesellschaften – von Deilmann-Haniel und von Thyssen Schachtbau. Bei ihnen sind auch Bergleute der deutschen Steinkohle AG, die Angst haben, weil sie ganz genau wissen: Das kann insgesamt in einen dramatischen Sinkflug übergehen. Das ist das Entscheidende in diesen Tagen. Deshalb sind viele so verzweifelt. Deshalb wissen viele, dass von der nordrhein-westfälischen Landesregierung in dieser schwierigen Situation nur wenig Hilfe zu erwarten ist.
Sie haben als politisches Ziel ausgegeben und bis heute nicht davon abgelassen, den Steinkohlenbergbau in Nordrhein-Westfalen vor die Wand fahren und auslaufen lassen zu wollen. Das ist der entscheidende Unterschied.
Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, um die Zusammenhänge zwischen Struktur- und Beschäftigungspolitik und dem Steinkohlenbergbau deutlich zu machen, die in Nordrhein-Westfalen immer noch bestehen.
Auch wenn Sie das nicht gerne hören: Inzwischen haben doch viele Bergbaugemeinden, Städte, Kreise, auch CDU-regierte, in Resolutionen die Landesregierung und die Regierungskoalition aufgefordert, von ihren Ausstiegsplänen abzulassen und dem Steinkohlenbergbau eine gute Zukunft zu geben. Diese Resolutionen sind in den Räten – die wissen doch, wovon sie reden – von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, von Christdemokraten und auch von Mitgliedern der
FDP dort, wo sie Verantwortung in den Kommunen haben, wie zum Beispiel im Bereich von Ibbenbüren oder im östlichen Ruhrgebiet, gemeinsam gefasst worden.
Ich will aus der Resolution der Stadt Hamm zitieren, die für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unverdächtig ist, gefasst mit der dortigen CDU-Mehrheit, vom dortigen CDU-Oberbürgermeister Hunstiger-Petermann eingebracht und vertreten:
„Für die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist es wichtig, dass … die deutsche Steinkohle langfristig als vom Ausland unabhängige Energiereserve eine Zukunftsperspektive hat. Es wäre fatal, wenn unsere Wirtschaft und die nationale Energieversorgung zu sehr abhängig wären von Öl und Gas, die wir aus Regionen der Welt importieren müssten, in denen Krisen und Krieg herrschen.“
„der deutschen Steinkohle mit ihren weltweit führenden Hightech-Produkten über führende Spezialkenntnisse und Patente. Das bietet erstklassige Chancen, diese Produkte und dieses Wissen expansiv auf den Weltmärkten zu vermarkten. Ein solcher Export von Technologie ist nur zu leisten, wenn die Technik hier vor Ort in der Praxis genutzt werden kann.“
„Wir fordern die Landesregierung auf, dieser Zielsetzung zu entsprechen und geeignete Schritte zur Sicherstellung des Bergbaus über das Jahr 2010 zu ergreifen.“
Herr Ministerpräsident, hören Sie auf Ihren Parteifreund! Wir könnten uns viel Ärger ersparen; wir könnten den Menschen Existenzängste nehmen. Das ist in diesen Tagen das Entscheidende.
Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen, der immer wieder verkannt wird und den wir im Wirtschaftsausschuss lang und breit vom Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Steinkohle AG dargestellt bekommen haben. Dabei haben diejeni
gen in den Regierungsfraktionen, die Verantwortung vor Ort haben und diese Zusammenhänge kennen, genickt. Ich wünschte mir, die würden auch hier im Landtag deutlich machen, was es für das östliche Ruhrgebiet, für den Kreis Recklinghausen, für Ibbenbüren bedeuten würde, wenn es dort keine Schachtanlage mehr geben würde – vor allem für diejenigen, die mit dem Bergbau und vom Bergbau leben.
Wir stehen in Nordrhein-Westfalen vor einem dramatischen Strukturwandel, wenn Sie das, was Sie angekündigt haben, weiterverfolgen, nämlich den Bergbau auslaufen zu lassen. Heute haben Sie die Gelegenheit, das zu ändern, damit die protestierenden Bergleute draußen wissen: Es geht in eine andere Richtung. – Lassen Sie die Finger vom Bergbau! Lassen Sie die Auslaufpläne fallen! Dann wäre uns und den Bergleuten geholfen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Italiener Fürst Antonio de Curtis hat einmal gesagt: Subventionen sind staatliche Kraftnahrung für die Kinder der Nation, die am lautesten brüllen.
Damit lässt sich die aktuelle Situation wohl treffend beschreiben. Realität ist, dass der Bergbau im Ruhrgebiet wirtschaftlich eine immer geringere Rolle spielt und auch in Zukunft spielen wird. Die Zukunft der Region wird durch zukunftsträchtige Branchen bestimmt, die den Bergbau lange hinter sich gelassen haben. Vor diesem Hintergrund werden wir nicht die Rituale der abgewählten Landesregierung vollziehen, indem wir alte sozialdemokratische Argumentationsmuster zur Rechtfertigung von Steinkohlesubventionen akzeptieren, sondern wir werden mit einer neuen Politik auch für das Ruhrgebiet die Tour für die Zukunft öffnen.
Jeden muss es berühren, wenn es aufgrund des längst überfälligen Kurswechsels bei der Kohlesubvention aktuell zum Verlust von Arbeitsplätzen führt. Deshalb lässt die CDU in NordrheinWestfalen keinen Zweifel daran, dass dieser Kurswechsel in der Kohlesubventionspolitik auch die bestmögliche sozialverträgliche Lösung beinhalten muss.
Man kann es aber an dieser Stelle nicht oft genug betonen: Wenn mehr als die Hälfte des gesamten Förderetats des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums in Höhe von rund 1 Milliarde €, nämlich ca. 570 Millionen €, für die Subventionierung der Steinkohle aufgewendet werden, frage ich mich, wie man der einen Million Menschen ohne Arbeit in diesem Land noch in die Augen schauen will.
Oder wie wollen Sie dem Opelianer erklären, dass er keine staatliche Unterstützung bekommt, wenn sein Arbeitsplatz bedroht ist, wie unlängst wieder in den Zeitungen zu lesen war? An diesem Beispiel zeigt sich einmal mehr: Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik oder – besser – Subventionspolitik ist zutiefst unsozial.
Der Politik wird jede Gestaltungsmöglichkeit genommen, wenn sich alles darauf konzentriert, eine Branche der Vergangenheit auf Gedeih und Verderb zu unterstützen.
Das, was Unternehmen von der Politik verlangen, ist Planungssicherheit. Diese Planungssicherheit wurde 1997 durch den rechtsverbindlichen Zuwendungsbescheid gegeben. Umso verwunderlicher ist jetzt der Aufschrei des Unternehmens Heitkamp-Deilmann-Haniel. Dieses Unternehmen wusste doch ganz genau, dass im Jahr 2008 die Zuwendungsbescheide neu verhandelt werden. Die Reduzierung der Steinkohlesubventionen musste doch in die betriebswirtschaftliche Kalkulation des Betriebes einfließen.
Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten der HDH nur als Offenbarungseid zu werten. Ich sage es frei heraus: Es ist schon eine Unverschämtheit, wenn die Folgen unternehmerischer Fehlkalkulation nun dem Landtag hier vor die Tür gekippt werden sollen.
Die Unternehmen dieses Landes rufen zu Recht nach mehr Freiheit und Verantwortung. Wir unterstützen diese Forderung; denn auch wir meinen, dass nur mehr Freiheit und mehr Gestaltungsspielräume für unternehmerisches Handeln geöffnet werden können. Doch dieser Ansatz bedeutet gleichzeitig, dass man mehr Verantwortung übernehmen muss – insbesondere auch für die Mitarbeiter seines Unternehmens.
Dies kann jedoch nicht nach dem Sankt-FloriansPrinzip geschehen. Vielmehr gehört es auch zur unternehmerischen Verantwortung, sich frühzeitig auf neue Rahmenbedingungen einzustellen.
Bereits Ende der 90er-Jahre befand sich der Baukonzern Heitkamp in einer sehr bedrohlichen Lage. Damals gelang es, den Zusammenbruch abzuwenden, indem die gesunde Bergbauspezialfirma Deilmann-Haniel übernommen wurde. Dieses wurde damals übrigens als großer Befreiungsschlag bewertet. Wer jedoch die gewonnenen Pensions- und Deputatgelder für mehr als 10.000 ehemalige und noch aktive Bergarbeiter in Höhe von insgesamt 109,2 Millionen € für die Sanierung des Unternehmens verwendet und nun verlangt, dass der Staat für die Renten und Pensionen der verdienten Mitarbeiter aufkommen soll, der handelt als Unternehmer unverantwortlich.
Mit anderen Worten: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier zu einer Instrumentalisierung kommen soll, indem Managementfehler für die Aufrechterhaltung der Steinkohlesubventionen herangezogen werden sollen. Ein solches Geschäftsgebaren klingt nach meinem Verständnis nicht gerade nach seriöser Unternehmensführung.
Vor diesem Hintergrund wollen Sie, verehrter Herr Römer und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, die strukturpolitischen Auswirkungen für den Fall der Rückführung der Steinkohlesubventionierung diskutieren. Das hat keinen vernünftigen Sinn. Den Versuch, jetzt die Fehler der Vergangenheit bei der neuen Landesregierung abzuladen – die namentlich durch den besonderen Einsatz von Frau Ministerin Thoben in diesen Tagen nichts unversucht lässt, um den Schaden, den nachweislich andere angerichtet haben, zu begrenzen –, werden wir als CDUFraktion jedenfalls nicht durchgehen lassen.
Beachtenswert ist, Herr Römer – das kann ich Ihnen auch an Ihrem Geburtstag nicht ersparen; deshalb spreche ich Sie auch persönlich an –, dass Sie, der Sie heute hier besonders laut klagend, in Ihrer Funktion als Vize-Aufsichtsratsvorsitzender bei HDH ja mit an dieser Misere beteiligt sind.
Es ist ja ein nachvollziehbares Verhalten, dass Sie sich als Vizechef des Aufsichtsrates um Ihr Unternehmen kümmern wollen. Aber Kraftnahrung aus staatlichen Quellen ist in der Vergangenheit doch wohl genug geflossen. Daran dürfte kein Zweifel bestehen.
Herr Römer, Sie haben eingangs in großer Theatralik darauf hingewiesen, dass sich jetzt viele Kumpels, die sich Sorgen um ihre Existenzsicherheit machen, vor dem Landtag einfinden. Dazu sage ich Ihnen eines sehr deutlich: Sie sprechen davon, der Strukturwandel im Ruhrgebiet würde sich in besonderer Weise verschärfen. Fragen Sie sich selbst einmal in einer stillen Stunde, seit wie vielen Jahren, nein, seit wie vielen Jahrzehnten Ihnen bekannt ist, dass der Steinkohlebergbau nicht mehr die Zukunft hat, die er entsprechend seiner Subventionierung noch bekommt! Seit Jahrzehnten ist Ihnen das bekannt.
Vom verstorbenen Ministerpräsidenten Johannes Rau stammt der Satz „Wandel braucht Zeit“. Aber Sie haben zu viel Zeit gebraucht, weil Sie nicht bereit waren, den Menschen im Ruhrgebiet die Wahrheit zu sagen, wie lange diese Subventionierung noch laufen kann. Damit haben Sie den Frauen und Männern im Ruhrgebiet Zeit gestohlen – Zeit, die Sie heute nicht mehr aufholen können.
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Sie stehlen ihnen die Arbeitsplät- ze! Das ist schlimmer! – Weitere Zurufe von der SPD)
Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Sie sind gut beraten, sich an dieser Stelle ganz vornehm zurückzunehmen und zu sehen, wie die neue Landesregierung diese Probleme meistert. – Herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Kollege Droste. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Priggen.