Protokoll der Sitzung vom 03.05.2006

Ihre Stellenpolitik ist äußerst interessant. Sie haben sich als erstes, nachdem Sie an die Regierung gekommen sind, über 90 neue Stellen geschaffen. Das heißt, die Ministerialbürokratie, die Bürokratie, die Sie eigentlich reduzieren wollen, stocken Sie erst einmal ordentlich auf, damit Ihre Leute versorgt sind. Gleichzeitig werfen Sie uns vor, Frau Ministerin Höhn hätte nicht genügend Stellen abgebaut.

Ihr Finanzminister musste aber in der letzten Woche zugeben, dass Frau Höhn zwischen 1995 und 2000 schon über 1.000 Stellen abgebaut hat. Das sind die Fakten. Das sind die Tatsachen. Und das musste der Finanzminister selbst zugeben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Man kann es übrigens heute auch in der Zeitung lesen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Frau Höhn war die sparsamste Ministerin! Das hat der Fi- nanzminister selber gesagt!)

Wir haben eine sparsame Personalpolitik betrieben. Wir müssen diese Personalpolitik auch in Zukunft fortsetzen. Das heißt, wir erhöhen nicht rigoros Stellen, wie Sie das machen, sondern wir müssen uns sehr wohl überlegen, wie wir damit umgehen und eine vernünftige Politik machen.

Gerade wurde vonseiten von Herrn Klein von der CDU-Fraktion erwähnt, dass es unsere grüne Haushaltskommission gegeben hat. Jawohl, sie hat eine Menge vernünftiger Vorschläge gemacht. Das ist noch nicht alles Konsens bei uns in der grünen Fraktion. Wir werden über das, was dort vorgeschlagen worden ist, ein breite Debatte führen.

Es werden aber nicht nur ökologische Steuerungsmaßnahmen vorgeschlagen. Wir haben gesagt: Wir müssen uns auch mit dem ganzen Personalbereich intensiv auseinander setzen. Wir müssen sehr genau gucken, wo wir das Personal in Zukunft brauchen und wo wir es einsetzen können.

Wir sind aber gegen eine Politik, wie Sie sie betreiben, bei der Privatisierung um jeden Preis betrieben wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die CDU lässt sich von der FDP am Gängelband durch diesen Saal führen. Wir sind zum Beispiel dagegen, dass die LEG privatisiert wird, wie Sie das in den letzten Tagen vorgeschlagen haben. Das ist eine Politik, die nicht nur gegen das Personal, sondern auch gegen die Mieterinnen und Mieter dieser Wohnungen gerichtet ist. Und das ist eine Politik, die mit uns so nicht zu machen ist.

Wir möchten, dass nicht nur der Haushalt konsolidiert wird und eine nachhaltige Haushaltspolitik stattfindet, sondern dass dieser Haushalt sozialverträglich und ökologisch gestaltet zukünftig ausgerichtet wird. Wie gesagt, wir haben sehr konkrete Vorschläge gemacht. Wir haben eine sehr sparsame, solide und seriöse Haushaltspolitik gemacht.

Der Haushaltsentwurf, den Sie vorgelegt haben, wird diesem Anspruch nicht gerecht. Sie konsolidieren nicht. Ich wiederhole: Sie treiben die Schulden massiv in die Höhe. Sie machen eine Politik, die sozial ungerecht ist, die gegen Kinder und Jugendliche gerichtet ist. Sie betreiben auch keine Politik, die tatsächlich dazu dient, Wirtschaft und Arbeit in Nordrhein-Westfalen voranzubringen. Von daher ist klar: Diesem zukunftsfeindlichen Haushaltsentwurf, den Sie hier vorgelegt haben, werden wir nicht zustimmen. Wir werden uns differenziert zu anderen Anträge verhalten.

Wir selber haben 124 Anträge gestellt, die meiner Meinung nach dazu beitragen würden, dass dieser Haushalt tatsächlich sozial und ökologisch gerecht und zukunftsweisend wäre. So würde man dafür sorgen, dass die Schulden deutlich gesenkt werden. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Angela Freimuth von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Debatte dachte ich, ich wäre in einem bizarren Theater. Mich hat bei dem Redebeitrag der Kollegin Walsken sehr nachdenklich gestimmt. Kollegin Walsken hat die Frage der Kinderfreundlichkeit aufgeworfen.

Was die SPD-Fraktion hier geschildert hat, das hat mich, offen gestanden, sehr erschrocken. Wenn wir Kinderfreundlichkeit so definieren wollen, was ich ausdrücklich nicht tue, dass wir nachfolgenden Generationen einen stetig anwachsenden Schuldenberg hinterlassen, dann mag das vielleicht eine Meinung sein. Danach mag es auch legitim sein, weiter und immer weiter in dem Gedanken verhaftet zu bleiben, sich ausschließlich Gedanken darüber zu machen, wie Mittel verteilt werden können. Dann mag man das so machen.

Dann mag man auch weiter eine Politik, auch ein Denken fortsetzen, in dem imaginäre Privatisierungserlöse in die Verteilmasse eingerechnet werden. Dann mag man damit fortfahren, imaginäre „Steuer-Mehreinnahmen“ einzuplanen. Man kommt im Ergebnis immer dazu, dass man das hinterher nicht realisieren kann, sondern dass sich die Nettokreditaufnahme und damit der Schuldenberg insgesamt immer weiter erhöhen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage ausdrücklich: Das ist nicht mein Verständnis von Kinderfreundlichkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich verstehe unter kinderfreundlicher Politik, auch unter kinderfreundlicher Finanz- und Haushaltspolitik eine Politik für die nachfolgenden Generationen, beginnend mit den heute lebenden Kindern, die in zwanzig, dreißig Jahren völlig zu Recht den Anspruch, das Interesse und das Recht auf eigene Gestaltungsoptionen in der Gesellschaft haben, in der sie dann leben, für die sie dann Verantwortung übernehmen und Verantwortung tragen.

Meine Damen und Herren, deswegen ist für mich Haushaltskonsolidierung und eine Senkung der Verschuldung ohne jede Alternative.

(Beifall von FDP und CDU)

Die Eckdaten sind genannt. 112 Milliarden € Schulden, Stand: 31.12.2005. Ein Zehntel des Haushalts geben wir allein für Zinsen aus bei, zugegeben, sehr niedrigem Zinsniveau. Wenn die Zinsen steigen, dann bekommen wir eine völlig andere Belastung. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir bei der Überlegung, welche Mittel wir denn überhaupt zum Ausgeben, zum Verteilen haben, in der Tat eher einen restriktiven Ansatz wählen, den des „vorsichtigen Kaufmanns“ – so haben wir es in den Koalitionsvereinbarungen formuliert –, in denen wir Einnahmen eher zu niedrig prognostizieren.

Für den Fall, dass es dann tatsächlich ein Mehr gibt – ich freue mich, dass wir eine Übereinstimmung von drei Fraktionen hier im Haus haben –, wird jeder Euro, der mehr und zusätzlich an Steuereinnahmen hereinkommt, tatsächlich für die Reduzierung der Nettokreditaufnahme und damit für die Schuldensenkung aufgewendet und aufgewendet werden müssen.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Der Kollege Sagel hat uns gerade vorgeworfen, wir würden mit den Änderungsanträgen, die wir im Verfahren gestellt haben, lediglich ein Promille umschichten.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Das ist so!)

Das ist in der Tat Fakt. Aber ich habe auch im Haushalts- und Finanzausschuss bereits gesagt, dass sich weder an der Quantität noch an dem Volumen der Änderungsanträge ablesen lässt, ob dies eine Verbesserung oder eine Verschlechterung des Haushalts darstellt. Man kann die vorgelegten Anträge dafür in Betracht ziehen. Sie haben zweifelsohne – das ist anerkannt und zugestanden – mehr Änderungsanträge zum Haushalt gestellt, aber gestatten Sie mir auch den Hinweis: Mit deren Annahme würde der Haushalt in keiner Weise verbessert.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das sehen manche Menschen draußen aber anders! – Gisela Walsken [SPD]: Sie müssen mal rausgehen, einfach vor die Tür!)

Ich habe das gerade schon zur Kenntnis genommen. Im Beratungsverfahren ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass der Haushalt und auch die Haushaltsdebatte – gerade die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, aber auch die SPD-Frak

tion haben im Ältestenratverfahren mehrfach darauf hingewiesen – zum originären Budgetrecht des Parlamentes gehören und dass deswegen auch diese Debatte zum Haushalt die Stunde des Parlamentes ist.

Ich habe mit Interesse wahrgenommen, dass zum Beispiel die eine oder andere Kollegin zeitgleich draußen bei den Demonstranten war, anstatt hier der parlamentarischen Debatte zu folgen.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das haben wir in der Vergangenheit von Ihnen gelernt!)

Das, meine Damen und Herren,

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

ist auch nicht der richtige Stil. Ich habe volles Verständnis dafür, dass sich Jugendliche und in der Jugendarbeit Tätige für ihre Interessen einsetzen und engagieren, ich habe auch Verständnis dafür, dass Politiker mit den jungen Menschen und den in der Verbandsarbeit Tätigen ins Gespräch kommen; deswegen ist das kein Vorwurf. Ich will nur sagen: Man muss dann mit dem einen oder anderen Argument, mit der einen oder anderen Formulierung ein bisschen genauer umgehen.

Heute Morgen ist von der Kollegin Walsken und vom Kollegen Sagel der Vorwurf erhoben worden, dieser Haushalt sei sozial unausgewogen.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE] – Rüdiger Sagel [GRÜNE]: So ist es!)

Lassen Sie mich noch einmal zu dem zurückkommen, was ich ganz am Anfang sagte, nämlich: Die bisherige Verschuldungspolitik, die ausschließlich an der Stellschraube Verteilung festmachte,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das stimmt doch überhaupt nicht! Meine Güte! – Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

ist aus meiner Sicht sozial feindlich, sozial unausgewogen und geht ausdrücklich gegen die Interessen nachfolgender Generationen, die sich heute im Verfahren viel zu wenig wehren können. Die Kollegin Walsken war so freundlich, auf die Verfassungswidrigkeit hinzuweisen. Man muss in der Tat darauf hinweisen – der Hinweis ist völlig berechtigt, ich mache ihn sogar selber –, dass wir mit der Nettokreditaufnahme über der Investitionssumme liegen. Aber ich will an der Stelle auch darauf hinweisen: All Ihre Änderungsanträge, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, versetzen uns nicht in die Lage, dass wir auf

ein Niveau kommen, wo die Nettokreditaufnahme unterhalb der Investitionssumme liegt.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Nein, Frau Kollegin Löhrmann, auch bei Ihnen nicht. Der Kollege Sagel hat gerade noch vorgerechnet, er würde eine halbe Milliarde Euro gewinnen; aber wir brauchen an der Stelle immer noch ein bisschen mehr.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Eine halbe Mil- liarde besser als Sie!)

Für die Überwindung dieser Hürde haben Sie uns leider keine wirklichen Hilfen gegeben. Das liegt aber auch daran – das honoriere ich –, dass das das Anerkenntnis dessen ist, dass Sie uns in eine Situation gebracht haben, in der es uns Zins- und Ausgabeverpflichtungen eben nicht ermöglichen, an der Stelle eine weitergehende Haushaltskonsolidierung zu betreiben, als wir das mit dem Haushaltsentwurf 2006 bereits vorgenommen haben.

Bei den Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen ist lange und auch zu Recht darüber diskutiert worden, ob es uns gelingt, allein durch Einsparungen Haushaltskonsolidierung betreiben zu können. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren immer gesagt: Nein, Einsparungen allein reichen aus meiner Sicht nicht aus, sondern wir müssen uns ausdrücklich Gedanken darüber machen, wie wir die Einnahmesituation des Landes NordrheinWestfalen verbessern können.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Oh!)

An der Stelle hat Herr Kollege Dieckmann in den vergangenen Jahren von mir auch Recht bekommen, wenn er darauf hinwies. Aber, meine Damen und Herren, das geht nicht, indem man immer weiter an der Steuerschraube dreht. Sie haben in den letzten zehn Jahren eine Politik betrieben, die ansiedlungsfeindlich war, von der eben keine Impulse für Wachstum und Beschäftigung ausgegangen sind.