Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Gisela Walsken [SPD]: Ist schon da!)

Sie haben das ja versucht – zwischen die Koalitionspartner in diesem Haus zu treiben. Denn darin besteht der große Unterschied – Herr Jäger, Sie haben das alles schon völlig verdrängt – zu Ihrer abgewählten Streit- und Zankkoalition. Diese Koalition der Erneuerung von CDU und FDP wird – wie im vergangenen Jahr – in Zukunft harmonisch und in Übereinstimmung

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

mit den jeweiligen Parteien ihre Erneuerungspolitik zum Wohle dieses Landes und seiner Bürger fortsetzen.

(Beifall von CDU und FDP)

Zum zigsten Mal seit der für Sie so desaströsen und schmerzlichen Wahlniederlage und dem offensichtlich immer noch nicht verschmerzten Machtverlust versuchen Sie durch die konstruiertesten Anlässe in diesem Haus, über die angeblich drohenden Gefahren von Amtszeitverlängerung, Entkoppelung und durch die Veränderung von § 107 der Gemeindeordnung zu schwadronieren.

(Edgar Moron [SPD]: Sagen Sie etwas zur Sache!)

Vergessen Sie dabei – Herr Moron, ich spreche Sie ganz persönlich an –, dass die 2002 eingesetzte Expertenkommission unter Ihrem damaligen Innenminister mehrheitlich eine Entkopplung der Wahlen und mehrheitlich eine Amtszeitverlängerung der Bürgermeister empfohlen hat? Und Sie tun hier so, als wäre das Teufelszeug! Die von Ihrem Innenminister eingesetzte Expertenkommission kam selbst mehrheitlich zu diesen Vorschlägen, und heute tun Sie so, als wäre das alles furchtbares Zeug. Lassen Sie das!

Der Klarheit halber sei noch einmal deutlich darauf hingewiesen: Heute gibt es hier im Hause keinen konkreten Anlass zur Diskussion dieses Themas. SPD und Grüne haben keine eigenen Vorschläge zur Änderung der GO vorgelegt, noch nie seit der Wahl. Es liegt auch sonst kein Gesetzentwurf zur Änderung der GO vor. Vielmehr läuft alles nach dem Motto: wehmütiges Zurückblicken auf Vergangenes und möglichst Festhalten an dem, was Ihre Partei und dieses Land in diese Krise gebracht hat.

Meine Damen und Herren, wir werden – das haben wir Ihnen schon oft angeboten – hier im Hau

se dann über die Änderung der Gemeindeordnung konkret diskutieren, wenn und sobald es einen konkreten Gesetzentwurf zur Änderung der GO gibt.

(Carina Gödecke [SPD]: Wir werden immer darüber diskutieren, wenn wir das wollen!)

Ich bin sicher, dass wir in absehbarer Zeit über einen von den Koalitionsfraktionen getragenen Entwurf zur Änderung der GO diskutieren werden. Ich habe aber erhebliche Zweifel, ob wir in diesem Zusammenhang auch über fachlich fundierte Beiträge der SPD und der Grünen diskutieren können, denn die sind Sie bis heute schuldig geblieben.

(Hannelore Kraft [SPD]: Sie regieren hier! Haben Sie das noch nicht gemerkt?)

Immer nur das Zurückblicken nach hinten, immer nur das Festhalten an Vergangenem bringen dieses Land nicht weiter.

Meine Damen und Herren, ich komme nun auf Ihre eingangs geäußerten Bedenken in Bezug auf die Wahlbeteiligung zu sprechen. Ich finde, Sie leisteten einen guten Beitrag zur Beendigung der Politikverdrossenheit,

(Hannelore Kraft [SPD]: Kein Wort zur Sa- che!)

wenn Sie dieses Hohe Haus nicht immer für parteipolitische Scharmützel missbrauchen, sondern konkrete Anträge einbringen würden.

(Beifall von CDU und FDP – Oh-Rufe von der SPD)

Daran fehlt es bei Ihnen doch.

Herr Jäger, ich muss Ihnen noch etwas zu Ihren Einlassungen sagen, die Sie hier gemacht haben, Stichwort: „gesunder Menschenverstand“. Haben Sie völlig vergessen, Herr Jäger, dass die SPD es war, die sich in diesem Hohen Hause jahrzehntelang gegen die Direktwahl des Oberbürgermeisters ausgesprochen hat?

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD)

Sie waren doch die Standardblockierer in diesem Hause. Und heute tun Sie so, als wäre es Ihre Reform, die auf Ihrem Mist gewachsen ist. Sie sind schon in der Vergangenheit durch Reformmüdigkeit und Reformunfähigkeit aufgefallen. Ich bin froh, dass wir in diesem Hause eine andere Koalition haben. Die wird diese Fragen, wenn es Zeit ist, zur Zufriedenheit aller Bürger und zum Wohle des Landes klären. – Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lux. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun die Kollegin Löhrmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Papst diese Rede gehört hätte, hätte er seinen Abflug aus Deutschland beschleunigt.

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

Ich habe allerdings als gute Katholikin gelernt, dass er, auch wenn er nicht so nah ist, alles mitbekommt und die Sünden sozusagen nachgehalten werden.

Herr Lux, ich frage Sie allen Ernstes: Lesen Sie eigentlich keine Zeitung?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist – damit komme ich zum Ernst der Sache, denn die Sache ist sehr ernst – doch überhaupt nicht unsere Absicht, Ihrer Kommunalbasis in irgendeiner Weise zu nahe zu treten. Im Gegenteil!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir nehmen Ihre kommunale Basis ernst, und wir möchten mit dieser Aktuellen Stunde dazu beitragen, dass auch Sie Ihre kommunale Basis sehr, sehr ernst nehmen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich bin wirklich gespannt, wie stark sich Ihre kommunale Basis artikulieren kann oder ob das alles eingekleistert und eingefangen wird, damit die Konflikte, die Sie auf dem Tisch dieses Hauses haben, nicht offenkundig werden.

Meine Damen und Herren, wenn sich eine Koalition, die so kuschelig antritt, heftig streitet, ist das für die Opposition eigentlich eine schöne Zeit. Das gilt erst recht dann, wenn Sachfragen zu Machtfragen werden. Dann geht es nämlich am Ende darum: Wer gewinnt? Wer verliert sein Gesicht? Dann geht es am Ende nicht mehr um die Sache. Aus unserer Sicht müsste es aber um die Sache gehen, weil es bei der Reform der Gemeindeordnung um sehr, sehr viel geht, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es geht um nichts anderes als um die Zukunft der kommunalen Demokratie und damit das Fundament der Demokratie in unserem Land insgesamt. Genau da, in den Städten und Gemeinden unse

res Landes, erfahren die Menschen am stärksten, ganz direkt, was Demokratie in der Politik heißt. Dort, vor Ort, entscheidet sich, ob Politik als positiv oder negativ angesehen wird, ob Politikverdrossenheit wächst oder schrumpft. Dort, vor Ort, entscheidet sich, ob die Menschen den Eindruck gewinnen, dass sie das Schicksal ihrer Stadt wirklich mitentscheiden können, ob sie demokratische Entscheidungsprozesse verstehen und in sie eingebunden werden, ob ihr Engagement gefragt ist oder nicht und ob sie den Eindruck gewinnen, dass sich dieses demokratische Engagement, das für ganz, ganz viele ehrenamtlich ist, auch lohnt.

Deshalb, meine Damen und Herren, dürfen wir uns als Opposition nicht genüsslich zurücklehnen und dieses koalitionäre Schauspiel beobachten, das uns insbesondere Kollege Papke in den letzten Tagen geboten hat. Ich bin erstaunt, Herr Papke, dass Sie auf der Rednerliste nicht vorgesehen sind, und frage mich, ob wir das als erfreuliches Zeichen dafür deuten können, dass Sie mit Ihrer Position vielleicht auf dem Rückzug sind.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das wäre eine gute Botschaft. Ansonsten würde ich Sie herzlich bitten, das, was Sie der Presse lauthals als Knackpunkte vorgelegt haben, auch in diesem Hause vorzutragen, damit die Kolleginnen und Kollegen der CDU das zur Kenntnis nehmen können und genau wissen, woran sie sind.

Meine Damen und Herren, was die FDP vorschlägt und hier durchsetzen will, das würde das Fundament und die Gestaltungskraft der kommunalen Demokratie massiv beschädigen. Die geplante Trennung von Ratswahl und Wahl des Stadtoberhauptes hätte schlimme Folgen. Sie würde die Macht von Gemeinde- und Stadtrat weiter zu den Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern verschieben.

Schon heute besteht ein krasses Missverhältnis. Die ehrenamtlichen Politikerinnen und Politiker in den Stadt- und Gemeinderäten haben weitaus weniger Möglichkeiten, entscheidende Informationen zu erhalten. Dadurch sind sie den Verwaltungsabläufen mehr oder weniger ausgeliefert.

Wenn Sie dieses Machtverhältnis weiter zulasten der Räte verschieben, dann werden sich viele fragen, warum sie sich überhaupt noch engagieren sollen, wenn sie sowieso nur so wenig mit gestalten können.

Mit dieser Verschiebung der Machtverhältnisse in unseren Kommunalparlamenten werden „kleine Sonnenkönige“ geschaffen. Auf diesen Begriff hat

unser Kollege Becker das Copyright; das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen.

(Zuruf von Rainer Lux [CDU])

Gleichzeitig wollen Sie auch noch deren demokratische Legitimation ruinieren. In den süddeutschen Ländern hat die Abkopplung von Oberbürgermeister- und Landratswahlen von den Ratswahlen zu einem Absinken der Wahlbeteiligung geführt. Das ist eine feste Prognose. Im Gegensatz zu den Aussagen von Herrn Papke ist das nicht nur möglich, sondern auch ziemlich einfach nachvollziehbar.

Wenn dann noch die Stichwahl abgeschafft wird – Herr Jäger, Kompliment für Ihren Hinweis auf den Kongo! –, wird das zu absurden Ergebnissen führen: Dann würden Stadtoberhäupter nur noch über eine Legitimation von etwa 10 % der Wahlberechtigten einer Kommune verfügen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)