Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Auch Ihre Leute in den Kommunen wollen das so; das hat die Befragung des Städte- und Gemeindebundes gezeigt.

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

Das haben die vielen Ratsresolutionen gezeigt.

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

Das hat auch Ihre kommunalpolitische Vereinigung gezeigt. Auch in Ihrem Wahlprogramm stand es anders, meine Damen und Herren von der CDU. Und das wissen Sie auch.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Also: Folgen Sie der kommunalen Vernunft aus Gründen, die für die Kinder gut sind, die die Bürokratie abbauen und die den Kommunen die Freiheit geben, das so oder anders zu tun. Aber bedenken Sie auch – ich habe das gestern schon gesagt –: Der Ministerpräsident hat Sie in gewisser Weise vor vollendete Tatsachen gestellt.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das macht er öf- ters!)

Es ist schlecht, wenn man nicht versucht, ein solches Verhalten von Anfang an einzudämmen. Wie Sie als CDU und als Einzelne abstimmen, hat auch etwas damit zu tun, ob Sie sich das gefallen lassen oder ob Sie eine selbstbewusste Fraktion frei gewählter Abgeordneter sind, die an dieser Stelle ihrem Gewissen folgen sollten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Hier geht es anders – das ist mein letzter Gedanke – als beim Haushalt. Da kann man das ja noch verstehen, denn dabei gerät ein Gefüge des Haushaltes auseinander. Aber hier gerät nichts auseinander, was Sie ansonsten beschlossen haben, sondern hier geht es nur darum, dass Sie den Kommunen folgen. Die ideologische Orientierung dieses Gesetzes, die ich nicht teile, gerät nicht auseinander. Es geht also nur um einen Einzelpunkt, der kein Gefüge auseinander bringt. Deswegen: Folgen Sie dem, was Sie eigentlich für richtig halten! Denn in diesem Parlament gibt es für die Aufhebung der Schulbezirke als Zwangsmaßnahme für die Kommunen keine Mehrheit.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Die Menschen sollten sehen, dass hier nach dem Gewissen und nach der Sache entschieden wird und nicht nach einer Vorgabe des Ministerpräsi

denten, der sich in unheiliger Allianz mit der FDP zusammengetan hat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es wäre ein gutes Zeichen für dieses Haus, dass hier so entschieden wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Löhrmann. – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Witzel.

(Zuruf von der SPD: Ein Witz! – Weitere Zu- rufe)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank für den Nachhilfeunterricht für Abgeordnete, den wir gerade empfangen durften.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Der ist ja auch bitter nötig! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Aber zur Sache! Mit der Schulgesetznovelle, die wir in wenigen Minuten verabschieden, machen wir einen ganz entscheidenden Schritt in die richtige Richtung, Nordrhein-Westfalen zum Bildungsland Nummer eins in Deutschland zu machen.

(Lachen und Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Wir nehmen eine Totalrevision rot-grüner Bildungspolitik vor. Das haben Sie richtig identifiziert.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Das schmerzt Sie natürlich; das ist auch nachvollziehbar. Aber dieser Weg der Qualitätsentwicklung

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ist ein Weg zu- rück!)

ist der Sache nach völlig alternativlos. Wir belegen die Abstiegsplätze bundesweit mit den Leistungsergebnissen unserer Schüler. Sie haben uns ein Erbe hinterlassen, bei dem 25 % der Jugendlichen Risikogruppe sind, wo keine Förderung stattgefunden hat. Deshalb sagen wir Ihnen als FDP-Landtagsfraktion: Das Risiko besteht nicht darin, Fehler zu verbessern und Veränderungsprozesse einzuleiten, sondern das Risiko besteht darin, die Reformen zu unterlassen und weiter vor sich her zu wurschteln, wie Sie das in den letzten zehn Jahren gemacht haben.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, die neue Schule NRW der Koalition der Erneuerung steht für Bewegung und nicht für Kuschelpädagogik im Schlaflabor.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Es ist wirklich nicht ohne Amusement, wenn Frau Kraft und Frau Schäfer über Bildungsqualitätsentwicklung reden. Bei den Ergebnissen, die Sie uns hinterlassen haben, ist das fast so, als ob der Blinde von der Farbe spricht. Und wir passen auf, dass Sie nicht Fahrerflucht begehen.

(Beifall von FDP und CDU – Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Sie haben schwache Fachleistungen hinterlassen, ein sozial selektives Bildungswesen und Defizite in den Verhaltensweisen. Immer, wenn wir Ihnen das in den letzten Jahren basierend auf wissenschaftlichen Studien gesagt haben, haben Sie gesagt, dass das alles nicht so und im Übrigen auch völlig egal sei. Denn Sie hätten nach rot-grüner Lesart ein gutes Bildungswesen. Ihre Begründung war: In keinem anderen Bundesland in Deutschland machen trotz dieser Fakten so viele junge Menschen Abitur wie bei uns. – Herzlichen Glückwunsch! Wenn das der Indikator für Bildungsqualität ist, wissen wir auch, warum wir heute da stehen, wo wir uns befinden.

(Zuruf von der SPD: Sie reden Blödsinn!)

Wir machen als Koalition der Erneuerung das, was wir im Wahlkampf gesagt haben und wie wir uns glaubwürdig – CDU wie FDP – vor der Landtagswahl verhalten haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wann war das denn mit dem „glaubwürdig“?)

Sie können das alles nachlesen. Auf allen Pressekonferenzen von Jürgen Rüttgers und Ingo Wolf vor der Landtagswahl wurde dies gesagt. Sie können dies auch in der Landtagsdrucksache 13/6887 zum Thema „freie Schulwahl“ nachlesen. Wir haben den Wählern vor der Wahl klar gesagt, wie wir uns hier verhalten werden.

Wir als Koalition der Erneuerung wollen ein Bildungswesen mit mehr Leistung, mehr Wettbewerb, mehr Disziplin und besseren Perspektiven für junge Menschen. Deshalb müssen wir die Probleme lösen, die Sie uns hinterlassen haben. Sie haben uns ein sozialselektives Bildungswesen hinterlassen, das wir überwinden müssen. Das Problem der Bildung in Deutschland – darin sollte eigentlich hier im Haus und in NordrheinWestfalen insgesamt Einigkeit bestehen – ist, dass Kinder viel zu früh sortiert werden, nämlich hausnummernweise auf verschiedene Schulbe

zirksstandorte, sodass sie selber keine Wahlfreiheit entfalten können.

(Zurufe von der SPD)

Deshalb, Frau Löhrmann, treten wir für eine Schule ohne Grenzen, für eine Schule des Wettbewerbs, der Vielfalt ein, um so zu einer neuen Qualitätsentwicklung zu kommen.

Schulbezirke im bisherigen System entfalten nämlich eine Doppelwirkung. Zum einen projizieren sie 1:1 die Struktur des sozialen Wohnens. Dort wirken sie als Mauer um den sozialen Brennpunkt herum; denn da, wo man geboren wurde, muss man auch zur Schule gehen. Zum anderen sind sie ein Schutzwall für die Villenviertel, wo niemand hereingelassen wird. Das spricht nicht für Durchmischung und Heterogenität in unseren Schulen. Deshalb kennen ja auch die Länder, die bei Pisa erfolgreich waren, das System der Schulbezirksgrenze nicht.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

In Niedersachen, Frau Gödecke, kämpft die SPD gegen die schwarz-gelbe Koalition für freie Schulwahlen. Die SPD-Schulministerin in Schleswig-Holstein schafft gerade die Schulbezirke ab.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Vergleichen Sie Vergleichbares! – Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Insofern sollten Sie sich auch in NordrheinWestfalen etwas weiterentwickeln.

Frau Kraft, ich hätte mir gewünscht, dass Sie in der Bildungspolitik das Format Ihres Vorgängers im Amt des SPD-Fraktionsvorsitzenden haben, der es sich aus Verantwortung nie hat nehmen lassen, in seiner eigenen Partei und Fraktion notwendige Reformen einzufordern. Edgar Moron war der erste bei Ihnen, der für das Zentralabitur eingetreten ist. Sie haben gesagt, das sei alles des Teufels, bis wir Ihnen gezeigt haben, dass es das in anderen Ländern auch an bischöflichen Schulen gibt und deshalb nicht des Teufels sein kann.

(Zurufe von der SPD)

Einige Monate später haben Sie es dann beschlossen. – In einem sehr bemerkenswerten Artikel in der GEW-Zeitschrift „Neue deutsche Schule“ vom 10. März 2005 hat er auf die Frage, mit welchen Problemen und Herausforderungen in der Bildungspolitik man sich in der 14. Legislaturperiode, also in der, in der wir uns heute befinden, beschäftigen muss, ausgeführt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: …

Herr Kollege, ich kann Ihnen gar nichts mehr genehmigen. Sie haben Ihre Redezeit überschritten.