Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Wir sagen: Die Kommunen müssen schrittweise entlastet werden. Wir können auch nicht warten, bis es 2009 oder 2010 zu einer Überprüfung der Finanzströme kommt. Wir brauchen die Entlastung jetzt.

Es ist gut, dass die Fraktionen von CDU und FDP sich mit ihrem Entschließungsantrag im Wesentli

chen unseren Punkten anschließen. Bis heute galt ja die Einschätzung vom Herrn Kollegen Stahl, die er den Spitzenverbänden übermittelt hat – ich zitiere aus seinem Brief –:

„Realistischerweise dürften Änderungen aber dennoch erst 2009 oder 2010 durchsetzbar sein.“

Eines sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Hier Sand in die Augen streuen, indem Sie einen solchen Entschließungsantrag vorlegen, das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Wenn, dann muss auch Butter bei die Fische kommen. Das ist klar.

(Beifall von der SPD)

Es ist auch klar – und das, was in Ihrem Entschließungsantrag dazu steht, ist richtig –, dass man zunächst eine Lösung im Konzert der Länder suchen sollte. Aber wenn dieser Weg nicht gangbar ist, Herr Stahl – und das kann man relativ schnell herausfinden –, dann muss das Land selbst handeln. Das wird den Finanzminister nicht freuen, aber es ist uns wichtig, dass jetzt korrigiert wird, dass jetzt eine Neuausrichtung der Solidarlasten erfolgt. Sie ist notwendig. Der Bund muss seine Hilfen auch für strukturschwache Kommunen im Westen öffnen, und die Zahlungen der Kommunen in Nordrhein-Westfalen müssen schrittweise gesenkt werden.

Ihr Entschließungsantrag zeigt: Wir haben das Problem gemeinsam erkannt. Es ist drängend. Wir müssen für unsere Kommunen hier handeln. Darum laden wir Sie ausdrücklich zu einem gemeinsamen Vorgehen ein. Ich hoffe, Sie meinen es ernst. Denn ich habe heute noch eine Äußerung im „Kölner-Stadtanzeiger“ gelesen, die lautet:

„Allerdings lehnt die CDU eine sofortige Überprüfung des Paktes ab. Man müsse zunächst abwarten, wie sich die Mehrwertsteuererhöhung auswirke.“

Da Sie die Mehrwertsteuererhöhung ja zum Schuldenabbau einsetzen, kann ich das überhaupt nicht verstehen.

(Helmut Stahl [CDU]: Das hat damit nichts zu tun!)

Gut. Vielleicht können Sie uns das gleich erläutern.

Eine breit getragene Bundesratsinitiative wäre aus unserer Sicht ein guter Startschuss für eine konstruktive Diskussion, die in ganz Deutschland geführt wird. Darauf zielt unser Antrag ab. Noch

einmal: Wir laden Sie herzlich ein, mit uns gemeinsam im Sinne der Kommunen nach vorne zu gehen. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kraft. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Klein das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kraft, diese flammende Rede für Gleichbehandlung innerhalb Deutschlands und für die Kommunen wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen, denn ich sehe niemanden in unserem Land, dem diese Probleme nicht klar wären und dem diese Unzufriedenheit, die an vielen Stellen in unserem Land besteht, nicht verständlich wäre. Insofern sollten wir vor allen Dingen gemeinsam ganz sachlich und an der Realität orientiert darüber nachdenken, was zu tun ist.

Ich will aber als Erstes noch einmal darauf hinweisen, meine Damen und Herren: Wir müssen ein Land, eine Bundesrepublik Deutschland, aber auch ein Land Nordrhein-Westfalen bleiben, für das Solidarität ganz, ganz hoch angesiedelt ist. Stärkere müssen Schwächeren helfen: Daran darf es auch in Zukunft keinen Zweifel geben.

(Beifall von CDU und FDP)

An genau dieser Stelle sind natürlich, was die Verhältnisse innerhalb Deutschlands angeht, in der Zwischenzeit ein paar Zweifel aufgetaucht. In vielen Kommunen Nordrhein-Westfalens gibt es eben auch erhebliche Problemzonen: Es gibt Defizite in der Bausubstanz, es gibt Defizite in der Infrastruktur, und es gibt Arbeitslosenzahlen, mit denen wir nicht zufrieden sein können.

Wenn dann auf der anderen Seite viel Geld im Osten ankommt, kann ich nachvollziehen, dass sich an verschiedenen Symbolen Ärger festmacht. Wenn in den Medien Berichte über leere Gewerbegebiete zu finden sind, wenn einzelne Kommunalpolitiker nach Nordrhein-Westfalen zurückkehren und irgendwo Edelbürgersteige gesehen haben, wenn es Zeitungsberichte über die Entschuldung ganzer Städte gibt, kann ich verstehen, dass diese Symbole Ärger heraufbeschwören.

Man muss allerdings – direkt in Erwiderung auf Ihre Rede, Frau Kraft – der Sache gerecht werden und das Gesamtbild sehen. Sie verweisen auf das schuldenfreie Dresden. – Das ist richtig. Dresden hat allerdings auch kein Vermögen mehr. Ich wa

ge einmal zu schätzen, dass, wenn Dortmund seine gesamten RWE-Aktien und seinen gesamten Wohnungsbestand verkaufen würde, diese Stadt wahrscheinlich Ähnliches von sich selbst sagen könnte. Deswegen ist es nicht ganz sachlich, die Tatsache, dass sich Dresden jetzt für diesen Weg entschieden hat, gegen ebendiese Stadt ins Feld zu führen.

Ich will noch einmal unterstreichen: Lasst uns sachlich über alle diese Fragen diskutieren. Das ist schwer angesichts einer durchaus explosiven Stimmung in diesem Land und angesichts einer immer noch in den Köpfen bestehenden latenten Teilung unseres Landes. Deswegen ist diese Mixtur auch so gefährlich und eine offene Flanke für den Einfall von Populisten.

Ich kann verstehen, dass eine Opposition solch ein Einfallstor immer ein Stück weit nutzen muss und dass grob geschnitzt werden muss. Traditionell wird bei populistischen Anträgen den Details der Realität immer relativ wenig Interesse entgegengebracht.

(Widerspruch von der SPD)

Das ist das gute Recht einer Opposition, auch wenn es ein bisschen – angesichts der deutschen Situation – ein Spiel mit dem Feuer ist. Ich will aber auf einige Details hinweisen – vielleicht sogar auf einige größere Details –, bei denen ich Ihnen einige Korrekturen nicht ersparen kann; vielleicht hätten Sie einmal Ihre Finanzpolitiker fragen sollen.

(Zuruf von der SPD: Ach, Quatsch!)

Sie fordern in diesem Antrag, dass die Kommunen bei der Finanzierung des Solidarpakts II schrittweise zu entlasten sind. – Ich muss Ihnen entgegenhalten: Ein Blick in die Rechts- und Sachlage zeigt, dass die nordrhein-westfälischen Kommunen und die Kommunen insgesamt mit dem Solidarpakt II überhaupt nichts zu tun haben.

(Zustimmung von Dr. Gerhard Papke [FDP] – Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Beim Solidarpakt II wurden zwei Körbe verabredet. Der erste – darauf haben Sie richtigerweise hingewiesen – ist degressiv ausgestaltet und beinhaltet 105 Milliarden € Zahlungen als Bundesergänzungszuweisungen an die Kommunen. Beim zweiten Korb in Höhe von 50 Milliarden € handelt es sich um weitere Leistungen, die noch nicht abschließend festgelegt sind. Aber unter dem Strich wird das – ich wiederhole es noch einmal – vom Bund finanziert. Punkt. Ende. Das ist kein Geld nordrhein-westfälischer Kommunen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ich kenne mich da aus!)

Beteiligt sind die nordrhein-westfälischen Kommunen an anderer Stelle. Das ist auch schon länger, nämlich seit 1995, der Fall. Seitdem die neuen Länder in den normalen Länderfinanzausgleich einbezogen sind, tragen die Länder – jedenfalls die Geberländer wie Nordrhein-Westfalen – dazu bei, diese erhöhten Leistungen im Länderfinanzausgleich zu erbringen und darüber hinaus den Fonds Deutsche Einheit auszufinanzieren, das heißt die Tilgung für diesen Fonds, der keine weiteren Ausgaben mehr tätigt, zu gewährleisten.

Bei beiden Punkten, bei denen die Länder bezahlen, sind die Kommunen aufgrund bundesgesetzlicher Vorgaben beteiligt. Das Gemeindefinanzreformgesetz regelt die erhöhte Gewerbesteuerumlage. Diese Erhöhung um 29 Prozentpunkte, die bis 2019 festgelegt ist, beinhaltet eine Beteiligung der Kommunen an dieser Position, die im Übrigen eben nicht degressiv ausgestaltet ist.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Im Solidarbeitragsfortführungsgesetz von 2001 – ich wiederhole das noch einmal –, damals unter Führung der SPD im Bundestag verabschiedet, ist verankert, dass dieses eben bis 2019 fortgeführt, aber 2010 noch einmal evaluiert wird.

Jetzt habe ich eben gesagt: An dieser Stelle gibt es überhaupt keine degressiven Ausgaben. Deswegen ist es noch nicht selbstverständlich, dass die Kommunen dort entlastet werden müssen. Es gibt aber schon eine Änderung: Seit 2005 wird die Abfinanzierung des Fonds Deutsche Einheit vom Land eben nicht mehr direkt, sondern über Umsatzsteuerverrechnung bezahlt.

Deswegen ist es umso schwerer, überhaupt die Kosten der Deutschen Einheit für das Land Nordrhein-Westfalen zu ermitteln. Deshalb haben wir auf die Vorlage eines Solidarbeitragsausgleichsgesetzes verzichtet. Genau deswegen ist es richtig, sich dafür einzusetzen, die Evaluierung dieser 29 % vorzuziehen. Dem wollen wir gern folgen. Das haben wir auch in unseren Entschließungsantrag geschrieben. Das unterstreicht die Linie der CDU-Landtagsfraktion in NordrheinWestfalen, Sachwalter der Kommunen zu sein und ein im Gegensatz zu früher endlich einmal verlässliches Gemeindefinanzierungsgesetz zu haben.

(Beifall von CDU und FDP – Horst Becker [GRÜNE]: Bis jetzt sind wir uns noch einig!)

Gerechtigkeit – das ist unser Anliegen – wollen wir zwischen den Kommunen innerhalb Nord

rhein-Westfalens noch verbessern. Deswegen wird es auch eine neue Begutachtung des GFG geben.

Wir wollen aber auch Gerechtigkeit innerhalb der gesamten Bundesrepublik verbessern. Deswegen halten wir es für richtig, diese Evaluierung vorzuziehen. Das Ergebnis kennen wir natürlich noch nicht, aber wir erwarten, dass es gelingt, dieses Vorziehen sicherzustellen. Solidarität und auch der Solidarpakt dürfen keine Einbahnstraße sein. Es darf nicht von der Himmelsrichtung abhängen, wo Hilfe ankommt.

All dies wollen wir – dazu laden wir jetzt unsererseits Sie ein – auf der Basis unseres Entschließungsantrages tun, der – von Ihnen offensichtlich attestiert – in die richtige Richtung geht. Dabei haben wir all die inhaltlichen Fehler, die sich in Ihrem Antrag finden, in dem Sie die aktuelle bundesdeutsche Finanzverfassung völlig falsch beschreiben, in unserem Entschließungsantrag natürlich nicht gemacht. Deswegen ist unser Antrag der richtige Weg, die Kommunen in NordrheinWestfalen zu stärken. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Becker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Reden so höre, insbesondere die letzte, dann hoffe ich, dass Temperament die Vorstufe zur Einigkeit ist.

(Heiterkeit von GRÜNEN und SPD)

Ich würde mir das jedenfalls wünschen. Wenn wir alle betonen, dass die Himmelsrichtung nicht die maßgebende und zielgebende Größe für die Vergabe von Mitteln sein darf, dann kann das ja eigentlich nur dazu führen, dass wir vom größten westlichen Bundesland aus genau die Fragen aufwerfen, die die SPD heute aufgeworfen hat. Die hat der Kollege Vesper schon vor Jahren im Zusammenhang mit dem Städtebau aufgeworfen, die habe ich in zwei Anfragen aufgeworfen, aus denen hier zum Teil wohl auch zitiert wurde.

Die Fragen treiben in der Tat um; das kann nicht ernsthaft infrage gestellt werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber wenn das so ist, dann müssten wir uns eigentlich auch darauf verständigen, bei den Din