Protokoll der Sitzung vom 26.10.2006

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Das haben wir schon gemeinsam in Richtung Berlin kritisiert. Wir haben auch kritisiert, dass es dann eine wesentliche Lücke gibt. Was kommt denn nach dem Jahr Elterngeld? – Dann stehen die Frauen wieder da und müssen sich fragen, wo sie ihre Kinder tagsüber lassen, wenn sie am Arbeitsplatz stehen, wenn sie ihre Frau im Berufsleben stehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann sind nämlich die Familien wieder alleine gelassen, weil es nicht genug Plätze für die Kinder gibt, die jünger als drei Jahre sind. Das ist der Knackpunkt, und CDU und FDP weigern sich konsequent, diese Frage strukturell zu beantworten. Diese Frage – das kann ich nur ceterum censeo für uns als Grüne immer wieder sagen – beantworten wir nur, wenn wir einen Rechtsan

spruch für die Kleinen ab dem ersten Lebensjahr festlegen.

(Ralf Witzel [FDP]: Warum haben Sie das denn nicht schon eingeführt?)

Das kann ich Ihnen sagen, Herr Witzel. Darf ich auf die Frage antworten, ohne dass es mir von meiner Redezeit abgezogen wird? Denn so viel Redezeit habe ich nicht.

Frau Kollegin Asch, Sie haben selbstverständlich das Recht, im Rahmen Ihres Wortbeitrags auf alles einzugehen, was Ihnen als Zwischenruf entgegnet wird.

Ich frage, weil er sich nicht ordnungsgemäß zu Wort gemeldet hat. Herr Witzel, ich beantworte Ihnen die Frage, auch wenn ich ja gar nicht dabei war. Rot-Grün hat die wesentliche Hausaufgabe zu leisten gehabt, die Pflichtversorgung für die Kindergartenkinder sicherzustellen, und das ist geschehen.

(Minister Armin Laschet: Gar nichts! Wir ha- ben das eingeführt! Sie haben nichts ge- macht!)

Rot-Grün musste es als Landesregierung umsetzen, Herr Minister. Sie sagen doch immer, dass wir eine 100-%-Versorgung im Kindergartenbereich haben. Diese Hausaufgaben sind jetzt gemacht.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Lassen Sie mich doch aussprechen, Herr Witzel, wenn Sie mich schon fragen. – Jetzt kommt es auf den nächsten Schritt an. Herr Lindner hat eben gesagt, wir arbeiten daran, die Versorgungsquote bezüglich der Betreuungsplätze für den U3-Bereich von 2,8 %, die wirklich zu gering ist, zu erhöhen. Bis 2010 wollen wir eine Versorgungsquote von 20 % schaffen. Herr Lindner, fangen Sie doch einmal damit an. Im Haushalt wird kein einziger Platz mehr für den U3-Bereich ausgewiesen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schauen Sie im Haushalt nach. Die Zahlen für das Haushaltsjahr 2006 und für das Haushaltsjahr 2007 sind identisch.

(Christian Lindner [FDP]: Budgetvereinba- rung!)

Jetzt komme ich zu einem anderen wichtigen Punkt. Selbst ausreichende Kinderbetreuungsplätze helfen nicht, wenn die Wirtschaft zunehmend die Möglichkeit bekommt, die Arbeitszeiten

von Vätern und Müttern auf die gesamte Woche und auf alle Tages- und Nachtzeiten zu verlagern.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Wenn Sie eine Vereinbarkeit wollen, dann müssen Sie die Kindergärten rund um die Uhr öffnen. Wer soll das bezahlen? Sie wissen, dass das nicht möglich ist. Mit Ihrem Ladenöffnungsgesetz machen Sie es wesentlich schwerer, beide Bereiche, Verantwortung für Kinder und die Berufstätigkeit, miteinander in Einklang zu bringen.

Frau Asch, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Lindner?

Herr Lindner, bitte.

Bitte.

Vielen Dank, Frau Asch. Sie haben über die Plätze für unter dreijährige Kinder gesprochen. Können Sie bei Ihrer Argumentation bitte berücksichtigen, dass die Plätze für unter Dreijährige, die nach Budgetvereinbarung durch Umwandlung von Kindergartenplätzen entstehen, im Landeshaushalt nicht als Plätze für unter Dreijährige etatisiert werden?

Herr Lindner, darüber können wir uns im Rahmen der Haushaltsberatungen auseinandersetzen.

(Minister Armin Laschet: Das ist doch eine ganz logische Bemerkung!)

Wenn Sie mir nachweisen können, dass Sie diese Plätze tatsächlich schaffen, dann wäre es gut. Ich kann das in dem jetzigen Haushaltsplan nicht erkennen. Die Zahlen sprechen eine ganz klare Sprache.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Weil Sie das System nicht verste- hen!)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich habe zwei konkrete Vorschläge zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit in unserem Land: Erhalten Sie die Regionalstellen und lassen Sie das Ladenöffnungsgesetz ganz schnell in der Schublade verschwinden! Dann hätten Sie weitaus mehr getan, als hier nur die Appelle in den Wind zu rufen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Asch. – Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Laschet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag eingebracht haben, da bei diesem Thema erheblicher Nachholbedarf besteht. Wir erleben im Moment eine intensive Debatte um Familie und Familienpolitik. Sie ist notwendig, weil die Förderung und Unterstützung der Familien in den letzten Jahrzehnten zu sehr vernachlässigt worden ist.

Liebe Frau Asch, Sie haben unterstellt, dieser Antrag mache den Menschen nur zu einem Rädchen im Wirtschaftsgefüge. Er macht auf die schlichte Erkenntnis aufmerksam – deshalb ist doch plötzlich das gesellschaftliche Interesse so viel größer als vor Jahren –, dass der demografische Wandel Probleme für die Wirtschaft und die Struktur unseres Landes bringt. Wenn „Handelsblatt“, „Financial Times“ und andere Blätter plötzlich darüber berichten, würde ich mich als jemand, dem Familienpolitik wichtig ist, freuen, dass dies kein Nischenthema bleibt, sondern dass die gesamte Gesellschaft – vielleicht aus anderen Gründen – erkannt hat, dass es wichtig ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Aus Ihrer Rede hat vom ersten bis zum letzten Satz eine latente Skepsis und Wirtschaftsfeindlichkeit gestrahlt. Sie setzen allen Ernstes das Ladenöffnungsgesetz als Argument für mehr Kinder ein. Wir müssten also quasi sagen: Lasst die Läden zu, damit wir die Geburtenrate steigern. Solche Absurditäten hat Ihr Debattenbeitrag hervorgerufen.

(Heiterkeit von CDU und FDP)

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist schwierig. Fragen Sie manche Frau, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren will. Gerade diejenigen sind es doch, Frau Asch, die sagen: Flexibilisiert die Ladenöffnungszeiten, damit wir nicht reguliert durch den Staat vorgeschrieben bekommen, wann wir einkaufen gehen dürfen und wann nicht. Es ist doch eine Absurdität, das in einen Zusammenhang mit mehr Kindern in diesem Land zu bringen.

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Asch?

Ja.

Bitte schön, Frau Asch.

Nur eine kurze Anmerkung: Wie Sie wissen, gehöre ich genau zu dieser Spezies von Mensch, die ihre Kinder – nämlich drei – mit ihrer Berufstätigkeit im Landtag zu vereinbaren hat. Ich wünsche nicht, wie Frau Ministerin Thoben es bei Einführung des Gesetzes gesagt hat, meine Freizeit mit meinen Kindern beim Shoppen zu verbringen, sondern ich möchte Zeit für sie haben. Ich möchte gemeinsame Zeit mit ihnen gestalten und das nicht beim Shoppen tun. – Aber das nur am Rande.

Herr Minister Laschet, glauben Sie als Familienminister nicht, dass Kindern gute Chancen des Aufwachsens jenseits ihrer Funktion in dieser Gesellschaft, die sie einmal haben werden, geboten werden müssen? Mich stört das Vorzeichen. Finden Sie das Vorzeichen richtig, unter dem Sie als Familienminister die Debatte führen?

Erstens haben Sie uns jetzt Ihre persönlichen Wünsche Ihrer Freizeitgestaltung vorgetragen. Ich habe auch nicht gesagt, Frau Asch wünscht das; denn Gesetze richten sich in diesem Land nicht nach Frau Asch, sondern nach den Bedürfnissen von Frauen, die Familie und Beruf vereinbaren wollen. In Diskussionen wird genau dies unter anderem benannt. Wenn Sie die Läden gerne zuhaben möchten, brauchen Sie ja nicht einkaufen zu gehen. Als Politikerin sind Sie nicht dazu verpflichtet, Familienpolitik über die Ladenschlusszeiten zu machen. Es ist eine Absurdität, und Sie sollten über diesen Gedanken noch einmal nachdenken.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Natürlich ist Familie für mich als Familienminister mehr als das, was der Wirtschaft nützt. Ich habe aber in Ihrer Rede keine Sekunde gehört, welche Bedeutung Familie hat, was es bedeutet, Kinder zu erziehen, welche Bedeutung Bildung hat. Sie haben nur über Quoten, Öffnungszeiten und Budgetvereinbarungen geredet, aber bei der rein wirtschaftlich, staatlich, verwaltungstechnischen Argumentation, wie Sie von Ihnen vorgetragen worden ist, kein einziges Wort über den Wert von Familie, warum Menschen Ja zu Kindern sagen, welche Bereicherung es ist, Kinder zu haben, verloren.

(Beifall von der CDU – Andrea Asch [GRÜ- NE]: Im Antrag steht es!)

Mich brauchen Sie da nicht zu belehren, Frau Asch. Ich freue mich nur, wenn auch die Wirtschaft erkennt, dass das Thema wichtig ist. Das ist das Einzige, was in dem Antrag der Fraktionen

steht: Die Wirtschaft erkennt, dass es für sie auch Bedeutung hat. Es ist gut, dass die Wirtschaft das heute erkennt und nicht die Einschätzung eines memoirenschreibenden ehemaligen Kanzlers hat, dass das nur „Gedöns“ ist. Die Wirtschaft erkennt, dass es wichtig ist, und darüber freue ich mich.

Drittens zu dem, was die Kollegin Tillmann vorgetragen hat. Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben, dass Sie sagen: Mit diesem Antrag, den die Koalition heute vorbringt, verlässt die Union – Sie haben nur die Union angesprochen und nicht die FDP – die Vorstellung, Frauen gehören in die Küche und machen nicht Karriere.

(Angela Tillmann [SPD]: Ich finde das posi- tiv!)

Liebe Frau Kollegin, Sie sind vielleicht 20, 25 Jahre zu spät in dieser Welt. Wir haben 1986 unter den Familienministern Heiner Geißler und Rita Süssmuth durchgesetzt, dass Erwerbs- und Familienarbeit gleichermaßen anerkannt werden.

(Beifall von CDU und FDP)