Protokoll der Sitzung vom 06.07.2005

Nicht die Großindustrie, schon gar nicht die von gestern, schafft die dringend benötigten Ausbildungsplätze.

(Ralf Jäger [SPD]: Wer ist denn "gestern"? Wer denn?)

Es ist der Mittelstand, der in Nordrhein-Westfalen über 80 % aller Ausbildungsplätze stellt.

Meine Damen und Herren, die Behauptung der SPD entbehrt daher jeglicher Grundlage, der von FDP und CDU vereinbarte Auslauf des subventionierten Steinkohlenbergbaus hätte unmittelbare Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt im Ruhrgebiet.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Aber das glauben Sie doch selber nicht!)

Selbstverständlich hat auch die neue Landesregierung ein großes Interesse daran, dass möglichst viele junge Menschen eine qualifizierte Ausbildung im nordrhein-westfälischen Steinkohlenbergbau erhalten.

Herr Brockes, entschuldigen Sie. Es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sagel. Möchten Sie die zulassen?

Zum Schluss meiner Rede lasse ich die gerne zu.

Ebenso selbstverständlich ist auch, dass dem deutschen Steinkohlenbergbau, der Milliarden an Subventionen aus öffentlichen Haushalten bezieht, eine besondere Ausbildungsverantwortung zukommt. Diese hat mit den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zunächst einmal gar nichts zu tun. Schon bisher hat die DSK Ausbildungsstellen in Berufsbildern angeboten, die auch außerhalb des Bergbaus gefragt sind.

Die DSK soll auch weiterhin junge Menschen zum Elektroniker, Industriemechaniker, Mechatroniker, Chemikanten oder in den verschiedenen kaufmännischen Berufen ausbilden. Den Lehrlingen darf allerdings nicht vorgegaukelt werden, sie hätten nach ihrer Ausbildung eine berufliche Perspektive im Steinkohlenbergbau. Neueinstellungen im großen Stil, wie bisher von der DSK beabsichtigt, wird es nämlich nicht mehr geben. Auch wenn es schwer fällt, meine Damen und Herren von der SPD,

(Marc Jan Eumann [SPD]: Hat das nun Aus- wirkungen auf den Ausbildungsmarkt oder nicht?)

muss die SPD langsam zur Kenntnis nehmen - auch Sie, Herr Eumann: Die einstige parteiüber

greifende Kohlefraktion im Landtag hat sich aufgelöst. Inzwischen ist es so, dass Ihr früherer Koalitionspartner, Bündnis 90/Die Grünen, offen und laut Beifall für die kohlepolitischen Weichenstellungen der neuen Regierung spendet.

Herr Priggen, damit bin ich bei Ihrem Entschließungsantrag, zu dem ich - ausgenommen die ersten drei Zeilen - nur sagen kann: Thema verfehlt!

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Warum?)

- Weil Sie auf den Ursprungsantrag der SPD gar nicht eingehen. Die Transparenz, die Sie in Ihrem Antrag fordern, die auch wir für gut und richtig halten, ist genau die Transparenz, die Ihr bisheriger Koalitionspartner Ihnen in diesem Bereich nie zugestanden hat. Auch das macht wieder deutlich, in welchem desolaten Zustand sich die alte Landesregierung befunden hat.

Meine Damen und Herren, Herr Priggen, Sie können davon ausgehen, dass die neue Landesregierung Transparenz in diesem Bereich schaffen wird. Dafür brauchen wir aber Ihren heutigen Antrag nicht. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei FDP und CDU - Zurufe von der SPD: Die Frage!)

Ich möchte Sie fragen, ob Sie die Frage noch beantworten wollen.

Dann hat Herr Sagel das Wort.

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie bezüglich einer Aussage, die von Ihrem neuen Innenminister, Herrn Dr. Wolf, geäußert worden ist, nach Ihrer Position fragen. Herr Dr. Wolf hat sich nach einem Artikel im „Westfälischen Anzeiger“ vom 5. Mai er sehr positiv zu dem Donar-Projekt und einem profitablen Bergbau geäußert. Er ist zukünftig zuständig für das Planfeststellungsverfahren für das Bergbaufeld Donar?

Ich frage Sie: Wie beurteilen Sie es denn, dass offensichtlich im Widerspruch zu Ihren Aussagen zum Ausstieg aus der Steinkohle Ihr Innenminister Herr Dr. Wolf jetzt genau das Gegenteil befürwortet, dass nämlich der Steinkohlebergbau in Nordrhein-Westfalen fortgesetzt wird?

Bitte, Herr Brockes.

Herr Sagel, ich bin nicht bereit, hier sämtliche Ausführungen der Mitglieder der Landesregierung zu kommentieren.

(Lachen bei SPD und GRÜNEN - Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

- Bleiben Sie ruhig, Herr Horstmann. Dafür gibt es eine Fragestunde hier im Landtag; die können Sie dafür gerne nutzen. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Brockes, für Ihren Beitrag. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Laumann. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man heute die Reden der Opposition zum Tagesordnungspunkt 2 gehört hat - Mehrwertsteuer, die Geißelung einer unzureichenden Bewegung beim Subventionsabbau - und jetzt beim Tagesordnungspunkt 4 miterleben muss - die Lehrstellensituation ist zugegebenermaßen schwierig, angespannt und besorgniserregend -, dass die Lehrstellensituation zum Anlass genommen wird zu begründen, warum notwendige Strukturveränderungen in der nordrhein-westfälischen Wirtschaft - wir haben hohe Subventionen im Bereich des Bergbaus - und notwendige Umstrukturierungen im Bergbau verhindert werden sollen,

(Hannelore Kraft [SPD]: Das steht da gar nicht drin! - Weitere Zurufe von der SPD)

kann man nur zu der Auffassung gelangen, dass Ihrer Argumentation in diesem Punkt völlig der Zusammenhang fehlt.

Ich glaube, dass es richtig ist - und das ist Ziel der Landesregierung -, dass wir die Stärken, die im Ruhrgebiet vorhanden sind, weiterentwickeln. Das Ruhrgebiet hat große Stärken, etwa im Gesundheitssektor, in der Logistik, bei den Hochschulen, bei den Flughäfen. Ich glaube, dass es auch richtig ist, gerade hier neue Ausbildungskapazitäten zu erschließen, um über die Ausbildungssituation die Lage im Ruhrgebiet nachhaltig zu entspannen.

Darüber hinaus müssen Sie ein Weiteres sehen: Die RAG ist einer der großen Ausbildungsbetriebe des Ruhrgebietes, aber wir wissen doch alle, dass mittlerweile ein Drittel der Ausbildungsplätze bei der RAG solche sind, mit denen im Rahmen einer Verbundausbildung für kleinere Betriebe ausgebildet wird. Das hat die Landesregierung bislang gefördert, und ich sage Ihnen: Diese Programme werden wir weiter fördern.

(Beifall von der CDU - Hannelore Kraft [SPD]: Dann können Sie unserem Antrag auch zustimmen!)

Denn es ist ja vernünftig, die Kenntnisse und die Erfahrungen der RAG in der Berufsausbildung gerade für kleinere Betriebe, die sich schwer tun, die gesamte Palette einer Berufsausbildung jungen Menschen zu vermitteln, auch weiterhin nutzen. Ich sehe jedenfalls große Möglichkeiten, auch bei den Ausbildungsstellen im Ruhrgebiet etwas zu tun.

Aber jetzt noch ein weiterer Punkt: Bergbauspezifisch werden zurzeit nur noch 7,5 % der Auszubildenden - von den rund 3.000 sind das 218 - bei der DSK ausgebildet. Das heißt, die Ausbildung im Steinkohlebergbau ist auch in anderen Branchen einsetzbar, und die hohe Qualität der Ausbildung macht deutlich, dass gerade ein Übergang vom Bergbau in andere Branchen für gut ausgebildete Menschen möglich ist. Das ist ein Beispiel, das Hoffnung macht, einen sozialverträglichen Abbau der Steinkohlesubventionen hinzubekommen.

Wenn wir über Ausbildungsplätze sprechen - das kann ich Ihnen nicht ersparen -, müssen wir auch sehen, dass wir im vergangenen Jahr allein 12.000 Unternehmensinsolvenzen in NordrheinWestfalen hatten. Das sind 12.000 potenzielle Ausbildungsbetriebe weniger. Wir haben über 50.000 Beschäftigte durch diese Insolvenzen verloren. Das grundlegende Problem des dualen Ausbildungsbereiches ist es, dass uns durch das Wegbrechen gerade mittelständischer Strukturen auch potenzielle Ausbildungsbetriebe in einem immer dramatischeren Ausmaß wegbrechen. Das ist das potenzielle große Problem, das wir haben.

(Beifall von der CDU)

Deswegen führt überhaupt kein Weg daran vorbei, dass die Politik gerade den Mittelstand, das Handwerk, die Kleinbetriebe stärken muss, weil das die Trägerinnen und Träger unseres Ausbildungssystems im dualen Bereich in der Vergangenheit waren und in der Zukunft wieder stärker werden müssen.

Ich will einen weiteren Punkt in Ihrem Antrag ansprechen. Man kann und darf Zahlen nicht unterschiedlich bewerten. Man kann nicht die 20.436 Lehrstellensuchenden mit den Gesamtausbildungsplätzen vergleichen, wie Sie es in Ihrem Antrag tun. Denn auch bei der DSK werden jedes Jahr rund 700 Lehrlinge eingestellt, was in der Gesamtheit zu den rund 3.000 führt. Hier müssten Sie die Zahl in Ihrem Antrag entsprechend korrigieren.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Die Zahlen stim- men!)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt anführen, den der Redner der SPD, Herr Eumann, angesprochen hat: Was sind denn Ihre Programme, um mit der Situation nach den Sommerferien fertig zu werden? - Ich glaube, dass wir uns hier als neue Landesregierung genauso verhalten müssen, wie es in der Politik - ich kenne das ja auch aus der Berliner Diskussion über viele Jahre - üblich ist: Es ist im Monat Juli zu früh und schädlich für die Aktionen, die die Kammern und die wir alle im Ausbildungskonsens gemeinsam unternehmen, um möglichst viele Ausbildungsplätze im dualen System zu rekrutieren, zum jetzigen Zeitpunkt die Katze in vollem Umfang aus dem Sack zu lassen und zu sagen, was wir denn für die Unversorgten Ende September/Anfang Oktober tun werden.

(Ralf Jäger [SPD]: Das erklären Sie mal ei- nem 18-Jährigen! - Weitere Zurufe von der SPD)

Das war immer die Linie aller, die verantwortlich gehandelt haben.

(Beifall von der CDU - Ralf Jäger [SPD]: Erst einmal nichts sagen!)

Das wissen Sie doch auch: Wenn jetzt schon bestimmte Programme darstellen, dann wird sich auf dem ersten Ausbildungsmarkt gar nichts mehr oder wenig tun, weil man auf das versprochene Geld, das man unter Umständen in diesem Bereich einsetzen will, wartet, um es mitzunehmen.

(Beifall von der CDU - Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Wissen Sie, da reicht wirklich die Bauernschläue des Münsterlandes aus,

(Allgemeine Heiterkeit)

um zu erkennen, was passieren würde, wenn wir jetzt schon in allen Bereichen das tun würden, was Sie verlangen. Das können Sie von mir nicht zu erwarten.

(Beifall von der CDU - Hannelore Kraft [SPD]: Im Ruhrgebiet redet man ehrlich!)