Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

Aber natürlich kommt es auch auf die Nachbereitung an; sie ist ebenso wichtig wie die Betreuung während der Einsätze. Dazu sind auch schon viele richtige Anmerkungen gemacht worden. Was von dem einen oder anderen Redner kritisch angesprochen worden ist, will ich nicht verschweigen: Das ist das Thema der Wiedereingliederung. Das sie in Einzelfällen nicht immer konfliktfrei läuft, ist sicherlich nicht zu leugnen.

Das muss man aber in Relation zu anderen Tatbeständen setzen: Es ist nicht selten auch bei Abordnungen oder anderen Einsätzen so, dass derjenige, der nach kürzerer oder längerer Zeit wieder in die Behörde kommt, natürlich durchaus schon einmal das eine oder andere Problem hat.

Ich glaube, Herr Kollege Engel, dass wir dem in der Tat individuell nachgehen müssen.

Dabei müssen wir natürlich darauf achten, dass wir keine neuen Bürokratien aufbauen. Wir müssen dafür sorgen, dass das Verständnis für diese besondere Belastung wächst. Ich glaube aber, dass das bei uns in guten Händen ist. Ich weiß, dass auch meine Führungskräfte daran arbeiten, diese Überzeugungsarbeit mit der nötigen Intention zu betreiben.

Selbstverständlich muss sich die Betreuung auch auf die Angehörigen erstrecken. Bei meinem Besuch ist mir klar geworden, dass diese Belastungen nicht nur auf den Betroffenen liegen, die teilweise mit ständigen Diensten unter einem unglaublichen Druck stehen und vielleicht nicht so sehr zum Nachdenken kommen, sondern dass vieles auch auf den Familien lastet, die über viele Monate ohne das Familienmitglied auskommen müssen. Deswegen gibt es ein interessantes Betreuungssystem, das über die Heimatdienststellen läuft und aus meiner Sicht psychologisch äußerst wertvoll ist.

Der eine oder andere hat den Standort Bonn als möglichen Standort für den Aufbau einer sogenannten UN Organisation Standing Police Capacitiy angesprochen. Ich würde mich sehr freuen, wenn das klappt. Die günstige Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen ist gegeben. Die vorhandene Qualifikation ist unbestritten. Wenn wir das gemeinsam auf den Weg bringen könnten, dann wäre das sicherlich eine gute Sache. Hierfür werden wir sehr viel Unterstützung brauchen, nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen. Ich weiß aber, dass hier unsere Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen politischen Funktionen durchaus aktiv sind.

Lassen Sie mich zum Abschluss meinen Polizistinnen und Polizisten, die sich für diese Friedenseinsätze zur Verfügung stellen, ganz herzlich Dank sagen. Das ist ein Beispiel für Engagement und Bereitschaft, über das Normalmaß und über einen obligationsmäßigen Einsatz hinaus etwas zu geben. Das verdient allen Respekt und alle Anerkennung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich begrüße das sehr, denn dadurch sind wir wieder einigermaßen im Zeitplan.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/1876 einschließlich des Entschließungsantrages Drucksache 14/2036 an den Innenausschuss. Dort wird abschließend beraten und in öffentlicher Sitzung entschieden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum Tagesordnungspunkt

8 Keine Kooperation mit Schleusern – Rechtsstaatliche Verfahren bei Sammelanhörungen von Flüchtlingen sicherstellen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/1986

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Düker das Wort. Bitte schön, Frau Düker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zentrale Ausländerbehörde Dortmund hat im März dieses Jahres eine guineische Delegation eingeladen, um in Form einer sogenannten Sammelanhörung Identitäten von über 300 Personen ohne Papiere festzustellen. Dieses Verfahren ist im Ausländerrecht so vorgesehen. Aber trotz Verbalnote und „Ordre de Mission“, durch die diese Delegation sich hat legitimieren lassen, hätte dieses Verfahren frühzeitig hinterfragt werden müssen, denn es lagen eindeutige Informationen vor, die die Legitimität dieser Delegation in Frage gestellt haben, nicht zuletzt dadurch, dass es in Hamburg vor geraumer Zeit eine ähnliche Situation gegeben hat, wo gerade diese Legitimität nicht gegeben war. Trotzdem wurden die Anhörungen durchgeführt und in 272 Fällen Passersatzpapiere durch diese Delegation aufgrund Aussagen der Delegationsteilnehmer ausgestellt.

Nach den Anhörungen verdichtete und bestätigte sich der Verdacht, dass der Delegationsleiter mit Namen Keita als Schleuser und Menschenhändler in der Flüchtlingsszene bekannt ist. Betroffene bestätigten nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“ vom 14. Mai in Gesprächen durchaus glaubwürdig, dass dieser Keita mit gefälschten Pässen Menschen aus Guinea nach Europa einschleust, ihnen die Papiere und das Geld abnimmt, ihnen bei Aussage und Vorlegen von Beweisen droht, ihren Familienmitgliedern etwas anzutun. Das heißt, für Geld schleust er Flüchtlinge

ein, und für Geld stellt er für den guineischen Staat die Identitäten fest und die Ausreisepapiere aus.

Diese Informationen und Verdachtsmomente lagen kurz nach diesen Verfahren vor. Aber, meine Damen und Herren, es war wohl wichtiger, das Ziel zu erreichen, nämlich möglichst viele unliebsame Flüchtlinge auf einfache und schnelle Art und Weise wieder loszuwerden, als dem Vorwurf eines gravierenden Verbrechens, nämlich Menschenhandel und Schleusung, nachzugehen und diese Vorwürfe ernst zu nehmen, um möglicherweise eine Straftat aufzuklären. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat erst Mitte Mai Vorermittlungen aufgenommen.

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es doch nicht sein, dass wir, nachdem aus meiner Sicht die Behörden mit Zutun eines Menschenhändlers in Zusammenarbeit mit Schleusern Identitätsfestellungen vollzogen und sich die Verdachtsmomente verdichtet haben, aufgrund dieser Verfahren diese Menschen abschieben. Genau dies hat das Innenministerium vor. Wir müssen doch erst prüfen, ob diese Vorwürfe stimmen oder nicht. Wir müssen doch erst die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten. Wenn es sich bestätigt, dass dies so war, dass hier Schleuser am Werk waren, dann kann es doch nicht sein, dass wir das als rechtsstaatliches Verfahren gelten lassen, auf deren Grundlage Menschen wieder in diese Länder abgeschoben werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir müssen in Zukunft verhindern, dass es zu solchen Zusammenarbeiten mit Schleusern und Menschenhändlern aus solchen dubiosen Delegationen kommt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das heißt, wir brauchen klare Standards, Hinterfragungen und rechtsstaatliche Verfahren, die sicherstellen, dass so etwas verhindert wird. Man muss sich einmal die Rechtsfolgen vorstellen. Ein Land wie Guinea ist ja kein demokratischer Rechtsstaat. Es kann nicht sein, dass Menschen in diese Staaten abgeschoben werden, wo ihnen zum Teil wieder Unheil droht. Dies darf nicht auf der Grundlage von solchen Vorführungen und Sammelanhörungen geschehen, wo Zweifel daran bestehen, dass das rechtsstaatlich abläuft.

Wir bitten daher den Innenminister in einem weiteren Vorschlag, dieses Verfahren in der Innenministerkonferenz noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, es nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu

bewerten und dafür Sorge zu tragen, dass so etwas in Zukunft nicht wieder passiert, sondern sorgfältig hingeschaut wird, bevor solche Sammelanhörungen stattfinden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Düker. – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Kruse das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Düker, der Überschrift und der Intention des vorliegenden Antrags ist uneingeschränkt zuzustimmen. Kooperation – ganz gleich, auf welcher Ebene – mit Schleusern darf es nicht geben. Hier haben die neue Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen eine klare Linie. In der Tat dürfen sich solche skandalösen Vorfälle nicht wiederholen.

Allerdings wird es aus unserer Sicht nicht ausreichen, ein Handlungskonzept nur in NordrheinWestfalen zu erstellen; denn gerade bei der international aufgestellten Schleuserkriminalität arbeiten deutsche Behörden oftmals wie Don Quichotte gegen Windmühlenflügel. Sie sprechen in Ihrem Antrag von einem Schleuser und Menschenhändler, der Hunderte von Guineern nach Deutschland eingeschleust haben soll.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf ein generelles Problem hinweisen. Wenn man in all den letzten Jahren einmal einen der kriminellen Hintermänner zum Greifen hatte, endete die Macht der europäischen Ermittler und auch die der Diplomaten an den Außengrenzen der Europäischen Union. Das war und ist mehr als demütigend.

Somit brauchen wir ein Gesamtkonzept für die Europäische Union; denn die Sorgen und Nöte deutscher Polizeidienststellen sind mehr als berechtigt.

Zum Beispiel hatte das Landeskriminalamt in Berlin bei Menschenhandel und Bandenkriegen sowie bei Schleuser-, organisierter und importierter Kriminalität auch eine Gruppe ausländischer Mitbürger im Visier, die sich als derart kriminell erwiesen hatte, dass ihr die Ehre eines immerhin 50 Seiten umfassenden Sonderberichts zuteil wurde. „,Importierte Kriminalität‘ und deren Etablierung“ nannte sich der im Januar 2003 erstellte Bericht des LKA Berlin. Er analysiert nicht nur eine über Jahrzehnte inmitten Deutschlands gewachsene Tätergruppe, sondern zeigt vielmehr auch sehr anschaulich die Verflechtungen mit der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, die

allmählich gewachsen sind, nicht energisch genug bekämpft wurden und nicht nur die deutsche Hauptstadt, sondern uns insgesamt in der Zukunft vor ein gewaltiges Problem stellen können.

Herr Abgeordneter Kruse, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Beer?

Ja, gerne.

Bitte schön, Frau Beer.

Herr Kruse, wären Sie bereit, uns zu erläutern, wie Sie in der von Frau Düker eben aufgezeigten speziellen Situation im Sinne der im Fall Dortmund betroffenen Menschen zu handeln bereit sind?

Frau Kollegin Beer, ich neige dazu, nicht nur einen Einzelfall herauszugreifen und diesen zu bewerten.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: 300 Fälle! – Zurufe von Andrea Asch [GRÜNE] und Monika Dü- ker [GRÜNE])

Gleichwohl komme ich noch auf die von Ihnen geschilderte Situation zurück, Frau Kollegin Düker. Warten Sie doch erst einmal den Gesamtbeitrag ab.

(Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Ich stelle die Bewertung auch eines solchen Problems ganz gerne in einen Gesamtzusammenhang.

Der angesprochene Bericht des LKA Berlin hat bundesweit Aufsehen erregt – nicht zuletzt deswegen, weil in diesem Bericht auf ein ganz besonderes Zukunftsproblem hingewiesen wurde; denn einige in dem Bericht erwähnten Schwerstkriminelle reisen über den Osten in die Bundesrepublik Deutschland ein. Vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung bereiten sich dieselben Personen auf die neuen Zustände vor. Sie brauchen Abschiebungen in ihre Heimatländer kaum noch zu fürchten. Die Beispiele in dem angeführten Bericht – ich empfehle Ihnen seine Lektüre sehr – zeigen deutlich, wie sich die mit allen Wassern gewaschenen Kriminellen gerade aus dem Bereich des Menschenhandels und der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität längst auf die neuen Zustände der EU-Erweiterung eingestellt haben.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Landeskriminalämter und Polizeidirektionen beurteilen die zukünftig möglichen Entwicklungen vor dem Hintergrund folgender vier Grundfreiheiten: freier Personenverkehr und Niederlassungsfreiheit, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr sowie freier Kapital- und Zahlungsverkehr. Deswegen brauchen wir ein Handlungskonzept für Deutschland insgesamt und für die Europäische Union.

Der Erweiterungskommissar Günter Verheugen – auch das möchte ich erwähnen – hat vor geraumer Zeit die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die Einbindung in die Europäische Union die Bekämpfung der Kriminalität erleichtern wird. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die 16 Länder in Deutschland, aber vor allen Dingen die Verantwortlichen in Europa endlich beeilen und das Übel von Schleuserkriminalität, organisierter beziehungsweise importierter Kriminalität und Menschenhandel ernst nehmen und mit wirksamen Maßnahmen bekämpfen.

Verehrte Frau Kollegin Düker, die CDU-Fraktion ist für eine klare rechtsstaatliche Vorgehensweise – ohne Wenn und Aber. Wir bitten die Landesregierung, so wie Sie es vorgetragen haben, um Auskunft darüber, ob im vorliegenden Fall tatsächlich Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des zugrunde liegenden Verfahrens bestehen. Nach meinen, nach unseren und, glaube ich, auch nach Ihren Informationen sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Delegationsleiter nicht abgeschlossen.

Falls jedoch die faktischen Abschiebungshindernisse weggefallen sind, kann unter dieser Voraussetzung aus unserer Sicht Ihrer Forderung nach einem umgehenden Abschiebestopp nicht entsprochen werden. Das ist der Punkt.

Wir werden im Ausschuss darüber beraten. Ihr Antrag wird dorthin verwiesen. Ich freue mich auf die Erläuterungen und Beratungen im Innenausschuss. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kruse – auch, weil Sie mir das Husten just noch erspart haben. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Kutschaty das Wort.