Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Wir diskutieren zunächst über den Teilbereich „Städtebau und Wohnen“ und dann über den Bereich „Verkehr“.

Ich weise auf die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 14/1714 hin.

Uns liegen außerdem Änderungsanträge vor, über die wir nachher im Einzelnen abstimmen werden.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPDFraktion der Abgeordneten Monika Ruff-Händelkes das Wort. Bitte schön. – Und wenn Sie den Plenarsaal jetzt verlassen, dann tun Sie das bitte zügig und, wenn es geht, schweigend.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen haben zum Thema Haushalt auf eine zweifellos schwierige Finanzlage verwiesen und dabei gerne den Schuldigen im übertragenen Sinne verhaftet. Dieses platte Strickmuster kann aber nicht für den Wohnungsbaubereich gelten.

Deshalb beginne ich mit dem Wohnungsbauvermögen des Landes mit einem derzeitigen Marktwert von etwa 5,2 Milliarden €. Meine Damen und Herren, dieses Wohnungsbauvermögen wurde über Generationen angespart und unter strenger Zweckbindung zugunsten der sozialen Wohnungsbauförderung in Nordrhein-Westfalen eingesetzt. Dadurch ist es gelungen – das wissen viele von Ihnen –, die Wohnungsmarktlage in Nordrhein-Westfalen nachhaltig zu entspannen, Menschen mit geringem Einkommen eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, innovative Impulse beim Bauen zu geben und der Bauwirtschaft eine nachhaltige Auftragslage zu sichern.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mit dem Landeswohnungsbauvermögen und den dadurch möglichen Aktivitäten – das wissen auch ganz viele – nimmt Nordrhein-Westfalen eine Spit

zenstellung im Bundesvergleich ein. Bei allem Ritual und Gezeter erwarten wir von den Regierungsfraktionen die Feststellung, dass sie mit dem Landeswohnungsbauvermögen einen prall gefüllten Geldbeutel erhalten haben.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, die Frage ist nun, wie Sie mit diesem millionenschweren Erbe umgehen.

Da stehen knapp ein Jahr nach Regierungsübernahme die Zeichen auf Sturm. Die Werthaltigkeit des Wohnungsbauvermögens wird durch den Schuldendienst gegenüber dem Bund in Höhe von bis zu 33 Millionen € erstmalig infrage gestellt. Darunter litt bereits das Wohnungsbauprogramm 2006, da das gesamte Programmvolumen abgesenkt werden musste und auch der avisierte Ansatz von 940 Millionen € nach heutigem Stand nicht mehr zu halten ist.

Das heißt: Das mühsam aufgebaute Wohnungsbauvermögen wird von der Erbengeneration CDU und FDP wie viele andere Errungenschaften der bisherigen sozialverträglichen Wohnungspolitik deutlich infrage gestellt.

Die damals SPD-geführte Bundesregierung und auch die SPD-geführte Landesregierung in NRW haben unter ganz erheblicher Kraftanstrengung diesen Sozialstaat reformiert. Die zwingende Notwendigkeit auch zu ganz harten Einschnitten wurde leider von vielen Wählerinnen und Wählern nicht geteilt. Die Erfolge dieser schwierigen Maßnahme fallen nun der heutigen Erbengeneration – ich habe sie gerade schon einmal genannt – von CDU und FDP zu.

Denn für Nordrhein-Westfalen bedeutet die Hartz-IV-Gesetzgebung einhergehend mit der Wohngeldreform eine Reduzierung der Zahl der Wohngeldempfänger von 836.000 auf nur noch 200.000. Durch diese Maßnahmen wird der Landeshaushalt um 1 Milliarde € entlastet.

Bei allem Verständnis für das rituelle Schimpfen der Regierungsfraktionen – ich habe es gerade schon einmal gesagt –: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, bisher hat keiner von Ihnen diese Tatsache gewürdigt.

(Lachen von der FDP)

Sie können ruhig lachen, aber es ist so. – Jetzt komme ich zu einem Thema, das wir alle in den letzten Tagen in der Presse vorgefunden haben und das auch die Bürgerinnen und Bürger, die hier zahlreich vertreten sind, etwas irritiert hat. Ich will das einmal vorsichtig ausdrücken.

Das Land verfügt mit der Landesentwicklungsgesellschaft, der LEG, über ein ganz wertvolles politisches Steuerungsinstrument. Wie bei allen anderen Wohnungsbaugesellschaften auch gibt es bei der LEG Schwierigkeiten, und zwar mit einzelnen Wohnungsbeständen. Meistens sind diese aber nicht von der LEG verursacht, sondern haben etwas mit der Übernahme von anderen Wohnungsbeständen zu tun. Als Beispiel nenne ich hier die Wohnungsbestände der Neuen Heimat.

Die LEG hat sich auf dem Wohnungsmarkt ausgesprochen positiv entwickelt. Sie hat sich weit über das übliche Maß hinaus engagiert – das wissen die Bürgerinnen und Bürger –, und sie ist bemüht, erhebliche Modernisierungen ganz aus eigener Kraft zu schaffen. Damit ist die LEG ein herausragendes wohnungspolitisches Instrument. Das habe ich eben schon einmal erwähnt. Wir bedauern sehr – das ist ganz wichtig –, dass die Regierungsfraktionen keine Alternative zur Privatisierung erwähnen, Gutachten hin oder her.

(Beifall von der SPD)

Auch mit Auflagen – das interessiert die Menschen in unserem Land ebenfalls – hinsichtlich einer denkbaren öffentlich-rechtlichen Kontrolle der LEG setzt sich die schwarz-gelbe Landesregierung keinesfalls auseinander. Den Regierungsfraktionen geht es weder um das Wohl der Mieterinnen und Mieter noch um einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Ausschließlich die Abgabe von Verantwortung, die die Koalition nicht zu tragen bereit ist, steht im Mittelpunkt ihres Handelns. Vermutlich würden CDU und FDP eher noch Geld drauflegen, wenn sie sich dieser Verantwortung entledigen könnten.

(Beifall von der SPD)

Mit der LEG eng verbunden ist der Grundstücksfonds NRW; denn dieser wird von der LEG verwaltet. Endlich ist auch bei der Landesregierung die Einsicht über die Bedeutung des Grundstücksfonds für die städtebauliche Entwicklung gewachsen. Waren im Regierungsentwurf für den Haushalt 2006 noch keine neuen Mittel eingesetzt, so wurde dies zwischenzeitlich korrigiert. Wir begrüßen das sehr; denn der Grundstücksfonds benötigt objektiv Landeszuschüsse, um seine Grundstücke verkehrssicher zu halten.

In der Städtebauförderung sind im Landeshaushalt keine grundsätzlichen Änderungen zu erwarten. Wir erwarten aufgrund weit reichender Verpflichtungsermächtigungen auch keine Überraschungen. Aber jetzt wird es ganz wichtig: Die nachträgliche finanzielle Aufstockung des Grundstücksfonds wurde zulasten der Städtebauförde

rung getätigt. Prioritäten wurden verändert und Projekte zeitlich gestreckt.

Gleich komme ich zum Ende meiner Rede. Zusammenfassend lässt sich an dem vorliegenden Städte- und Wohnungsbauetat und auch aus dem Handeln im ersten schwarz-gelben Regierungsjahr erkennen, dass die Landesregierung anscheinend ganz und gar nicht genau weiß, was sie eigentlich will.

Der gesamte Städte- und Wohnungsbau der letzten zwölf Monate ist ein kontinuierlicher Rückzug aus diesem Politikfeld. Der Staat soll in diesem Bereich nämlich künftig nicht mehr für die Menschen in unserem Land sorgen, sondern höchstens als Nachtwächter das Marktgeschehen beobachten.

Diese marktliberale Politik ist unsozial. Sie verkennt oder verdrängt die Notwendigkeit eines sozialverträglichen Strukturwandels in NordrheinWestfalen. Wir, die SPD, haben uns dieser Verantwortung in der Vergangenheit immer gestellt und werden dies auch in der Opposition weiter tun. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Ruff-Händelkes. – Jetzt hat der Abgeordnete Sahnen für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in der Wohnungspolitik und im Städtebau geben die Koalitionsfraktionen Antworten auf die gesellschaftlichen Herausforderungen, die durch das Stichwort demographischer Wandel gekennzeichnet sind. Sie geben aber auch Antworten auf die Veränderungen auf den Wohnungsmärkten.

Unsere Zielsetzungen möchte ich hier kurz und klar darstellen. Erstens: soziale Verantwortung für Mieter, aber auch für gesellschaftliche Gruppen, wie zum Beispiel ältere Menschen oder Behinderte. Zweitens: mehr Freiheit und weniger Staat für alle Akteure auf dem Wohnungsmarkt. Deshalb sind der Abbau von Bürokratie und die Entrümpelung von Richtlinien und Vorschriften angesagt. Drittens: Stärkung von Eigenverantwortung. Hierzu gehört auch, dass gerade jungen Familien der Zugang zum Wohnungseigentum erleichtert wird.

Im Einzelplan 14, also im Verantwortungsbereich des Bau- und Verkehrsministeriums mit Herrn Minister Oliver Wittke, wurden die finanziellen Kürzungsvorgaben des Finanzministeriums vollstän

dig umgesetzt. Dennoch ist es gelungen, bei der Finanzierung des Landesstraßenbauprogramms sogar zuzulegen und damit ein weiteres Wahlversprechen einzulösen. Mein Kollege Bernd Schulte wird im nächsten Block näher darauf eingehen.

Das Finanzvolumen des Einzelplans 14 umfasst 3,162 Milliarden €. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein minimaler Anstieg um 0,2 %. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der frühere Einzelplan 20 jetzt in den Einzelplan 14 integriert ist. Der saldierte Einsparbetrag beträgt dann noch 129 Mio. €. Es handelt sich also um ca. 4 %.

Zu den besonders schwierigen Einsparungen gehören Kürzungen beim Personal. Auch hier wurden Vorgaben gemacht. Im vorgelegten Haushaltsplanentwurf wird der Weg aufgezeigt, um die Einsparung von 1,5 % zu erreichen. Im Bereich des neuen Bau- und Verkehrsministeriums sind deshalb in den nächsten fünf Jahren 540 Stellen einzusparen. Auch hier wird die jährliche Zielvorgabe von 108 Stellen im Haushaltsjahr 2006 erreicht werden.

Einsparungen im Personalbereich bedeuten eine besondere Herausforderung für die Mitarbeiter im Verantwortungsbereich des Ministeriums. Oft ist es so, dass mit weniger Personal ein Mehr an Aufgaben zu bewältigen ist. Wir als CDULandtagsfraktion wissen dies zu schätzen. Wir sagen deshalb den ca. 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Verantwortungsbereichs herzlichen Dank – für die geleistete Arbeit und für das vertrauensvolle und konstruktive Miteinander.

Finanzpolitische Veränderungen im Einzelplan 14 wurden im Rahmen der Haushaltsberatungen im Ausschuss von Minister Wittke dargestellt. Das von Ihnen aufgezeigte Horrorszenario ist absolut daneben und überhaupt nicht erkennbar. Vor allen Dingen ist es so: Wer denkt schon daran – da kennen Sie unsere Diskussionsbeiträge und unsere Positionen, die vor allem in den Wfa-Gremien deutlich werden, sehr genau –, das Wohnungsbauvermögen des Landes in irgendeiner Form abzuschmelzen? Natürlich gibt es ein paar Einschnitte, auf die ich jetzt zu sprechen komme. Aber dennoch sind wir der Auffassung, dass das zur Verfügung stehende Geld von rund 800 Millionen € die Wünsche, die in diesem Jahr in den verschiedensten Bereichen angemeldet worden sind, auch abdeckt.

Im Hinblick auf die Finanzierung des Wohnungsbauvermögens will ich dies erwähnen: 33 Millionen € für Zins und Tilgung, die bisher aus dem Landeshaushalt getragen wurden, werden nunmehr aus dem Bereich der Wfa gezahlt. Dies mag

finanzwirtschaftlich sicherlich richtig sein, bedeutet aber eine Reduzierung des zur Verfügung stehenden Wohnungsbauvermögens; das ist richtig.

Eine weitere Einschränkung erfährt das Wohnungsbauvermögen durch die Streichung der Ausgleichsabgabe rückwirkend ab dem 1. Januar 2006. Diese Reduzierung ist politisch gewollt und die Erfüllung eines politischen Programmpunktes der Koalition von CDU und FDP. Die Einsparung dieser „zweiten Miete“ für viele Haushalte ist richtig. Wir sind davon überzeugt, dass auf diesem Wege ein Beitrag zur sozialen Stabilisierung von Wohnquartieren geleistet und zugleich Bürokratie abgebaut wird. Die Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse von Menschen, die in verdichteten Wohnquartieren leben, ist uns wichtig. Dies ist ein Gebot der sozialen Verantwortung. Deshalb wollen wir über diesen Weg einen Beitrag zur Stabilisierung von Wohnquartieren und Stadtteilen leisten.

Auf unsere Bitte hin hat das Bauministerium in der letzten gemeinsamen Arbeitskreissitzung von CDU und FDP über den Förderschwerpunkt des Wohnungsbauprogramms 2006 im Hinblick auf seniorengerechtes Wohnen, und hier insbesondere in Einrichtungen der Altenpflege, berichtet. Von der alten Landesregierung wurden in diesem Zusammenhang noch wenige Modellprojekte gefördert. Wir konnten zur Kenntnis nehmen, dass die von der neuen politischen Mehrheit beschlossene Regelförderung sehr gut angenommen und nachgefragt wird. Die notwendigen Kooperationen von Unternehmungen in der Wohnungswirtschaft und karitativen Verbänden im Bereich der Pflege entwickeln sich sehr positiv. Dies ist gut und eine richtige Antwort auf die demographischen Veränderungen, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Alterspyramide und die häufig damit einhergehenden Herausforderungen im Bereich der Pflege.

Bezogen auf den wohnungswirtschaftlichen Teil im Einzelplan 14 sind wir der Meinung, dass der notwendige finanzielle Gestaltungsrahmen gegeben ist. Die im Gesamtrahmen der bekannten Finanzsituation unseres Landes notwendigen Sparmaßnahmen im Einzelplan 14 führen nicht dazu, dass vorhandene bewährte und stabile Strukturen zerschlagen werden. Wohl aber sind Chancen eröffnet, um wichtige Antworten auf gesellschaftliche Veränderungen zu geben.

Die CDU-Landtagsfraktion stimmt der veränderten Fassung des Einzelplans 14 zu und bedankt sich in diesem Zusammenhang bei Bauminister Wittke und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für

die vertrauensvolle Zusammenarbeit in diesem Bereich. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sahnen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass eines der Felder, wo jedenfalls nach Auffassung unserer Fraktion am energischsten ein ideologischer Strategiewechsel durchgesetzt werden soll, von Ihnen als ein Feld beschrieben wird, in dem diese Regierung ein Konzept der sozialen Verantwortung verfolgt.

Wenn Sie es für ein Konzept der sozialen Verantwortung halten, dass Sie die Kündigungssperrfristverordnung aufheben wollen, dass Sie die Ausgleichsabgabe abschaffen wollen, dass Sie den Wohnungsbestand der LEG komplett verkaufen wollen, wenn Sie das alles für eine Politik der sozialen Verantwortung halten, meine Damen und Herren, dann haben wir unterschiedliche Vorstellungen von sozialer Verantwortung. Wir Grüne haben jedenfalls den starken Eindruck, dass sich bei der Wohnungsmarktpolitik ähnlich wie im Kommunalbereich die FDP mit ihren Ansprüchen durchgesetzt hat und Sie das durchexerzieren, was in den ideologischen Hinterstuben der FDP erfunden worden ist.

(Beifall von den GRÜNEN)