Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

Das ist das Bild, das von Ihnen mittlerweile im Land angekommen ist.

(Beifall von der FDP – Anhaltende Unruhe und Zurufe von der SPD)

Wenn Sie meinen, Politik bestehe nur daraus, dass an bestimmten Tagen zu werben ist: Dieses Werben ist sicherlich eine wichtige Aufgabe. – Ich frage mich allerdings, ob Sie an Tagen, an denen für andere Dinge geworben wird, auch so ausführlich werben. Gestern beispielsweise war Weltnichtrauchertag. Da hätte man Ihrerseits ja auch einmal …

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Zur Sa- che, Herr Kollege!)

Nein, nicht: „Zur Sache!“

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist nicht zur Sache!)

Das ist schon zur Sache.

(Lachen von der SPD)

Die SPD-Fraktion stellt den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, der gestern sicherlich keine Zigarette weniger geraucht hat. Und die Zehntausende von Nikotintoten in NRW …

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Kommen Sie auf den Punkt!)

Das wollen Sie gar nicht hören. Genauso aber ist es.

(Glocke)

Sie haben keinerlei Konzepte.

Und, Herr Schmeltzer, gerade Gewerkschaften – Sie kommen ja aus den Gewerkschaften – haben eine sehr, sehr niedrige Ausbildungsquote. Deshalb ist in der Tat pharisäerhaft, hier in dieser Weise für Ausbildungsplätze zu werben, anstatt erst einmal im eigenen Laden vernünftig aufzuräumen. Das gilt für die gesamte SPDLandtagsfraktion in Bezug auf die bisherige Diskussion um die Ausbildung.

Die Grünen haben ihr altes Räppelchen, die Ausbildungsplatzabgabe. Als ob es hilfreich wäre, Unternehmen, denen es im Moment wirtschaftlich schlecht geht, immer noch weiter etwas draufzusatteln! Man muss doch schauen, weshalb Unternehmen nicht ausbilden

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Weshalb denn? – Zuruf von der SPD: Jetzt kommt es!)

und weshalb kein Nachwuchs kommt. In unsicheren Lebenszeiten gibt es eben auch bei den Men

schen wenig Nachwuchs. Die Rahmenbedingungen stimmen einfach nicht.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Welche?)

Da ist natürlich auch die SPD gefordert. Gerade auf Bundesebene ist dort auch die SPD gefordert. Was ist denn mit der Unternehmensteuerreform, die notwendig ist, damit die Wirtschaft hier wieder floriert und Ausbildungs- und Arbeitsplätze entstehen?

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

In Berlin ist doch Herr Steinbrück. Oder nicht? Haben Sie mit ihm überhaupt nichts mehr zu tun? Und wie ist es mit dem überzogenen Jugendschutz, der immer noch Ausbildung hemmt?

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Und Ihre Leute?)

Haben Ihre Leute das einmal angepackt? Das sind doch Dinge, die in Berlin gerichtet werden müssen, damit hier in NRW auch Ausbildung entsteht. Wir sind hier doch nicht auf einer Insel NRW, Herr Horstmann.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Sie bekämpfen die Jugendlichen und nicht die Arbeitslosigkeit!)

Die Ausbildungssituation ist doch in Gesamtdeutschland problematisch, nicht nur in Nordrhein-Westfalen.

(Gisela Walsken [SPD]: Jugendschutz!)

Was wir hier anpacken, um den Unternehmen wieder mehr Leben einzuhauchen, ist der Abbau von Bürokratie. Das ist wichtig. Wir stärken auch die Bildung. Das ist ebenfalls wichtig.

(Zurufe von der SPD)

Diese Dinge hören Sie natürlich nicht gerne, weil sie in letzter Zeit von Ihnen eben nicht vernünftig angepackt worden sind. – Wir müssen also die Rahmenbedingungen so verändern, dass es Unternehmen besser geht, dass Arbeitsplätze und damit auch Ausbildung entstehen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Natürlich müssen wir auch werben und darauf Wert legen, dass Unternehmen ausbilden. Es bringt aber überhaupt nichts, zu sagen, wir bräuchten nur viel Werbung von der Politik, dann sei alles geregelt. Vielmehr müssen die Rahmenbedingungen hergestellt werden. Insofern sind Politik und Gesetzgebung gefordert. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU – Gisela Walsken [SPD]: Peinlich! – Weitere Zurufe von der SPD)

Als nächster Redner hat Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte muss man doch ein paar Dinge zurechtrücken.

Herr Horstmann, die Art, wie Sie sich in dieser Debatte eingelassen haben, finde ich unerträglich.

(Beifall von CDU und FDP – Dr. Axel Horst- mann [SPD]: Sie sind doch der Meister der künstlichen Aufregung!)

Die Wahrheit ist doch, dass wir in vielen Regionen Nordrhein-Westfalens in den Warteschleifen der Kreisberufsschulen zahlenmäßig mittlerweile ein komplettes Schulausbildungsjahr vor uns herschieben.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Und daran sind wir jetzt schuld? – Gegenruf von Christian Weisbrich [CDU]: Natürlich!)

Nein, Herr Horstmann. Ich sage ja gar nicht, dass Sie daran schuld sind. Aber schieben Sie es bitte heute auch nicht mir als dem neuen Arbeitsminister in die Schuhe. Ich war noch gar nicht im Amt, als diese Warteschleifen entstanden sind. Darauf lege ich schon ein bisschen Wert.

(Beifall von CDU und FDP)

Jetzt nenne ich Ihnen einen weiteren Punkt. Wir müssen doch alle zur Kenntnis nehmen, dass in Nordrhein-Westfalen in den letzten zehn Jahren jede vierte Lehrstelle verschwunden ist. Wir haben in diesen zehn Jahren einen Rückgang der Lehrstellen um ein Viertel zu verzeichnen, und zwar quer durch die Branchen: freie Berufe; Handwerk; dass es bei der IHK ein bisschen besser aussieht, liegt daran, dass die IHK mehr Betriebe hat, die sie für Ausbildung gewinnen kann.

Ich sage hier ganz deutlich – darüber wird in diesem Haus auch Einigkeit herrschen –: Dass jeder zweite Betrieb in Nordrhein-Westfalen, der ausbilden könnte, dies gar nicht mehr tut, ist nicht in Ordnung und mit keiner Begründung zu akzeptieren. Das ist ganz klar.

(Allgemeiner Beifall)

Wissen Sie, wie es ist, wenn wir gemeinsam unsere Veranstaltungen über die Berufsausbildung durchführen? – All diejenigen, die zu unseren Versammlungen beziehungsweise zu den Kammergesprächen kommen, sind auch diejenigen, die ausbilden, und diejenigen, die uns immer wieder

die Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Diejenigen, die sich an Ausbildung nicht beteiligen, erscheinen nicht einmal bei diesen Versammlungen. Das ist auch die Wahrheit.

Die Politik muss jetzt auch einmal den Mut aufbringen, ganz unmissverständlich zu sagen, dass wir dem Teil der Wirtschaft, der jahrelang hervorragende Ausbildung zur Verfügung stellt, sehr dankbar sind. Auch im letzten Jahr gab es 111.000 unterschriebene Lehrverträge mit Ausbildungsvergütung

(Beifall von der CDU)

und mit dem Willen, einen jungen Menschen drei Jahre lang in seinem Beruf zu prägen und auszubilden. Das finde ich eine klasse Leistung. Dass andere sich gar nicht darum kümmern, hat mit sozialer Marktwirtschaft, wie wir sie begreifen, nichts zu tun. Und das ist nicht in Ordnung. Ich sage das noch einmal.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Weiß das auch Herr Romberg?)

Das weiß auch Herr Romberg.