Protokoll der Sitzung vom 03.05.2006

An der Stelle hat Herr Kollege Dieckmann in den vergangenen Jahren von mir auch Recht bekommen, wenn er darauf hinwies. Aber, meine Damen und Herren, das geht nicht, indem man immer weiter an der Steuerschraube dreht. Sie haben in den letzten zehn Jahren eine Politik betrieben, die ansiedlungsfeindlich war, von der eben keine Impulse für Wachstum und Beschäftigung ausgegangen sind.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Was erzählen Sie denn da?)

Es ist aus meiner Sicht zwingend erforderlich, dass wir die Zahl der Menschen ohne Beschäftigung in unserem Land senken;

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Wo sind denn Ihre Impulse?)

ansonsten fehlen diese Menschen auch als Steuerzahler, von der sozialen Komponente der Arbeitslosigkeit an der Stelle völlig zu schweigen. Deswegen ist und bleibt das eine der Hauptauf

gaben der Koalition der Erneuerung. Ich lade Sie herzlich ein, dabei mitzumachen.

Gestern im Kabinett – so wurde berichtet – sind einige wichtige Impulse zum Thema BürokratieAbbau und Verschlankung der öffentlichen Verwaltung gemacht worden, die zu einem Abbau von Doppelzuständigkeiten führen, zu transparenten und einfachen Zuständigkeiten, wodurch Mehrfachzuständigkeiten vermieden werden können, die zu mehr Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung führen, zu einer Verschlankung der Verwaltung, in der die Behörde schließlich Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen ist.

Meine Damen und Herren, das ist einer von ganz vielen noch folgenden Schritten auf dem Weg, mit denen wir Nordrhein-Westfalen wieder zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort machen werden, wodurch wir, weil sich mehr Unternehmen hier in Nordrhein-Westfalen ansiedeln, auch tatsächlich Arbeitsplätze schaffen und Arbeitsplätze erhalten und auf diese Art Weise die Möglichkeit und die Chance haben, zu mehr Steuereinnahmen zu kommen.

Ich sage an diese Stelle noch einmal ganz klar: Die Mehrwertsteuererhöhung, so wie sie im Augenblick auf der Bundesebene geplant ist, ist Gift für diese zarte Pflanze des wirtschaftlichen Wachstums.

(Beifall von der FDP)

Deswegen auch meine herzliche Bitte an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU, aber auch in besonderer Weise an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Machen Sie diese zarte Pflanze Konjunktur nicht kaputt. Lassen Sie die Finger weg von der Mehrwertsteuererhöhung. Wir brauchen sie nicht. Wir können es auch anders schaffen. Wir müssen es ohne weitere Steuererhöhungen schaffen; denn die Steuer- und Abgabenlast in unserem Land ist ohnehin viel zu hoch und eine der Hauptwachstumsbremsen in unserem Land.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Nein, Frau Kollegin Löhrmann.

Eine Anmerkung möchte ich noch zu dem Punkt „allgemeine Finanzverwaltung“ machen. Kollege Sagel war vorhin so freundlich und hat auf die mittelfristige Finanzplanung hingewiesen, die ja zumindest einmal kurz angesprochen werden will. – Ich freue mich darüber und erwarte es auch, dass es uns mit einer Politik, die wir die nächsten Jahre in Nordrhein-Westfalen machen werden, und mit dem Schwergewicht Nordrhein-Westfalens auch

im Bund, gelingen wird, diese mittelfristige Finanzplanung, was die Verschuldung angeht, nach unten zu korrigieren. Wir nehmen uns dabei eben kein Beispiel an der rot-grünen Vorgängerregierung, die die mittelfristige Finanzplanung im Hinblick auf die Verschuldung immer wieder nach oben korrigieren musste.

Frau Kollegin, es liegt der Wunsch nach einer Zwischenfrage von Frau Löhrmann vor.

Ich habe der Kollegin Löhrmann gerade schon mitgeteilt, dass ich dazu im Augenblick keine Neigung verspüre, da ich noch gern zum Einzelplan 12 zwei Anmerkungen machen möchte. Ich bitte die Kollegin um Verständnis; das ist nicht böse und auch nicht persönlich gemeint.

Gerade bei Einzelplan 12 sind in der Vergangenheit kw-Vermerke ausgebracht worden; und es ist gerade den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Finanzverwaltung viel abverlangt worden. Das, was die Bediensteten des Landes NordrheinWestfalen insgesamt, insbesondere aber auch die in der Finanzverwaltung, für unser Land leisten – das lassen Sie mich als Haushälterin und damit als Fachabgeordnete für die Finanzverwaltung sagen –, ist ganz enorm.

Wir müssen angesichts der Arbeitsbelastung der Finanzverwaltung dafür sorgen, dass die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter effizient eingesetzt werden können, zum Beispiel zur Bekämpfung des Steuerbetrugs, sei es bei der Umsatzsteuer oder bei anderen Steuerarten. Deshalb ist es zum einen notwendig, zu einem effizienten und leistungsgerechten Steuersystem zu kommen, zum anderen aber auch unabdingbar, unserer Finanzverwaltung die Technikunterstützung, die ja schon seit Jahren bei der Berechnung der kw-Vermerke eingeplant ist, endlich zur Verfügung zu stellen.

Was die Binnenmotivation der öffentlichen Bediensten angeht, fällt es mir sehr schwer, dass wir mit diesem Haushaltsplan gerade den Bediensteten des Landes nochmals enorm viel abverlangen. Ich weiß, dass das für den einen oder anderen eine große Schwierigkeit bedeutet. Ich ducke mich bei der Debatte darum aber auch nicht weg, da es mit Blick auf die im Haushalt insgesamt ablesbare Kostenverteilung und angesichts des Anteils der Personalkosten notwendig ist, gemeinsam mit den Beschäftigten des Landes einen Weg zu suchen. Deswegen hoffe ich auch, dass wir für den Tarifbereich ähnliche Lösungen wie für die

Beamtinnen und Beamten finden. – Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, nun hat Finanzminister Dr. Linssen für die Landesregierung das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beratungen zum Haushalt 2006 finden – das kann man mit Sicherheit sagen – in einer schweren Krise aller öffentlichen Haushalte der Bundesrepublik Deutschland statt, wobei wir feststellen müssen, dass die finanziellen Verhältnisse in diesem größten deutschen Bundesland, unserem Land Nordrhein-Westfalen, gerade in Relation zu anderen großen Flächenländern besonders angespannt sind.

Wir müssen bei allem, was wir finanzpolitisch überlegen – so habe ich die bisherigen Haushaltsberatungen verstanden –, immer daran denken, dass wir mit diesem Haushalt auch ein Signal für Wachstum und Beschäftigung setzen.

Meine Damen und Herren, ein solches Signal setzt man heute nicht mehr so wie früher, als noch Plisch und Plum regierten, also in den 60erJahren der großen Koalition, indem man große öffentliche Investitionsprogramme auflegt – ich glaube, das haben mittlerweile fast alle eingesehen –, sondern indem man dafür sorgt, dass der Staat in seiner finanzpolitischen Haltung, in der Solidität seiner Finanzen vorbildlich wird und damit auch ein Signal setzt, dass Steuerbürger wieder dem vertrauen können, was im Land und im Bund finanzpolitisch passiert.

Meine Damen und Herren, wir haben als Nordrhein-Westfalen eine ganz besondere Verantwortung, weil wir den größten Etat aller Bundesländer verwalten und weil wir mit allem, was wir tun, praktisch immer 20 % der Bundesrepublik mitbestimmen, weil wir einen Anteil von 20 % bei fast allen einschlägigen Kriterien haben.

Die neue Regierung, die Koalition der Mitte, ist angetreten, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, um den Haushalt, den wir übernommen haben, zu sanieren. Wir haben mit den Ihnen bekannten Schritten – mit der Haushaltssperre, mit dem Nachtragshaushalt und mit diesem ersten eigenen Haushalt – sicherlich die entscheidenden Signale für diese Legislaturperiode gesetzt.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Aha, aha!)

Wir müssen die Nettoneuverschuldung dauerhaft und nachhaltig senken, und wir müssen sie unter die Summe der landeseigenen Investitionen bringen.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Aha, aha!)

Ich glaube, dass dieses Signal mit diesem Haushalt angekommen ist, auch wenn Sie ihn, Frau Walsken – zumindest war es so in der ersten Lesung, dann haben Sie etwas davon Abstand genommen –, als den Haushalt mit der größten Nettoneuverschuldung, der je in diesem Land eingebracht worden ist, skizziert haben.

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist er auch!)

Aber Sie haben wohl inzwischen gemerkt, dass es uns mit der Konsolidierung ernst ist und Sie, wenn Sie diese Melodie fortsetzen würden, am Ende die Verlierer wären, weil Sie ahnen, dass wir mit diesem Haushalt die Marke für die Nettoneuverschuldung endgültig setzen und nicht wie Sie permanent erste oder zweite Nachtragshaushalte einbringen werden. Das ist ein großer Unterschied. Ich vermute, Ihre Nervosität ist auch darauf zurückzuführen, dass Sie das Gefühl bekommen, die – nämlich wir – könnten mit dem, was sie tun, tatsächlich Recht haben und auch noch erfolgreich sein.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Das glauben Sie doch wohl selber nicht!)

Wir werden in einem dritten Schritt – das wird sicherlich in der nächsten Legislaturperiode sein – einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Aber Sie merken an all dem, was wir beraten: Ein langer Atem ist notwendig, und wir können nicht mehr alles bezahlen, was wünschenswert ist. Auf Dauer kann man nicht auf Pump leben. Sie haben in den vergangenen Legislaturperioden Ihre neu aufgelegten Programme immer mit zusätzlichen, neuen, meist höher werdenden Nettoneuverschuldungen bezahlt. Damit kann man herrlich Geschenke machen, aber irgendwann erreicht es die nächste Generation und das Bewusstsein der Bevölkerung. Diese Koalition ist wohl auch deshalb gewählt worden, weil man wusste, dass es so nicht weitergehen kann.

Wir beschränken uns mit diesem Haushalt auf das, was absolut notwendig ist. Eben hat auch die Kollegin Freimuth noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass das mühsam ist und viel Ärger bringt, weil es viele Einschränkungen auferlegt. Aber wir haben einen gerechten Haushalt vorgelegt, den wir – da bin ich gerade den Koalitionsfraktionen sehr dankbar – mit hoher sozialer Sensibilität gestaltet haben.

(Beifall von der FDP)

Sie merken auch selber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dass hier nicht rein fiskalpolitisch argumentiert wird. Wir haben eine solche Debatte im Haushalts- und Finanzausschuss geführt – auch eine, wie ich fand, sehr interessante Diskussion mit dem Kollegen Schartau –, in der wir uns über die Grenzen dessen, was man zumuten kann, was man unter dem Diktat der horrenden Verschuldung dieses Landes tatsächlich machen kann und was man tun muss, um den Interessen der nächsten Generation gerecht zu werden, unterhalten haben.

Wir sind uns völlig darüber im Klaren, dass man mit einer solchen Politik nicht den großen Glanz verbreiten kann. Dafür sind wir auch nicht angetreten, sondern wir sind angetreten, um die existenziellen Probleme des Landes NordrheinWestfalen zu lösen. Das ist verantwortliche Politik.

Ich möchte gerne noch etwas zum Begriff „nachhaltige Politik“ sagen. Auch darüber haben wir im Haushalts- und Finanzausschuss debattiert. Frau Kollegin Löhrman hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der Begriff auf die finanzpolitische Seite, die ökologische Seite und die sozialpolitische Seite erstreckt. Alle drei Bereiche hat man im Auge zu behalten. Mittlerweile dämmert es allen, dass wir Freiräume für die nachfolgende Generation, Freiräume für eine Politik, die wieder Zukunftsinvestitionen für das Land NordrheinWestfalen vornimmt, schaffen müssen.

Ich möchte auch gerne ein paar Worte zu dem verlieren, was Frau Löhrmann der Öffentlichkeit am Wochenende mit ihrer Kommission vorgestellt hat. Im Grunde bestätigen Sie die Erkenntnisse der von uns eingesetzten Hartmann-Kommission.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Die Sie aber in den Papierkorb geschmissen haben – die Ergebnisse!)

Ich kann nur sagen: Selbstverständlich haben wir über die Zahlen, über das, was an Personal im öffentlichen Haushalt freigesetzt werden soll, in den Ausschüssen debattiert. Sie sind auf die Zahl 20.000 gekommen. Als ich das hörte, habe ich mir überlegt, welche Diskussionen Sie wohl mit der Kollegin Walsken geführt haben müssen, die gerade im Ausschuss zur Beratung des ersten Nachtrags noch erklärt hat, dass man eine aktive Beschäftigungspolitik betrieben und die Leute extra im öffentlichen Dienst beschäftigt hätte, um den Arbeitsmarkt nicht besonders zu belasten. Diese Diskussion muss schon arg kontrovers gewesen sein – es sei denn, Sie sind erst jetzt zu neuen Erkenntnissen gekommen.

Ich glaube, wir müssen uns noch intensiver über das notwendige Tempo der Konsolidierung unterhalten. Wir haben ein bestimmtes Tempo eingeschlagen; im Laufe dieser Legislaturperiode wollen wir die Verfassungsgrenze für die Verschuldung in jedem Fall einhalten.

(Zuruf von der SPD: Das ist sehr löblich!)

Liebe Frau Löhrmann, als ich das, was Sie niedergelegt haben, gelesen habe, habe ich gedacht: Es ist doch verdammt leicht, in der Opposition theoretische Erörterungen zu führen, wenn man den Praxisbeweis nicht antreten muss. Denn Sie haben in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung von 1995 ähnliche Worte gefunden, die ich mir übers Wochenende noch einmal mit Genuss zu Gemüte geführt habe.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Lesen Sie mit Genuss Ihre Oppositionsrede!)

Wenn Sie diese grundsätzlich wohlklingenden Aussagen über die Notwendigkeit der Haushaltssanierung mit dem vergleichen, was Sie in den zehn Jahren getan haben, fällt Ihnen der Kontrast und das ganze Elend dieser Politik auf. Ich darf zitieren, was Sie 1995 niedergeschrieben haben:

„Verantwortbar ist nur eine Finanzpolitik, die sich einer Einschränkung der Handlungsspielräume kommender Jahre und Jahrzehnte energisch widersetzt.“

Jawohl! Aber was haben Sie getan?