Dieses Projekt „Schule und Kultur“ beinhaltet eine Reihe von Projekten der kulturellen Bildung mit Menschen unterschiedlicher Herkunftsgeschichte.
Ein anderes Beispiel ist das Projekt „Klasse musiziert“ des Verbandes der Musiklehrer gemeinsam mit den Musikschulen unseres Landes. An Schulen in Nordrhein-Westfalen wird wie im Venezuela-Projekt von Anfang an gemeinsam musiziert. In einem Wettbewerb haben vor wenigen Wochen Schulen aus Bünde, Waldbröl und Ahlen in Lüdenscheid gewonnen.
Im Ruhrgebiet wird die Landesregierung die von Bochum ausgehende Aktion „Jedem Kind ein Instrument“ ausdehnen und modellartig fördern.
In Münster entsteht zurzeit als Folgeprojekt der Förderung des Singens in der Grundschule die Aktion „Jedem Kind seine Stimme“ mit einer konsequenten Gesangsschulung für alle.
Was will unser Antrag? – Im Detail gibt es bezüglich der kulturübergreifenden kulturellen Bildung eine Fülle von Fragen, die derzeit in der kulturpolitischen Öffentlichkeit breit diskutiert werden. Die von der Regierung unterstützte Tagung „InterKultur-Komm 2006“ vor wenigen Wochen und das Datenforschungsprojekt Interkultur sind Beispiele aus Nordrhein-Westfalen dafür. Wir wollen eine Anlaufstelle, wo Kompetenzen erarbeitet, die
Durchführung begleitet und die Evaluationen ausgewertet werden. Kulturelle Bildung und soziale Integration sind für die neue Landespolitik nicht nur theoretische Konzepte, sondern sie werden konsequent in der Praxis gefördert. Für die kulturenübergreifende Bildung sieht der Haushaltsentwurf 2007 bereits eine neue Position vor.
Die neue Landespolitik fördert die künstlerisch kulturelle Bildung und macht hoffentlich dauerhaft Schluss damit, dass vielleicht noch Goethe und Schiller über den Deutschunterricht in der Schule vermittelt werden, aber Bach und Beethoven nur wenigen und nur mit einer Kostenbeteiligung vorbehalten bleiben. – Vielen Dank.
Für die zweite antragstellende Fraktion, nämlich die FDPFraktion, hat die Abgeordnete Frau Freimuth das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die ehemalige Kulturstaatsministerin Christina Weiss hat einmal gesagt:
„Wir müssen mehr Kultur wagen, denn die Teilnahme an der Demokratie und an der Kultur sind ähnliche Phänomene. Beides sind keine voraussetzungslosen Selbstverständlichkeiten. Den Menschen muss ein Weg zur Partizipation gebahnt werden.“
Auch wenn ich mit Frau Weiss nicht immer einer Meinung war, kann ich ihr in diesem Punkte nur Recht geben. Kultur und Werte sind zwei Grundvoraussetzungen für gelebte Demokratie. Deshalb ist es wichtig, junge Menschen früh für Kultur zu interessieren und nach Möglichkeit zu begeistern.
Kulturelle Bildung vermittelt Kenntnisse über die Grundlagen der Gesellschaft und gibt Antworten auf die Frage, wer wir sind. Dieser Aspekt der kulturellen Bildung gewinnt vor allem bei der Integration sozial benachteiligter Jugendlicher eine zunehmend hohe Bedeutung.
Das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen ist seit Jahrhunderten von Migration und Zuwanderung geprägt. Mehr als 3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben und arbeiten in Nordrhein-Westfalen. Vielfältige Kulturen bereichern das Land und bringen internationales Flair in unser Alltagsleben. Dennoch gilt es, die Brücken zwischen den zugewanderten und den einheimischen Kulturen zu festigen und auszubauen.
Vor allem junge Migranten haben häufig das Problem, mit verschiedenen, für sie gleichermaßen wichtigen Kulturen umgehen zu müssen. Unsere Aufgabe als politische Verantwortungsträger und Entscheidungsträger ist es, ihnen dieses Zusammenleben mit diesen sich entwickelnden – das sind ja keine statischen Elemente – Kulturen zu ermöglichen und dieses Zusammenleben zu fördern.
Für Jugendliche ist gerade heute das Aufwachsen im Rahmen einer Vielzahl von milieubedingten Kulturen eine zentrale Herausforderung. Die Jugendlichen müssen lernen, dass Identität kein feststehender Kanon von Verhaltensweisen, Einstellungen und Wissensbestandteilen ist, den man bloß zu übernehmen hat, sondern dass Identität im Rahmen eines für jeden Menschen einzigartigen Entwicklungsprozess entsteht. Kulturelle Bildung bietet hierbei sehr gute Chancen zur spielerischen Einübung in sich wandelnder Identitäten.
Kulturelle Bildung leistet einen wichtigen Beitrag zum Bewusstsein über die eigenen Wurzeln und die Anerkennung anderer Kulturen. Unser Ziel ist es deshalb, die verbindenden Potenziale der Künste zu nutzen, um einen lebendigen Dialog der Kulturen in Gang zu setzen.
Kulturelle Bildung leistet ebenso einen großen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. Künstlerische Aktivität und kulturelle Bildung sind wichtig für die Entwicklung von jungen Menschen, für eine differenzierte Wahrnehmung, für das Ausdrucksvermögen, für die Ausbildung einer ästhetischen Intelligenz und schließlich für die Gestaltung des Lebens insgesamt. Durch kulturelle Bildung können Kinder und Jugendliche grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen leisten.
Musizieren in frühen Jahren fördert nachgewiesenermaßen – und dies ist ein besonders gutes Beispiel für den Wert der Kultur für unser Leben – die Ausbildung des Gehirns und der Verbindung beider Gehirnhälften. Die Musikerziehung leistet durch diesen neurologischen Aspekt, aber ebenso durch das positive Gemeinschaftserlebnis einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung. Sie stärkt all die positiven Eigenschaften, auf die wir zwingend angewiesen sind und die das Leben bereichern: Konzentration, Kreativität, Ausdrucksfähigkeit, Selbstvertrauen und noch ein paar weitere.
Das darstellende Spiel oder das Rollenspiel fördern bereits im Kindergartenalter die Lust an Sprache. Wir können auf diese Art und Weise be
reits im Kindergartenalter einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der späteren Lesekompetenz leisten.
Der Umgang mit der Bildsprache durch die Auseinandersetzung mit bildender Kunst gewinnt nicht zuletzt durch den verstärkten Einsatz von Computern in allen gesellschaftlichen Bereichen zunehmend an Bedeutung.
Das Tanzen vermittelt nicht nur Körpergefühl, sondern verlangt auch Disziplin, die in anderen Lebenszusammenhängen oft unverlässlich ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, kulturelle Bildung hat als Teil der Persönlichkeitsentwicklung somit nachweisbare Auswirkungen bei der Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, die wiederum quer durch alle Lebensbereiche Teil der Lebenskompetenz der Menschen sind. Auch in dieser Hinsicht ist ein lebendiger Kulturstandort NordrheinWestfalen zugleich ein integraler Bestandteil des Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen.
Damit junge Menschen erfahren, wie bereichernd die Beschäftigung mit Kunst und Kultur sein kann, müssen sie unabhängig von ihrem familiären oder sozialen Hintergrund und ihrem Wohnumfeld die Chance haben, Kunst und künstlerische Projekte kennenzulernen. Wichtige Orte der Begegnung mit Kunst und Kultur sind dabei insbesondere in ganz jungen Jahren Kindergärten und Schulen. Sie spielen im Leben von Kindern und Jugendlichen eine zentrale Rolle. Deshalb ist es ein zentrales Ziel unserer Politik, die künstlerischkulturelle Bildung in den Schulen und Kindergärten zu stärken. In diesem Zusammenhang bietet vor allem die Ganztagsbetreuung an Kindergärten und Schulen viele große, bislang noch nicht ausreichend ausgeschöpfte Chancen.
Bereits im Februar dieses Jahres hatte die Landesregierung den Anteil an Lehrerstellen im Bereich der Ganztagsbetreuung gegenüber dem Vorjahr verdoppelt und damit die Verzahnung des Vormittags- und Nachmittagsangebotes deutlich verbessert. Mit Beginn des laufenden Schuljahres gibt es in 342 Städten und Gemeinden 2.192 offene Ganztagsschulen. Sie bieten Betreuungsplätze für über 115.000 Kinder.
Die Erfahrungen der Kommunen bei der Entwicklung verlässlicher schulischer Angebote am Nachmittag verdeutlichen auch die Chancen der Bündelung. Die kulturelle Bildung belebt den Schulalltag im Ganztag und gibt wichtige Impulse für die Intensivierung von Kulturangeboten in allen Schulformen. Musikschulen und Bibliotheken gewinnen dabei sowohl im Bereich der kulturellen
An den 162 Musikschulen in Nordrhein-Westfalen erlernen derzeit rund 185.000 Schüler den Umgang mit einem Instrument. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Musikschulen tragen somit in besonderer Weise dazu bei, die kulturelle Bildung und Kompetenz junger Menschen zu verbessern. Diesen Ansatz wollen wir auch weiter verfolgen und auf andere Ausdrucksformen, zunächst im künstlerisch-gestaltenden Bereich, ausweiten.
Die Gestaltung der offenen Ganztagsgrundschulen kann also als wertvoller Impulsgeber zur notwendigen Weiterentwicklung von Schule und Kultureinrichtungen genutzt werden. Darüber sind sich auch alle einig. Jetzt geht es darum, die guten Ansätze konzeptionell zu bündeln und inhaltlich und organisatorisch für die Kooperationspartner gewinnbringend auszugestalten.
Aus diesem Grunde freue ich mich auch, dass wir gemeinsam mit der Landesregierung das Landesprogramm „Kultur und Schule“ ausgestattet und initiiert haben und damit in allen Schulformen künstlerische Projekte ermöglicht haben, bei denen wir Kinder und Künstler zusammenbringen. Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt und auch für ein sehr erfolgreiches Projekt.
Ich würde mich freuen, wenn wir im Ausschuss in die detaillierte Beratung für die Intensivierung und Stärkung der künstlerisch-kulturellen Bildung in den Schulen eintreten könnten. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Künstlerisch-kulturelle Bildung stärken – soziale Integration fördern“ – das ist ein wichtiges und im Moment sehr breit diskutiertes Thema. Ich glaube, im Moment findet innerhalb und außerhalb unseres Plenums keine kulturpolitische Debatte statt, ohne auf diesen Punkt hinzuarbeiten. Insoweit begrüßen wir den vorliegenden Antrag. Ich sage aber gleich dazu: Bitte vermeiden Sie es, bei diesem Thema einen Alleinvertretungsanspruch zu reklamieren, meine Damen und Herren.
Alle in diesem Landtag vertretenen Fraktionen haben nämlich bereits im Jahre 2001 einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu einer „Integ
„In den Schulen ist die interkulturelle Erziehung voranzutreiben. … Die interkulturelle Erziehung soll zu gegenseitigem Verständnis befähigen und dazu, Unterschiede zu erkennen und zu akzeptieren.“
Ich verzichte jetzt darauf, weiter zu zitieren. Ich will damit nur deutlich machen, dass wir den Startschuss bereits im Jahre 2001 gegeben haben – natürlich auch als Reaktion auf sehr schwierige gesellschaftliche Situationen; ich erinnere hier an die Anschläge in New York, die sich erst vorgestern gejährt haben.
Damals wurde auch vom zuständigen Kulturministerium – Herr Vizepräsident Vesper – ein Referat „Interkulturelle Kulturangelegenheiten/Dialog der Kulturen“ eingerichtet. Es gab mehrere Workshops zum Thema „Grenzüberschreitungen“. Schließlich bekamen 15 interkulturelle Pilotprojekte in den Kommunen eine Förderung.
Zuletzt wurde im Dezember 2004 das „Kommunale Handlungskonzept Interkultur“ ausgeschrieben, an dem sich mehrere Kommunen beteiligten. Auch die von Ihnen beispielhaft angeführte Stadt Essen hat sich an diesem Handlungskonzept beteiligt.
Aufgrund dieser Initiative hat sich in diesem Land sehr viel entwickelt. Herr Sternberg, Sie haben dankenswerterweise ja auch einige Beispiele genannt. Wir müssen nicht nach Venezuela gehen. Es gibt hervorragende Beispiele in NordrheinWestfalen, wo am Thema kulturelle Bildung und interkulturelle Bildung gearbeitet wird.
Diese gelungenen Beispiele finden sich – da muss ich Ihnen leider Recht geben – meistens außerhalb von Schule. Sie finden sich in Bereichen der soziokulturellen Kinder- und Jugendarbeit, bei kommunalen Projekten des Tanzes, der Theatergruppen und vor allem auch in der Musik. Ich meine, es ist wichtig, diese Projekte in Schule zu übertragen. Sie können hier auch als Beispiel dienen.
Bezogen auf einige Aspekte will ich in die Details Ihres Antrags gehen. Sie haben im Prinzip drei Themen angeschnitten.
Das erste Thema ist die künstlerisch-kulturelle Bildung. Sie ist ein allgemeinpolitischer und bildungspolitischer Wert, der in der bildungspolitischen Debatte der vergangenen Jahre leider sehr schlecht wegkam, weil die Allgemeinbildung auf der anderen Seite stark ökonomisiert worden ist. Die Debat
te über die Wichtigkeit von verwertbarer Bildung – sprich: Kernfächer Mathematik, Deutsch, Englisch, Informatik – hat in die Definition des Bildungsbegriffs den ökonomischen Verwertungsprozess betont.
Ich frage Sie: Kann unsere Gesellschaft es sich wirklich leisten, dass Mathematik, Englisch und Informatik obligatorisch sind, nicht aber ein Fach, in dem es ausdrücklich um Orientierungswissen geht? – Ich glaube nicht. Eine einseitige Ausrichtung auf den Arbeitsmarkt und die Vernachlässigung der anderen Dimensionen von Bildung und Erziehung halte ich für eine Verengung und letztlich auch gegen unseren demokratischen Wertekonsens gerichtet.
Die künstlerisch-kulturelle Bildung ist für alle wichtig. Sie befähigt Kinder und Jugendliche, sich künstlerisch auszudrücken, ästhetische Werte zu bilden und individuelle Interpretations- und Sichtweisen zu entwickeln.