Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist ja das Problem!)

Wir möchten eine Neuordnung unterstützen, möchten aber auch wissen, welche Risiken damit für den Steuerzahler verbunden sind. Es macht schon einen großen Unterschied, welcher Weg am Ende ausgesucht wird. Zumindest sagen dieses namhafte Investmentbanker, die wirklich von der Materie Ahnung haben. Ich denke, wenn solche Hinweise kommen, muss man das überprüfen. Wenn Sie das nicht wollen, wenn Sie im Blindflug weitermachen wollen, na, schön! Wir machen das auf jeden Fall so nicht.

Die Großaktionäre der RAG – Eon, RWE, Thyssen-Krupp und zu einem kleinen Teil noch ein ausländisches Unternehmen – haben ihre Anteile an der RAG abgewertet, die mit hohen Millionenbeträgen zu Buche standen. Herr Priggen hat von 442 Millionen € im Bereich Thyssen gesprochen. Thyssen hat 20 % Anteil. Eon hat 40 % Anteil; das wäre also ein wesentlich höherer Wert. Sie sind bereit, ihre Anteile für einen symbolischen Wert in eine Stiftung einzubringen, damit hinterher der Börsengang der RAG das Stiftungsvermögen auffüllen kann.

Wenn diese Unternehmen das tun, wenn die Vorstände das tun, dann können sie das auch ihren eigenen Aktionären gegenüber nur verantworten, wenn sie sagen: Der Vorteil, den wir daraus erzielen, ist größer als der Nachteil der Abwertung. Was bedeutet das? Das bedeutet, wenn der Vorteil für die Aktionäre von Eon, Thyssen-Krupp und RWE größer ist als der Nachteil, dann muss der Nachteil für den Steuerzahler umgekehrt größer sein als ohne diese Operation. Alles andere macht ökonomisch keinen Sinn. Ich will jetzt auch gar nicht darüber streiten, wie hoch das ist. Wir werden es am Ende sehen. Aber auch da dürfen wir nicht vergessen:

(Ein Abgeordneter meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Ich werde jetzt keine Zwischenfragen beantworten. – Die Vermögenswerte, die jetzt in den Bü

chern der Großaktionäre stehen, sind in der Vergangenheit im Prinzip auch mit dem Geld der Steuerzahler, mit den Subventionen in Höhe von 120 Milliarden €, geschaffen worden, denn sonst wäre dieses Unternehmen schon längst pleite. Wenn das so ist, dann müssen wir uns doch Gedanken darüber machen, auf welche Art und Weise die öffentliche Hand am günstigsten aus dieser Situation herauskommt. Es mag sein, dass es sinnvoll ist, auf jeden Fall wäre es schön und es wäre eine Erneuerung des politisch-industriellen Komplexes in Nordrhein-Westfalen, der in der Vergangenheit kaputtgegangen ist, wenn so etwas jetzt käme; das gebe ich ohne Weiteres zu. Ob das aber für alle Beteiligten sinnvoll ist, ist noch zu untersuchen. Es ist nicht damit getan, dass Herr Müller sagt, er hätte es so gern. Herr Müller hat furchtbar vieles gerne, was für andere hinterher teuer wird.

Sie haben gesagt: Das ist ein nordrhein-westfälischer Konzern. Darauf müssen wir doch stolz sein. – Wir sind nicht stolz auf einen nordrheinwestfälischen Konzern. Wir sind daran interessiert, dass Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen erhalten bleiben und dass sich nordrhein-westfälische Unternehmen gut entwickeln. Da gibt es aber unterschiedliche Varianten.

Sie sprechen von Zusammenhalt. Da mache ich darauf aufmerksam, dass Herr Müller vorgemacht hat, wie man Unternehmen auseinander nimmt und dann eventuell zu einer höheren Wertstufe führt. Was hat er denn gemacht, um die Steag zu halten, die sein Vorgänger, der von Ihnen eingesetzte Herr Starzacher, verkaufen wollte? Er hat den internationalen Bereich, die Sicherheitsreserve bei der Ruhrkohle, die deutsche Sicherheitsreserve der Steinkohleversorgung, verkauft, um seine konzernstrategischen Überlegungen, nämlich den Erhalt der Steag, zu sichern.

Und was macht er jetzt beim Börsengang? Er verkauft den wertvollsten Teil der Degussa gegen den erklärten Widerstand des Vorstandsvorsitzenden der Degussa an die BASF oder an wen auch immer und finanziert damit den Totalerwerb der Degussa, die künftig das Flaggschiff im Konzern sein soll. Können Sie mir einmal erklären, welcher innere Synergiezusammenhang zwischen der Degussa, der Immobilientochter, der Steag und dem Bergbau besteht? Da besteht überhaupt kein Synergiezusammenhang. Es mag sein, dass es vernünftig ist, so etwas zu machen, wenn es gutachtlich belegt wird. Aber solange das nicht bewiesen ist, kann man sich sehr viele andere Möglichkeiten vorstellen.

Ehe wir hier eine abschließende Entscheidung treffen, wollen wir wissen, welches Risiko wir eingehen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Entscheiden Sie das?)

Entschuldigung! Ich entscheide das nicht alleine. Aber ich bin Abgeordneter dieses Hauses, ich bin Mitglied eines Parlamentes und ich will so etwas für meine Entscheidung wissen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Wir sind uns einig bis auf die SPDFraktion.

Um es noch einmal klar zu sagen: Es kann sein, dass der eingeschlagene Weg vernünftig ist. Wir wollen die Neuordnung der RAG. Aber wir wollen keine Katze im Sack kaufen, wir wollen keine Spielchen von irgendwem unterstützen. Wir wollen, dass das Ganze für die Mitarbeiter im Unternehmen, für die Aktionäre und für die Bürger und Steuerzahler dieses Landes eine vernünftige Zukunft hat. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Papke, FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe Herr Kollege Römer, dass Sie allen Ernstes behaupten wollen, die Zukunft des nordrhein-westfälischen Mittelstandes liege in den Steinkohlesubventionen, ist schon die bizarre Krönung Ihrer zum Teil wirklich sehr zweifelhaften Beiträge, die Sie heute abgeliefert haben.

Seit 1990 sind 80 Milliarden € in den deutschen Steinkohlenbergbau geflossen. 80 Milliarden € sind 80.000 Millionen €, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. Damit ist nicht ein einziger Arbeitsplatz in Nordrhein-Westfalen gesichert worden. Mit diesen 80 Milliarden € sind vielmehr 100.000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Das zu der arbeitsplatzsichernden Wirkung von Steinkohlesubventionen, meine Damen und Herren!

(Beifall von der FDP – Karl Schultheis [SPD]: Wie sieht es mit der Landwirtschaft aus?)

Die heutige Debatte hat gezeigt, dass es die alte parteiübergreifende Kohlefraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen, die die Landespolitik in der Tat

über Jahrzehnte geprägt hat, nicht mehr gibt. Die alte Kohlefraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen hat sich in ihr Gegenteil verkehrt.

Der Eilantrag, den wir gleich mit drei von vier Fraktionen in diesem Hohen Haus verabschieden werden, bringt den Willen des Landtags zum Ausdruck, den Subventionsbergbau auslaufen zu lassen. Der Beschluss, den wir gleich fassen werden, läutet das Ende des Subventionsbergbaus ein. Das ist eine wirkliche Zäsur in der Landespolitik Nordrhein-Westfalens. Und es ist eine gute Zäsur, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Ich fordere die Steinkohlelobbyisten ausdrücklich auf – von Herrn Römer über Herrn Schmoldt bis zu Herrn Müller –, den Willen des Landtags Nordrhein-Westfalen nicht länger zu ignorieren, sondern ihn zur Kenntnis zu nehmen. Die RAG mit Herrn Müller an der Spitze sagt immer: Wir fördern Steinkohle, weil es einen Auftrag der Politik gibt, Steinkohle zu fördern. – Der Landtag Nordrhein-Westfalen wird in wenigen Minuten klar machen, dass dieser Auftrag der Politik, Steinkohle zu fördern, nicht verlängert wird. Dieser Auftrag läuft aus. Das muss die Deutsche Steinkohle zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von der FDP)

Herr Abgeordneter Papke, wollen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger zulassen?

Ich habe nur noch zweieinhalb Minuten Redezeit. Ich würde meine Ausführungen jetzt gerne zu Ende zu bringen.

Es wird ja nicht angerechnet.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Das weiß ich, Herr Jäger. Jetzt lassen Sie mich das einmal im Kontext darlegen.

(Zurufe von Ralf Jäger [SPD] und Carina Gödecke [SPD])

Wir sagen auch – es ist wichtig, Herr Jäger, dass Sie das auch zur Kenntnis nehmen; ich will das für die FDP noch einmal unterstreichen –: Wir wollen, dass das Ende des Subventionsbergbaus …

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Herr Jäger, jetzt schimpfen Sie doch nicht! Sie hatten doch alle Zeit der Welt, sich hier einzubringen.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Jetzt hören Sie einmal einen Moment zu! Das erhöht den Erkenntnisgewinn. – Ich sage hier noch einmal für die Koalition und insbesondere für meine Fraktion: Wir werden alles tun, um das Ende des Subventionsbergbaus sozialverträglich zu organisieren. Wir sind dafür in eine beträchtliche Vorleistung getreten,

(Minister Karl-Josef Laumann: So ist es!)

indem wir das Anpassungsgeld in einer Höhe von 113 Millionen € bis 2013 verlängert haben. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen!

(Beifall von der FDP)

Es gibt keine andere Branche, der wir derart entgegengekommen sind wie dem Steinkohlenbergbau.

Aber jetzt, meine Damen und Herren – und das ist ein ganz wichtiger Punkt –, geht es endlich um die Verantwortung der DSK und der RAG. Ich hätte mir sehr gewünscht, Herr Kollege Horstmann – Sie waren doch in der Heuschreckendebatte, die Sie mit Ihresgleichen in der SPD angezettelt haben, auch vorneweg –, wenn Sie in der Debatte gerade auch einmal auf die Verantwortung der RAG für die eigenen Mitarbeiter abgestellt hätten.

(Beifall von der FDP)

Darum geht es nämlich. Wir werden nicht zulassen, dass sich Herr Müller einen schlanken Fuß macht, wenn es um die Verantwortung seines Konzerns für die Mitarbeiter im Bergbaubereich geht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Scheinheilig!)

Die RAG hat über 100.000 Mitarbeiter. Sie hätte in den letzten Jahren längst Tausenden, wenn nicht sogar Zehntausenden von Mitarbeitern aus dem schwarzen Bereich eine neue Zukunftsperspektive im weißen Bereich des Konzerns aufzeigen können.

(Beifall von der FDP)

Das hat sie nicht getan. Das nährt den Verdacht, dass es in Wahrheit darum geht, die Mitarbeiter im schwarzen Bereich als Druckmittel gegen die Politik zu nutzen, um weitere Subventionen zu sichern. Und dieses Spiel werden wir nicht mitmachen! Es geht um die Verantwortung des Unternehmens für seine Mitarbeiter, es geht um die Verantwortung der RAG.

Ich will einen letzten Punkt erwähnen: SchwarzRot hat in Berlin – das haben Sie bemerkenswerterweise auch nicht benannt – ausdrücklich vereinbart, dass eingesparte Steinkohlesubventionen für den Strukturwandel in den Bergbauregionen nutzbar gemacht werden sollen. Das ist eine gute Verabredung von Schwarz-Rot in Berlin, die wir begrüßen, und das ist der Ansatzpunkt auch für unsere Politik: Wir wollen, dass diese Mittel für die Zukunft Nordrhein-Westfalens nutzbar gemacht werden.

Herr Papke, kommen Sie bitte zum Schluss.