Links reden, rechts regieren – das ist Ihre Devise, Herr Rüttgers. Sie machen keine soziale Politik für NRW. Das Ehrenamt, das in Sonntagsreden gepriesen wird, wird kaputtgespart. Die Frauenpolitik wird abgewickelt. Den Umweltschutz wollen Sie auch kleinkriegen.
Den Kommunen – das kann man nicht oft genug sagen – nehmen Sie das Geld, das für die Gestaltung lebenswerter Städte und Gemeinden dringend notwendig ist.
Es sind doch unsere Kommunen, wo soziale und kulturelle Integration gelingt oder nicht, wo die Kultur lebt oder nicht, wo die ganz Kleinen Betreuungsplätze bekommen oder nicht, wo Familien Freibäder haben, in denen sie ihre Freizeit verbringen können, oder nicht, wo sich Menschen für Kinder entscheiden oder nicht. Das wird doch in den Kommunen erfahren und erlebt. Die Kommunen, unsere Kommunen, die sowieso schon Schwimmbäder, Jugendclubs, Kindergärten und Grundschulen schließen müssen, die überlegen, ob sie Orchester auflösen oder ihre Wohnungen verkaufen, denen das Wasser ohnehin schon Oberkante Unterlippe steht, die kriegen Ihre ganze Ideenlosigkeit ab, meine Damen und Herren!
Meine Damen und Herren, Sie schaffen die kommunale Entwicklungszusammenarbeit ab. Ein vernichtender Schlag gegen die Ehrenamtler, vor allem in der kirchlichen Eine-Welt-Arbeit. Die soziale Betreuung von Flüchtlingen in den Abschiebehaftanstalten wird gekürzt. Dabei wird allgemein betont, wie wichtig die vermittelnde und konfliktlösende Rolle dieser Betreuung ist. Die Politik der christlichen Soziallehre habe ich immer anders verstanden.
Auch die Agenda 21 NRW wird abgeschafft. Der nächste Schlag gegen das Ehrenamt und ein offener Angriff auf eine Politik der Nachhaltigkeit, die angesagt ist und die auch Sie immer mal wieder in Ihren Sonntagsreden postulieren, meine Damen und Herren!
Zweitens. Herr Ministerpräsident, der Schein Ihrer Politik ist ein sozial gerechteres Bildungssystem, das Sein ist eine Verschärfung der sozialen Ausgrenzung.
An Bildung und Innovation entscheidet sich die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Ihre Bildungspolitik aber zeichnet sich durch haarsträubende politische Irrtümer und ideologische Verblendung aus. Sie ignorieren systematisch alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und Tatsachen immer nach dem Motto: Was brauche ich Fakten, wenn ich eine Ideologie habe? Das fängt in der Bildung ganz unten an.
Sie diskutieren munter über beitragsfreie Kindergartenjahre, jetzt allen voran die Bundeskanzlerin, während gleichzeitig die Kommunen – da, wo das konkret gemacht werden muss – mit konkreten Haushaltsentscheidungen Ihrer Landespolitik dazu gezwungen werden, die Kindergartenbeiträge massiv anzuheben. Also, das Gegenteil von dem, was Sie verkünden, müssen die Kommunen machen!
Und der Ärger kommt bei den Kommunen an und nicht bei Ihnen. Das ist das besonders Perfide an dieser Angelegenheit.
Die Familienzentren werden mit 7 Millionen € unterstützt. Ich hatte das so verstanden, Herr Rüttgers, Herr Laschet, dass Sie am 10. Januar noch 15 Millionen € versprochen haben. Herr Laschet, ohne ausreichende Ressourcen können Sie Ihre Familienzentren vergessen.
Dabei sind wir in Deutschland die weltweit Letzten, die an dem Irrsinn festhalten, Kinder in Schubladen aufzuteilen und ihnen damit im Alter von neun Jahren nahezu unüberwindliche Barrieren in den Weg zu stellen.
(Beifall von den GRÜNEN – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das ist die Vorstellung von Mo- derne von Herrn Rüttgers!)
Es ist erstaunlich, dass Sie nicht aufnehmen, was Kommunalverbände sagen, dass Sie nicht aufnehmen, was die Wirtschaft sagt: dass dies falsch ist.
Sie behaupten mit einer Unverschämtheit, die mir wirklich den Atem raubt, dass die Kinder in NRW jetzt gleiche Chancen hätten. Ja, so steht es auf dem CDU-Plakat gleich nebenan am Stadttor. Tatsächlich aber ist Ihr Schulgesetz voll von Maßnahmen, die die bestehende massive Benachteiligung von Kindern aus bildungsfernen Schichten radikal verschärfen werden. Das sagen Ihnen alle ernstzunehmenden Bildungsforscher, und das sagt Ihnen auch die OECD.
Wann endlich werden Sie begreifen, dass das selektive Schulsystem, das Schubladensystem, auf einer völlig überholten Vorstellung davon basiert, wie Kinder lernen? Wann endlich werden Sie sich der wissenschaftlich längst erwiesenen Tatsache stellen, dass die daraus folgende völlig falsche Unterrichtskultur die Hauptursache für das Versagen des deutschen Bildungssystems darstellt?
Wann endlich werden Sie Ihre ideologische Verblendung aufgeben und bildungspolitischer Vernunft weichen lassen?
Jedes Jahr, in dem Sie weiter in die falsche Richtung marschieren, ist ein für immer verlorenes Jahr für die Kinder an unseren Schulen.
Jedes Jahr, in dem Sie weiter an der Schulphilosophie der Kaiserzeit festhalten, ist ein verlorenes Jahr auf dem Weg in die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Das gehört nämlich unmittelbar dazu.
Es reicht nicht, über individuelle Förderung zu reden, man muss individuelle Förderung zum Prinzip jeden Unterrichts machen und es strukturell auch ermöglichen. Denn das Potenzial unserer Kinder ist die wichtigste Ressource, die unser Land hat.
Ich komme zur Weiterbildung. Das finde ich einen besonders dreisten Bruch eines Wahlversprechens, und der wird fortgesetzt, weil Sie im letzten Jahr damit durchgekommen sind. Die Weiterbildung gehört als Säule dazu, wenn es darum geht, lebenslanges Lernen voranzubringen.
Es kommt doch darauf an, nicht nur die Schule als den Ort des Lernens zu verstehen, sondern man muss ein ganzes Leben hindurch lernen. Kaum ein Mensch, der in Arbeit ist, kommt ein ganzes Leben mit dem aus, was er einmal erworben hat, sondern er muss sich kontinuierlich fortbilden und qualifizieren. Deswegen ist die Weiterbildung so wichtig, und deswegen ist es fahrlässig, dass Sie hier entgegen aller Ihrer Ankündigungen besonders drastisch kürzen. Sie scheinen zu glauben, dass die Kommunen das in irgendeiner Weise auffangen können. Die Kommunen, die Sie so sträflich behandeln, sind dazu nicht mehr in der Lage.
Meine Damen und Herren, es geht weiter mit Ihrer Ausblendung der Realität im Bildungsbereich. „Hochschulfreiheitsgesetz“: Welche grandiose Täuschung! Hat jeder, der möchte, die Freiheit zu studieren,
wenn er sich dafür gleichzeitig verschulden muss? Werden die Hochschulen freier, wenn sie vom Land zusätzliche Aufgaben aufgebürdet bekommen, dafür aber im Gegenzug weniger Landesgeld erhalten? Wer hat denn die Gestaltungsfreiheit in der Hochschule, wenn ein Hochschulrat vom Ministerium inthronisiert wird? Ist es ein Freiheitsfortschritt, wenn die studentische Mitbestimmung eingeschränkt wird? Ist es Ihr Verständnis von Freiheit, wenn die Studierenden zu Kunden
Das wäre eine Herausforderung. Da möchten wir bald wissen, wie Sie das angehen, wie Sie mit Ihrer Hochschulpolitik auf den dann notwendigen Anstieg der Studierendenzahlen vorbereiten. Davon ist im Moment nicht das Geringste zu erkennen, meine Damen und Herren.
Dritter Punkt. Der Schein ist Subventionsabbau, das Sein ist der Status quo. Auch in diesem Jahr werden die Subventionsgräber Steinkohle, Landwirtschaft und Flugverkehr mit dreistelligen Millionenbeiträgen gefüllt.
Sie wissen, Herr Ministerpräsident, dass wir Grüne Sie bei dem Ziel, dem Ausstieg aus der Steinkohlesubvention, politisch unterstützen. Dazu stehen wir auch nach wie vor, weil wir das in der Sache ausdrücklich für richtig halten.
Ganz bewusst habe ich in der letzten Woche den Verlauf der Sitzung des Wirtschaftsausschusses persönlich verfolgt. Ich war entsetzt – und bin das nach wie vor –, wie schlecht die Landesregierung vorbereitet ist, um diesen auch von uns gewollten Ausstieg erfolgreich zu meistern.
Sie verhalten sich in hohem Maße fahrlässig. Und Sie, Herr Ministerpräsident, scheinen es im Gegensatz zu Frau Merkel nicht für nötig zu halten, das zur Chefsache zu machen. Wie Herr Stahl sich da einbringt, habe ich außer drei, vier Sätzen auch noch nicht wahrgenommen. Ich habe das nicht wahrgenommen.
Es kann nicht gut gehen, wenn Sie das so weiterlaufen lassen, Herr Ministerpräsident. Das ist ein schwerer Fehler. Wir wissen, wie gut sich die Sozialdemokraten in dieser Frage aufstellen. Wir haben ein gemeinsames Interesse an einer vernünftigen Regelung.
Unseres Erachtens kommt es darauf an, den geplanten Börsengang der RAG zu konditionieren. Der Ausstieg muss festgeschrieben werden. Er muss sozialverträglich erfolgen. Die Altlasten und die bergbaubedingten Schäden dürfen auch nach Auslaufen des aktiven Bergbaus nicht beim Staat