Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/1987 an den Innenausschuss – federführend – und an den Ausschuss für Frauenpolitik sowie an den Rechtsausschuss – mitberatend. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

5 Gesetz zur Änderung des Landesstraßenausbaugesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/1998

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und gebe Herrn Minister Wittke das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mit der Vorlage des Entwurfs zur Änderung des Landesstraßenausbaugesetzes folgt die Landesregierung einem gesetzlichen Auftrag. Nach § 1 Absatz 4 des Landesstraßenausbaugesetzes ist der Landesstraßenbedarfsplan jeweils nach fünf Jahren durch Gesetz fortzuschreiben.

Dieser Pflicht hat sich die Vorgängerregierung zweimal entzogen. Der derzeit noch geltende Landesstraßenbedarfsplan stammt aus dem Jahre 1993. Er wäre turnusgemäß 1998 und 2003 fortzuschreiben gewesen. Es ist kein Geheimnis: Den damaligen Regierungen und mehr noch den sie tragenden Regierungsparteien mangelte es an Kraft und Konsensfähigkeit für gemeinsame Infrastrukturentscheidungen, insbesondere für den Straßenverkehr. Das war nicht gut für die Verkehrspolitik, und es war auch nicht gut für unser Land. Durch Stillstand kann man Zukunft nicht gestalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir freuen uns nun, dass die Fortschreibung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Regierungswechsel auf den Weg gebracht werden kann. Das ist ein Signal für den notwendigen Aufbruch, für Verlässlichkeit und Planungssicherheit in der für Wirtschaft und Arbeitsplätze so wichtigen Verkehrs- und Infrastrukturpolitik.

Mit Verabschiedung des vorgeschlagenen Änderungsgesetzes tritt der neue Bedarfsplan, der dem Gesetzentwurf als Karte beigefügt ist, an die Stelle des bisherigen Bedarfsplanes von 1993. Die Feststellung des Bedarfs für die Landesstraßen erfolgt analog zur Feststellung des Bedarfs bei den Bundesfernstraßen ausdrücklich durch Gesetz. Das Land regelt damit für die Straßen in seiner Baulast, dass die Festlegung des Bedarfs im Interesse der Planungssicherheit und Planungsbeschleunigung für die Linienbestimmung nach § 37 und die Planfeststellung nach § 38 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes NordrheinWestfalen verbindlich ist. Verwaltungen und Gerichte sind an diese Bedarfsfestlegung gebunden.

Die schematisierte Form der Darstellung in der Bedarfskarte bedeutet keine Vorentscheidung über den Trassenverlauf. Über die Realisierbarkeit und Gestaltung des jeweiligen Vorhabens wird nach sorgfältiger Abwägung im Planfeststellungsverfahren entschieden. Grundlage für die Überprüfung und Fortschreibung des Bedarfs für die Landesstraßen ist die Integrierte Gesamtverkehrsplanung des Landes. Dieses Planungsinstrument mit systematischer Einbeziehung aller berührten Belange und frühzeitigen Beteiligungsmöglichkeiten ist im Vorfeld der Herstellung des Einvernehmens durch den Verkehrsausschuss am 11. Mai 2006 ausführlich und umfassend diskutiert und beraten worden. Auf Wiederholungen möchte ich deshalb verzichten.

Hervorheben möchte ich aber die Mitwirkung der Regionalräte. Diese waren von Anfang an in das Verfahren eingebunden und haben insbesondere die Erstellung der Maßnahmenlisten durch ihre Vorschläge aktiv begleitet. Anders als in der Vergangenheit hat diese Landesregierung auch auf die Regionalräte gehört, hat die Anregungen und Änderungswünsche aufgenommen und hat nicht nur eine Pro-forma-Beteiligung durchgeführt.

Ich bin den Regionalräten überaus dankbar dafür, dass sie sehr schnell zu überzeugenden praktischen Vorschlägen gekommen sind, die auch die kommunalen Belange einbeziehen. Diese Vorschläge waren auf die zügige Aufstellung des Bedarfsplanentwurfs ausgerichtet. Soweit in wenigen Fällen den Vorschlägen nicht oder nur teilweise gefolgt werden konnte, hat die Landesregierung hierzu dem Regionalrat und dem Verkehrsausschuss bereits ausführlich berichtet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der heute vorliegende Bedarfsplanentwurf ist identisch mit dem als Bestandteil der IGVP am 11. Mai 2006 im Ausschuss für Bauen und Verkehr verabschiedeten Maßnahmenkatalog des Landes zu den Landesstraßen. Dieses Verfahren entspricht der Systematik integrierter Verkehrsplanung und vereinfacht die Beratungen. Das Parlament ist in seinen Beratungen selbstverständlich nicht an die Gesetzesvorlage gebunden. Da die Vorlage aber exakt der IGVP entspricht, würden Abweichungen allerdings auch Abweichungen von den IGVP-Ergebnissen bedeuten.

Der Bedarfsplanentwurf enthält die Dringlichkeitsstufen 1 und 2.

Stufe 1 bedeutet vordringlicher Bedarf. Diese Stufe enthält alle Maßnahmen, deren Realisierung bis zum Jahre 2015 abgeschlossen sein soll beziehungsweise eingeleitet werden kann. Einge

schlossen ist eine Planungsreserve von einem Drittel des Volumens zur Sicherstellung der Programmkontinuität, weil eben nicht an jeder Stelle sichergestellt sein kann, dass auch tatsächlich Planungs- und damit Baurecht geschaffen werden kann und damit bis 2015 wirklich jede dieser Maßnahmen realisiert werden kann.

Stufe 2 bedeutet weiterer Bedarf. Für die Maßnahmen dieser Planungskategorie, die bis zur Linienbestimmung konkretisiert werden können, sind bis 2015 keine Finanzmittel eingeplant.

Analog zum Bundesfernstraßenbedarfsplan wurde zur Flexibilisierung des Planungssystems für zehn besonders dringliche Vorhaben der Stufe 2 ein uneingeschränktes Planungsrecht vorgesehen. Dieses ermöglicht die Herstellung der Baureife, das heißt, die Planung bis einschließlich Durchführung des Planfeststellungsverfahrens.

Daneben ist in § 5 des Landesstraßenausbaugesetzes eine Ausnahmeregelung für den Fall des unvorhergesehenen Bedarfs enthalten. Ausnahmeentscheidungen erfolgen natürlich nur im Benehmen mit dem Verkehrsausschuss des Landtages.

Der Einplanungsrahmen für die Stufe 1 einschließlich Planungsreserve wurde auf 1,045 Milliarden € und für die Stufe 2 auf 0,555 Milliarden € begrenzt. Der Gesamteinplanungsrahmen von 1,6 Milliarden € bleibt damit überschaubar und entspricht der derzeitigen Finanzierungslinie für den Landesstraßenbau. Gegenüber dem Bedarfsplan 1993 liegt das Einplanungsvolumen in der Stufe 1 rund 30 % niedriger. Der Programmrahmen schafft Planungssicherheit und eine langfristige Perspektive, die, wie im Bereich der programmatischen Planung üblich, auf 15 bis 20 Jahre fixiert werden kann.

Der Bedarfsplanentwurf enthält 335 Vorhaben, davon 263 in Stufe 1 und 72 Vorhaben in Stufe 2. Insgesamt wurden über 600 Vorhaben mit einem Kostenvolumen von rund 3,2 Milliarden € für die Bedarfsplanfortschreibung und Bewertung im Rahmen der IGVP angemeldet. Bei der Auswahl der Projekte mussten deshalb strenge Maßstäbe angelegt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Voten der Regionalräte und die Resonanz im Lande zur Vorabstimmung im Rahmen der IGVP bestätigen: Dieser Programmentwurf kann sich sehen lassen, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt wurden.

Ich begrüße es, dass die IGVP-Bewertungen und -Einplanungskriterien von Betroffenen kritisch

hinterfragt worden sind. Auch nach kritischer Überprüfung bleibt aber der Nutzen-KostenQuotient unverzichtbare zentrale Entscheidungshilfe, die die Wirkung von Maßnahmen transparent und auch vergleichbar macht.

Mit Blick auf die verfügbaren Mittel musste der Richtwert für die Stufe 1 mit 2,2 und für die Stufe 2 mit 1,0 festgelegt werden. Natürlich wurden unter anderem auch Kriterien der Ökologie, des Städtebaus, der Raumordnung und der Netzfunktion in die Gesamtbeurteilung einbezogen. So konnten auch Projekte mit niedrigen NutzenKosten-Quotienten realisiert werden, wenn die anderen Belange entsprechend hoch zu gewichten waren.

Nicht eingeplant werden konnten Projekte, deren Nutzen nicht dem Baulastträger Land, sondern insbesondere anderen Baulastträgern dienen sollte. Ebenso musste die Aufnahme substanzerhaltender Vorhaben und punktueller Verkehrssicherungsmaßnahmen aus grundsätzlichen Erwägungen unterbleiben. Letztere sind auch ohne IGVPEinschätzung aus wirtschaftlichen und rechtlichen Erfordernissen geboten. Eine Bedarfsplanrelevanz wie bei kapazitätserweiternden Vorhaben besteht dabei im Übrigen nicht.

Ich verkenne nicht: Der seit Jahren aufgelaufene Erhaltungsstau ist in der Tat ein gravierendes Problem. Die Anmeldungen mit einem Kostenvolumen von über 500 Millionen €, die mit der IGVPSystematik nicht priorisierbar waren, bestätigen diesen Trend. Im Kern geht es um einen Sanierungsfall, der entstanden ist, weil die früher verfügbaren Mittel des Landesstraßenbaus für andere politische Prioritäten veranschlagt wurden. Man könnte auch sagen: Die Mittel für die Straßenlöcher versickerten in Lieblingsprojekten der Vorgängerregierung.

Da es nicht um ein Bedarfsplanthema geht, wären Vorschläge zu einem Programmhopping oder zur Verfälschung des Ausbaubedarfs ein falscher Weg. Ein solcher Weg würde nicht nur den Prinzipien der Ehrlichkeit und Transparenz widersprechen, sondern auch noch die Ergebnisse der integrierten Verkehrsplanung im Hinblick auf die Anforderungen an die Ausgestaltung des Bedarfs der Verkehrsträger auf den Kopf stellen. Dies können wir nicht zulassen, weil die Probleme damit nur verschoben würden.

Im Zusammenhang mit der Beratung des Haushaltsplans 2007 werden wir mit der gleichen Dynamik, mit der wir IGVP und Bedarfsplanung vorangebracht haben, das Thema der Straßenerhaltung anpacken. Schon im Jahr 2006 haben wir mit

dem 10-Millionen-€-Sofortprogramm zur Beseitigung gravierender Deckenschäden die neue Gewichtung der Straßenerhaltung verdeutlicht. Vor Abschluss der Bestandsaufnahme und Bewertung lassen wir uns von den Problemverursachern, die jahrelang nichts getan haben, allerdings nicht grobe Schnellschüsse aufdrängen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach Verabschiedung des Bedarfsplans gehen wir noch im laufenden Jahr an die Erarbeitung des Landesstraßenausbauplans. Wir werden das zügiger tun als der Bund, der zwei Jahre nach Verabschiedung des Bundesfernstraßenbedarfsplans noch immer keinen Ausbauplan vorgelegt hat. Dieser Plan, auch Fünf-Jahres-Plan genannt, wird die mittelfristig anzugehenden Projekte und ihre Finanzierung konkret darstellen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die vorgeschlagene Änderung des Landesstraßenausbaugesetzes, für die wir um Zustimmung bitten, ist zukunftsfähig und belastbar. Sie schafft die Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Gestaltung des Landesstraßennetzes. Dabei wurden die Herausforderungen für eine moderne Mobilität aufgegriffen.

Unsere Vorbereitung war transparent und offen. Sämtliche Maßnahmen wurden praxisnah, verkehrsträgerübergreifend konzipiert und in ihrer Notwendigkeit und Dringlichkeit unter wissenschaftlicher Begleitung und in enger Tuchfühlung mit den Regionalräten begründet. Das Verfahren hierzu wurde noch von der Vorgängerregierung festgelegt und auf den Weg gebracht. Ich verhehle nicht: Wir selbst hätten einiges gerne anders gemacht.

Eine wichtige Erfahrung aus der Vorbereitungsphase ist, dass auch moderne Planungsprozesse nicht ohne Bereitschaft zur Übernahme politischer Verantwortung für Prioritätensetzungen und Infrastrukturentscheidungen funktionieren. Diese Bereitschaft hat die jetzige Landesregierung gezeigt. Als programmatischer Rahmenplan für die Infrastrukturentwicklung hat der Bedarfsplan keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Für die Realisierung der baureifen Projekte sind die Festlegungen der jeweiligen Jahreshaushalte verbindlich.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, für derzeit unerfüllbare Wünsche zum Bedarfsplan habe ich einen ganz kleinen Trost parat: Der vorliegende Plan ist nach fünf Jahren fortschreibungsfähig und überprüfungsbedürftig. Diese Regierung will und wird sich dann dieser Aufgabe gerne in der Konti

nuität des bisherigen Verfahrens stellen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Wittke. – Für die SPD spricht nun der Kollege Haseloh.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nachdem mit der Integrierten Gesamtverkehrsplanung in Nordrhein-Westfalen der grundsätzliche Bedarf von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen im Bereich Schiene und Straße festgelegt wurde, wird dieser Bedarf im Landesstraßenausbaugesetz gesetzlich verankert. Mit dem Landesstraßenausbaugesetz wird seit 1980 versucht, die Landesstraßenplanung langfristig und bedarfsgerecht durchzuführen und nach Dringlichkeit zu ordnen.

Die nunmehr von der Landesregierung vorgelegte Fortschreibung des Landesstraßenausbaugesetzes umfasst, wie Herr Minister Wittke eben schon sagte, für 263 Maßnahmen ein Finanzvolumen von über 1 Milliarde € für den Zeitraum bis 2015. Dabei ist die neu geschaffene Kategorie der erhaltungs- beziehungsweise bestandsorientierten Ausbaumaßnahmen sowie der sogenannten Punktmaßnahmen im Landesstraßenbedarfsplan nicht ausgewiesen.

Diese neue Kategorie beinhaltet 109 erhaltungsorientierte Ausbauvorhaben mit einem Gesamtvolumen von noch einmal über 558 Millionen €. Die Finanzierung soll künftig nur aus Erhaltungsmitteln erfolgen. Interessant ist dabei, dass diese Kategorie 28 Maßnahmen beinhaltet, die bisher im Landesstraßenbedarfsplan ausgewiesen waren; 19 von ihnen sogar in der Bedarfsplanstufe 1 – also mit hoher Priorität.

Nun wollen wir einmal nur das Volumen des Bedarfsplans von über 1 Milliarde € auf zehn Jahre rein finanztechnisch betrachten. Das bedeutet, das eine notwendige jährliche Investitionsquote von über 104 Millionen € erforderlich ist. Hinzu kommt der Finanzbedarf für erhaltungsorientierte Ausbaumaßnahmen von über 558 Millionen € für fünf Jahre. Das bedeutet nochmals über 111 Millionen € Finanzbedarf per anno. In den fünf Jahren wollen Sie ja die Erhaltung und den Bestand sichern. Deshalb kann man da keine Zehnjahresplanung machen, sondern das sind dringende Maßnahmen, die zur Erhaltung des Bestandes notwendig sind. Ich gehe davon aus, dass das innerhalb von fünf, sechs Jahren ange

gangen werden muss, wenn man nicht will, dass die Straßen „abgängig“ werden.

(Christof Rasche [FDP]: Warum sind die Straßen denn nicht schon alle fertig?)

Ja, wir haben den Leuten gesagt, was wir leisten können.

(Christof Rasche [FDP]: Die sind doch nicht von einem auf den anderen Tag kaputtge- gangen!)

Die sind nicht alle einer nach dem anderen kaputt gegangen, sie sind nachgearbeitet worden. So weit zu den Planungen der Landesregierung unter dem finanzpolitischen Aspekt.

(Zuruf von der SPD)

Nun zu dem, was die Landesregierung hier an Straßenbauinvestitionen vorlegt, also zu dem, was wünschenswert ist: Dabei werden zur konsequenten Abarbeitung dieser Liste, wie eben dargestellt, im Jahr über 215 Millionen € für die gesamten Neubau- und Erhaltungsmaßnahmen im Straßenbau benötigt. Von den laufenden Erhaltungsmaßnahmen, zum Beispiel Straßenschäden aufgrund des vergangenen, harten Winters, ist hier noch gar nicht die Rede.

(Zuruf von der SPD)