Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, ich will mich zunächst einmal auf § 107 der Gemeindeordnung und die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, konzentrieren. Dieses Thema stand bisher nicht im Mittelpunkt der Debatte, beinhaltet allerdings auch eine sehr wichtige Frage.

Frau Ministerin Thoben hat sich in den letzten Tagen in dem Zusammenhang ausdrücklich dazu bekannt, dass Stadtwerke für Versorgungsunabhängigkeit in eigene Kraftwerke investieren können.

Wir haben auch Fernsehbeiträge von Herrn Dr. Papke zum gleichen Thema erlebt, der das Ganze wie folgt kommentiert hat: Wir werden das dann auch politisch bewerten müssen! „Privat vor Staat“ lautet unsere Devise. Wir werden – wenn solche öffentlichen Investitionen auf Risiko des

Steuerzahlers zunehmen – gucken müssen, ob wir als Landesregierung nicht gegensteuern müssen. – Genau in diesem Kontext hat er das so in „Westpol“ gesagt.

Herr Papke weiß genau, um was es ihm geht: Es geht ihm nicht darum, dass er mit „Privat vor Staat“ etwas für den Mittelstand bewirken will, weil etwa der Staat ausuferte, sondern er will schlicht und einfach eine vernünftige Investition der Stadtwerke verhindern, die ein Stück weit den Monopolen und Oligopolen entgegensteuert. Das ist Ihre Position.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich kann Ihnen das anhand eines weiteren Beispiels verdeutlichen: Sie, die FDP, sind die Partei, die den Mittelstand, von dem Sie immer reden, überhaupt nicht im Auge hat. Ich will das belegen: Nach einer Studie des Instituts für angewandte Innovationsforschung an der Ruhr-Universität Bochum sind die Stadtwerke und die Firmen der öffentlichen Hand mit einem Auftragsvolumen von ca. 1,4 Milliarden € der bedeutendste Auftraggeber des Handwerks in NRW.

Die Studie wurde vom Verband kommunaler Unternehmen gemeinsam mit dem Fachverband „Sanitär-Heizung-Klima“ in Auftrag gegeben. Beide haben sich ausdrücklich dafür eingesetzt, dass es bei diesen Regelungen bleibt, und ausdrücklich gesagt, dass es nicht zu Verschärfungen kommen soll. Das wissen Sie ganz genau und das ist einer der Gründe dafür, warum sich die Praktikerinnen und Praktiker in der CDU dagegen wehren, dass sich die FDP an dieser Stelle durchsetzt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Schauen wir uns die Wohnungswirtschaft und Bauträgergeschäfte an – ich darf nur einmal Ihren Bürgermeister Napp aus Neuss als Zeugen nennen –, wissen wir ganz genau, dass die öffentliche Wohnungswirtschaft erheblich eingeschränkt würde. Wer sich die Abfallwirtschaft anschaut und erkennt, dass es in zunehmendem Maße auch von der CDU regierte Kreise gibt, die nicht wollen, dass sie einem Monopolisten wie Remondis alleine ausgeliefert sind, die davon verschont bleiben wollen und nicht etwa aus eigener Lust an der Freude rekommunalisieren, der weiß: Wenn Sie sich durchsetzen, nehmen Sie den Kommunen diese Möglichkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dabei geht es Ihnen mit der Durchsetzung im Kern wie bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Dazu hat meine Kollegin Löhrmann bereits sehr viel ausgeführt. Schauen Sie sich die

Verwerfungslinie genau an: Die Verwerfungslinie verläuft hier entlang der Frage, dass eine Partei, die FDP, sich mit ihrem Votum und damit mit einer niedrigen Wahlbeteiligung durchsetzen will, das aber öffentlich nicht zugeben mag, sondern verkleistert und hinter die Kulissen verschiebt.

(Beifall von der SPD)

Ihre Leute wehren sich mit Händen und Füßen gegen eine Entkopplung, gegen zunehmende Wahltermine, gegen eine Situation, in der vor Ort immer häufiger ein Wahlkampf nach dem anderen stattfindet, dass dafür Geld ausgegeben wird, statt dass die Räte arbeiten. Herr Lux, die Verwerfungslinie ist völlig klar. Sie verläuft nicht zwischen der Opposition in diesem Haus und ihrer Basis, wie Sie eben versuchen wollten darzulegen, sondern sie ist ganz eindeutig dort – deshalb ist die Debatte wichtig –, wo Sie Ihre eigenen Leute – Herr Börschel hat zu Recht darauf hingewiesen – ein Stück weit verschieben wollen. Sie tun so, als würden Sie noch einmal nachverhandeln. Das Ergebnis kennen wir.

Herr Kollege Becker.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Das Ergebnis kennt jeder! Am Schluss steht die Einschränkung der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Kommunen. Am Schluss steht die Einschränkung der Demokratie in den Kommunen, und am Schluss stehen zusätzliche Wahltermine, und das alles nur wegen eines Koalitionspartners, der Ihnen in dieser Frage gegen Ihre eigene Basis auf der Nase herumtanzt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Rasche das Wort.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wir wollen Herrn Papke hören!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Löhrmann, Ihre Rede eben war aggressiv, laut und inhaltlich widersprüchlich.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh! – Lebhafter Widerspruch von Horst Becker [GRÜNE])

Herr Becker, Sie sind genauso aggressiv. – Frau Löhrmann, die Krönung Ihrer Aussage war, dass Sie die kommunalpolitische Basis der CDU

ernst nehmen. Frau Löhrmann, wie wäre es, wenn Sie einmal Ihre eigene kommunalpolitische Basis, nämlich den Bürgermeister, den Sie stellen, ernst nähmen? Genau das tun Sie nicht, weil es Sie überhaupt nicht interessiert.

Meine Damen und Herren, kommen wir zur SPD: 1994 fand die letzte Reform der Gemeindeordnung statt. Das waren Jahre, in denen die SPD noch Mut hatte. Wir kennen die Kommunalwahlergebnisse 1999, die sich für die SPD ein wenig unglücklich darstellten. Genau weil diese Wahlergebnisse so schlecht waren, fehlte der SPD anschließend der Mut.

Es gab die Kommission von Herrn Innenminister Behrens. Es gab ein umfangreiches Diskussionspapier, das unter anderem die Entkoppelung der Wahl von Bürgermeistern und Stadträten enthielt. Sie haben allerdings jeglichen Mut vermissen lassen und alle Argumente der Experten aus Kommunen und Verbänden in die Ecke geschoben und nichts getan. Das ist ein weiteres Beispiel für den Stillstand in den letzten Jahren der alten Koalition. Es fehlte wie immer der Mut.

Meine Damen und Herren, im Jahre 2005 war sich die neue Koalition sofort einig. Wir haben gesagt: Wir wollen den Reformprozess aus dem Jahre 1994 fortsetzen. Wir haben im Koalitionsvertrag Eckpunkte und Prüfaufträge festgelegt, die in eine neue Gemeindeordnung einfließen sollen und werden.

Diskutieren, meine Damen und Herren, sollten wir über diese Eckpunkte und ihre Inhalte dann, wenn sie vorliegen. Genau dann ist der richtige Zeitpunkt, um diese Thematik im Plenum und in den zuständigen Ausschüssen gerne auch strittig zu diskutieren. Aber zunächst brauchen wir eine Grundlage.

Meine Damen und Herren, Sie können sich darauf verlassen: Es wird keine Schnellschüsse geben. Es wird kein Stückwerk geben,

(Widerspruch von Carina Gödecke [SPD])

sondern es wird ein umfassendes Reformwerk geben, wie Sie es in der letzten Legislaturperiode nicht auf die Beine bekommen haben.

Meine Damen und Herren, Sie bringen immer wieder dieses Märchen vom Streit in der Koalition. Können Sie diesen Streit hier und heute irgendwo erkennen? Gibt es hier irgendwo Streit?

(Unruhe bei der SPD)

Kein Mensch kann das erkennen. Wenn wir als FDP in der Koalition Gesprächsbedarf mit unserem

Partner CDU haben – oder auch umgekehrt –, reden wir in einer Partnerschaft, in einer Koalition miteinander. Das ist völlig selbstverständlich, und das werden wir auch tun.

Meine Damen und Herren, die Reform der Gemeindeordnung wird kommen. Trotz der Provokationen von Grünen und SPD gibt es keinerlei Streit in der Koalition

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

und damit auch kein Erfolgserlebnis für die Opposition. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Ich habe noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Körfges von der SPDFraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sehen zwei Strategien der Regierungskoalition, mit der Angelegenheit umzugehen. Die CDU macht von ihrem Recht zur Aussageverweigerung Gebrauch,

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Jo!)

und die FDP unternimmt den zweifelhaften Versuch, uns mit Allgemeinplätzen einzuschläfern. Ich kann allerdings eines sagen: Es würde der Machtverteilung innerhalb Ihrer Koalition unter Umständen entsprechen, wenn die CDU zu dem Thema ihre Redezeitanteile an die FDP abtreten würde. Dies wäre dann in etwa so, wie es tatsächlich aussieht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich habe als Jurist gelernt, die Frage zu stellen: Wem nutzt das?

(Zuruf von Peter Biesenbach [CDU])

Kollege Biesenbach kann wohl auf einem fachlich vergleichbaren Niveau mitreden. – Ich will Ihnen die Frage anhand eines Beispiels aus meiner Heimatstadt einmal erklären, bezogen auf die Stichwahl. Wir haben einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister, im zweiten Wahlgang mit weitem Abstand in Mönchengladbach gewählt. Ich erwähne das nicht nur, weil Herr Bude heute Geburtstag hat, sondern weil das aus Ihrer Sicht sicherlich ein negatives Ergebnis bei den letzten Kommunalwahlen war. Das war nicht nur in unserer Stadt Mönchengladbach so, sondern auch in vielen anderen Städten in unserem Land.

Seltsamerweise ist der Punkt in Ihrer Koalition wohl auch nicht streitig. Ich glaube, Sie sind sich relativ einig, wenn es darum geht, Machtinteressen unter Inkaufnahme eines Verlusts an demokratischer Legitimation durchzusetzen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Hier geht es doch nicht darum, Kommunalwahlen für die Bürgerinnen und Bürger attraktiver zu machen, sondern darum, dass ganz offensichtlich Stichwahlen wegen Ihrer Ergebnisse von Ihnen als Ärgernis angesehen werden. Kollege Wüst hat in seiner Funktion als Generalsekretär der CDU entsprechende Hinweise gegeben.