Wie sonst ist es zu erklären, dass Herr Papke kopftuchtragende Frauen in einem Atemzug mit Zwangsverheiratungen und Ehrenmorden nennt?
Also, meine Damen und Herren: Das Grundrecht auf freie Religionsausübung wird mit schweren Menschenrechtsverletzungen in eine Reihe gestellt. Das alles – machen wir uns die Dimension noch einmal klar –, weil unter den etwa 170.000 Lehrkräften in unseren Schulen etwa zwölf bis 15 Frauen ein Kopftuch tragen.
Das sind deutsche Frauen und Beamtinnen, die seit Jahren erfolgreich in unseren Schulen arbeiten, die Vorbild sind und Brücken bauen können für junge Muslima, die in unsere Gesellschaft integriert werden können. Die Frauen haben doch hier gesessen. Das waren doch emanzipierte und keine unterdrückten Frauen. Die jungen Mädchen mit Kopftuch haben das hier auch sehr deutlich gemacht.
Das ist reine Symbolik, meine Damen und Herren, kein Fortschritt in der Sache, weil es auch heute mit dem Dienstrecht selbstverständlich schon möglich ist, aufgrund von Einzelfallprüfungen einzuschreiten, wenn sich eine Lehrkraft nicht entsprechend unserer Verfassung verhält. Eine Lehrkraft, die sich nicht entsprechend unserer Verfassung verhält – egal ob Frau oder Mann, egal ob mit Kopftuch oder ohne –, gehört nicht in unsere Schulen. Das ist doch klar. Das will ich noch einmal ausdrücklich sagen.
Aber auf die dringliche Frage, wie Sie Integration gestalten wollen, bleiben Sie jede Antwort schuldig.
Meine Damen und Herren, dies ist mehr als eine Enttäuschung. Bei einem so zentralen und für die junge Generation bedeutsamen Thema ist Gestaltungskraft gefragt – keine Symbole. Wie stellen Sie sich denn das Zusammenleben der Kulturen vor? Wie wollen Sie denn der Ausprägung von Parallelgesellschaften entgegenwirken? Die Frauen, die uns heute noch einmal den Appell zugeschickt haben, sagen: Gerade dadurch, dass Sie das tun und uns ausgrenzen, treiben Sie uns in eine Parallelgesellschaft. – Wie wollen Sie den konkreten Konflikten in den Schulen begegnen?
Wie werden Sie auf eine Gerichtsentscheidung reagieren, die Ihnen genau das ins Stammbuch schreibt, was die überwiegende Meinung der Verfassungsrechtler ist, nämlich:
Ein isoliertes Kopftuchverbot ist verfassungswidrig; alle Religionen sind gleich zu behandeln. – Das haben Herr Mahrenholz, Frau Limbach und viele andere gesagt. Dass der Experte, den Sie einladen und der Ihnen den Entwurf geschrieben hat, das sagt, was Sie hören wollen, dürfte doch wohl auf der Hand liegen, meine Damen und Herren.
Folgerichtig müssten dann auch die Kippa und die christliche Nonnentracht aus den nordrheinwestfälischen Schulen verschwinden. Das würde den Einstieg in den laizistischen Staat bedeuten, den wir ausdrücklich nicht wollen.
Nicht zuletzt deshalb haben sich die großen Kirchen in Nordrhein-Westfalen gegen ein Kopftuchverbot ausgesprochen, allen voran die katholische Kirche. Sie ignorieren dies alles. Sie betreiben Symbolpolitik mit einem Stück Stoff, in dem jeder ein anderes Symbol sieht. Auch dies ignorieren Sie.
Ich konfrontiere Sie noch einmal mit der rechtsstaatlich fundierten Position von Johannes Rau, die er als Bundespräsident formuliert hat: „Der mögliche Missbrauch einer Sache darf ihren Gebrauch nicht hindern.“ Ich würde Ihnen am liebsten die Ringparabel aus Lessings „Nathan der Weise“ vorlesen.
Ich begnüge mich aber mit einem Verweis auf Goethe: Wir brauchen eine Kultur der Anerkennung, „Dulden heißt Beleidigen“. Ja, ich weiß, und die Reaktionen zeigen das, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Sie wollen das nicht hören. Sie wollen das durchziehen. Sie bleiben beratungsresistent.
In diesem Fall wiegt das schwer und ist nur schwer rückholbar. Sie vertun die Chance, sich mit aktiver Integrationspolitik als handlungsfähig zu erweisen. Kommt es zu einer gerichtlichen Überprüfung, werden Sie scheitern.
Entscheidender aber ist, dass Sie nicht dort hinsehen, wo Handlungsbedarf besteht. Wir können uns keine von der Mitte der Gesellschaft isolierten Mitbürgerinnen und Mitbürger leisten – egal, aus welchem Land sie stammen. Wir können uns keine Schulversager und nicht integrierten Jugendlichen leisten – weder menschlich, noch wirtschaftlich.
Die Folgen haben unsere Kinder zu tragen. Das ist nicht zu verantworten. Sie aber sehen da nicht hin und machen es sich mit dieser Ersatzhandlung des Kopftuchverbots leicht. Sie wollen den Menschen weismachen: Wir tun etwas. – Das stimmt aber nicht. Die Menschen merken sehr genau, dass die Probleme eines Einwanderungslandes damit nicht zu lösen sind.
Ich rede nicht von friedlichen Träumen einer Multikulti-Gesellschaft. Ein solcher Traum setzt voraus, dass wir vor dem Fremden keine Angst mehr haben und wir schon eine Kultur der Anerkennung leben und pflegen. Dahin ist wohl noch ein weiter Weg. Wir sind aber in der Pflicht, und dies vor allem in dieser so klein gewordenen Welt, eine Vorstellung eines friedlichen Miteinanders zu entwickeln und zu gestalten. Dafür sind auch Sie gewählt. Was tun Sie jedoch? – Sie sprechen ein
Kopftuchverbot aus, auch übrigens entgegen der Ausführungen des Vorzeigeintegrationsministers. Er weiß es, aber er darf es nicht mehr sagen. Ich kann nur hoffen, dass damit keine tieferen Gräben gerissen und dass Sie die mit allen vier Fraktionen vereinbarte Integrationsoffensive dennoch weiter betreiben werden. Genau hier liegen die Ansätze für ein mögliches Gelingen.
Meine Damen und Herren, ich kann heute nur den Kopf schütteln über so viel Ignoranz gegenüber verfassungsrechtlichem Sachverstand und über so wenig Gespür und Verantwortung für ein Problem, das schwerer wiegt als ein Stück Stoff, dessen Bedeutung nicht objektivierbar ist. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Argumente zum gesetzlichen Kopftuchverbot für Lehrerinnen im öffentlichen Schuldienst sind ausgetauscht. Die Anhörung am 9. März hat gegenüber der in der vorherigen Legislaturperiode durchgeführten Anhörung kaum neue Erkenntnisse gebracht.
Der von den Fraktionen von CDU und FDP eingebrachte Gesetzentwurf orientiert sich an einer baden-württembergischen Regelung, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24. Juni 2004 als mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz, für vereinbar gehalten hat. Die Gefahr, dass die baden-württembergische Regelung auf eine mittelbare Diskriminierung im Sinne der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie hinauslaufen könnte, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht gesehen. Hinweise darauf, dass der vorliegende Gesetzentwurf Änderungen gegenüber der baden-württembergischen Regelung enthält, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen, sind von den Sachverständigen bei der Anhörung nicht gesehen worden.
Es ist vielmehr Folgendes deutlich geworden: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 und der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann über das Kopftuchverbot nicht mehr im luftleeren Raum diskutiert werden. Es ist als geklärt anzusehen, dass per Gesetz eine Dienstpflicht von Lehrerinnen und Lehrern begründet werden kann, durch ihr äußeres Erscheinungsbild vermittelte religiöse Bezüge von den Schulen
grundsätzlich fernzuhalten, und dass der Gesetzgeber ein derartiges Verhalten im Interesse des Schulfriedens verbieten darf.
das Gesetz privilegiere christliche und abendländische Erscheinungsformen in den öffentlichen Schulen, zum Beispiel die Nonnentracht. Dies ändert an meiner Bewertung aber nichts. Unser Land ist schließlich von christlichen und abendländischen Kultur- und Bildungstraditionen geprägt, und dies wollen wir nicht ignorieren.
Wie bereits gesagt, kann sich laut Bundesverfassungsgericht der Landtag für oder gegen ein Verbot des muslimischen Kopftuches für Lehrerinnen in Schule und Unterricht entscheiden. Eines sollte er aber nicht: keine Entscheidung treffen und die Schulen mit der Lösung ihrer Probleme allein lassen.
Bei einer Güterabwägung zwischen der individuellen Religionsfreiheit, der religiösen Neutralität der Schule und der besonderen Verpflichtung von Beamten gegenüber dem Grundgesetz und der Landesverfassung bin ich dafür, muslimischen Lehrerinnen an öffentlichen Schulen in NordrheinWestfalen zu untersagen, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Wir wissen, dass das Kopftuch nicht nur ein religiöses Zeichen ist. Es ist vielmehr auch eine politische Aussage. Es wird nicht selten als deutliches Zeichen der Abgrenzung eingesetzt. Das Kopftuch als politisches Symbol steht für Geschlechtertrennung, Ungleichbehandlung von Mann und Frau und ihre Unterdrückung.
Wir können und werden nicht zulassen, dass in unseren Schulen politische Bekundungen möglich sind, die eine Interpretation nahe legen, die neben den Werten unserer Verfassung liegt.
Meine Damen und Herren, auch Schleswig Holstein scheint sich nun dieser Auffassung anzuschließen. In dem dort vor Kurzem von meiner SPD-Kollegin, Bildungsministerin Frau ErdsiekRave, vorgelegten Entwurf für ein neues Schulge
Selbstverständlich bedeutet das Verbot des muslimischen Kopftuchs für Lehrerinnen im Schuldienst kein Ende der kulturpolitischen Debatte, die wir führen müssen. Die Frage, wie wir integrationspolitische Impulse in eine Gesellschaft geben, in der Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen leben, muss weitergehen. Mit dem neuen Schulgesetz werden wir beispielsweise neue Impulse für mehr schulische Integration geben. Darüber hinaus werden wir durch eine vorschulische Sprachförderung ab dem vierten Lebensjahr dafür sorgen, dass jedes Kind dem Unterricht vom ersten Schultag an folgen kann. Wir stärken die individuelle Förderung in der Schule und erhöhen die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen. Dies sind Voraussetzungen dafür, dass auch Kinder mit Zuwanderergeschichte möglichst gleiche und optimale Bildungschancen genießen können.
Frau Löhrmann, Sie haben gesagt, wir brauchten eine Kultur der Anerkennung. Das sehe ich so wie Sie. Aber das sind Maßnahmen, die wir hier betreiben. Ich glaube, dass sich das nicht auf ein Stück Stoff reduzieren darf. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass die Bürgerinnen und Bürger – die Öffentlichkeit – einen Anspruch darauf haben, zu wissen, welche Dimension ein Thema hat, mit dem sich dieses Hohe Haus beschäftigt. Frau Ministerin Sommer, ich habe eigentlich erwartet, dass Sie minutenlang darstellen würden, wie viele Hunderte von Fällen es in den vergangenen Wochen und Monaten gegeben hat, die es notwendig machen, dass eine solche gesetzliche Änderung auf den Weg gebracht wird. Dazu haben Sie kein einziges Wort gesagt.