Protokoll der Sitzung vom 26.10.2006

Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung und stelle fest, dass die Große Anfrage 2 der Fraktion der SPD erledigt ist.

Ich rufe auf:

8 Schulen in freier Trägerschaft stärken – Erhalt und weiteren Ausbau von Ersatzschulen sicherstellen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/2721 – Neudruck

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion dem Kollegen Ratajczak das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Sommer! Sehr geehrte Damen und Herren! 20 % der Eltern in Nordrhein-Westfalen wünschen sich, dass ihr Kind eine Schule in privater Trägerschaft besucht. Zurzeit haben wir an den 425 Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen jedoch nur ein Angebot für rund 203.000 Schülerinnen und Schüler. Damit ist gerade nur ein Drittel des Bedarfes gedeckt. Um den Bedarf komplett decken zu können, müsste die Privatschullandschaft auf rund 1.200 Ersatzschulen erweitert werden.

Unser heutiger Antrag „Schulen in freier Trägerschaft stärken – Erhalt und weiteren Ausbau von Ersatzschulen sicherstellen“ soll dazu beitragen,

dieser großen Nachfrage zukünftig besser zu entsprechen und gegenüber den europäischen Nachbarn ein wenig aufzuholen. Denn auch im europäischen Vergleich hat Nordrhein-Westfalen einen erheblichen Nachholbedarf. So besuchen nur 6,5 % der Kinder bei uns eine Privatschule. In Dänemark sind es 11,1 %, in Frankreich 21 % und in den Niederlanden sogar 76,3 %.

Neben der Bestandssicherung für die bereits vorhandenen Ersatzschulen wollen wir vor allem die Gründung neuer Schulen in privater Trägerschaft anregen und erleichtern. Die Ersatzschulen, die von Rot-Grün viel zu lange nur als Konkurrenz zum staatlichen Schulsystem gesehen werden und weitgehend vernachlässigt wurden, brauchen und verdienen unsere Unterstützung.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir sehen die Schulen in privater Trägerschaft als wichtige Ergänzung zu den öffentlichen Schulen und betrachten sie als gleichwertige Partner in unserem Bildungssystem. Als solche werden wir sie auch behandeln.

Ersatzschulen haben nicht nur den großen Vorteil, dass sie durch ihren Eigenanteil den Staat in finanzieller Hinsicht entlasten. Insofern – das möchte ich der Vollständigkeit halber nicht verschweigen – rechnet sich also der Betrieb einer Ersatzschule auch für den Finanzminister. Die öffentliche Hand spart durch die Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen derzeit rund 100 Millionen € pro Jahr. Aber das – das möchte ich an dieser Stelle betonen – ist für uns nicht das entscheidende Argument, warum wir den Ausbau von Ersatzschulen im Land vorantreiben wollen.

Sie haben vielmehr in vielerlei Hinsicht Vorbildfunktion für unsere öffentlichen Schulen. In erster Linie zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie neben dem verbindlichen Lehrstoff ergänzende Bildungsangebote machen. Je nach Ausrichtung werden zusätzliche künstlerische oder musikalische Fähigkeiten vermittelt, christliche Werte gelehrt und soziale Kompetenz sowie außerschulisches Engagement der Schülerinnen und Schüler gefördert. Dies schätzen insbesondere die Eltern, die sich für eine Schule in privater Trägerschaft entscheiden.

Auch bei den Schulen in staatlicher Trägerschaft soll künftig wieder mehr Wert auf Arbeits- und Sozialverhalten sowie privates Engagement der Schülerschaft gelegt werden. Die Voraussetzungen dafür haben wir mit dem neuen Schulgesetz ganz sicher geschaffen.

Profitieren können wir im Übrigen auch von den langjährigen Erfahrungen der privaten Schulen mit der Selbstständigkeit, die wir nun auch verstärkt mit den öffentlichen Schulen wagen wollen. Mit unserem neuen Schulgesetz haben wir kürzlich den Grundstein für mehr Freiheit und Eigenverantwortlichkeit der Schulen in staatlicher Trägerschaft gelegt.

(Beifall von der CDU)

Die selbstständige Entscheidung über den Stellen- und Sachmitteletat oder die Unterrichtsorganisation sind nur einige der bekannten Beispiele.

Unsere Unterstützung für die Ersatzschulen wollen wir aber nicht nur an einer angemessenen finanziellen Ausstattung der Schulen dokumentieren, zum Beispiel indem wir die rot-grünen Kürzungen von 15 Millionen € rückwirkend für das Haushaltsjahr 2005 wieder zurückgenommen und damit Schulschließungen privater und vor allem kirchlicher Träger verhindern konnten.

Zur Erinnerung an die linke Seite des Hauses, die ja leider nicht mehr ganz vollzählig ist – schade eigentlich bei diesem Thema –: Die Vorgängerregierung hat mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2004/2005 die staatliche Unterstützung für die Ersatzschulen gesenkt und damit die Träger gezwungen, ihren Eigenanteil zu erhöhen. Bis zum Jahre 2007 sollten die Kürzungen zulasten der Ersatzschulträger stufenweise sogar bis auf 30 Millionen € pro Jahr angehoben werden. Damit hatte Rot-Grün mal wieder Wortbruch begangen, denn sie hatte zugesagt, den finanziellen Status quo bei der Novellierung der Ersatzschulfinanzierung beizubehalten.

Aber zurück zu heute und damit zu besseren Zeiten: Wie bereits erwähnt, haben wir sofort nach unserer Regierungsübernahme im Nachtragshaushalt 2005 die von Rot-Grün vorgesehenen Kürzungen wieder rückgängig gemacht. Der Haushalt 2006 verzeichnet eine Steigerung der finanziellen Unterstützung für die Ersatzschulen in Höhe von 34,7 Millionen € im Vergleich zum Vorjahr. Für 2007 ist eine weitere Erhöhung der Mittel um 22 Millionen € auf insgesamt 1,052 Milliarden € vorgesehen. Dies trägt vor allem den gestiegenen Schülerzahlen Rechnung, gilt aber auch für die Schaffung von zusätzlichen Lehrerstellen gegen Unterrichtsausfall und der Verbesserung der individuellen Förderung. Sukzessive soll in den nächsten Jahren auch der Anteil der Eigenleistungen der Ersatzschulen weiter reduziert werden.

Wie der heutige Antrag zeigt, geht es uns aber – das ist uns, wie gesagt, ganz wichtig – nicht nur

um die verfassungsrechtlich verankerte finanzielle Hilfe für Ersatzschulen, sondern es geht uns vielmehr darum, insbesondere auch die Neugründung solcher Schulen zu erleichtern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leider gibt es immer noch jede Menge Hürden bis zur vorläufigen beziehungsweise endgültigen Genehmigung einer Ersatzschule durch die örtlich zuständige Bezirksregierung. In der Regel dauert das Genehmigungsverfahren bei Einreichung vollständiger Antragsunterlagen drei bis vier Monate. Die Zeit von der Idee bis zur Antragstellung hingegen ist ungleich länger. Durchschnittlich zwei bis fünf Jahre vergehen, bis ein Antrag vollständig und entscheidungsreif ist.

Dies habe ich zuletzt in meinem eigenen Wahlkreis erlebt. Dort hatte eine Elterninitiative bereits seit dem Jahr 2002 versucht, eine neue Schule zu gründen. Dieser zu begrüßenden Initiative wurden jedoch leider vonseiten der Bezirksregierung Düsseldorf immer wieder weitere Steine in den Weg gelegt. Erst mit dem Schuljahr 2005/2006 konnte die Freie Aktive Schule Wülfrath starten. Heute erfreut sich die Schule bei den Eltern größter Beliebtheit und ist aus der Wülfrather Schullandschaft nicht mehr wegzudenken.

Dieses Beispiel zeigt, dass bei den Genehmigungsverfahren durch die Bezirksregierung noch zu selten der Servicegedanke zu erkennen ist. Vielfach wird hier das sogenannte Haar in der Suppe einer Gründungsinitiative gesucht und häufig auch gefunden, statt die Zielsetzung zu haben, mit einer entsprechenden Beratung eine Gründung erst zu ermöglichen.

Hier wollen wir Abhilfe schaffen, und zwar unter anderem durch bessere Informationen über das Ersatzschulrecht und die Finanzierungsvoraussetzungen. Informationsdefizite müssen abgebaut und bürokratische Hemmnisse beseitigt werden, damit die Aufnahme des Schulbetriebs neuer Schulen in privater Trägerschaft zukünftig nicht mehr durch fehlerhafte oder nicht rechtzeitig gestellte Anträge verzögert wird.

Ich hoffe, dass wir auch bei Ihnen auf offene Türen treffen und der Antrag auf fruchtbaren Boden fällt: für mehr Ersatzschulen, für mehr Wettbewerb, der unser Schulsystem sicherlich in einer positiven Weise beleben wird. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ratajczak. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP die Kollegin Piepervon Heiden das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schulen in freier Trägerschaft bereichern das unter staatlicher Aufsicht und Verantwortung stehende Bildungssystem. Sie stehen für Innovation, Vielfalt, Selbstständigkeit und sind oftmals Vorreiter pädagogischer Innovationen. Spezielle pädagogische Profile, ein gutes Schulklima sowie eine individuelle Betreuung der Schüler sind ebenso ihr Markenzeichen wie das besondere Engagement der Eltern. Ersatzschulen haben hohe Qualitätsstandards und bringen so das nordrhein-westfälische Bildungssystem im Wettbewerb mit staatlichen Schulen voran.

Wie Ihnen bekannt sein dürfte, hat die FDP Ersatzschulen immer als zweite gewichtige Säule des öffentlichen Schulwesens betrachtet und sich für deren Stärkung eingesetzt. Umso empörter waren wir, als die alte rot-grüne Landesregierung im Haushaltsjahr 2005 die Eigenleistung der privaten Ersatzschulträger um 1,5 Prozentpunkte auf 16,5 % erhöhte. Ein Umdenken und Mentalitätswechsel im Umgang mit Schulen in privater Trägerschaft war dringend notwendig.

Meine Damen und Herren, wir haben für Chancengerechtigkeit sowie gegen die Ungleichbehandlung gegenüber öffentlichen Schulen gekämpft. Ich bin froh, dass FDP und CDU einmal mehr ihre Verlässlichkeit unter Beweis gestellt haben. Kurz nach dem Regierungswechsel hat die neue Landesregierung die Kürzung zurückgenommen und den Schulträgern 15 Millionen € zurückerstattet. So gab es erstmals Planungssicherheit und Vertrauen in die Zukunft.

An dieser Stelle möchte ich lobend erwähnen, dass es nun 100 Lehrerstellen mehr gegen den Unterrichtsausfall, für Vertretungsaufgaben und besondere Förderaufgaben auch für Schulen in privater Trägerschaft gibt. Sie werden gleich behandelt.

Meine Damen und Herren, Schulen in freier Trägerschaft werden in Nordrhein-Westfalen immer beliebter. Gemäß den Angaben des Statistischen Landesamtes stieg die Schülerzahl an allgemein bildenden Privatschulen in NRW im Schuljahr 2005/2006 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 2.300. Das ist ein Anstieg um rund 1,5 %. Seit dem Pisa-Schock im Jahr 2000 ist die Schülerzahl in Nordrhein-Westfalen an allgemein bildenden Privatschulen sogar um 10.000 Schüler und damit um mehr als 6 % gestiegen. Der Nachfrage seitens der Eltern kann kaum entsprochen werden.

Im letzten Jahr wurde in Nordrhein-Westfalen trotz der großen Nachfrage nur eine einzige Privat

schule neu gegründet. Die hohen bürokratischen Hürden haben einen stärkeren Zuwachs verhindert. Auch dies soll sich nun ändern.

Daher bitten wir die Landesregierung zu prüfen, welche weiteren Unterstützungsmaßnahmen entwickelt werden können, damit Ersatzschulen gegründet oder vorhandene Ersatzschulen langfristig in ihrem Bestand gesichert werden können.

Wenn gestellte Anträge alle Kriterien erfüllen, dann müssen sie auch genehmigt werden. Das war nicht immer so unter Rot-Grün.

Gemäß den Erfahrungen der letzten Jahre wurde eine längere Verfahrensdauer zur Genehmigung neuer Ersatzschulen zuweilen aber auch dadurch verursacht, dass Antragsteller nur über unzureichende Kenntnisse des Ersatzschulrechts und der Ersatzschulfinanzierung verfügten und manche Anträge daher nicht den Anforderungen genügten oder nicht rechtzeitig vor dem geplanten Betriebsbeginn gestellt wurden.

Deshalb fordern wir die Landesregierung auch dazu auf, Verzögerungen durch Informationsdefizite künftig zu vermeiden und diesen Schulen oder den Schulen in Gründung unterstützend zur Seite zu stehen.

(Beifall von FDP und CDU)

FDP und CDU verfolgen keine Verhinderungsstrategie, um das ganz klar zu sagen. Meine Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ein individuell ausgelegtes Schulsystem, das Innovation befördert. Noch wird das kaum so ausgeprägt geleistet wie von Schulen in privater Trägerschaft. Daher lassen Sie uns diese Schulen stärken sowie deren Ausbau sicherstellen und stimmen Sie unserem Antrag zu. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – Nun hat für die Fraktion der SPD der Kollege Große Brömer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es weckt Erstaunen, dass ein Antrag von FDP und CDU mit diesem Inhalt, der gerade in den beiden Wortbeiträgen noch etwas mühevoll ergänzt worden ist, zu diesem Zeitpunkt eingereicht worden ist. Ich habe ein großes Fragezeichen hinter diesen Antrag gesetzt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Frau Ministerin Sommer just vor einer Woche, am Mittwoch, im Ausschuss für Schule

und Weiterbildung im Rahmen der Einführung in den Haushalt 2007 dargestellt hat, dass eine Mittelerhöhung für den Ersatzschulbereich vorgesehen ist. Sie hat darüber hinaus angekündigt, dass die Landesregierung plant, in einem Stufenverfahren den Eigenanteil der Schulträger, der Eltern zu senken.

Von daher ist zu fragen: Was soll dieser nachgereichte Antrag? Welche Intention steckt dahinter? Muss dieser Antrag die Aussagen der Ministerin im Nachhinein unterstützen? Oder soll noch einmal die besondere Unterstützung von CDU und FDP für die Ersatzschulen verdeutlicht werden, wie es gerade auch zum Ausdruck kam?

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, in diesem Zusammenhang wird es ein bisschen peinlich, wenn Sie formulieren – ich zitiere die ersten beiden Sätze Ihres Antrags –:

„Das neue Schulgesetz stellt klar heraus, dass Ersatzschulen eine gleichberechtigte Säule im Schulsystem Nordrhein-Westfalens sind. Nach § 100 Abs. 1 Satz 2 des neuen Schulgesetzes ergänzen und ,bereichern‘ Schulen in freier Trägerschaft das öffentliche Schulwesen in NRW.“

Wenn Sie das so herausstellen, muss der Hinweis gestattet sein, dass in allen Paragrafen des neuen schwarz-gelben Schulgesetzes, die sich mit den Ersatzschulen beschäftigen, genau zwei Worte geändert worden sind,

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])