Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Zur Wasserqualität: Ich bin stolz darauf, dass ich mit der Wasserwirtschaft an der Ruhr diese Vereinbarung getroffen habe. Warum hat man sie nicht eher getroffen? – Diese Vereinbarung ist einfach notwendig, um mit den neuen Herausforderungen – sei es im Zusammenhang mit PFT oder mit der Medikamentenproblematik – klarzukommen. Wir arbeiten nicht mit Rechtsverordnungen, sondern gehen den sinnvollen Weg der Kooperation mit der Wasserwirtschaft in NordrheinWestfalen.

Über diesen Weg der Kooperation kommen wir schneller zum Ziel. Sie sind in den vergangenen Jahren nicht am Ziel angelangt, weil sie gar nicht mehr miteinander geredet haben. Deshalb hat es bei der Wasserqualität in Nordrhein-Westfalen vonseiten des MUNLV und der Wasserwirtschaft keine Verbesserung gegeben. Das wird in diesen Monaten aufgearbeitet.

Herr Abgeordneter Remmel, Ihre Entschuldigung nehme ich nicht an. Ich gehöre dem Landtag Nordrhein-Westfalen nun 22 Jahre an. Ein solcher Stil ist mir noch nicht begegnet.

(Beifall von CDU und FDP – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Das ist aber hart!)

Sie werden sowieso Wiederholungstäter sein. Deswegen lohnt es sich nicht, dass Sie sich bei mir entschuldigen.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, alle Fraktionen haben noch Redezeit, aber es sich niemand mehr gemeldet. Deshalb schließe ich die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2481 ab. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Grünen abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/2488. Hier ist keine direkte Abstimmung vorgesehen, sondern der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend –, den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform sowie den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zur Mitberatung. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung zustimmen? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Wir kommen zu:

3 Umsteuern beim „Solidarpakt Ost“ – Belastungen der NRW-Kommunen angemessen berücksichtigen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2484

Ich weise auf den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/2542 hin.

Ich eröffne die Beratung. Als erste Rednerin hat für die antragstellende Fraktion die Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Frau Abgeordnete Kraft, das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern Nachmittag, 15:54 Uhr, kam eine DPA-Meldung über den Ticker. Der Titel lautete: Sachsen kommt wahrscheinlich schon 2006 ohne Neuverschuldung aus. – Es handelte sich um eine Bekanntmachung des Ministerpräsidenten Georg Milbradt.

Dies freut uns sehr. Diese Erfolge sind auch für die Menschen hier im Lande wichtig. Denn sie

zeigen, dass Solidarität Früchte trägt; das ist das Entscheidende an solchen Meldungen. Es war die Solidarität der wirtschaftlich Starken mit den wirtschaftlich Schwachen. Auch die Kommunen im Lande Nordrhein-Westfalen haben ihren Beitrag zu dieser Solidarität geleistet. Hierzu gebühren ihnen unser Dank und unsere Anerkennung.

(Beifall von SPD, CDU und GRÜNEN)

Für uns – das schicke ich dieser Diskussion voraus – hat die innerdeutsche Solidarität einen sehr hohen Stellenwert. Unser Antrag zielt darauf ab – das möchte ich dick unterstrichen wissen –, die Solidarität bei den Menschen in diesem Lande zu erhalten.

Wir wissen, die Lage der Kommunen hier im Land ist schwierig. Rund die Hälfte der 396 Gemeinden steht unter Haushaltssicherung, 116 davon haben sogar einen Nothaushalt. Trotzdem haben unsere Kommunen in den Jahren 1996 bis 2005 stolze 7,11 Milliarden € an Solidaritätsleistung erbracht.

Die Summe an sich ist schon eine gewaltige Leistung. Aber die Zahl ist umso eindrucksvoller, wenn wir uns noch einmal klarmachen, wer diese Leistungen erbracht hat und woher dieses Geld kommt.

Rund 10 % des Geldes, nämlich 693 Millionen €, haben die zehn Gemeinden mit den höchsten Kassenkreditständen aufgebracht. 2,82 Milliarden € kommen aus den Gemeinden mit vorläufiger Haushaltsführung. Die Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzept haben rund 1,93 Milliarden € aufgebracht.

Für alle drei Gruppen gilt: Sie haben sich das Geld leihen müssen, um solidarisch sein zu können. Das ist das Problem, über das wir heute mit unserem Antrag reden.

Ich darf auch ganz deutlich sagen, weil ich weiß, dass sonst Kritik von CDU und FDP kommt – wir haben auch im Antrag sehr deutlich ein Stück Selbstkritik zum Ausdruck gebracht –: Die Zahlungen, die die Kommunen heute erbringen, sind im Jahre 2001 vereinbart worden. Das heißt, die SPD war im Bund, im Bundestag, aber auch hier im Land beteiligt.

(Christian Lindner [FDP]: Beteiligt?)

Wir waren beteiligt, wir haben es mit entschieden. Da will ich nichts beschönigen. Wir haben diese Regelung mit getroffen. Und heute müssen wir selbstkritisch feststellen, dass es nicht richtig war, die Belastung der Kommunen für einen so langen Zeitraum, nämlich bis 2019, festzuschreiben.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Seitdem hat sich nämlich die finanzielle Lage der Kommunen drastisch verändert. Die Annahmen, von denen damals Bund und Länder ausgegangen sind, sind leider in manchen Fällen nicht Realität geworden.

Es geht jetzt darum, dass unsere Kommunen schlicht und einfach überfordert wären, wenn wir ihnen weiterhin diese Lasten in der vereinbarten Höhe aufbürdeten. Wir dürfen die Kommunen nicht überfordern. Das ist das Credo der SPDFraktion.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das gilt insbesondere, weil sich im Osten, wie ich eingangs sagte, die Situation an vielen Stellen positiv verändert. Das gilt nicht nur für Sachsen. Es ging vorher schon um die Stadt Dresden, die jetzt schuldenfrei ist. Ich sage sehr deutlich: Auch das ist eine sehr gute Entwicklung.

Hinzu kommt, dass wir aus wissenschaftlichen Untersuchungen inzwischen wissen, dass ein großer Teil der Mittel, die dort eingesetzt werden, zweckfremd eingesetzt wird. Das heißt, die Mittel werden konsumtiv und nicht investiv eingesetzt, wie es im Solidarpakt vorgeschrieben ist. Das ist eine Fehlentwicklung. Da muss nachgebessert werden, und da reicht ein Rückgang um 4 % von 66 auf 62 %, wie heute zu lesen ist, wahrlich nicht aus.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir alle müssen daran mitwirken, dass die Mittel vernünftig eingesetzt werden.

Die Nachrichten über die gute Entwicklung in Dresden haben eine Debatte ausgelöst, die die Menschen in diesem Land bewegt. Die Menschen sehen nämlich, dass bei uns Kommunen mit hoher Arbeitslosigkeit und schlechter Finanzkraft keine Unterstützung erhalten, sondern noch mit teuer geliehenem Geld den Aufbau im Osten mitfinanzieren. Damit sind die Menschen in diesem Land nicht einverstanden. Ich sage ehrlich: Das kann ich verstehen; das geht mir genauso. Sie und wir fordern eine gleiche Behandlung für gleiche Probleme. Eine arme Stadt ist eine arme Stadt, egal ob in Ost- oder in Westdeutschland.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es geht dann auch darum, dass innerhalb der kommunalen Familie in Deutschland – wir bezeichnen das ja immer gern als kommunale Familie –, wenn man das einmal deutschlandweit betrachtet, Lasten und Hilfestellung fair und gerecht

verteilt werden. In dieser Situation ist es nach unserer Überzeugung dringend erforderlich, nachzusteuern, um Solidarität zu erhalten.

Für uns gelten bei der Suche nach Lösungen, wie man dieses Problem anpacken kann, zwei Grundsätze. Als erster Grundsatz muss gelten: „Bedürftigkeit statt Himmelsrichtung“. Das ist der wichtigste Grundsatz dabei.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Man könnte auch sagen: Was Dresden nicht braucht, muss Gelsenkirchen bekommen.

(Beifall von der SPD)

Das war der Applaus der Gelsenkirchener Abgeordneten.

Zweitens: Die Solidaritätsaufwendungen der Kommunen müssen schrittweise zurückgeführt werden.

(Beifall von der SPD)

In der jetzigen finanziellen Lage der Kommunen darf es nicht so weitergehen, wie es geplant war. Bund und Land müssen die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Kommunen beachten. Sie müssen den Kommunen dieselben Entlastungen zubilligen, die sie für sich in Anspruch nehmen.

Die kommunalen Spitzenverbände weisen zu Recht darauf hin: Die Zahlungen des Bundes bis 2019 sind degressiv vereinbart. Sie gehen nach unten. Und wenn es durch eine, wenn auch langsame, Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West zu Veränderungen kommt, dann sinken auch die Belastungen der Länder. Aber der prozentuale Aufschlag bei der Gewerbesteuer bleibt gleich. Das ist eine ungleiche Behandlung, und die kann so nicht bleiben. Die SPD-Fraktion steht hinter dieser Forderung.

(Beifall von der SPD)

Es könnte sogar sein, dass dann, wenn die Gewerbesteuer weiter sprudelt, der Beitrag der Kommunen tendenziell noch steigt. Auch das muss man klar sehen.

(Zustimmung von Minister Dr. Helmut Lins- sen)

Wir sagen: Die Kommunen müssen schrittweise entlastet werden. Wir können auch nicht warten, bis es 2009 oder 2010 zu einer Überprüfung der Finanzströme kommt. Wir brauchen die Entlastung jetzt.