Wir brauchen bei einer solchen Diskussion über ein Gesamtkonzept aber auch die Diskussion über eine Weiterentwicklung der Nachsorge. Denn eine gute Nachsorge verkürzt natürlich auch die Verweildauern im Maßregelvollzug.
Ich fände es ganz schön, wenn die Minister an der Seite ihr Gespräch vielleicht nach draußen verlegen könnten. Ich finde es sehr laut hier.
Eine gute Nachsorge spart damit auch wirklich Mittel in der Forensik. Deswegen müssen wir darüber reden, wie wir die Nachsorge weiterentwickeln können. Auch da gab es damals von Herrn Henke und Hejo Arentz weiter gehende Forderungen noch über das hinaus, was wir an Nachsorge schon auf den Weg gebracht haben. Ich fände es auch da wichtig, dass wir einmal bilanzieren, wie weit das umgesetzt ist, was wir in der letzten Legislatur angeschoben haben. Wie lauteten die Forderungen, die weiter gehend waren? Welche Schritte müssen die nächsten sein, die eingeleitet werden?
Wir wollen – wie ich eben schon gesagt habe – Maßnahmen im Konsens mit den beiden Landschaftsverbänden zu erarbeiten versuchen. Wir wollen keine Schnellschüsse und keine Pseudomaßnahmen. Denn viele der Maßnahmen, die sich jetzt in der Diskussion befinden – Long-StayEinrichtungen, Nachteinschluss –, sind Maßnahmen, die wirklich kritisch betrachtet werden müssen, ob sie im Sinne des Maßregelvollzugs so durchgeführt werden können und sollen.
Aber es sind vor allen Dingen Maßnahmen, die kurz- und mittelfristig überhaupt nicht zu Einsparungen führen, sondern unter Umständen sogar zu Mehrkosten in einem sehr hohen Maße führen, also von daher für das Ziel, das die Landesregierung formuliert hat, nämlich Sparen, überhaupt nicht wirksam sind.
Wir haben in der letzten Legislatur immer versucht, gemeinsam auf einen Konsens zwischen Regierung und Opposition zu setzen. Wir haben vom Minister die Ankündigung, dass er an das Verhalten, die Ankündigungen und die Praxis seiner Vorgängerin anknüpfen will. Ich hoffe, dass das nicht nur Versprechen waren, sondern dass es auch wirklich zu dem Versuch kommt, gemeinsam mit allen Fraktionen und allen daran Beteiligten hier einen Weg zu finden, wie wir den Maßregelvollzug verbessern, optimieren und weiterentwickeln können. In diesem Sinne hoffe ich auf eine konstruktive Debatte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Maßregelvollzug ist eine notwendige Aufgabe einer humanen Gesellschaft. Doch die Aufmerksamkeit, die der Maßregelvollzug bei den Oppositionsparteien in den letzten Wochen gefunden hat, bedarf doch einiger Nachfragen.
Welchen Zweck verfolgt die Opposition? – Mir ist mittlerweile unverständlich, warum dieses Thema in den letzten Wochen ständig im Plenum und im Ausschuss diskutiert wird,
In den letzten Legislaturen hat es in NordrheinWestfalen erhebliche Probleme bei der Schaffung neuer Einrichtungen gegeben. Über die Parteigrenzen hinweg war man sich einig, dass das Thema Maßregelvollzug sehr sensibel und besonnen behandelt wird. Mir ist total unverständlich, warum der Maßregelvollzug auf einmal auf der Agenda der Oppositionsparteien erscheint.
Die Haushaltssituation des Landes NordrheinWestfalen ist hinlänglich bekannt. Der Schuldenstand betrug zum Jahreswechsel 112 Milliarden €.
Das bedeutet pro Tag 14 Millionen € Zinsen oder pro Sekunde 160 € Zinszahlungen. Durch RotGrün hat Nordrhein-Westfalen jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt. Der Landeshaushalt ist zu einem Sanierungsfall geworden. Alle Haushaltspositionen gehören deshalb auf den Prüfstand.
Das bedeutet auch, dass es zu einer Kostenreduzierung im Maßregelvollzug kommen muss, um den Landeshaushalt zu entlasten. Der Minister hat am 31. Mai 2006 – nachzulesen im Plenarprotokoll 14/31 – sehr deutlich gesagt:
„Erstens. Wir müssen auch im Maßregelvollzug sparen. Tatsache ist: Viele andere Länder machen das nicht schlechter als wir; aber sie machen es kostengünstiger. Das müssen auch wir schaffen.“
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Voraussetzungen für einen kostengünstigen Maßregelvollzug zu schaffen. Dazu gehören der Nachteinschluss, kostengünstige Langzeitunterbringungen und die bundesrechtliche Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge bei suchtkranken Straftätern.
Die Sicherheit der Bevölkerung und der Beschäftigten hat dabei höchste Priorität. Ich sage: Es muss eine Senkung der Kosten von zurzeit 239,31 € Tagessatz erfolgen, ohne dass die Sicherheit des Personals und der Bevölkerung beeinträchtigt wird.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Kümmern Sie sich einmal weniger um Zahlenspiele, son- dern mehr um die Betroffenen!)
Die Landschaftsverbände arbeiten zurzeit an Vorschlägen, Kosten im Bereich des Maßregelvollzugs einzusparen. Überdurchschnittliche Aufwendungen für den Maßregelvollzug in NRW gehen nicht einher mit überdurchschnittlichen therapeutischen Erfolgen.
Die gern von Ihnen verbreitete Mär, dass kostengünstigerer Maßregelvollzug zwangsläufig zu längeren Verweildauern führe, widerlegen andere Bundesländer wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen. In diesen Ländern ist die Verweildauer von Patienten um ca. 20 % kürzer. Das heißt tatsächlich: Die Verweildauer liegt in diesen Ländern zwischen 44 und 54 Monaten, in Nordrhein-Westfalen bei 62 Monaten. Es muss eine Antwort auf die Frage gefunden werden, warum die Behandlung von psychisch kranken Straftätern hier im Schnitt länger dauert als in manchen Kliniken in anderen Bundesländern.
Herr Kollege, darf ich Sie noch einmal unterbrechen? Frau Steffens hat noch einmal nachgefragt, ob sie eine Zwischenfrage stellen kann.
Durch eine umfassende zentrale Diagnostik könnte es besser als bisher gelingen, psychisch kranke Patienten entsprechend ihrer Sicherheits- und Therapieanforderungen in den verschiedenen Maßregelvollzugseinrichtungen einschließlich der Allgemeinpsychiatrie zu platzieren und schneller als bisher einer individuell angemessenen Behandlung zuzuführen. Unnötige Verlegungen und Fehlplatzierungen könnten so reduziert werden.
Ebenfalls zu prüfen ist die durchschnittliche Stationsgröße. Die Stationsgröße liegt zurzeit bei 12,5 Plätzen. Sie könnte auf 18 Plätze erhöht werden. Das würde ebenfalls zur Kostenreduzierung beitragen.
Gleichzeitige Einsparungen sind weiterhin neben dem Nachteinschluss und der Herstellung wirtschaftlicher Stationseinheiten der Abbau von un
nötigem bürokratischem Aufwand. Hier muss untersucht werden, welche Mehrfachprüfungen im Bau- und Finanzbereich vermieden werden können.
Im Maßregelvollzug sind einige Straftäter untergebracht, die vorrangig als kriminell anzusehen und therapeutisch nicht erreichbar sind. Es ist zu prüfen, ob für Patienten, die mehr als zehn Jahre im Maßregelvollzug wegen einer Persönlichkeitsstörung behandelt und denen bei der Verurteilung zur Maßregel eine verminderte Schuldfähigkeit zuerkannt wurde, bei denen keine therapeutischen Fortschritte im Hinblick auf eine mögliche Entlassung erzielt werden konnten, die Möglichkeit der Begrenzung der Maßregel und die Einweisung in die nachträgliche Sicherheitsverwahrung oder besser in Long-Stay-Einrichtungen eröffnet wird.
Sie sehen also, dass alle Seiten bereit sind, konstruktiv an allen Lösungen, die zu Einsparungen auf diesem Gebiet führen, mitzuarbeiten.
Das Thema Maßregelvollzug eignet sich meiner Meinung nach nicht dazu, ein politisches Süppchen zu kochen. Ich gewinne aber den Eindruck, dass die Bürger des Landes mit bewusst falschen Behauptungen verunsichert werden sollen.
(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das ist eine Unverschämtheit! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Es ist eine Frechheit, was Sie da von sich geben!)
Ich zitiere aus dem Antrag, Abschnitt III.: „Am Übergangsstandort Rheine sind bereits 78 befristete Stellen gekündigt worden.“ Diese Behauptung ist falsch. Es ist nicht eine einzige Stelle in Rheine gekündigt worden.
Genauso schädlich ist es, dass im Rat der Stadt Lippstadt am 19. Juni eine Resolution eingebracht wurde, die Angst in der Bevölkerung schüren soll, obwohl uns allen mit Schreiben vom 9. Juni mitgeteilt wurde, dass die 1:1-Sonderregelung in Lippstadt Fortbestand hat.