Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

Bitte schön.

Schönen Dank, Frau Ministerin. – Da ja offensichtlich Sie und auch der Kollege Horstmann das PwC-Gutachten kennen, aber Kollege Papke, den ich bemüht bin vor Schaden zu bewahren, und ich es nicht kennen, ist meine Frage: Sind Sie bereit, dieses Gutachten auch den Fraktionen des Landtages zur Verfügung zu stellen?

Aber ja!

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Herzlichen Dank!)

Wir müssen doch ein Interesse daran haben zu prüfen, ob es andere Wege gibt, die RAG in eine gedeihliche Zukunft zu führen, als nur dieses eine Modell, das Sie möglichst schnell, so verstehe ich Sie dann, ohne jede Rückfrage und weitere Überlegungen quergeschrieben haben wollen.

Meine Damen und Herren, wir werden dabei – Herr Horstmann, davon müssen Sie mich nicht überzeugen – natürlich auch zu überlegen und zu bewerten haben, was es industriepolitisch bedeutet, wenn der eine oder andere Weg gegangen wird. Das haben wir aber bereits gestern deutlich gemacht. Darüber müssen wir heute nicht noch einmal eine Debatte führen.

Schließlich: Die gutachterlichen Ermittlungen werden uns helfen, die anstehenden Entscheidungen

kohlepolitischer und unternehmerischer Art zu ermöglichen. Diese Verhandlungen können wir – da bitte ich um Verständnis – nicht total vor der Öffentlichkeit führen. So begrüße ich es ausdrücklich, dass Herr Priggen zum Antrag der Fraktion bei der ersten Befassung konzediert hat, das in laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Land nicht alle Details mitgeteilt werden können, um die Verhandlungsposition des Landes nicht zu schwächen.

Zu weiteren Auskünften stehe ich selbstverständlich jederzeit bereit.

Noch eine letzte Anmerkung. Herr Priggen hatte auch zu Personalplanungen vorgetragen. Herr Priggen, wenn man sich die Zahlen vor Augen hält – das werden wir in Zukunft noch einige Male tun müssen –, ist das Auffallendste für mich bei dem, was bisher zur Verfügung steht, nicht die Entwicklung über 2010 oder 2012 hinaus, sondern das, was schon am Ende dieser rechtlich oder politisch vereinbarten Zuwendungsperiode dasteht. Sie haben nämlich dann allmählich eine Knappheit von Bergleuten unter Tage, aber über Tage einen Überbau, bei dem man sich verzweifelt fragen muss: Braucht man ihn, oder hat man möglicherweise den Kumpeln die Anpassung abgetrotzt, sie durchgeführt und abgearbeitet, die man den Menschen über Tage ersparen wollte?

Die Frage finde ich vor dem Hintergrund der einen oder anderen Demonstration für mich viel belastender als vieles, was sonst vorgetragen wird; das sage ich Ihnen ganz offen.

(Beifall von CDU und FDP)

Nun hat der Abgeordnete Römer für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Axel Horstmann hat für die SPD-Fraktion schon deutlich gemacht – und ich bin froh, dass Frau Thoben das gerade mit einem Halbsatz bestätigt hat –, dass es in diesem Prozess darum geht, das nordrhein-westfälische Unternehmen RAG Aktiengesellschaft auch als nordrhein-westfälisches Unternehmen in eine gute Zukunft zu führen. Ich glaube schon, dass dasjenige, was politisch diskutiert wird, nicht nur die Unterstützung der Bundesregierung, sondern auch – wenn ich das beim Auftritt von Ronald Pofalla auf dem Deutschen Steinkohletag richtig verstanden habe – die Unterstützung der CDU in dieser großen Koalition hat. Es geht darum, wie dieses Modell

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

ich zitiere das gleich – so ausgestaltet wird, dass damit drei Ziele erreicht werden können:

Erstens. Der sogenannte weiße Bereich, also die Chemie, die Energiesparte und die Immobiliensparte, die als nordrhein-westfälischer Konzern zusammenhängen, bekommt neue und bessere Entwicklungsmöglichkeiten, um damit auch die Beschäftigungschancen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern.

Zweitens. Der Haftungsverbund wird in einer Weise geordnet, dass mit Blick auf die Alt- und die Ewigkeitslasten der Steuerzahler am wenigsten belastet wird

Drittens gibt es – das hören Sie nicht gerne, ich weiß das – gleichzeitig eine Perspektive für den Steinkohlenbergbau und Sicherheit für die Bergleute.

Weil ich gerade, als ich Herrn Pofalla ansprach, den Zwischenruf von Herrn Weisbrich gehört habe, dass das Quatsch sei, zitiere ich Herrn Pofalla aus seinem Auftritt auf dem Steinkohletag. Er hat genau zu diesem Thema gesagt:

„Wir unterstützen, was Herr Dr. Müller mit seinen Vorstandsmitgliedern an Konzepten entwickelt hat, die natürlich dem deutschen Steinkohlenbergbau helfen sollen.“

Genau da beginnen Ihre Probleme. Sie wissen nicht, wie Sie sich mit Blick auf Ihre Ziele, die Sie im Koalitionsvertrag mit der FDP festgeschrieben haben, verhalten sollen, da zugleich die CDUBundestagsfraktion in Berlin und offensichtlich die CDU Deutschlands – mit ihrem Generalsekretär an der Spitze – ihre Einsicht öffentlich klar macht, dass wir aus energiepolitischen Gründen gut beraten sind, auch in Zukunft einen Sockel an Steinkohlenbergbau in Deutschland zu behalten.

Dazu will ich zwei Bemerkungen machen, weil diese in der bisherigen Debatte untergegangen sind: Ich glaube, dass es für dieses Haus angesichts der schwierigen Rohstoffversorgung in der Welt, angesichts der dramatischen Entwicklung auf den Weltenergiemärkten wichtig ist, auch der Öffentlichkeit gegenüber klar zu machen, was wir, der nordrhein-westfälische Landtag, in der Frage der Energieversorgungssicherheit von einem eigenen heimischen Steinkohlenbergbau in der Zukunft halten. Für uns, für die SPD, ist die Position völlig klar: Wir brauchen aus diesen Gründen auch zukünftig einen Sockel an heimischem Bergbau.

Ich frage einmal in die beiden Regierungsfraktionen hinein: Was macht Sie eigentlich so sicher,

heute schon zuverlässig voraussagen zu wollen, wie die Energieversorgung, die Versorgung mit Energieträgern in 30, 40 oder 50 Jahren aussieht, welche Energieträger dann in welchen Mengen und zu welchen Preisen zur Verfügung stehen? Was macht Sie eigentlich so sicher, den nachfolgenden Generationen den Zugang zu den Lagerstätten mit deutscher Steinkohle jetzt durch politische Entscheidung versperren zu wollen, auf die sie möglicherweise dringend angewiesen sein werden?

(Beifall von der SPD)

Was macht Sie eigentlich angesichts der Energiepreissituation auf den Weltmärkten so sicher, immer wieder davon zu sprechen, dass die deutsche Steinkohle und vor allen Dingen die öffentlichen Aufwendungen, um sie zukunftsfähig zu erhalten, auch auf lange Sicht hin rausgeschmissenes Geld sei? Ich habe das nie verstanden.

Deshalb, Herr Weisbrich, möchte ich gerne Ihren Hinweis aus dem Wirtschaftsausschuss aufnehmen. Bei Ihrem Ausflug in die Ordnungspolitik haben Sie gesagt, dass Sie, für die CDU-Fraktion sprechend, gegen Dauersubventionen seien, weil die das Marktgefüge durcheinander bringen würden. Wenn das so ist, Herr Weisbrich, dürfen Sie das nicht nur an einem Punkt verdeutlichen; dann müssen Sie doch all denjenigen, die mit Blick auf die deutsche und auch auf die nordrhein-westfälische Landwirtschaft Subventionen nicht nur einklagen, sondern auch bekommen, und zu Recht darauf hinweisen, dass sie ohne öffentliche Mittel ihren wichtigen Beitrag überhaupt nicht leisten können, auch sagen: Dauersubventionen sind auch in diesem Bereich falsch. Deshalb reicht es nicht aus, nur über diesen ordnungspolitischen Hinweis an dieses Thema heranzugehen.

Ich will einen zweiten Punkt nennen, der für Nordrhein-Westfalen wichtig ist und heute Morgen in der hitzigen Debatte so noch nicht genannt werden konnte: Wir haben in Nordrhein-Westfalen die schwierige Situation, dass wir aus dem Landeshaushalt mehr als 500 Millionen € an Aufwendungen für den heimischen Steinkohlenbergbau leisten müssen. Ich finde, das ist gut angelegtes Geld; denn für die nordrhein-westfälische Wirtschaft, für die Menschen in Nordrhein-Westfalen erwachsen daraus Wirtschaftsleistungen in der Größenordnung von 3 Milliarden €, Aufträge an andere Unternehmen, vor allem, Herr Papke, an kleine und mittelständische Unternehmen.

Der Präsident des Bergbaumaschinenherstellerteils im VDMA hat noch einmal öffentlich deutlich gemacht, dass sich der deutsche Steinkohlenbergbau

und der Mittelstand auf hervorragende Weise ergänzen. Er weiß, wovon er spricht. Er weiß, dass viele Arbeitsplätze gerade im mittelständischen Bereich davon abhängig sind, und er weiß, wie viele das sind: 4.200 Betriebe in Nordrhein-Westfalen mit einer Mindestleistung von 100.000 € hat der deutsche Steinkohlenbergbau im zurückliegenden Jahr mit Aufträgen bedacht. Dies ist ein Gesamtzusammenhang, den Sie völlig ausblenden, und Sie verweigern eine Antwort.

Auch die Wirtschaftsministerin hat diese Antwort bisher nicht gegeben, nämlich die Antwort auf die Frage: Was soll denn, wenn Sie den Steinkohlenbergbau in Nordrhein-Westfalen schnell auslaufen lassen – bei diesen engen wirtschaftlichen Verflechtungen, die es gibt, bei dem wirtschaftspolitischen Zusammenhang –, mit denjenigen passieren, die als Bergbaumaschinenhersteller, als Zuliefererbetriebe um den Bergbau herum arbeiten und vom Bergbau leben? Diese Frage beantworten Sie nie.

Deshalb müssen wir meiner Meinung nach heute von Ihnen deutlicher erfahren, was Sie mit Blick auf Berlin und den Koalitionsvertrag wollen. Frau Thoben, wollen Sie der Bundeskanzlerin sagen, Nordrhein-Westfalen werde alles dazu beitragen, dass der Berliner Koalitionsvertrag, der eine eindeutige Position zum Steinkohlenbergbau und zum Börsengang der RAG enthält, zu Fall gebracht werden soll? Oder wollen Sie, dass wir im Sinne der nordrhein-westfälischen Interessen gemeinsam dafür sorgen, dass die RAG Aktiengesellschaft mit dem weißen und mit dem schwarzen Bereich hier in Nordrhein-Westfalen eine vernünftige Zukunft hat?

(Beifall von der SPD)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Weisbrich, CDUFraktion, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich anfangen mit einer Antwort an Herrn Kollegen Horstmann. Sie haben gefragt, ob wir mit den Leistungen der Landesregierung unzufrieden sind, weil wir diesen Antrag gestellt haben.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Liegt doch na- he!)

Eine ganz klare Antwort: Wir sind mit der Leistung der Landesregierung sehr zufrieden und haben

diesen Antrag dennoch gestellt, weil wir das der Selbstachtung des Parlamentes schuldig sind.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben selbst in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses gesessen. Sie haben doch selbst verfolgt, wie die RAG und die DSK seit Anfang 2004 diesem Haus jede vernünftige Auskunft verweigern. Das kann man nicht hinnehmen.

(Beifall von CDU, GRÜNEN und FDP)

Wer wie die deutsche Steinkohle seit den 60erJahren 120 Milliarden € Subvention aus Steuergeldern bekommen hat und diese Subventionswirtschaft fortführen will, der muss auf jeden Fall dem Parlament und den Abgeordneten, die in Vertretung für die Bürger und Steuerzahler diese Entscheidung zu treffen haben, vernünftige Entscheidungsgrundlagen liefern. Wo kommen wir denn da hin, wenn die permanent verweigert werden?

Das, was hier in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses passiert ist, hat für meine Begriffe dem Fass den Boden ausgeschlagen. Deswegen entstand dieser Antrag im Einvernehmen mit der Landesregierung – nicht als Kritik, sondern als Unterstreichung dafür, dass sie in den Verhandlungen noch viel schärfer sein muss als bisher. Das zu dieser Position!

Im Übrigen wundere ich mich über eines: Drei Fraktionen haben den Antrag jetzt unterschrieben – original oder leicht modifiziert sei dahingestellt. Eigentlich hätte auch die SPD-Fraktion diesen Antrag unterschreiben müssen. Denn da steht überhaupt nichts drin, was irgendwie ehrenrührig, sittenwidrig, unanständig gegenüber dem Bergbau ist. Da steht nur, dass wir Klarheit haben wollen, was die Szenarien für ein sozialverträgliches Auslaufen des subventionierten Bergbaus anbelangt. Und da steht, dass wir durch ein unabhängiges Gutachten überprüft haben wollen, ob es nicht noch andere Gestaltungsmöglichkeiten zur Absicherung der Risiken gibt, die auf Bund und Land zukommen. Das sind ganz normale Fragestellungen.

(Beifall von CDU und GRÜNEN)

Ich kenne niemanden, der die Katze im Sack kauft. Ich kenne nicht einmal jemanden, der einen Gebrauchtwagen kauft, Herr Kollege Horstmann, ohne dass er sich zuvor über Kilometerstand, Pflegezustand, Getriebe und Motor informiert hat. Wenn Sie alle meinen, das bräuchten wir nicht, dann ist für mich allerdings heute klar geworden, warum am Ende der SPD-Politik immer das Geld der Steuerzahler komplett weg ist. Das ist doch das Ergebnis Ihrer Politik. Blindwütig in die Dinge

hineingehen, mit heißem Herzen und ohne Verstand – das kann nicht die richtige Politik sein. Das machen wir auf keinen Fall mit.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Im Übrigen hat niemand aus der Koalition und auch nicht die Grünen behauptet, dass wir gegen eine Neuordnung der RAG sind – ob das über einen Börsengang oder anders läuft, das ist uns wirklich völlig gleich, das sei dahingestellt.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist ja das Problem!)