Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

75 % der nordrhein-westfälischen Eltern haben wir dabei auf unserer Seite.

(Beifall von CDU und FDP)

Schließlich sind Sprechen und Verstehen die Basis für den Unterricht. Kinder mit Sprachdefiziten verlieren mit uns nicht den Anschluss, sondern bekommen qualifizierten Sprachunterricht, damit sie deutlich bessere Chancen für ihr Leben haben. Auch das ist ein ganz wesentlicher Beitrag, um die Zahl der Wiederholer in NordrheinWestfalen zu reduzieren.

Unsere Schule braucht wieder Werte. Also wird deren Vermittlung ein zentraler Platz in unserem Unterricht gewährt. Wir wollen Werten wieder einen Wert geben und stehen damit im Einklang mit 88 % der Eltern in Nordrhein-Westfalen. Ein so klarer Bürgerwille ist zugleich Aufforderung und Pflicht zum Handeln.

(Beifall von der CDU)

Damit einher geht auch unsere Absicht, Kopfnoten zur Beurteilung des Arbeits- und Sozialverhaltens wieder einzuführen. 78 % der Eltern in Nordrhein-Westfalen stimmen uns vehement zu. Mitmachen, Zuverlässigkeit und Durchhaltevermögen sind oft eine bessere Garantie für selbstständige Lebensbewältigung als allein die schulische Leistung in Unterrichtsfächern.

Wir werden mit den Schulen gemeinsam Ziele fixieren, die sie erreichen wollen. Alles andere überlassen wir in Zukunft den Schulen selbst. Genau das, meine Damen und Herren, ist unser Erfolgsmodell: Vertrauen in das Zutrauen unserer Kolleginnen und Kollegen und eben nicht Angst vor zu viel Freiraum, Vertrauen in die Selbstverantwortung, in die Leistungskraft, in das Engagement unserer Lehrerinnen und Lehrer. Dann nämlich wird aus Transparenz Zutrauen, aus Leistung Freude und aus Eigenverantwortung Stolz!

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich wiederholen: 75 % Zustimmung haben wir bei den Eltern. Das heißt, dass auch weite Teile Ihrer Anhänger, verehrte Opposition, unsere Politik vertreten.

(Beifall von CDU und FDP)

Liebe Frau Löhrmann, Sie bezeichnen unsere Schulgesetznovelle als eines der folgenschwersten Gesetzesvorhaben im Kernfeld der Landespolitik – wenn ich Sie da zitieren darf. Frau Löhrmann, jawohl, es wird Folgen haben: zum Wohle

unserer Kinder und damit zum Wohle unseres Landes Nordrhein-Westfalen! – Ich danke Ihnen.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank. – Ich habe die Länge des Beifalls jetzt nicht gestoppt, meine Damen und Herren.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hendricks, SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit der Veröffentlichung der Pisa-Untersuchung hat sich in der Bildungspolitik viel getan. Auch in NordrheinWestfalen hat es bereits vor Ihrer Regierungsübernahme eine ganze Menge von Veränderungen gegeben – die Sie übrigens fortführen. Um hier nur einige zu nennen: Lernstandserhebungen, zentrale Prüfungen, Verkürzung der Schulzeit, veränderte Eingangsphase der Grundschule, offene Ganztagsschule und Sprachförderung nicht zu vergessen.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben seit Ihrem Wahlsieg in der Bildungspolitik das Rad wahrlich nicht neu erfunden.

(Beifall von der SPD)

Dennoch wollen Sie die Menschen draußen im Land glauben machen, es sei so, dass Sie das modernste und beste Bildungssystem in Europa auf den Weg bringen. Doch die Menschen haben längst verstanden, dass das nicht stimmt. Emnid hat dazu 500 Familien befragt; das soll repräsentativ für die Menschen in Nordrhein-Westfalen sein. Ich frage mich an dieser Stelle: Wer hat diese Befragung eigentlich bezahlt?

(Beifall von Ute Schäfer [SPD])

Ein modernes Schulsystem verzichtet auf frühe und strikte Auslese. Auslese, meine Damen und Herren, ist aber der Grundgedanke Ihres Schulverständnisses – auch wenn Sie ständig das Gegenteil behaupten.

(Beifall von Ute Schäfer [SPD])

Aber, meine Damen und Herrn, an den Taten soll man Sie messen, nicht an den Worten. Wir werden ja sehen, wie das in Zukunft ablaufen wird. Zukünftig werden Schüler und Schülerinnen mit fünf Jahren eingeschult, mit achteinhalb Jahren an einer weiterführenden Schule angemeldet. Dazu wird die Grundschule ein wie auch immer zu

bewertendes Gutachten erstellen. In jedem Fall wird es verbindlicher sein, hat die Ministerin gesagt. Lobenswerterweise sind Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, bei den Grundschulgutachten von der kategorischen Fassung zu der „Ja, aber“-Fassung übergegangen. Trotzdem ist es falsch. Es verschärft nach allem, was wir wissen, die Selektion, mindert die Bildungsbeteiligung und hebelt den Elternwillen aus.

Sehr geehrte Damen und Herren, individuelle Förderung bleibt als Grundaussage Ihres Schulgesetzes eine Worthülse. Es gibt weder einen Rechtsanspruch auf individuelle Förderung, noch ist erkennbar, dass alle Schüler und Schülerinnen ihrer Begabung entsprechend über die Schulformgrenzen hinweg individuell gefördert werden. Individualität hört bei Ihnen dort auf, wo die Grenzen des Systems die Möglichkeiten des Einzelnen beschneiden. Das, meine Damen und Herren, ist wirklich – wirklich! – Ideologie. Es ist Gleichmacherei, und zwar ideologische Gleichmacherei.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Oder sollte ich lieber sagen: „Es handelt sich um ein grob fahrlässiges Handeln zulasten der Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen“?

Zugleich bringen Sie die Lehrer und Lehrerinnen in eine Zerreißprobe zwischen Förderauftrag und Selektionsauftrag. Die UNICEF-Studie „Disadvantages in Rich Nations“ – wohlgemerkt: Nachteile, nicht Fortschritt! – stellt zu Recht fest, dass die Kinder in Deutschland zu früh und falsch sortiert werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Schaffen Sie doch die Grundschulbe- zirke ab! – Widerspruch bei SPD und GRÜ- NEN)

Herr Witzel, Sie haben nichts verstanden! Das ist das Entscheidende.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mit der Feststellung „Germany: Children sortet for a life“ verdeutlicht diese UNICEF-Studie, dass die frühe Einsortierung kaum rückgängig zu machen ist.

Nehmen wir ein anderes exemplarisches Beispiel: die Durchlässigkeit. Sehr geehrte Frau Sommer, Sie haben am 5. April gesagt, Wesensmerkmal des neuen Schulgesetzes sei die Durchlässigkeit. – Allein der Begriff ist entlarvend. Durchlässigkeit braucht man, wo man Grenzen, Wände, Barrieren aufgebaut hat. Sie haben gerade gesagt, Sie wollen starre Grenzen abbauen. Mit dem Schulgesetz bauen Sie neue Grenzen auf.

(Beifall von der SPD)

Durchlässigkeit ist ab der Klasse 5 stark eingeschränkt und endet faktisch am Ende der Klasse 6. Auch wenn Sie, Frau Ministerin Sommer, bereits anderes für möglich halten: Mit der Abkoppelung des Gymnasiums von den restlichen Schulformen der Sekundarstufe I machen Sie den Übergang in die Sekundarstufe zum Gymnasium fast unmöglich. Mit dieser Regelung wird die bereits in der Grundschule begonnene Auslese weiter zementiert. Damit schaffen Sie Schulen der ersten, zweiten und dritten Kategorie. Noch einmal, meine Damen und Herren: Das ist pure Ideologie.

(Beifall von SPD)

Die Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre, die wir grundsätzlich begrüßen, wird durch die Einführung eines Modells 9 plus 3 anstatt eines Modells 10 plus 2 zu zusätzlichen Verwerfungen im System führen.

Zukünftig findet die Verkürzung der Schulzeit an den Gymnasien in den Klassen 5 und 9 statt – mit einem weiter erhöhten Stundenkontingent für die Schüler und Schülerinnen, die zukünftig heftig Nachmittagsunterricht erhalten, ohne entsprechende Infrastruktur. So, meine Damen und Herren, kann man sparen und sich seiner Verantwortung für die Schaffung der Ganztagsschulen entziehen – zulasten der Kommunen.

Haupt-, Real- und Gesamtschulen sind dagegen auf eine Laufzeit von fünf bis zehn Jahren konzipiert. Damit ist ein reibungsloser Übergang von diesen Schulen zum Gymnasium während der Sekundarstufe I de facto unmöglich geworden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Maß aller Dinge sei das Wohl der Schüler und Schülerinnen, teilte Frau Ministerin Sommer in einem Schreiben vom 15. August 2005 den nordrhein-westfälischen Lehrkräften mit. – Es wäre schön, wenn es so wäre. Tatsächlich müsste es angesichts der eingeleiteten Politik heißen: Das Maß aller Dinge ist das Wohl des Gymnasiums.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Klaus Kaiser, CDU-Fraktion.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Weiterbildung geht unter, Herr Kaiser!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Verlauf der Debatte überlegt man sich neu: Wie steigt man ein?

(Gisela Walsken [SPD]: Man muss ja nicht reden! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜ- NEN)

Ich glaube, am einfachsten steigt man ein, indem man sich ganz herzlich bei Frau Sommer für ihren hervorragenden Redebeitrag bedankt, der die Programmatik der neuen Schulpolitik auf den Punkt gebracht hat.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP – Hans- Theodor Peschkes [SPD]: Peinlich, peinlich! – Weitere Zurufe von der SPD)

Frau Schäfers Beitrag habe ich als Aufforderung gesehen, sich vielleicht einmal mit der Realität zu befassen.

(Martin Börschel [SPD]: Richtig!)

Das habe ich gestern getan. Ich habe mich mit der programmatischen Realität der SPDSchulpolitik befasst. Das macht man mit neuen Medien, neuerdings über das Internet. Ich habe gestern Abend etwa gegen 23:00 Uhr – also nach dem 2:2 zwischen England und Schweden – den Bogen herunter geladen.