Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Meine Damen und Herren, die von der Bundesregierung erklärte Absicht, konsequent gegen das Preisdumping bei Lebensmitteln vorzugehen, mag ein richtiger Schritt zur Lösung des Problems sein. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass nach dem Verursacherprinzip vorgegangen werden muss. Den Gesetzesbrechern muss das Handwerk gelegt werden. Es wäre ein Unding, die vor Manipulation zu schützenden Verbraucher mit höheren Preisen zu belasten. Auf diese Weise würden die Falschen bestraft.

Auch der Einzelhandelsverband lehnt konsequenterweise die Pläne gegen Dumpingpreise als Ablenkungsmanöver ab.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist abgelaufen; ich komme zum Schluss. Ich bin mir sicher, dass wir mit der konsequenten Umsetzung aller Punkte des gemeinsamen Beschlusses vom 7. September und mit der Verabschiedung des Verbraucherinformationsgesetzes den zurzeit größtmöglichen Schutz der Verbraucher und die höchstmögliche Lebensmittelsicherheit erreichen werden. – Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Fasse. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Schulze.

Meine Damen und Herren! Jetzt gibt es schon wieder einen Gammelfleischskandal! Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir hier letztes Jahr in trauter Runde zusammensaßen und darüber gesprochen haben und breit verkündet wurde: Wir haben einen 15-Punkte-Katalog, wir haben einen 10-PunkteKatalog! Alles wird gut! Regen Sie sich mal nicht so auf! – Was haben wir jetzt? Wieder Gammelfleisch!

Ich finde, Ralf Münstermann hat in der „Westfälischen Rundschau“ vom 8. September die passende Bezeichnung für die Pläne gefunden, die da jetzt von der Landesregierung kommen. Er hat gesagt, das, was Herr Minister Uhlenberg jetzt erneut vorschlage, sei alles kalter Kaffee.

(Beifall von der SPD)

Ich sage: Herr Uhlenberg, das politische Mindesthaltbarkeitsdatum für das, was Sie da jetzt wieder auf den Weg bringen, ist schon lange abgelaufen. Das ist schon kurz vor dem Gammeligwerden. Das wird auch durch Umetikettieren und mit neuem Datum versehen nicht besser.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns einmal ganz genau ansehen, was sich in den letzten anderthalb Jahren verändert hat. Was ist wirklich besser geworden? Werden Ross und Reiter jetzt wirklich genannt? Nein! Die CDU hat im Verbraucherinformationsgesetz mit dafür gesorgt, dass das eben nicht möglich ist.

Frau Fasse, wir haben doch kein Problem mit zu viel Information, wie Sie das eben ausgeführt haben. Wir haben ein Problem mit zu wenig Information. Deshalb werden Verbraucherinnen und Verbraucher unruhig.

Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten ein weitergehendes Verbraucherinformationsgesetz machen können. Das ist jetzt der erste Schritt auf der Bundesebene. Weiter sind wir mit Ihnen da leider nicht gekommen.

Was hat sich noch verändert? Werden Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen jetzt öffentlich gemacht? Ist es für Verbraucher transparent, wer untersucht wird? Nein, ist es nicht! Werden schärfere Kontrollen gemacht? Minister Uhlenberg kündigt das an. Aber vor Ort ist es inzwischen so, dass die Kolleginnen und Kollegen, die das durchführen sollen, sogar an die Presse gehen und um mehr Personal bitten. In der „taz“ vom 5. September hat Herr Dannemann vom Lebensmittelüberwachungsamt in Wuppertal gesagt, dass er deutlich zu wenig Personal hat. Meine Damen und Herren, der Druck in der Behörde muss schon enorm groß sein, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sogar an die Presse gehen.

Wie wird Gammelfleisch in Deutschland üblicherweise gefunden? Üblicherweise durch „Kommissar Zufall“ – und nicht dadurch, dass hier wirklich kontrolliert und solide gearbeitet wird.

(Widerspruch von der CDU)

Da muss man sich doch die Frage stellen: Wie geht man gegen diese Gammelfleischmafia vor? Dazu hat Tanja Busse in der „Zeit“ vom 7. September, glaube ich, genau das Richtige geschrieben. Ich zitiere:

„Alle Skandale, vom Rinderwahnsinn BSE bis zum Gammelfleisch, haben aber gezeigt, dass

zwei Phänomene die größten Gefahrenquellen darstellen: die industrialisierte Produktion und die Unüberschaubarkeit des Fleischhandels.“

Ich glaube, da sind wir genau am Kern des Problems.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Fleischverarbeitung ist unübersichtlich. Es gibt hier sehr, sehr viele Stufen. Es ist nicht klar, wer eigentlich für was verantwortlich ist. Der eine erzeugt, der nächste verarbeitet, ein weiterer verpackt, dann gibt es noch einen Zwischenhändler, der nur mit tiefgekühltem Fleisch handelt. Erst dann geht das Fleisch in den Handel. Ich glaube, dass in Wirklichkeit diese vielen Stufen, die wir in der Fleischverarbeitung haben, das Problem sind.

Minister Uhlenberg, Sie stehen genau für dieses Agro-Business. Sie forcieren mit Ihrer Landwirtschaftspolitik, dass es noch mehr in diese Richtung geht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Wider- spruch von der CDU)

Wir brauchen ein Netzwerk der Qualitätssicherung über alle Stufen der Fleischproduktion. Wir brauchen über alle Stufen der Fleischproduktion Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Damit meine ich nicht das QS-Siegel. Das ist an diesem Punkt völlig unbrauchbar. Wir müssen stärker an die einzelnen Stufen ran.

(Zustimmung von der FDP)

Die SPD-Fraktion bleibt bei dem, was sie schon in ihrem Antrag im März gefordert hat: mehr Transparenz für die Verbraucher, mehr Rechte für die Arbeitnehmer in der Fleischindustrie und mehr staatlichen Überwachungsdruck. Wir sind dafür, dass man, ähnlich wie auf der Bundesebene das Bundesinstitut für Risikobewertung, auch auf der Landesebene ein solches Institut schafft, eine Landesbehörde für Risikobewertung.

Das ist mir am PFT-Skandal noch einmal sehr deutlich geworden. Das Bundesamt für Risikobewertung sagt, es gilt ein bestimmter Grenzwert. Wir wissen, in der Möhne war beziehungsweise ist PFT. Die Fische dort haben einen PFT-Anteil. Aber das Ministerium sagt: Wir veröffentlichen das erst einmal nicht, weil wir die Verbraucher nicht beunruhigen wollen. – Damit lassen Sie die Verbraucherinnen und Verbraucher im Nebel stehen. Das kann doch nicht sein! Es muss ein unabhängiges Institut geben, das sagt: Da sind diese und jene Grenzwerte. Diese Fische können Sie essen beziehungsweise nicht essen. – Wir müssen

Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen.

(Beifall von der SPD)

Genau das Gleiche beim Genreis von Aldi: Es kann doch nicht sein, dass erst Greenpeace aufdeckt, dass in Europa jeder fünfte Reis gentechnisch verseucht ist. Was ist denn da mit der Koexistenz und der Transparenz? Wo ist die Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher? Ich finde, den Job der Lebensmittelkontrolleure können wir hier in Nordrhein-Westfalen nicht Greenpeace überlassen.

Meine Damen und Herren, für mich wird in dieser Auseinandersetzung sichtbar: Wir haben keinen aktiven Verbraucherminister. Es ist deutlich: Lebensmittelskandale wiederholen sich. Es wird wahrscheinlich auch in Nordrhein-Westfalen noch mehr aufgedeckt werden als das, was wir jetzt in Heinsberg gesehen haben. Wir haben nicht nur Probleme in Bayern, wir haben auch Probleme in Nordrhein-Westfalen. Minister Uhlenberg, es ist Ihre Aufgabe, jetzt dagegen vorzugehen. Wenn unser System insgesamt so klasse wäre, dann wären diese Fleischskandale wohl nicht passiert.

Deshalb sind entweder die Strukturen falsch, die wir haben, oder es wird nicht kompetent und angemessen gehandelt. An diesem Punkt ist die Politik gefordert. Wir brauchen einen Verbraucherminister in Nordrhein-Westfalen. Ich finde es sehr schade, dass wir in Nordrhein-Westfalen scheinbar keinen Verbraucherminister mehr haben.

(Zuruf von der CDU: Das ist unverschämt!)

Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Schulze. – Für die FDP spricht nun Herr Kollege Ellerbrock.

(Zuruf von der SPD: Nicht alles privatisieren, Herr Ellerbrock!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde lautet: „Verbraucher wirksam schützen – Lebensmittelkontrollen optimieren“. – Frau Schulze, ich gratuliere Ihnen zur Fähigkeit auszublenden, dass es Ihre Koalition war, die zehn Jahre für den Verbraucherschutz Verantwortung getragen hat. Herzlichen Glückwunsch, das war eine perfekte Leistung!

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, der Schutz der Verbraucher vor ungenießbaren, verdorbenen Lebensmitteln hat natürlich Priorität. Solche Ware darf gar nicht erst in den Handel kommen. Wer mit Fleischmüll handelt, ist kriminell. Darüber sind wir uns in diesem Hause, glaube ich, wirklich einig. Diese schwarzen Schafe schaden der gesamten Branche – vom Produzenten über den Handel bis hin zum Kaufmann an der Ecke. Dieses kriminelle Treiben muss unterbunden werden – aus Sicht der FDP sogar bis hin zu Berufsverboten. Hier muss konsequent gehandelt werden.

Die Landesregierung aus FDP und CDU hat im vergangenen Jahr im Verbraucherschutz ein schweres Erbe übernommen.

(Beifall von FDP und CDU – Svenja Schulze [SPD]: Oh!)

Frau Schulze, lesen können, das ist ein guter Standortfaktor. Der „Spiegel“ von gestern hat es deutlich gemacht: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen bescheinigt der rot-grünen Landesregierung auf der Basis des Jahres 2004 die letzte Stelle im Ranking der einzelnen Bundesländer.

(Beifall von FDP und CDU – Svenja Schulze [SPD]: Und Sie selbst bauen weiter ab!)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Zehn Jahre Rot-Grün haben dazu geführt, dass wir im Verbraucherschutz nicht weitergekommen sind. Lassen Sie mich in dem Zusammenhang Folgendes in Erinnerung rufen: 1996 gepanschtes künstliches Apfelsaftkonzentrat, 1997 Fischwürmer in Fischprodukten, 1999 dioxinverseuchte Lebensmittel aus Belgien, 2001 Antibiotika in Schrimps, 2002 nitrofenverseuchtes Biogetreide, 2002 Pestizide in nordafrikanischen Erdbeeren, 2002 Umweltgifte in belgischen Futtermitteln, 2002 Acrylamid aus Röstprodukten und aus Pommes Frites, 2004 Dioxin in Freilandeiern. – Ich habe danach gesagt: Bitte nicht weiter nachforschen. Wir könnten die Liste leider noch fortsetzen.

Tatsache ist, dass dies alles bekannt war. Tatsache ist, dass Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen, wenn überhaupt, dann nur unzureichend gehandelt hat. Die Ratschläge, die Frau Höhn jetzt im Exil aus Berlin schickt,

(Zuruf von der SPD: Im Exil?)

kann ich nicht nachvollziehen, denn sie hätte hier verantwortlich handeln müssen. Sie hat in zehn Jahren nichts erreicht. Umweltminister Uhlenberg

hat in einem Jahr mit seinem 15-Punkte-Programm wesentlich mehr erreicht,

(Beifall von FDP und CDU)