Protokoll der Sitzung vom 26.10.2006

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

nämlich die Worte „und bereichern“ hinzugefügt worden. Alles andere war schon im rot-grünen Schulgesetz enthalten. Sie schmücken sich also mit Federn, die eigentlich gar keine Federn sind.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dazu kann man nur sagen: Es kreißte der Berg …

Offensichtlich geht es um eine Diskussion über den Stellenwert der Ersatzschulen. Unsere diesbezügliche Antwort ist völlig klar. Das haben wir in der letzten Legislaturperiode so oder ähnlich auch mehrmals unterstrichen. Für uns ist ganz unstrittig, dass die Ersatzschulen eine wichtige Nischenfunktion in der nordrhein-westfälischen Bildungslandschaft besitzen und eine wesentliche Ergänzung zum öffentlichen Schulwesen darstellen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass in Nordrhein-Westfalen ein faires Nebeneinander von beziehungsweise eine faire Konkurrenz zwischen privaten Schulen und öffentlichem Schulwesen

existiert – und auch schon existiert hat. Deshalb bekommen die Ersatzschulen wie bereits in den letzten Jahren weiterhin mehr als 1 Milliarde € staatliche Zuschüsse pro Jahr.

Weil Herr Kollege Ratajczak die entsprechende Berechnung eben noch einmal erwähnt hat, sei der Hinweis gestattet, dass bereits in der letzten Legislaturperiode mehrmals, auch in Beantwortung von Kleinen Anfragen, darauf hingewiesen worden ist, dass es sich bei der Zahl von 100 Millionen € Einsparungen um eine Luftnummer handelt. Diese Summe wurde von den Verbänden behauptet, ist aber bis heute noch nicht ansatzweise belegt worden. Im Gegenteil: Die Aufwendungen des Landes für die privaten Ersatzschulen liegen im Vergleich zum öffentlichen Schulwesen um 20 bis 25 % höher, weil das Land bei der Förderung der Ersatzschulen die Schulträgeranteile mit übernimmt, die ansonsten die Kommunen zu tragen haben.

Ich komme auf die Eingangsfrage zurück: Warum wird dieser Antrag gestellt? Geht es in diesem Finanzierungszusammenhang eventuell um die Einleitung einer Modifizierung der ErsatzschulFinanz-Verordnung? Diese Frage müsste die Ministerin gleich beantworten können. Geht es um die Verabschiedung vom Defizitdeckungsprinzip, mit dem in Nordrhein-Westfalen gerade der private Schulbereich erfolgreich gearbeitet hat?

Ich darf daran erinnern, dass die Diskussion um eine pauschalierte Zuschusserteilung an die Ersatzschulen zwischen CDU und FDP in der letzten Legislaturperiode mehr als nur strittig gewesen ist. Ich darf auch daran erinnern, dass der Landesrechnungshof vor dem Hintergrund ein Pauschalsystem vorgeschlagen hat, dass einige Schulträger bei der Darstellung der eigenen Kosten für Gebäude und Unterhalt der Gebäude wirtschaftlich offensichtlich mehr als mangelhaft arbeiten.

Es gibt in der Tat einen dringenden Diskussionsbedarf, wenn es um ein Umswitchen der Finanzierung geht; denn nach unserer Überzeugung kann und darf es keine Abkehr vom Gleichbehandlungsrundsatz für öffentliche und private Schulen geben. Ein dumpfes „Privat vor Staat“ im Schulbereich kann unseres Erachtens nicht ernst gemeint sein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Eine eventuell beabsichtigte Bevorzugung der Ersatzschulen entbehrt jeglicher fachlichen Begründung; denn privat bedeutet nicht per se besser. Übrigens hat auch Elsbeth Stern, Professorin am Max-Planck-Institut in Berlin, in einem bemer

kenswerten Interview in der „Wirtschaftswoche“ dargestellt, dass dies keinen Automatismus bedeutet, sondern dass es auf die Qualität der einzelnen Schule ankommt. An dieser Stelle sind die öffentlichen Schulen mehr als nur konkurrenzfähig.

Eine Abkehr von diesem Gleichbehandlungsgrundsatz würde auch den Verfassungsgrundsätzen widersprechen. – Ich bitte darum, das in den zukünftigen Diskussionen genau zu beachten.

Für uns Sozialdemokraten geht es um ein gerechtes Mit- und Nebeneinander von öffentlichen Schulen und Ersatzschulen. Ein fairer Wettbewerb, gleiche Bildungschancen sowie pädagogische und methodische Innovationen in beiden Schulbereichen müssen das Ziel von verantwortlicher Bildungspolitik sein.

Auf dieser Basis können wir im Ausschuss für Schule und Weiterbildung gerne weiter über diesen Antrag diskutieren. Wir stimmen der Überweisung natürlich zu. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Große Brömer. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Beer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ratajczak, Sie haben von Wortbruch und von besseren Zeiten gesprochen, die angeblich angebrochen seien. Diskutieren Sie das in der aktuellen Situation bitte einmal gerade mit den Weiterbildungsträgern aus! Ich glaube, dass Sie dann Ihr schwarz-gelbes Wunder erleben werden.

(Marc Ratajczak [CDU]: Warten Sie ab, Frau Beer!)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich war sehr überrascht, allerdings auch erfreut, dass wir mit Unterstützung der CDU- und ganz besonders der FDP-Fraktion heute ernsthaft eine Initiative zur Ausweitung der Einheitsschule in NRW diskutieren können.

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

Jetzt lachen Sie. Ich habe es aber doch richtig verstanden, dass Sie mit Ihrem Antrag unter anderem die bestehenden Waldorfschulen unterstützen und sicherlich auch Neugründungen fördern wollen? Sie werden mir zustimmen, dass die Waldorfschulen mit dem Ansatz einer ganzheitli

chen Bildung sowie einem besonderen Blick auf das Individuum und das Potenzial der einzelnen Schülerinnen und Schüler mit einem Förderauftrag antreten und diesen auch erfolgreich umsetzen.

Nun, in Baden-Württemberg nennt man die Waldorfschulen unter anderem Einheitsschulen – darauf wies uns ein dortiger Kollege hin –, weil die Schüler gemeinsam in einem Verband lernen, was den sozialen Zusammenhalt, den individuellen Bildungserfolg und auch die Leistung fördert. Meine Schlussfolgerung daraus lautet: Vor diesem Hintergrund sollten Sie Ihre Kampfbegriffe einer gewissenhaften Prüfung unterziehen.

Aber nun zu Ihrem Antrag, den ich etwas genauer unter die Lupe nehmen möchte. An erster Stelle muss der Bildungsanspruch der Schülerinnen und Schüler auf eine hohe Grundbildung und eine umfassende proaktive Persönlichkeitsentwicklung eingelöst werden. Die Vielfalt der Schullandschaft wird dabei grundsätzlich bereichert durch besondere pädagogische Profile, die Schulen in freier Trägerschaft genauso wie staatliche Schulen entwickeln und entwickeln können.

In diesem Sinne sollen in einer florierenden Schullandschaft verschiedene Blumen blühen. In diesem Sinne begrüßen wir auch die zusätzlichen Blüten der Schulen in freier Trägerschaft und erkennen besonders das Engagement der freien Träger, vor allem der Kirchen, auf diesem Feld an.

In Ihrem Antrag produzieren Sie allerdings einen kleinen Trugschluss. Sie führen aus, dass Schulen in freier Trägerschaft, da sie über hohe Qualitätsstandards verfügten, per se Garanten für Qualität in Erziehung und Bildung seien und daraus ihre Attraktivität für die Eltern gewinnen. Damit suggerieren Sie in fataler Weise, dass Qualitätsstandards an staatlichen Schulen nicht vorhanden seien. Sie blenden dabei besonders aus, dass die Schulleistungsuntersuchung – wie übrigens auch schon die Fremdkorrekturen im Abitur – gezeigt hat, dass das Leistungsniveau der Schulen in freier Trägerschaft nicht per se das der staatlichen Schulen übertrifft. Auch bei den Schulen in freier Trägerschaft ist die Varianz groß.

Wie konsequent Sie im Übrigen mit den Elternwünschen umgehen, die heute hier auch noch einmal angesprochen worden sind, können Sie beweisen, wenn wir uns einmal über die Anmeldeüberhänge bei den Gesamtschulen unterhalten: Das waren allein zum letzten Schuljahr 14.000 Schülerinnen und Schüler, weil es nicht genügend Gesamtschulplätze gibt.

Einen Vorteil sehen die Eltern aber in der Tat darin, dass die Schulen in freier Trägerschaft viel konsequenter die Lehrerinnen und Lehrer aussuchen können, die zu der Schule und ihrem Programm passen. Insgesamt erscheint es den Eltern zudem als ein Vorteil, dass die Schulen eigenverantwortlicher arbeiten können.

Um genau an diesen Schwachstellen des staatlichen Schulsystems arbeiten zu können, haben die Grünen mit dem Projekt „NRW Schule 21“ in der rot-grünen Koalition die Initialzündung gegeben und durchgesetzt, dass die Landesregierung das Modellvorhaben „Selbstständige Schule NRW“ erfolgreich realisiert hat. – So viel auch zu dem Punkt, dass sie jetzt oft so tun, als ob die selbstständigere, eigenverantwortlichere Schule Ihre Entdeckung wäre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, vor Ihrer Regierungszeit haben Sie ganz andere Positionen bezogen. Mit dem Slogan „Schule der Beliebigkeit“ sind Sie durch das Land gezogen. In Reden, in Diskussionen und auf Plakaten haben Sie gegen die selbstständige Schule polemisiert. Heute ist das Ihr Lieblingskind. So ändern sich die Zeiten. Aber es ist positiv zu bewerten, wenn einmal eine Erkenntnis dazukommt.

Lassen Sie mich aber auf die Betrachtung der Motive zurückkommen, die die Eltern bei der Schulwahl in Bezug auf Schulen in freier Trägerschaft bewegen. Nicht verhehlen sollten wir, dass es unter den Eltern auch starke Tendenzen gibt, eine gewisse soziale Exklusivität in der Schüler- beziehungsweise in der Elternschaft anzustreben. Eine Förderung von Schulen in freier Trägerschaft ist daran zu knüpfen, dass dort Schülerinnen und Schüler aus allen Lebens- und Lernausgangslagen sowie aus allen Kulturen eine Schulheimat finden können und dass die Schulen sie gleichberechtigt aufnehmen.

Das, was wir nicht wollen und auch nicht mitmachen, ist das, was Sie mit Ihrer Koalition der Beteuerung – mit „Privat vor Staat“ – beständig befördern. Sie verstärken die sozialen Fliehkräfte und das soziale Auseinanderdriften in diesem Bundesland. Sie produzieren immer ungleichere Lebensverhältnisse in NRW.

(Ralf Witzel [FDP]: Falsch!)

Die Freiheit, für die Sie die Weichen stellen, ist nur die Freiheit der Stärkeren. Das gilt ganz besonders für das Schulgesetz und auch für das Hochschulfreiheitsgesetz, durch das die Bildung rationiert wird, wie der Einbruch gerade bei den Erstsemesterzahlen deutlich zeigt.

Was wir auch nicht brauchen, ist die Exklusivität von Bildung. Herr Recker und auch Herr Ratajczak haben uns noch einmal verraten, dass Sie das Ganze eigentlich als Sparmaßnahme ansehen, denn die Schülerinnen und Schüler an den Schulen in freier Trägerschaft sind für das Land aufgrund des Trägereinsatzes billiger zu haben als staatlich beschulte Schülerinnen und Schüler.

An erster Stelle der Aufgaben steht eine verlässliche, qualitativ hochwertige, staatlich abgesicherte und garantierte Bildung und Betreuung, auf die alle Kinder in diesem Land einen Anspruch haben, den wir einlösen müssen. Für diesen Bildungsanspruch darf es keine Hindernisse in Form von Weltanschauung, Religion oder der Finanzkraft der Eltern geben.

Lassen Sie mich zum Schluss auch ganz eindeutig sagen, was wir nicht wollen: Wir wollen nicht, dass Schulen in freier Trägerschaft zum Zufluchtsort für gesellschaftlich nicht integrationswillige Gruppen werden, die schon jetzt versuchen, ihre Kinder dem staatlichen Schulwesen zu entziehen. Ich erinnere nachdrücklich an das, was wir in Ostwestfalen erlebt haben. Zu diesen Gruppen zähle ich die religiösen Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen, auch die christlichfundamentalistischen Gruppierungen, die den Schulbesuch ihrer Kinder konsequent verweigern und zum Beispiel für die starken Auseinandersetzungen in OWL verantwortlich sind.

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass wir in NRW eine wachsende Gruppe von Kreationisten haben. Leute aus diesem Dunstkreis wollen zum Beispiel die Evolutionstheorie aus dem Unterricht verbannen. Dafür darf es keine parallelen Schulstrukturen und keine Zufluchtsorte geben. Das ist ganz wichtig. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Nun hat Frau Ministerin Sommer für die Landesregierung das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass Sie alle hier noch sitzen und mir zuhören wollen. Eben waren wenigstens noch ein paar Kinder da. Aber auch die sind nun weg.

(Gisela Walsken [SPD]: Ist das ein Wunder?)

Es wäre schön, wenn sie gehört hätten, was wir über Schulen sagen.

Ich begrüße den Antrag der Regierungsfraktionen ausdrücklich. Er deckt sich deutlich mit dem Anliegen und der Zielsetzung der Landesregierung. Auch wir wollen den Ersatzschulen in unserer Bildungslandschaft einen gebührenden Platz einräumen. Dabei sind uns bestimmte Maximen wichtig. Wir wollen mehr Qualität durch mehr Vielfalt, und das bei freiem Elternwillen und ohne soziale Benachteiligung. Es ist uns wichtig, die vielfältigen Erfahrungen und Innovationen der Ersatzschulen mit ihren alternativen, spezifischen Bildungs- und Erziehungszielen für das gesamte Schulsystem zu nutzen.

Deshalb kann ich einen konstruktiven Wettbewerb gleichberechtigter Ersatzschulen mit den öffentlichen Schulen nur befürworten. Ich möchte gleich dem möglichen Einwand begegnen, Schulen in freier Trägerschaft würden nunmehr bevorzugt. Zudem hören wir immer wieder, sie seien, da wir doch nun sparen müssten, zu teuer und die Landesregierung könne sich keinen weiteren Ausbau der Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen leisten.

Es ist in der Tat so – das ist auch schon gesagt worden –, dass der Landeszuschuss über 1 Milliarde € beträgt. Das ist eine Menge Geld. Aber Tatsache ist auch, dass die Ersatzschulen keine bessere Ausstattung als vergleichbare öffentliche Schulen erhalten. Gemäß der Verfassung wird ein finanzielles Eigenengagement der Ersatzschulträger vorausgesetzt. Ersatzschulen erhalten nur Zuschüsse in Höhe derer vergleichbarer öffentlicher Schulen. Den Ersatzschulträgern wird dabei eine Eigenleistung von immerhin 6 % bis 13 % abverlangt.

In diesem Zusammenhang ist allerdings richtig, dass das Land isoliert gesehen mehr Leistungen für Ersatzschulen erbringt, indem es sowohl die Personalkosten als auch die sonst den Kommunen obliegenden Sachausgaben trägt. So kann sich zum Beispiel die Oberbürgermeisterin von Bonn durchaus rühmen, ein hervorragendes intaktes Schulwesen vorzuhalten. Schließlich finanziert das Land ihre neun privaten Gymnasien, und die Kommune beschränkt sich lediglich auf einen Zuschuss zur Aufbringung der Eigenleistungen. Mit der Ersatzschulfinanzierung entlastet das Land also die Kommunen.

Ebenfalls ist mit der alten Behauptung aufzuräumen, Ersatzschulen – damit gehe ich auf Frau Beer ein – bevorzugten vor allem bildungsnahe Schichten. Der überwiegende Anteil aller Ersatzschulen befindet sich in kirchlicher Trägerschaft.