Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

(Zuruf von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun haben uns die regierungstragenden Parteien im vergangenen Wahlkampf gerade hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur das Blaue vom Himmel versprochen.

(Beifall von der SPD)

Das hat heute noch seinen Niederschlag. Das Blaue am Himmel ist immer weniger geworden, wir hatten einen harten Winter und schlechtes Wetter noch dazu. Ich will Sie jetzt nicht dafür verantwortlich machen, aber: So ist das, wenn man das Blaue vom Himmel verspricht.

(Heiterkeit von der SPD)

Die CDU kündigt in ihrem Wahlprogramm ein sogenanntes Sonderprogramm Verkehrsinfrastruktur 2010 an, und die FDP hat für die Jahre 2004 und 2005 noch Mittelerhöhungen für den Landesstraßenbau, Herr Rasche, von über 167 Millionen € pro Jahr beantragt.

(Bodo Wißen [SPD]: Das ist ja unglaublich!)

Dabei wurden die Vertreter der beiden Regierungsparteien damals nicht müde, sich zur Verbildlichung ihrer Versprechen an ausgesuchten

Schlaglöchern in Nordrhein-Westfalen presseöffentlich mit Blumenkübeln usw. zu positionieren.

(Beifall von Bodo Wißen [SPD])

Sie sollten sich alle einen solchen Filmbeitrag einmal anschauen, zum Beispiel den über den Kollegen Rasche in der Sendung Westpol von vor einem Jahr. Da kann man sehen, wie damit im Grunde genommen umgegangen wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im völligen Gegensatz zu den Wahlversprechen und den damaligen Ankündigungen hier im Landtag weist der Landeshaushalt 2006 Straßenbaumittel jedoch nur in Höhe von 67 Millionen € und Erhaltungsmittel in Höhe von 53 Millionen € aus. Mit diesen 120 Millionen € sollen also die Neubau- und die Erhaltungsmaßnahmen bei einem Bedarf von 215 Millionen € gedeckt werden. Faktisch haben wir bereits im Jahr nach der Wahl eine Unterdeckung von 95 Millionen €.

(Beifall von der SPD)

Dabei ist von der dringend notwendigen laufenden Instandsetzung des Straßennetzes noch gar nicht gesprochen worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Tatsachen führen zum Beispiel auch dazu, dass die regierungstragenden Fraktionen mittlerweile nicht mehr bereit sind, den ADAC-Straßenzustandsbericht für NRW entgegenzunehmen. Sie wollen an ihre alten Versprechungen nicht mehr erinnert werden.

Die damalige Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben den Landesstraßenausbauplan seit 1993 grundsätzlich nicht mehr fortgeschrieben, sondern nur noch einzelne Maßnahmen im Wege der Ausnahmeregelung aufgenommen.

(Christof Rasche [FDP]: 53!)

Dem lag zugrunde, dass die notwendigen Mittel für Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen nicht zur Verfügung standen und wir die Menschen in unserem Lande wahrheitsgemäß darüber unterrichtet haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir haben es also anders gemacht als Sie noch vor einem Jahr.

Was Sie jetzt machen, ist, Wunschlisten aufstellen, die bereits Makulatur sind.

(Beifall von der SPD)

Sie streuen den Menschen in unserem Lande Sand in die Augen, indem Sie Maßnahmen in die

Bedarfsplanung aufnehmen, deren Finanzierung Sie nie sicherstellen werden.

(Zustimmung von der SPD)

Ihre großspurigen Ankündigungen wurden mit dem Haushaltsplan völlig entzaubert. Das FDPLogo „NRW macht Tempo“ wurde unmittelbar nach der Wahl aufgelöst.

(Beifall von Bodo Wißen [SPD])

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Schemmer?

Ich komme jetzt zum Ende meiner Rede. Wir werden die Diskussion ja noch im Fachausschuss führen.

Ich meine, das sind alles falsche Versprechungen,

(Beifall von Bodo Wißen [SPD])

die im vorliegenden Gesetzentwurf festgeschrieben sind. Gehen Sie auch noch hin und schwächen den öffentlichen Personennahverkehr, wird der Verkehrsträger Straße in Nordrhein-Westfalen zusätzlich belastet, ohne den entsprechenden Investitionsbedarf zu erhöhen.

(Beifall von Bodo Wißen [SPD])

Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfs in den Fachausschuss natürlich zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Haseloh. – Für die CDU spricht nun Herr Schulte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu diesem Gesetzentwurf der Landesregierung vier Feststellungen treffen.

Feststellung Nr. 1: Die Fortschreibung des Landesstraßenbedarfsplans schafft ein Ende des bisherigen verkehrspolitischen Stillstandes. Was zuvor in acht Jahren verzögert wurde, hat die neue Landesregierung in nicht einmal einem Jahr umgesetzt. Nach dem Landesstraßenausbaugesetz soll der Bedarfsplan nach Ablauf von fünf Jahren fortgeschrieben werden. Der letzte Bedarfs- und Ausbauplan stammt aus 1993. Fünf Jahre später, also 1998, hätte er fortgeschrieben werden müssen. Das ist nicht erfolgt und wurde mit der Erarbeitung der Integrierten Gesamtverkehrsplanung begründet. Mit dem Gesetz zur IGVP im Mai 2000

wurde zwischenzeitlich der erneute Auftrag zur Durchführung gegeben. Auch diese Frist ist verstrichen, sodass die neue Landesregierung einen bedarfs- und ausbauplanlosen Zustand vorfand, der jetzt aufgehoben wird.

Feststellung Nr. 2: Die Fortschreibung des Landesstraßenbedarfsplans schafft ein Ende der bisherigen verkehrspolitischen Willkür.

(Widerspruch von der SPD)

Gemäß dem geltenden Landesstraßenausbaugesetz ist dem Ministerium bei einem sogenannten unvorhersehbaren Bedarf und im Benehmen mit dem Verkehrsausschuss das Recht zugestanden, über Ausnahmen vom Bedarfsplan zu entscheiden.

Dazu die Zahlen: Seit 1993 wurden 60 Landesstraßenneubauvorhaben durch Ausnahmen oder Anpassungen in den Landesstraßenbedarfsplan neu aufgenommen. Ich frage Sie: Nach welchen Kriterien ist das erfolgt? Das ist wahrscheinlich nach den damaligen jeweiligen Wahlkreisabgeordneten oder nach sonstigen Gesichtspunkten erfolgt.

(Christof Rasche [FDP]: Reine Verschleie- rung! – Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Durch die Kategorie 2* wird der Willkür ein Ende gesetzt. Maßnahmen in dieser Kategorie erhalten eine zusätzliche Priorität bei einem möglichen Nachrücken in die Kategorie 1.

(Bodo Wißen [SPD]: Wo nichts hintersteckt!)

Dadurch, dass Vorhaben in die Kategorie 2* bis zur Baureife geführt werden können, ist eine zügige Realisierung der Maßnahmen gewährleistet, wenn sie in die Stufe 1 nachrücken. Grundsätzlich wäre eine Höherstufung der Maßnahmen 2* in Stufe 1 auch ohne Benehmen des Verkehrsausschusses denkbar, da über diese insgesamt zehn Vorhaben bereits im Rahmen der Integrierten Gesamtverkehrsplanung Einvernehmen hergestellt wurde.

Feststellung Nr. 3: Die frühzeitige Einbringung des Landesstraßenausbaugesetzes vermeidet mehrfache Umweltprüfungen. Durch die rechtzeitige Einbringung des Gesetzentwurfes kann die Pflicht zur Strategischen Umweltprüfung, SUP, vermieden werden. Dieser Weg ist in der Anhörung von Rechtsexperten sehr eindeutig aufgezeigt worden. Die Vorhaben des Landesstraßenbedarfsplans unterstehen in den meisten Fällen ohnehin der Pflicht einer Projektumweltverträglichkeitsprüfung. Durch Vermeidung der SUP können doppelte Umweltprüfungen ausgeschlossen werden. Diese

doppelten Umweltprüfungen würden die Realisierung von Vorhaben zusätzlich verzögern und auch verteuern.

Feststellung Nr. 4: Wir werden für den Landesstraßenbau einen verlässlichen und stetigen Finanzrahmen fassen. Rot-Grün hatte 1995 für den Landesstraßenneubau einen Kostenrahmen von 150 Millionen DM vorgesehen. Dieser Ansatz wurde nie erreicht. Wir werden den Mittelansatz von 67 Millionen € in den nächsten Jahren verstetigen. Bis 2015 sind das dann 670 Millionen €. Darauf wird eine Planungsreserve von 300 Millionen € gesetzt. Wer das kritisiert, muss sich vor Augen halten, dass das ein Verfahren ist, das analog nach dem Bundesfernstraßenbedarfsplan erfolgt. Da ist in der gleichen Weise vorgegangen worden. Wir haben die Möglichkeit, mit 1 Milliarde € über den Zeitraum bis 2015 eine Gegenfinanzierung auf solider Grundlage betreiben zu können.

Aber – jetzt muss ich wiederum einen Tropfen Wasser in den Wein schütten – dieser Betrag wird durch die Rückzahlungen von sogenannten privaten Vorfinanzierungen von Tunnelmaßnahmen in Wuppertal und Plettenberg belastet. Ich tue mich schwer mit dem Begriff „private Vorfinanzierungen“; denn das ist ein Etikettenschwindel einer großen Kategorie: Bis 2022 werden in der Spitze bis zu 16 Millionen € pro Jahr aufgebracht werden müssen, um die Kosten dieser sogenannten privaten Vorfinanzierungen abzudecken. Das schmälert natürlich über einen sehr langen Zeitraum, der über die Geltung des Bedarfsplans hinausgeht, das Investitionsvolumen.