Uns ist eine solche kurzsichtige Politik völlig unverständlich, zumal 35 % der Gefangenen drogenabhängig sind. Betroffen sind davon weitgehend Jugendliche und junge Erwachsene, für die Sie angeblich verstärkt etwas tun wollen.
Hier kann erfolgreich etwas getan werden, wahrscheinlich im Unterschied zu Jungtäterabteilungen, deren Profil immer noch nicht – und das nach mehreren Beratungen – klar ist, oder mit verbindlichen Elternempfehlungen, die in Ihrem spezifischen Antrag zwar in der Überschrift genannt, jedoch explizit im Antrag selbst nicht vorkommen.
Es ist plausibel, dass wir dem konservativ neoliberalen Justizhaushalt ohne Veränderungen nicht werden zustimmen können. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute den ersten Justizhaushalt der neuen Landesregierung. Mit dem Landeshaushalt 2006 steuern wir um und stellen die Weichen in Richtung Zukunft.
Der Justizhaushalt ist Bestandteil des Gesamthaushalts, gemessen an dem Einnahmevolumen von rund 1 Milliarde € der drittgrößte und mit einem Ausgabevolumen von über 3 Milliarden € der viertgrößte Ressorthaushalt. Wie Sie wissen, ist der Entwurf des Gesamthaushaltes von vier Grundsätzen geprägt.
Erstens. Haushaltskonsolidierung für die Gestaltung unserer Zukunft. Wir sind verpflichtet, den nachfolgenden Generationen finanzielle Hand
lungsspielräume zurückzugeben, die Sie genommen haben. Daher muss Schluss sein mit der von Ihnen bisher betriebenen Verschuldungspolitik.
Zweitens. Die Haushaltskonsolidierung ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Bereiche sind betroffen. Die Kürzungen sind schmerzhaft. Das wissen wir. Das haben wir aber auch vor der Wahl gesagt. Wir haben es angekündigt. Wir sind dabei, die Belastung gerecht zu verteilen.
Drittens. Haushaltskonsolidierung ist Aufgabe der gesamten Regierung und des Parlamentes, meine Damen und Herren. Hinter dem Gesamtinteresse müssen im Zweifel auch einzelne, wenn auch berechtigte Ressortinteressen zurückstehen.
Viertens. Haushaltskonsolidierung erfordert Ehrlichkeit. Denn wir müssen Einnahmen wie auch die Ausgaben realistisch kalkulieren. Haushaltsricks mit schöngefärbten Zahlen gehören der rot-grünen Vergangenheit an. Wie Sie wissen, ist diese vorbei.
Die nordrhein-westfälische Justiz steht im Vergleich mit anderen Ländern und anderen europäischen Staaten gut da. Wir werden sicherstellen, dass das so bleibt, und das trotz der desolaten Finanzlage des Landes, die Sie, meine Damen und Herren der Opposition, uns hinterlassen haben.
Meine Damen und Herren, Politik ist aber auch die Kunst des Machbaren. Die Politik muss ehrlich analysieren, was geht und was nicht geht, und den Menschen die Lage darstellen. Wir nehmen diese Aufgabe an und gestalten das Machbare im Rahmen des Möglichen.
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP sind sich sicher: Dieser Weg ist steinig und beschwerlich, aber er ist der richtige Weg, und er ist auch ohne Alternative.
Im Bereich der Justiz haben wir eine Vielzahl von Aktivitäten trotz knapper Finanzmittel geschaffen. Die Justiz wird mit den Mitteln ausgestattet, die sie benötigt, um bei zugegeben hoher Belastung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Aufgaben weiterhin mit so hoher Qualität erfüllen zu können, wie dies in der Vergangenheit der Fall war und wie dies auch zukünftig gewährleistet sein soll. – Das Gleiche gilt übrigens für eine weitere klassische hoheitliche Aufgabe, die Innenpolitik.
Anstatt die Justiz im Hinblick auf diese Aufgaben personell angemessen auszustatten, meine Damen und Herren, wurde die Zahl der Justizbe
diensteten in der Zeit von 1999 bis 2004, also in Ihrer Regierungsverantwortung, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, stetig abgesenkt.
Konkret verringerte sich im Zeitraum von 1999 bis 2004 die Zahl der Beamten – hier sind alle Dienstzweige ohne Richter und Staatsanwälte gemeint – um über 500 und die Zahl der Angestellten im gleichen Zeitraum um etwa 1.200.
Die vom Richterbund angesprochenen Stellenreduzierungen sind bereits von der alten rot-grünen Landesregierung beschlossen worden. Das vergessen Sie gerne. Wir wollen es noch einmal in Erinnerung bringen.
Wir räumen jetzt mit diesen Altlasten auf, indem wir bei 180 Stellen, die Sie, meine Damen und Herren der SPD, damals mit einem kw-Vermerk versehen hatten, diese Vermerke wieder aufheben.
Eine bürgernahe leistungsfähige Justiz ist für den Rechtsstaat und auch für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen von immenser Bedeutung. Deshalb wollen wir die Funktionsfähigkeit der Gerichte und der Staatsanwaltschaften stärken. Dazu ist eine sachgerechte Ausstattung der Justiz sowohl mit der modernen Technik als auch mit den erforderlichen personellen Ressourcen notwendig.
Unser Ziel ist eine Beschleunigung und Vereinfachung von Justizverfahren – und dies ohne Qualitätsverlust.
Wir wissen, dass zum Beispiel Richter und Staatsanwälte das Ziel der Konsolidierung des Landeshaushaltes mittragen. Unbestritten ist, dass jede Regierung darauf hinzuwirken hat, dass unverzüglich ein verfassungsgemäßer Haushalt vorgelegt werden kann. Dieses Ziel lässt sich aber auch nur über Einsparungen erreichen. Dabei ist es auch für die Bediensteten der Justiz selbstverständlich, dass auch der Bereich der Justiz von diesen Bemühungen nicht ausgenommen werden kann.
Die bevorstehenden unausweichlichen Kürzungen werden jedoch nicht dazu führen, dass die Qualität der Arbeit der NRW-Justiz gefährdet wird. Aber auch die Justiz muss die Konsequenzen aus der desolaten Finanzsituation des Landes ziehen und sich an dem beschlossenen Konsolidierungskurs beteiligen.
Ein besonderes Augenmerk gilt dem besseren Einsatz der vorhandenen Haushaltsmittel. Dafür wird auf ein kaufmännisches Rechnungswesen umgestellt. Die Personalausgaben werden budgetiert.
Die Kernbereiche der Justiz, nämlich die Rechtspflege, Strafverfolgung und der Strafvollzug bleiben, wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, von den Stellenkürzungen ausgenommen. Sie sehen: Wir halten unser Versprechen.
Die Justiz in Nordrhein-Westfalen erlebt in diesen Jahren eine große Modernisierungsoffensive. Ziel ist es, die knapper werdenden Haushaltsmittel effizient und bürgerfreundlich zu nutzen und die Arbeit zu gestalten. Wir reduzieren die zahlreichen, durch die alte Landesregierung noch initiierten Projekte zur Binnenmodernisierung auf die notwendigen und tatsächlich effizienzsteigernden Maßnahmen.
Der Personalabbau ist ein Konsolidierungsbeitrag, den auch die Justiz leisten muss. Hier gilt: Die meisten kw-Vermerke resultieren aus der Einführung der 41-Stunden-Woche. Den Richtern, Staatsanwälten, Justizbeamten ist jedoch zuzumuten, ein wenig mehr zu arbeiten. Die kw-Vermerke schöpfen genau diesen ökonomischen Gewinn ab. Per saldo gibt es dadurch keine Verschlechterung.
Wo es notwendig war, meine Damen und Herren, hat die neue Landesregierung die Justiz auch im Personalbereich gestärkt. Hier ist insbesondere auf die Verlängerung von 108 kw-Vermerken in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, von 18 kw-Vermeren in der Arbeitsgerichtsbarkeit und die Streichung von 55 kw-Vermerken im Justizvollzug zur Sihertellung der Therapie von Sexualstraftätern sowie der Sozialtherapie hinzuweisen.
Zudem sieht der Haushaltsentwurf 2006 insgesamt 200 neue Stellen für Angestellte vor. Hierbei handelt es sich um Stellen in der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes, mit denen in erster Linie den Vertrauensschutzkräften der Justiz ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten werden soll.
Für den Täter-Opfer-Ausgleich, die Drogenberatung in den Vollzugsanstalten und die Straffälligenhilfe stehen durch Umstrukturierungsmaßnahmen auch zukünftig Mittel zur Verfügung. Herr Sichau, das, was Sie eben mit den sieben Kräften geschildert haben, ist nur die halbe Wahrheit. Sie haben es unterlassen, darauf hinzuweisen, dass durch Umstrukturierungsmaßnahmen Vollzugskräfte mit einer Fachausbildung in diesem Bereich ebenfalls tätig werden sollen.
Der Aufgabenzuwachs in der Sozialgerichtsbarkeit durch Hartz IV, Herr Sichau, ist durch Stellenverstärkung aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgefangen worden. Das gilt es anzumerken. Insgesamt sind im richterlichen Dienst 23 Stellen bedarfsgerecht verlagert worden.
NRW verfolgt gesetzgeberische Maßnahmen auf der Bundesebene mit dem Ziel der Kostenreduzierung in vielen Bereichen, wie zum Beispiel mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Ausgaben bei der Prozesskostenhilfe. NRW beteiligt sich auch aktiv an Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene, die der Verfahrensvereinfachung dienen und die Gerichte und Staatsanwaltschaften spürbar entlasten werden. Durch die geplante Auflösung des Landesjustizvollzugsamtes in Wuppertal leistet die Justiz einen wichtigen Beitrag zum landesweiten Bürokratieabbau.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung räumt der Justiz einen hohen Stellenwert ein. Der Anteil der Justizausgaben am Gesamthaushalt liegt 2006 bei etwas über 6,5 %. Damit nimmt die nordrhein-westfälische Justiz im Kreis der Bundesländer einen Spitzenplatz ein. Die Justiz in Nordrhein-Westfalen arbeitet effizient und genießt bei Bürgerinnen und Bürgern im Land einen guten Ruf. Zudem ist eine funktionierende und letztlich kostengünstige Justiz vor allem für die gewerbliche Wirtschaft ein unschätzbarer Standortfaktor. Wir werden auch für die Zukunft sicherstellen, dass das so bleibt. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Giebels. – Frau Dr. Seidl hat nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich und auch enttäuschend, wie sehr Sie, Frau Ministerin Müller-Piepenkötter, den Altmeistern der CDU nacheifern, in bewährter Tradition, also frei nach Konrad Adenauer: Was interessieren mich meine Versprechen von gestern?
Ich bin ja noch nicht fertig: So wird heute von Ihnen Politik gemacht. Schade, kann ich da nur sagen.
Fangen wir doch noch einmal mit dem Thema an, mit dem Sie sich auch in den letzten Jahren vor der Ausübung Ihres Ministeramtes beschäftigt haben. Als erste Vorsitzende des Deutschen Richterbundes in Nordrhein-Westfalen haben Sie immer wieder betont, Frau Minister: Die Justiz braucht mehr Personal, insbesondere Richterinnen und Richter. Heute ist Ihr Nachfolger schon froh, dass „die Stellenstreichungen bei Richtern und Staatsanwälten doch nicht in dem ursprünglich vorgesehenen Umfang“ durchgeführt werden. „Nach den nun veröffentlichten Planungen“, sagt Herr Gnisa, „werden im Jahr 2006 … nur die Hälfte der eigentlich wegfallenden Stellen bei den Richtern in der ordentlichen Gerichtsbarkeit gestrichen.“ Aber es bleibt dabei: 43 Richterstellen fallen weg.
Dieses Beispiel zeigt: Die Grundeinstellung von Frau Minister Müller-Piepenkötter passt sehr gut in das gesamte Bild der CDU, deren Erkennungsmerkmal – das haben wir in den letzten zwei Tagen häufig gehört – zu sein scheint: versprochen, gebrochen.