Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Sie haben immer eingeklagt, dass wir das Ruhrgebiet zukünftig nicht genügend berücksichtigen. Wir wissen natürlich, welche Bedeutung die Strukturpolitik für das Ruhrgebiet hat und wie wichtig es ist, dass wir auch darauf schauen. Aber ebenso wollen wir natürlich auch anderen Regionen die Chance eröffnen. Wir haben uns in Brüssel dafür eingebracht – auch der Ministerpräsident persönlich –, dass zukünftig eine private Kofinanzierung möglich wird. Das alles haben Sie immer infrage gestellt.

(Bodo Wißen [SPD]: Das kann man auch nur infrage stellen!)

Wir freuen uns natürlich, dass Sie uns jetzt in dem Vorhaben auch begleiten und es gut finden, dass das jetzt möglich geworden ist. Das ist eine riesige Chance. Insofern meine ich, dass durch die privaten Mittel auch zukünftig sichergestellt wird, dass das Optimum mit diesen Mitteln erreicht wird.

Wir wollen in der Tat neue Arbeitsplätze schaffen. Wir wollen gerade für die Bereiche Wissenschaft und Forschung Mittel einsetzen – natürlich auch – ich will sie beruhigen – für das Ruhrgebiet.

Wir haben uns auch immer wieder gefragt: Was müssen wir für Europa noch generell tun? Wir wissen, dass Europa in einer Sinnkrise ist, weil die europäische Verfassung in den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden von der Bevölkerung abgelehnt wurde. Dadurch ist alles wieder im Fluss. Wir haben dazu auch unsere Anmerkungen in Form eines Antrags vorgebracht. Der Kernpunkt dieser Forderung war – ich denke, da sind wir beieinander –, dass wir zukünftig noch mehr eine bürgernahe Europapolitik gestalten müssen, damit die Menschen auch noch sehr viel mehr erfahren, wie die Zusammenhänge in Europa sind.

Wir haben also auch gesagt, dass wir diese Richtlinien, die aus Europa kommen, zukünftig nur noch 1:1 umsetzen wollen. Das, was in den Jahren vorher versäumt ist und zusätzlich die Lage erschwert hat, wollen wir Zug um Zug zurücknehmen.

Unabhängig von der Frage, ob der Text des europäischen Verfassungsvertrages geändert werden muss oder nicht, müssen und wollen wir den Kontext der europäischen Debatte verstärkt aufgreifen und unsere Europapolitik zukünftig noch stärker transparent machen. Wir sehen die Bedeutung Europas im Zusammenspiel mit den Ländern. Das ist vor allen Dingen in unserem föderalistischen System von großer Bedeutung, damit wir innerhalb Europas den Wettbewerb mit den anderen europäischen Ländern für die Zukunft wirklich tragend gestalten können.

Ein tolles Ergebnis haben wir bei den Strukturmitteln erreicht. Frau Kraft hat mir eben noch einmal bestätigt, dass wir voraussichtlich 2,3 Milliarden € bekommen werden. Es ist doch wichtig, dass wir diese Mittel, die wir zukünftig von dort erhalten, für unser Land sinnvoll ausgeben. Dabei erwarte ich Ihre konstruktive Mitarbeit für die Zukunft und bedanke mich.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Keller. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Löhrmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten den Etat

des Ministerpräsidenten. Ich will gern mit einem Zitat von Herrn Rüttgers beginnen:

(Demonstratives Gähnen von Christian Lind- ner [FDP])

„Wir werden überall sparen müssen, und jeder wird es spüren“,

so sprach er nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der FDP im Juni 2005. Und es ging noch weiter:

„Wir werden den Menschen Erhebliches zumuten müssen. Jeder wird sich etwas überlegen müssen,“

so sagte er damals –

„wie er mit weniger Geld, aber mit mehr Engagement und besseren Ideen auskommt.“

(Zustimmung von Christian Lindner [FDP])

„Überall“? „Jeder“? „Erhebliches zumuten“? – Wenn wir die Debatte von gestern und heute noch einmal Revue passieren lassen, kann man eines mit Fug und Recht sagen: Das, was die Regierung Rüttgers seit beinahe einem Jahr veranstaltet, ist in der Tat für viele Bereiche und für viele Menschen in unserem Land eine Zumutung. Das ist richtig. Aber „überall“? „Jeder“? – Nein, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es trifft eben nicht alle Menschen gleichermaßen, sondern vor allem diejenigen, die sich besonders schlecht wehren können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es trifft Kinder. Es trifft sozial Schwache. Es trifft Kranke. Es trifft Opfer von Gewalt.

Wenn wir uns nun aber den Einzelplan des Ministerpräsidenten anschauen, dann ist eben dort kein Minus, sondern ein sattes Plus von deutlich mehr als 10 % zu verzeichnen. Kommen Sie mir jetzt nicht mit den 850.000 € Mehrausgaben für die NRW-Tage anlässlich des 60-jährigen Geburtstages des Landes, den wir natürlich auch gerne gemeinsam feiern wollen. Selbst wenn man das aus dem Etat des Ministerpräsidenten herausrechnet, bleibt noch ein sattes Plus von mehr als 3 Millionen € in dem Etat übrig: mehr für Beratung, mehr für Gutachten, mehr für Veranstaltungen des Ministerpräsidenten, mehr für die Erfüllung von Repräsentationspflichten usw. So ist die Lage.

Der Ministerpräsident, der auch leider heute dieser Debatte nicht folgt, musste sich offensichtlich keine Gedanken darüber machen, wie er mit we

niger Geld, aber mit mehr Engagement und besseren Ideen auskommen kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Oder ist das vielleicht der eigentliche Hintergrund der Vervierfachung des Etats für wissenschaftliche Beratung zur Gewinnung von Planungs- und Entscheidungshilfen, dass er viel für Leute ausgeben will, die sich für den Ministerpräsidenten Gedanken machen, wie er zukünftig mit weniger Geld auskommen kann? – Wenn ja, dann bin ich gespannt auf den zukünftigen Haushalt des Ministerpräsidenten. Ich frage mich sowieso, was diese ganzen Gutachten sollen. Herr Breuer, jetzt trifft es wieder einmal Sie. Ihre Regierung hört doch sowieso nicht auf die Fachleute.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie fegen doch die Bedenken, die in Anhörungen vorgetragen werden, einfach vom Tisch.

Weniger Geld, mehr Engagement, bessere Ideen – das waren die Worte des Ministerpräsidenten. Wenn er sich offensichtlich auch nicht selbst gemeint haben kann, wie die Zahlen zeigen, dann ist weniger Geld zumindest in manchen Kapiteln dieses Einzelplans verankert, ohne dass der Ausgleich durch die besseren Ideen überhaupt zu erkennen wäre.

Beispielsweise im Bereich Europa und internationale Angelegenheiten kürzt die Regierung Mittel für die Pflege von Auslandsbeziehungen oder für Projekte im In- und Ausland drastisch zusammen. Ausgleich durch bessere Ideen? – Fehlanzeige! Es sei denn, man betrachtet es tatsächlich als eine gute Idee, in der Landesvertretung in Brüssel neue Stellen zu schaffen, um sie mit Parteifreunden zu besetzen. Das ist das Einzige, was wir da feststellen konnten. Denn wirklich etwas bewirken können diese zusätzlichen Stellen nicht, weil Sie ja auch hier konsequenterweise – so muss man es ja wohl sagen – die Sachmittel für die eigentliche Arbeit um 20 % gekürzt haben.

So werden Sie, Herr Breuer, der steigenden Bedeutung Europas nicht gerecht werden können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Keller, ich sehe nicht, dass es da in irgendeiner Weise eine große Veränderung gibt. Sicher sind wir uns hier im Parlament einig, dass es darauf ankommt, Europa fühlbarer und greifbarer zu machen und auch neu für Europa zu werben. Aber ich sehe nicht, dass da wirklich etwas passiert.

Meine Damen und Herren, weniger Zukunft war selten. Mehr für Repräsentation, weniger für internationale Zusammenarbeit, mehr für Stellen, weniger für konkrete Arbeit – das ist das Kennzeichen dieses Einzelplans.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das Stichwort konkrete Arbeit noch einmal aufgreifen. Viel konkrete, planvolle, zielgerichtete Arbeit kann in der Staatskanzlei ja wohl nicht laufen. Personalquerelen, jeder gegen jeden, ein Chef der Staatskanzlei auf Abruf – Pleiten, Pech und Pannen würde ich das einmal zusammenfassen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Eine Imagekampagne für den Ministerpräsidenten wurde da geplant. Nur der öffentliche Druck, den SPD und Grüne da entfaltet haben, und die vielfältigen Debatten haben wohl dazu geführt, dass Sie, wenn sie auch nicht schnell beerdigt wurde, aber nach langen Debatten gemerkt haben, dass das wohl nicht in die Zeit passt und dass Sie so dreist wohl doch nicht sein wollen.

Wir sehen Chaos auf allen Ebenen. Selbst die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände im Haushaltsverfahren wurde verschlafen. Das ist das Bild des Hauses des Ministerpräsidenten in der Öffentlichkeit. Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das schadet auch dem Ansehen des Landes.

Die Schaffung von Dutzenden von neuen Stellen und die Versorgung von Parteigängern hat dieses Chaos offensichtlich noch weiter verstärkt. Eine geordnete Regierungszentrale sieht anders aus. Ich bin gespannt, ob für den neuen Chef der Staatskanzlei wieder eine zusätzliche Stelle geschaffen werden muss.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Meine Damen und Herren, auch einen weiteren Gedanken will ich Ihnen nicht ersparen; Herr Kuschke hat ihn schon angedeutet, und ich habe ihn ebenfalls schon in den Beratungen des Haushalts vorgetragen. Ich finde eine Kürzung anders als die SPD konsequent, nämlich die Kürzung bei den Ehrenamtstouren. Ja, wenn man das Ehrenamt durch diese Haushalte der Fachbereiche zerschlägt, dann muss man sich nicht wundern,

(Beifall von den GRÜNEN)

wenn man nicht mehr zu Veranstaltungen zum Ehrenamt eingeladen wird. Dann braucht man auch keine Ehrenamtstouren mehr zu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Sie es nicht mehr gerne hören wollen: Wir Grüne können es besser. Es hätte andere Einsparmöglichkeiten im Einzelplan 02 gegeben als die, die Ihnen eingefallen sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber offensichtlich haben Sie die vor lauter Schielen auf Ihre eigenen persönlichen Töpfe bei der Suche nach Einsparmöglichkeiten schlicht und ergreifend übersehen.

Wir werden dem Etat des Ministerpräsidenten selbstverständlich nicht zustimmen. Herr Keymis wird noch auf die Bereiche Medien und Kultur eingehen. – Herzlichen Dank.