Protokoll der Sitzung vom 26.10.2006

(Beifall von FDP und CDU)

Unter dieser Wirtschaftsministerin findet in der Wirtschaftsförderung alles das statt, für das Sie Sonderprogramme brauchten. Ich freue mich,

dass Arbeitsagenturen, Wirtschaftsförderung und Starterzentren den Wiedereinstieg in den Beruf in ganz anderer Weise ermöglichen, als es mit den Regionalstellen bisher der Fall war.

Insofern ist das auch keine ideologische Frage. Vielmehr geht es darum, wie die Landesregierung dieses Thema querschnittsmäßig zu einem wichtigeren Thema macht.

Lassen Sie mich mit einer Bemerkung zu den Betreuungsplätzen für die unter Dreijährigen schließen. Wir haben über diese Quote gesprochen. Sie lag bei Regierungsübernahme bei 2,8 %. Jetzt kritisiert Frau Asch: Im Haushalt steht nicht, dass dafür Geld ausgegeben wird; also gibt es auch keine neuen U3-Plätze.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Es stehen keine zu- sätzlichen Plätze im Haushalt!)

Weil Sie nicht wissen, wie das Ganze funktioniert, will ich es Ihnen ja gerade erklären. Es werden Plätze umgewandelt.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Trickserei!)

Es gibt jedes Jahr zusätzliche Plätze, da wir auf 20 % kommen wollen. Daher haben wir bereits 2.000 Plätze umgewandelt. Natürlich finden Sie diese Plätze nicht im Haushalt. Die Summe ist ja gleich geblieben. Wir wandeln frei werdende Plätze für Drei- bis Sechsjährige aber in Plätze für unter Dreijährige um. Normalerweise würden im Haushalt Mittel gestrichen, weil es weniger Kinder gibt und daher weniger Plätze notwendig sind und Gruppen wegfallen können. Wir wandeln diese Plätze in Plätze für unter Dreijährige um. 2.000 haben wir bereits geschaffen. Im Ausschuss können wir Ihnen gerne eine Bilanz vorlegen.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Da sind wir ge- spannt!)

Frau Asch, Sie schütteln den Kopf. Den Vater und die Mutter, die den Platz brauchen, interessiert, ob sie ihn bekommen. Für sie ist wichtig, ob man bei Ihrer Bilanz von 2,8 % bleibt oder ob der Anteil am Ende 20 % beträgt. Insofern stellen die 2.000 Plätze für 2.000 Familien eine bessere Möglichkeit dar, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.

Diesen Weg werden wir Jahr für Jahr fortsetzen. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, wie wir die entsprechenden Plätze schaffen, für die Menschen wohl zweitrangig. Sie interessiert, ob sie für ihre Probleme eine Lösung haben. Diese Problemlösungen werden durch diese Umwandlungs

strategie ganz entscheidend vorangebracht – in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Wir sind gespannt!)

Herr Minister, Frau Altenkamp hat eine weitere Zwischenfrage. Möchten Sie sie auch zulassen?

Ja.

Bitte schön, Frau Altenkamp.

Herr Minister, in Bezug auf diesen Wirkungskreis – so will ich es einmal bezeichnen – frage ich Sie: Sind Sie mit mir einer Meinung, dass es für den Landtag als Haushaltsgesetzgeber natürlich ausgesprochen schwierig ist – das habe ich auch schon in den Vergangenheit kritisiert –, dass immer nur genehmigte Plätze im Haushalt dargestellt werden? Diese Systematik führt nämlich dazu, dass der Haushaltsgesetzgeber nur mit großen Schwierigkeiten feststellen kann, wie die hier gefassten politischen Beschlüsse tatsächlich umgesetzt werden – und wenn, dann maximal mit dreijähriger Verzögerung.

(Christian Lindner [FDP]: Das ist doch eure Vereinbarung gewesen!)

Sind Sie mit mir einer Meinung, dass das eine systematische Problematik ist, der wir alle uns annähern müssen, weil sie ausgesprochen schwierig ist?

(Christian Lindner [FDP]: Falsch!)

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass wir da mehr Transparenz brauchen.

(Demonstrativer Beifall von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Entschuldigen Sie einmal, wir bauen hier auf einer Haushaltsstruktur auf, die seit Jahren gewachsen ist. Hätten Sie das bis zum letzten Jahr besser gemacht, könnten wir dort fortsetzen, Herr Sagel. Wir räumen das Land Stück für Stück auf.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Herr Sagel, wir werden mehr Transparenz in den Haushalt bringen, als Frau Kollegin Altenkamp das gerade für die Haushaltsführung der alten Regierung in Anspruch genommen hat.

(Britta Altenkamp [SPD]: Sie haben die nächste Bugwelle schon vor sich!)

Frau Altenkamp, Sie beklagen eine Haushaltssystematik, und ich habe Ihnen unter den lauten Zwischenrufen von Herrn Sagel gerade Recht gegeben. Diese Systematik, die Sie auch unter der alten Regierung beklagt haben, ist ein Missstand. Man kann das nicht erkennen. Sie können aber nicht erwarten, dass eine ganze Systematik, die Sie seit Jahren aufgebaut haben, von uns in 15 Monaten geändert wird. Herr Sagel, wir werden sie ändern, weil wir mehr Transparenz wollen.

Dann kann auch Frau Asch erkennen, wie viele Plätze es exakt sind. Frau Asch weiß aber, dass das Umwandeln und die Budgetvereinbarung Formen einer Praxis sind, um mehr U3-Plätze zu schaffen. Insofern weiß Frau Asch auch, dass wir schon weiter sind, als wir es noch vor einem Jahr waren. Wir werden das aber für Frau Asch und Herrn Sagel im Haushalt noch transparenter machen, denn es liegt auch in unserem Interesse, dass Sie unsere Erfolge sehen und erkennen, was wir an Plätzen umwandeln. Sie sollen erkennen, wie viel mehr wir für Familien tun. Deshalb wird das in den Haushalten künftig klarer zu sehen sein.

(Beifall von der CDU)

Das wird eine wichtige Frage bei einem neuen Gesetz sein.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Der Haushalt ist gekürzt worden!)

Was ist gekürzt worden, Herr Sagel?

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Der Haushalt!)

Der Haushalt ist gekürzt worden. Die präzisen Aussagen von Herrn Sagel sind immer wieder faszinierend.

(Heiterkeit von der CDU)

Es sind 2.000 Plätze mehr geschaffen worden. Für Herrn Sagel bedeutet das eine Kürzung. 2.000 zusätzliche Plätze bedeutet für mich eine Steigerung.

(Beifall von der CDU)

Aber es fällt auch schwer, mit dem Kollegen Sagel über Begriffe zu diskutieren.

Lassen Sie mich mit einigen Bemerkungen zur Wirtschaft schließen. Ich glaube, dass wir mehr konkrete Vereinbarungen brauchen. Es kann nicht bei Appellen bleiben. Frau Asch, ich bin mir nicht sicher, ob gleich die Gesetzesmaschine wieder anlaufen und man in die Ausschreibungen am

besten Folgendes schreiben muss: Ist dieses Unternehmen eines, das erstens ausbildet, zweitens genug Frauen einstellt und drittens familienfreundlich ist? – Ich bin mir nicht sicher, ob es uns aus unseren strukturellen Wirtschaftsproblemen heraushilft, wenn wir das Wirtschaftsleben mit neuen bürokratischen Maßnahmen und Vorschriften immer komplizierter machen.

Aber eines ist wahr: Die Selbstverpflichtungen müssen verbindlicher werden. Insofern bin ich froh, dass die Bundeskanzlerin vor noch nicht einmal einer Woche mit den Spitzenverbänden verbindlich verabredet hat, dass es seitens der Wirtschaft mehr Engagement bei den Betreuungsmöglichkeiten und der Frauenförderung gibt. Wir werden abwarten, wie konkret das, was letzte Woche vereinbart worden ist, trägt. Aber ich bin sicher, dass solche Selbstverpflichtungen mit konkreten Zielen besser sind, als neue bürokratische Standards für die Wirtschaft einzuführen.

Wir haben in der globalisierten Arbeitswelt seit Jahren die Situation, dass die Übererfüllung des Arbeitszeitsolls zum unausgesprochenen Standard gehört. Die Bedeutung von Arbeit und das Ansehen, das man durch sie erreichen kann, schränkt häufig das Privat- und das Familienleben ein. All das, was wir in diesen Wochen auch mit dem neuen Begriff „Generation Praktikum“ beschreiben, erhöht die Kinder- und Familienfreundlichkeit nicht gerade und schafft auch keine Bedingungen, unter denen Menschen Ja sagen zu Kindern.

In dem Familienbericht der Bundesregierung werden die Unternehmen daher aufgefordert, hier aktiv zu werden und Bedingungen dafür zu schaffen, dass mehr Familienfreundlichkeit erreicht wird. Es gibt bereits viele – vor allem größere – Unternehmen, die hier ganz besondere Anstrengungen unternehmen. Frau Asch, dazu sage ich, dass diese Unternehmen das auch aus Eigeninteresse tun. Natürlich geschieht das in ihrem eigenen Interesse. Sie machen das deshalb, weil sie Vertreterinnen der bestqualifizierten Frauengeneration, die wir je hatten, in ihren Betrieben haben wollen. Aber warum sie das tun, ist mir eigentlich relativ egal. Dass sie es tun, ist entscheidend. Dass sie dazu beitragen, dass in den Betrieben mehr Familienfreundlichkeit Einzug hält, sollte uns hier erfreuen.

Wir werden die Anträge im Ausschuss beraten. Ich bin froh, dass das Thema Kinder- und Familienpolitik eine solche Bedeutung gewonnen hat, dass wir hier – wenn auch bei manchen Themen vielleicht kontrovers – engagiert darüber diskutieren. Die Öffentlichkeit muss immer mehr wahr

nehmen, dass das ein wichtiges Thema ist, und wir müssen von unseren europäischen Nachbarn, beispielsweise den Franzosen, lernen.

Meine Einschätzung ist der Ihren ganz nah: Ich glaube nämlich, dass das Kinderbetreuungsangebot wichtiger ist als das Elterngeld. In dieser Frage hatten wir schon einmal einen Konsens. Ich glaube, wenn wir das abklopfen und im Land ein gutes Kinderbetreuungsangebot schaffen, ermöglichen wir mehr Menschen, Ja zu Kindern und Familie zu sagen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Minister. – Für die SPD spricht nun Frau Gießelmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts all der deutlich gewordenen Differenzen, die hier ein bisschen lebhaft ausgetragen wurden, sage ich noch einmal: Ich finde es schön, dass Sie dieses Thema aufgegriffen haben und über das Vereinbaren von Familie und Beruf wirklich intensiver diskutieren. Ich bin gerne bereit, mitzumachen.

Die Privatisierung der Kinderfrage oder der ausgeprägte Müttermythos in Westdeutschland hat hier eine Entwicklung ungeheuer gebremst, die in anderen Industriestaaten selbstverständlicher verlief. Viele hingen – leider hängen auch heute noch viele daran – einem konservativen gesellschaftlichen Leitbild aus den 50er-Jahren an, dass Mütter idealisiert, die zugunsten ihrer Kinder auf den Beruf verzichten. Im Gegenzug werden berufstätige Mütter argwöhnisch beobachtet, behindert – zumindest nicht gefördert – oder auch als Rabenmütter abgestempelt. Das ist immer noch Wirklichkeit. Es ist gut, dass wir uns damit beschäftigen, um diese Wirklichkeit zu verändern.