Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

(Zuruf von Minister Eckhard Uhlenberg)

Danach liegen die PFT-Werte bei Fischen im Möhnesee teilweise um das Zehnfache über dem Grenzwert. Für den Verzehr seien diese Fische nicht geeignet. Jetzt kommt die Passage, auf die ich mich beziehe: Nachdem die Werte seit Mitte vergangener Woche – Artikel von heute –, also seit gut zwei Wochen beim Umweltministerium des Landes vorliegen,

(Hannelore Kraft [SPD]: Hört, hört! – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Hört, hört!)

aber noch nicht veröffentlich wurden, erklärte Rainer Große, beim Gesundheitsamt des Kreises Soest zuständig für die Gesundheit: Offensichtlich sind diese Werte im Umweltministerium bekannt. – Sie liegen Ihnen vor. Sie sind beim Gesundheitsamt bekannt, aber Sie veröffentlichen diese Werte nicht.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Das deute ich in zweierlei Hinsicht. Das eine ist: Es gibt Chaos in Ihrem Haus, und Sie sind über diese Vorgänge nicht informiert. Und das andere ist: Sie kennen diese Werte, wollen die aber der Öffentlichkeit nicht weitergeben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das, Herr Uhlenberg, müssen Sie dann schon hier und heute erklären.

Auch so manche andere Frage haben Sie nicht beantwortet. Was soll denn mit dem Boden passieren?

(Zuruf von Minister Eckhard Uhlenberg)

Soll der ausgetauscht werden? Es gibt an vielen Stellen diese Böden; bis zu 60 Zentimeter ist es mittlerweile eingedrungen. Was passiert mit dem Möhnewasser? Es gibt in der Region das Gerücht, dass der Möhnestausee um die Hälfte abgelassen werden soll, damit man das sozusagen die Ruhr heruntergehen lassen kann.

Was passiert da? – Sie weisen darauf hin, dass Sie Untersuchungen machen. Das ist alles richtig und gut und schön. Aber in der Region als Ansprechpartner für die Sorgen der Menschen steht das Ministerium, steht die Landesregierung nicht zur Verfügung. Da ist Fehlanzeige.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich erwarte von jemandem, der sich um die Sorgen der Menschen in diesem Lande kümmert, dass er Angebote macht, dass er Gespräche organisiert und dass es möglicherweise Konferenzen gibt. Diese Problemlagen kann man nicht im Raum stehen lassen und aussitzen.

Wenn es um die Frage geht, wie intensiv Sie verfolgen, woher das Zeug kommt. Erst auf unseren Hinweis hin haben Sie Ihre Ebene, von Minister zu Minister, eingeschaltet. Vorher hieß es immer, die Beamten tauschen sich aus. Natürlich geht es per Telefon, und das geht auch schneller als drei Monate. Es kann mir niemand erzählen, dass man, wenn man so einen Sachverhalt zur Chefsache macht, schnelle Ergebnisse erzielt.

Für jeden, der sich in diesen Zusammenhängen auskennt, ist doch klar: Bei Lieferungen aus dem Ausland gibt es Lieferscheine, die entsprechend gekennzeichnet sein müssen. Da gibt es entweder eine rote Kennzeichnung für gefährlich oder eine gelbe oder eine grüne Kennzeichnung. Das ist doch einfach nachzuvollziehen. Sie können uns doch hier nicht erklären, dass das drei Monate dauert. Bis heute liegen immer noch keine Ergebnisse vor. Es ist beschämend, dass Sie uns in dieser Hinsicht keine weiteren Daten liefern können, als Sie schon die ganze Zeit der Öffentlichkeit erzählen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann zu der Frage der Verantwortung: Auch da, meine Damen und Herren, gibt es eine Seite der Wahrheit, die hier geflissentlich verschwiegen wird. Ich weiß auch, warum. Weil es nämlich dieselben Akteure waren, die seinerzeit heftig gegen Initiativen sowohl der Ministerin als auch meiner Fraktion gekämpft haben. Wir haben doch ein verändertes Landeswassergesetz. Das gibt Ihnen doch die Option, per Rechtsverordnung festzulegen, welche Technik in Nordrhein-Westfalen anzuwenden ist. Sie haben von dieser Rechtsoption bis heute keinen Gebrauch gemacht.

Es gibt Ihnen weiter die Handhabe, per Rechtsverordnung festzulegen, in welcher Weise und mit welchen Parametern in Nordrhein-Westfalen über die Trinkwasserverordnung hinaus geprüft werden kann, welche Bestandteile im Wasser sind. Sie haben auch von dieser Option keinen Gebrauch gemacht. Aber es ist dieses Gesetz, gegen das Sie Sturm gelaufen sind, als Sie noch in der Opposition waren. Es ist dieses Gesetz, das Sie heute wieder verändern wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gehört auch zur Wahrheit, das hier und heute zu sagen. Ich gehe noch ein Stück weiter: Zur Vorbereitung, dass es überhaupt zu einem Gesetz gekommen ist, in dem wir die Problematik mit den diffusen Einträgen – nicht nur PFT, sondern Arzneimittel usw.; ich habe es Ihnen schon aufgezählt – aufgreifen, waren diverse fachliche Beiträge notwendig. Diese fachlichen Beiträge, die keine Auswirkungen haben, haben Sie hier im Parlament bekämpft. Sie haben Anhörungen zu einer Dokumentation des Umweltministeriums bezogen auf die Leistungen der Kläranlagen im Ruhrgebiet beantragt. Sie wollten diese Zahlen in Ihrer damaligen Funktion als Opposition einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Da können Sie sich heute auch nicht hier hinstellen und bemängeln, da hätte man schon längst etwas tun sollen. In Zusammenspiel mit den Kommunen und den Wasserwerken waren Sie mit für eine Obstruktion über eine lange Zeit verantwortlich. Sie haben bis heute die gesetzlichen Möglichkeiten, die vorhanden sind, nicht genutzt.

Lassen Sie mich noch einen letzten Aspekt nennen, wenn es um die Frage der Nachrüstung geht. Da geht es nicht nur um das Wasserwerk im Möhnebogen. Wir haben eine Vielzahl von Wasserwerken entlang der Ruhr, die entweder keine Ozonierung oder Aktivkohle haben oder die die Aktivkohle nur für den Fall vorhalten, dass irgendetwas passiert. Dieser aktuelle Fall zeigt aber, dass es dann zu spät ist.

Noch einmal: Wenn ein schwarzes Schaf durch den Zaun durchbricht, dann gehen auch andere durch. Deswegen muss man hier präventiv aufrüsten. Es ist Ihre Aufgabe, das jenseits von Monitoringprogrammen schnell umzusetzen.

Eine abschließende Bemerkung – ich möchte bewusst nicht näher auf den Kollegen aus dem Hochsauerlandkreis eingehen –: Sie sollten sich gut anschauen, wen Sie da zum Kronzeugen benennen. Im Übrigen ist die Strafanzeige zurückgezogen. Auch das dient der Wahrheitsfindung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nun hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Ellerbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Remmel, es ist schon seltsam, wenn Sie das Parlament auffordern, sich die Mitglieder der grünen Kreistagsfraktion kritisch anzuschauen. Sie können sicher sein: Wir werden sämtliche Mitglieder, nicht nur die der grünen Par

tei, auch der eigenen, kritisch bewerten. Wir nehmen das als freundliche Aufforderung an.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Der nächste Punkt: Ich stimme Frau Schulze ausdrücklich zu. Es geht nicht darum, dass wir uns hier über Techniken unterhalten. Auch in der letzten Legislaturperiode war es eine Gemeinsamkeit, dass wir verhindern wollten, dass bestimmte Techniken gegenüber anderen Techniken Präferenzen bekamen. Unsere Aufgabe ist es, Werte vorzugeben. Wie dieser Wert erreicht wird, ist völlig egal. Damit würden wir wieder in diese NanoDiskussion kommen. Das wollen wir ja nicht.

Zum Zweiten, Frau Schulze: Ich habe hier die Bewertung von PFOA im Trinkwasser des Hochsauerlandkreises. Das ist die Stellungnahme der Trinkwasserkommission beim UBA in der Überarbeitung vom 13. Juli. Darauf bezogen sich meine Aussagen. Da steht zu lesen, dass weder PFO noch PFOA ein primäres gentoxisches Wirkungspotenzial besitzen. Sie vermögen also die DNA weder mit noch ohne Metabolisierung unmittelbar selbst anzugreifen.

Dann kommt das, was ich zitiert habe: Zumindest ein sekundär gentoxisches Wirkungspotenzial kann nicht zu 100 % ausgeschlossen werden. Das zeigt doch, dass wir mit diesem Panikmachen vorsichtig sein müssen, wenn wir hier überhaupt nicht sagen können, welches wirkliche Gefährdungspotenzial da ist.

Ich bin sogar so weit gegangen und sage: Im Sinne des Vorsorgegesichtspunktes gehört PFT nicht ins Trinkwasser. Wir müssen uns zuerst darüber unterhalten, wie wir es schaffen, dass es erst gar nicht in den Kreislauf hineinkommt. Erst an zweiter Stelle steht die Frage: Wie kriegen wird das, was drin ist, wieder raus?

Jetzt noch zu einem Grundsatzproblem, das Kollege Remmel eben angesprochen hat: REACH. Es ist typisch, dass jetzt gefordert wird, alle Stoffe zu untersuchen. Wer alle Stoffe nach den REACH-Kriterien untersuchen möchte, der will in Wirklichkeit überhaupt nichts untersuchen. Die Forderung, jetzt mehr als 100.000 Stoffe nach den REACH-Kriterien zu untersuchen, Stoffe, von denen 30.000 völlig problemlos in unserer Umwelt seit Jahren existieren, hat uns veranlasst zu sagen, dass die gesundheitlichen Auswirkungen, die im Zusammenhang mit der REACH-Untersuchung durchzuführen sind, nicht vom Staat festgestellt werden müssen, sondern von denjenigen, die davon Ahnung haben, also von den Berufsgenossenschaften und den Gewerkschaften, denn de

ren Mitglieder stehen mit den Gummistiefeln tagtäglich stundenlang in diesen Stoffen.

Auch die Gewerkschaft IGBCE hat sich für einen mengenbezogenen und risikobezogenen Ansatz ausgesprochen. Denn damit kann man da anfangen, wo ein Risiko besteht, anstatt mit der Nadel im Heuhaufen herumstochern und somit alle Stoffe zur gleichen Zeit untersuchen zu wollen.

Hier gilt unser klares Motto: Ihre besten Absichten führen leider zu einer Nullwirkung. Uns geht es nicht um die besten Absichten. Wir machen eine Politik der besten Erfolge. Deswegen sagen wir: Risikobewertung, Mengenbegrenzung, und dann sehen wir weiter. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Nun hat Herr Minister Uhlenberg noch einmal um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nehme jetzt nicht mehr zu all den Punkten Stellung, weil ich das umfassend mit einer um acht Minuten verlängerten Redezeit zu allen Punkten eben getan habe.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Frau Abgeordnete Schulze, ich verstehe deswegen überhaupt nicht, wieso Sie wieder beklagen, es wäre nicht gesagt worden, woher PFT komme. Im Ausschuss und auch heute haben wir es in der gesamten Breite dargestellt. Deswegen möchte ich mich jetzt auf zwei, drei Punkte konzentrieren.

Natürlich sind die Verbraucher in der Region verunsichert. Es ist doch völlig klar, dass, wenn PFT auftritt, die Verbraucher verunsichert sind.

Aus Vorsorgegründen haben wir am 18. August eine Verzehrsempfehlung für die Fische am Möhnesee herausgegeben, wonach der Verzehr aus dem Möhnesee einzuschränken ist – bis Klarheit besteht. Diese Empfehlung ist nach wie vor aktuell.

Natürlich gibt es in den nächsten Tagen weitere Zahlen. Wenn sich die Werte verschlechtern, dann wird das ins Internet gestellt.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Und wenn die Einschränkung nicht ausreicht, kann man überhaupt keinen Fisch mehr aus dem Möhnesee essen. Wir informieren nicht über irgendwelche Zahlen, Herr Abgeordneter Remmel.

Es gibt Zahlen von unterschiedlichen Instituten, die wir werten müssen. Wenn wir sie im Internet des MUNLV veröffentlichen, müssen sie auch stimmen und so aufgearbeitet sein, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher und insbesondere die Angler am Möhnesee daran halten können. Das werden wir heute Nachmittag weiter aufarbeiten, weil es jetzt neue Zahlen gibt. Es wird auch morgen – das wird immer einige Tage vorher angekündigt – weitere Zahlen aus dem Einzugsbereich des Möhnesees geben.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Sind die vor- liegenden Zahlen dann falsch?)

Dann stellen wir alle Zahlen ins Internet und werden, wenn es notwendig ist, eine neue Empfehlung aussprechen.

Zur Wasserqualität: Ich bin stolz darauf, dass ich mit der Wasserwirtschaft an der Ruhr diese Vereinbarung getroffen habe. Warum hat man sie nicht eher getroffen? – Diese Vereinbarung ist einfach notwendig, um mit den neuen Herausforderungen – sei es im Zusammenhang mit PFT oder mit der Medikamentenproblematik – klarzukommen. Wir arbeiten nicht mit Rechtsverordnungen, sondern gehen den sinnvollen Weg der Kooperation mit der Wasserwirtschaft in NordrheinWestfalen.