Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

Natürlich hat er das gemacht.

(Minister Armin Laschet: Er war aber ziem- lich allein!)

Mehr und früher einsetzende Sprachförderung, interkulturelle Kompetenzen in allen Bildungseinrichtungen, institutionalisierter Dialog mit dem Islam, Vermeidung von Gettobildung – nein, meine Damen und Herren, ein „Laschet“ macht noch lange keine „Sommer“ wett, schon gar nicht, wenn er dasteht wie in dem Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“: Der Kaiser ist nackt.

Frau Kollegin.

Ich komme zum Schluss. – Herr Ministerpräsident, halten Sie inne. Ziehen Sie Ihre Politik nicht einfach durch. Wenn Sie die Lehre aus den Vorfällen in Berlin ziehen wollen, laden Sie zu einer großen Fachkonferenz ein. Lassen Sie uns mit allen gesellschaftlichen Gruppen und mit allen Experten diskutieren, damit wir die besten Perspektiven für die Kindergarten- und Jugendarbeit sowie für die Schule entwickeln. Die Kinder sind die Zukunft unseres Landes. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Löhrmann. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Sommer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde „Perspektiven für alle Schüler schaffen – Hauptschulen stärken“ trifft den Kern: Alle Schüler stärken. Es gibt keinen Rest, es gibt keine Restschülerschaft. Frau Löhrmann, es gibt auch keine Schüler in der untersten Schublade. Wir wollen

alle Schüler, weil wir auch alle brauchen. Das hat auch sehr viel mit Menschenwürde zu tun.

Ein zentraler Teil der Offensive, die wir jetzt starten, nämlich die neue Hauptschule NRW, besteht in der Umwandlung von Hauptschulen in neue, erweiterte Ganztagsschulen. Hier hat die neue Landesregierung eindeutig Prioritäten gesetzt. Wir werden bis zum Jahr 2012 in den Haupt- und Förderschulen 50.000 neue Ganztagsplätze schaffen.

(Beifall von der CDU)

Das Ziel ist eine bessere, individuellere Bildungsförderung mit Aussicht auf eine Zukunftsperspektive, und die heißt beruflicher Erfolg. Herr Große Brömer, dafür sind im Landeshaushalt mehr als 600 zusätzliche Stellen ausgewiesen worden. Wir haben die Hauptschulen darüber hinaus mit 500 weiteren Stellen zur besseren, individuelleren Förderung ausgestattet.

(Beifall von CDU und FDP – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Heiße Luft!)

“Heiße Luft“, haben Sie eben gesagt. Meine Damen und Herren, man muss auch heiße Ohren bekommen, wenn man hört, was die Landesregierung im Augenblick macht.

(Beifall von der CDU)

Die Landesregierung hat in den wenigen Monaten seit ihrem Amtsantritt noch mehr getan. Wir haben das Zuweisungsverfahren für Lehrerstellen an den Hauptschulen insgesamt neu gestaltet und einen sogenannten „Sozialindex“ eingeführt. Das heißt, dass künftig die Schulen in Städten und Gemeinden mit hohem sozialem Problemdruck anteilig mehr Lehrerstellen vom Land erhalten als diejenigen, die nicht diesem Problemdruck unterliegen.

(Beifall von der CDU)

Wir haben die Stellen der von der rot-grünen Regierung nur befristet eingestellten Sozialpädagogen und Sozialarbeiter an den Hauptschulen entfristet und damit den Hauptschulen und den Beschäftigten eine sichere Perspektive angeboten.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Wolfgang Große Brömer [SPD] – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben ein so schlechtes Ge- wissen; das sieht man Ihnen an!)

Herr Große Brömer, sicherlich ist es nicht so, dass alle guten Projekte für die Hauptschule erst neun Monate alt sind. Sicherlich gibt es auch ältere Projekte; das will ich gerne sagen. Aber mit der Einstellung von 250 Sozialarbeitern und Sozialpä

dagogen können Sie sich jetzt wahrhaftig nicht mehr schmücken.

(Beifall von der SPD)

Wir haben damit vor allem den Schülerinnen und Schülern geholfen, die sich jetzt in besonderen Problemlagen an die Sozialpädagogen wenden können.

(Zuruf von Wolfgang Große Brömer [SPD])

Durch die Kapitalisierung haben wir in den neuen erweiterten Ganztagshauptschulen die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Ganztagsschulen die Angehörigen weiterer Professionen in die Schule holen und in die Gestaltung des Ganztags mit sinnvollen Angeboten einbinden können.

Wir haben auch dafür gesorgt, dass die neuen Ganztagshauptschulen einen Stellenzuschlag erhalten, mit dem sie Lehrerinnen und Lehrer, aber auch weitere Sozialpädagogen beschäftigen können.

Wir haben mit der im neuen Schulgesetz vorgesehenen Möglichkeit, das Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler im Zeugnis zu bewerten, die Grundlage dafür geschaffen, dass der Erziehung wieder mehr Bedeutung zugemessen wird.

(Beifall von CDU und FDP)

Darüber hinaus gibt es landesweit rund 1.000 Stellen an Hauptschulen für die Integration von Schülerinnen und Schülern mit einer Zuwanderungsgeschichte. Es gibt zusätzliche Ressourcen für die Erteilung muttersprachlichen Unterrichts, für Streitschlichterprogramme und für Programme für sogenannte schulmüde Jugendliche.

Mit diesem Maßnahmenkatalog schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass der nun in Berlin bekannt gewordene spektakuläre Fall in NordrheinWestfalen keine Nachahmung und Verbreitung erfährt.

(Beifall von CDU und FDP)

Lassen Sie mich einen weiteren Hinweis zu den Vorfällen in Berlin geben. Fälle von Gewaltanwendung gab es leider schon immer, und zwar an allen Schulformen. Das Problem ist nicht auf Hauptschulen beschränkt. Dieses Thema bedarf einer differenzierten Betrachtung. Unsere Hauptschulen sind ebenfalls sehr differenziert wahrzunehmen.

Auch ist das Thema Gewalt nicht allein ein Problem von Schulen mit einem hohen Anteil von Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte.

Dass sich die Schwierigkeiten dort häufen, wo besondere, sich zum Teil überschneidende Problemlagen existieren, ist sicherlich zutreffend. Aber die Schule ist in erster Linie der Ort, wo sich diese Probleme zeigen. Sie ist nicht der Ort, an dem sie entstehen, oder der alleinige Ort, an dem sie zu beseitigen wären.

Es muss darum gehen, den Kindern und Jugendlichen Perspektiven für ihren Lebensweg aufzuzeigen.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Deshalb kürzen Sie auch so!)

Wer berufliche Chancen hat, ist für Aggression und Gewalt weniger anfällig. Wir müssen den jungen Menschen vertrauen. Ich glaube, wir können ihnen auch etwas zutrauen.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Schulen, insbesondere die Hauptschulen. wieder besser auszustatten und aufzustellen. Aus diesem Grund werden wir an dieser Stelle keine erneute Debatte über die Schulstrukturen führen, denn sie hilft uns nicht weiter. Die Phänomene, über die wir hier und heute sprechen, gibt es in vielen Ländern mit ganz unterschiedlichen Schulsystemen. Ich warne davor, den Menschen vorzumachen, es gäbe auf diese komplexen Phänomene ganz einfache Antworten. So ist das leider nicht.

Wir können aber einen Rahmen schaffen, um die Schule wieder stark und den Lehrern Mut zu machen, den Schülerinnen und Schülern wieder Perspektiven und den Eltern die Zuversicht zu geben, dass ihre Kinder bei uns eine leistungsgerechte Ausbildung bekommen.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Nur Floskeln!)

Frau Ministerin, bitte kommen Sie zum Schluss.

Das gilt für alle Schulen und Schulformen gleichermaßen.

Ich komme zum Schluss. Mit der überflüssigen Debatte um Schulstrukturen lähmen Sie den Prozess, der den Schulen jetzt konkrete Hilfen anbietet. Ich bitte vielmehr darum, mich bei der weiteren Entwicklung der Hauptschule und der Qualitätsoffensive zu unterstützen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ein Letztes: Unser Ziel ist es, Perspektiven zu eröffnen für alle Schülerinnen und Schüler und, meine Damen und Herren, für uns. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Trampe-Brinkmann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jüngsten Zahlen der Arbeitsagentur Nordrhein-Westfalen zeigen ein erschreckendes Bild der wachsenden Lücke auf dem Ausbildungsmarkt nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland auf. Die Schere zwischen Schulabgängern und Ausbildungsplätzen driftet immer weiter auseinander.

Derzeit sind in Nordrhein-Westfalen ca. 70.000 Jugendliche ohne Lehrstelle. Wir erleben eine Situation, in der jeder zwölfte junge Mann, jede neunzehnte junge Frau die Schule ohne Abschluss verlässt; das sind Zahlen zwischen 5 und 8 %.

Wenn ich mir alleine die Zahlen aus meinem eher ländlichen Wahlkreis Warendorf anschaue, dann stelle ich fest, dass sich dort eine rechnerische Ausbildungslücke von derzeit ca. zwei Drittel ergibt. Die Menschen in diesem Kreis, der eher ländlich, mittelständisch und durch Handwerksbetriebe geprägt ist, haben keine Chancen mehr.