Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Ich greife nur einmal die Reichensteuer auf. Die nennt Herr Droste Neidsteuer. Die Bemessungsgrenzen von 250.000 € für einen Alleinverdiener und 500.000 für Ehepaare sind so etwas von lächerlich!

(Beifall von den GRÜNEN)

Man könnte zu Recht die Linie fahren, dass starke Schultern in einer Situation, in der die Haushalte in die Knie gehen, mehr tragen sollen, weil sie mehr verdienen. Das ist völlig in Ordnung. Dann fängt die Bemessungsgrenze aber nicht bei 250.000 € oder 500.000 € an.

Bei Sabine Christiansen war am Sonntag Harald Schmidt zu Recht ganz süffisant, als er sagte: Ich bin Selbstständiger, Freiberufler, ich darf gar nicht! Wir wissen ja auch, dass sich eine Reihe von Leuten gemeldet haben und bereit waren, höhere Steuern zu zahlen. Sie wären vor dem Hintergrund besser bedient, wenn man an der Stelle klar sagen würde, dass eine solche Nummer nicht sein sollte, sondern diejenigen, die stark sind, mehr tragen sollten. Herr Dr. Droste kann an der Stelle mit Begriffen wie „Neidsteuer“ und „Neidabgabe“ – das ist ja das Wahlkampfvokabular – gut operieren.

Nun gut, wir haben heute diese Diskussion. Das Abstimmungsergebnis ist damit schon klar. Sie sind im Prinzip mit dem Versuch, die CDU an der Stelle auf die Bundeslinie einzunorden, ein Stück weit gescheitert. Das können wir ganz gut aushalten.

Zu dem Antrag möchte ich allerdings noch etwas sagen. Ich meine, dass man diesen Antrag ablehnen muss, weil es einige massive Widersprüche zu dem gibt, was Sie in Berlin beschlossen haben. Ich will diese Widersprüche ganz kurz benennen:

Erstens. Ein Investitionsprogramm in Höhe von 6 Milliarden € mit der Zielsetzung ist ein vernünftiger Schritt. Wenn ich eine Mehrwertsteuererhöhung von 3 % vornehme, die Versicherungssteuer anhebe und dadurch Kaufkraft in Höhe von 20 Milliarden € abziehe und die Mehrwertsteuererhöhung nicht ausschließlich zur Senkung der

Lohnnebenkosten, sondern auch für andere Zwecke verwende, ist das aus meiner Sicht ein außerordentlich riskantes Manöver. Wir haben erhebliche Zweifel daran, ob man dem so zustimmen kann, und werden es auch nicht tun.

Zweitens. Die extrem komplizierten Regelungen zur steuerlichen Entlastung von Leuten, die Geld verdienen, für Kinderbetreuung kann ein Normalbürger nicht nachvollziehen. In Vorbereitung auf diese Sitzung habe ich mir das Plenarprotokoll des Bundestages zu diesem Thema durchgelesen. Dort wurde gesagt: Geben Sie die Sache an einen Steuerberater ab, wenn Sie sagen, dass das nicht mehr zu verstehen ist. – Darauf sollte man nicht stolz sein, sondern klare, schlichte Regelungen formulieren, die auch nicht sozial differenzieren. Denn die steuerliche Absetzbarkeit von Kindern bei Leuten, die gut verdienen, gegenüber Leuten, die wenig Geld haben, veranlasst mich zu der Frage: Was soll das? Das ist kein Kriterium, um Belastungen sozial transparenter und vernünftiger zu verteilen. Die Regelungen sind viel zu kompliziert. Man sollte sie anders gestalten.

Drittens. Sie haben eben zu Recht von einem Betrag in Höhe von 6 Milliarden € für Forschung und Entwicklung gesprochen. Man muss aber auch über die tatsächliche Realität reden: 6 Milliarden € Zielgröße – 1 % öffentliche Mittel – 2 % private Mittel! Wir haben das Thema hier schon einmal angesprochen. Ich schaue mir wichtige industrielle Bereiche an und weiß, dass der Mittelstand viel Geld für Forschung und Entwicklung in die Hand nimmt. Ich weiß aber auch, dass es ganz große Bereiche gibt, die sich im Moment mit Milliardengewinnen vor Steuern überschlagen. Das können wir jeden Tag der Zeitung entnehmen. Diese Unternehmen schwimmen im Geld und gehen europaweit auf Einkaufstour, investieren aber lediglich Portobeträge in Forschung und Entwicklung. Ich rede über die beiden großen Stromversorger RWE und Eon. Ich habe in einer Kleinen Anfrage bereits nachgefragt. Es handelt sich nicht um 2 % des Umsatzes, sondern um 0,15 % bei Eon und 0,185 % bei RWE. Und es gibt weiß Gott genug Forschungs- und Entwicklungsbedarf im Energiebereich.

Ich warte nur auf den Augenblick, zu dem das RWE sagt: Wir wollen zwar das CO2-freie Kraftwerk verwirklichen. Aber die notwendige Forschung und Entwicklung gebt uns bitte aus den klammen Kassen des Landes und des Bundes, weil wir bei unserer Erlössituation nicht in der Lage sind, das zu leisten, obwohl es längst überfällig ist und sie das hätten leisten müssen. Das ist nur ein Beispiel. Es gibt noch andere Bereiche, in de

nen Forschung und Entwicklung noch viel notwendiger wären.

Die Diskussion müsste sich eigentlich um die Frage drehen: Wie bekommen wir die Bereiche der Industrie, die sich – ich meine nicht den kleinen Betrieb, der das wirtschaftlich nicht kann – bisher permanent und trotz guter Ertragslage um diesen Teil ihrer Verantwortung drücken, die im Geld schwimmen, dazu, dass sie Mittel dafür in die Hand nehmen und einsetzen. Damit müssen wir uns befassen.

Ich komme zu meinem letzten Punkt, den ich in der ersten Runde ansprechen möchte: Im Antrag ist von 3 Milliarden € zur Förderung der Familien die Rede. Ich bin mir unsicher, ob es gut ist, wenn Sie das so positiv darstellen. Es gibt nämlich kritische Punkte, die auch in Ihrer Partei diskutiert werden: Ich kürze für Familien, die wenig Geld haben, drei Jahre Erziehungsgeld zu einem Jahr zusammen und zahle denen, die gut verdienen, deutlich mehr Geld, nämlich bis zu 1.800 €.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ist das eine sozialpolitisch sinnvolle Maßnahme? – Diese Frage ist nach meinem Kenntnisstand in Ihrer Partei sehr umstritten.

Deswegen mein Fazit insgesamt: Die Operation war spannend und ist parlamentarisch-taktisch absolut legitim. Ob es sinnvoll, das so zu machen, wenn die Antwort von Dr. Droste in der Klarheit kommt, müsste man überlegen. Wir werden dem Antrag nach der Genese im Bundestag so nicht zustimmen. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Priggen. – Jetzt hat Herr Brockes das Wort für die FDP-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie die auf der Klausurtagung der Bundesregierung in Genshagen getroffenen Beschlüsse abfeiern wollen und dabei ihren Parteifreunden in Berlin auf die Schulter klopfen, erstaunt mich nicht. Ich will nicht die Sinnhaftigkeit der einzelnen Bausteine des Wachstums- und Beschäftigungsprogramms infrage stellen. Aber hier ist schon eine gewisse Parallele zu der schuldenfinanzierten Ausgabenpolitik festzustellen, die Sie als SPD über Jahrzehnte hier im Land betrieben haben. Denn – das muss man deutlich sagen – eine seriöse Gegenfinanzierung für das insgesamt 25 Milliarden € umfassende Konjunkturprogramm gibt es nicht.

Bevor ich auf die einzelnen Elemente des Programms näher eingehe, möchte ich ein paar grundsätzliche Bemerkungen vorwegschicken:

Im Antrag der SPD heißt es, die Maßnahmen würden bereits kurzfristig wachstumsfördernd wirken, und dieser kräftige und nachhaltige Wachstumsschub würde ein ausreichend stabiles konjunkturelles Umfeld für die Haushaltskonsolidierung in 2007 schaffen.

Dahinter verbirgt sich die Illusion: Der Staat muss nur möglichst viel Geld ausgeben, und schon floriert die Wirtschaft. Das ist – mit Verlaub – Küchenökonomie der primitivsten Sorte. Der Wirkungszusammenhang, den die SPD unterstellt, ist sowohl wissenschaftlich als auch empirisch widerlegt. Eigentlich wagen nur noch einige Gewerkschaftsfunktionäre den Griff in die Mottenkiste der 60er- und 70er-Jahre. Davon abgesehen liegt der Effekt des Programms aufs Jahr bezogen rechnerisch im Promillebereich. Damit können Sie nicht einmal ein Strohfeuer entfachen, sondern bestenfalls ein paar Strohhalme abbrennen.

Noch schwerer wiegt allerdings, dass ein Mehrfaches der zusätzlich vorgesehenen Ausgaben an anderer Stelle durch Steuer- und Abgabenerhöhungen wieder eingesammelt wird. Mit diesem Prinzip „von der linken Tasche in die rechte Tasche“ ohne eine echte Nettoentlastung von Bürgern und Unternehmen dürften kaum irgendwelche Wachstumseffekte generiert werden. – So weit die Vorbemerkungen.

Ich komme zur eigentlichen Intention des Antrags der SPD. Das Land Nordrhein-Westfalen soll angemessen an den Programmen des Bundes partizipieren. Das mag zu Zeiten rot-grüner Regierungsverantwortung möglicherweise anders gewesen sein, aber für uns ist das eine Selbstverständlichkeit.

(Lachen von Svenja Schulze [SPD])

Wir werden in möglichst großem Umfang Mittel nach Nordrhein-Westfalen holen. Dazu müssen wir aber nicht durch irgendwelche Anträge von Ihnen aufgefordert werden. Deshalb möchte ich einige Punkte nennen, die wir bereits aufgegriffen haben.

Förderung von Forschung und Entwicklung:

Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz geben wir den Universitäten neue Gestaltungsspielräume.

Mit dem Zukunftspakt haben wir den Hochschulen garantiert, die Landesmittel in Höhe von 2,8 Milliarden € bis zum Ende der Legislaturperiode nicht zu kürzen.

Wir eröffnen den Hochschulen die Möglichkeit, die Qualität der Lehre zu verbessern, indem sie mit den Studienbeiträgen neue Finanzquellen erschließen können.

Zusammen mit dem Bund fördert das Land die Exzellenzinitiative und unterstützt gezielt Innovationen im Hochschulbereich.

Darüber hinaus fördern wir die Ansiedlung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Verbesserung des Transfers zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Das sind nur einige der Maßnahmen, mit denen wir Nordrhein-Westfalen zum Innovationsland Nummer eins in Deutschland machen werden. Dafür brauchen wir beim besten Willen keine Nachhilfe vonseiten der SPD.

Belebung von Mittelstand und Wirtschaft:

Die genannten steuerlichen Maßnahmen gehen zweifellos in die richtige Richtung, obwohl wir uns bei der Anhebung der Umsatzgrenzen für die IstBesteuerung einen mutigeren Schritt hätten vorstellen können.

Das im Antrag ebenfalls erwähnte CO2-Gebäudesanierungsprogramm haben wir im Plenum und im Ausschuss schon häufiger diskutiert. Für die Umsetzung des neuen KfW-Programms hat die Landesregierung die „Gemeinschaftsaktion Gebäudesanierung NRW – Mein Haus spart“ gestartet. Auch hieran sehen Sie: Wir brauchen keine Nachhilfe und keine Unterstützung Ihrerseits. Denn gerade hier ist die Wirtschaftsministerin von der ersten Minute an unterwegs gewesen, um sicherzustellen, dass Nordrhein-Westfalen einen großen Teil des Kuchens bekommen wird.

Erhöhung der Verkehrsinvestitionen: Selbstverständlich freuen wir uns als Landespolitiker darüber, dass der Bund beabsichtigt, mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur bereitzustellen. Mit den zusätzlichen 4,3 Milliarden € für vier Jahre werden jedoch lediglich frühere Kürzungen der rot-grünen Bundesregierung wieder rückgängig gemacht. Das reicht vorne und hinten nicht, um den unter Rot-Grün entstandenen Investitionsstau aufzulösen.

Förderung der Familien: Die vom Bund beabsichtigte Einführung des Elterngelds ist grundsätzlich zu begrüßen, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies nur ein Baustein für ein kinder- und familienfreundliches Land ist. Nach wie vor fehlen Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren, die dringend geschaffen werden müssen. Hier darf sich der Bund nicht aus seiner Verpflich

tung verabschieden. Denn unsere Kommunen können dies nicht alleine leisten.

(Beifall von der FDP)

Ich könnte aus anderen Bereichen noch weitere Beispiele wie etwa das Marktanreizprogramm nennen, komme aber zum Schluss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist deutlich geworden, dass der Antrag der SPDFraktion so überflüssig wie ein Kropf ist.

(Widerspruch von der SPD)

Er hat aber zumindest noch einmal bestätigt, dass die SPD in der Wirtschaftspolitik immer noch auf die untauglichen etatistischen Konzepte der Vergangenheit setzt. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brockes. – Jetzt hat für die Landesregierung die Wirtschaftsministerin, Frau Thoben, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen kommt wieder. Wir werden in diesem Jahr erstmals seit einer ganzen Reihe von Jahren praktisch zu dem Wachstum, das bundesweit erwartet wird, aufschließen.

Nordrhein-Westfalen kommt also neu in Schwung. Wir setzen dabei in der Politik nicht so sehr auf das, was die SPD immer unter Wirtschaftspolitik versteht, dass nämlich der Minister mit Bewilligungsbescheiden durchs Land reist, sondern wir glauben, dass wir Unternehmen sehr viel stärker dadurch helfen müssen, dass wir uns um vernünftige Rahmenbedingungen kümmern. Daran arbeiten wir. Erste Schritte sind im Parlament bereits verabschiedet worden.

Ich kann nur unterstreichen, was Herr Droste und Herr Brockes gesagt haben. Dass wir aufgefordert werden müssten, das Geld, das der Bund für bestimmte Zwecke zur Verfügung stellt, auch hier im Lande zu nutzen, das ist ein Witz für die lustige Ecke. Natürlich geben wir uns Mühe, von den Forschungselementen, die vorhanden sind, viel für Forschungseinrichtungen hier in NordrheinWestfalen, auch für Projekte, zu mobilisieren. Da sind wir auf einem sehr guten Weg, wie erste Entscheidungen – übrigens auch schon für Ansiedlungen – beweisen. Ich unterstreiche auch, was Herr Priggen gesagt hat, dass es uns bisher noch nicht ausreichend gelungen ist – das wollen wir

verstärken –, dass sich die Privatwirtschaft – ich unterstreiche ausdrücklich: auch die Energiewirtschaft – in stärkerem Umfang für zukunftsweisende Projekte im Land ein Stück verantwortlich fühlt. Dazu muss man uns nicht aufrufen.

Aber ich möchte einmal einen Punkt herausgreifen – Herr Eumann macht das immer mit besonders viel Verve; das ist irgendwie ein Anliegen von ihm –, nämlich die Cluster-Politik. Ich habe nichts gegen Profilierung an Stellen, an denen wir halbwegs seriös definieren können, dass eine Stärke im Lande vorhanden ist, die man ausbauen kann. Das stimmt besonders im Bereich Forschung, Innovation und Transfer. Aber bei Ihnen hört sich das immer so an, als ob Sie abschließend beschreiben wollten, welche Unternehmen denn in welchen Branchen Zukunftschancen haben.