Wir sollten bei dieser Debatte auch nicht vergessen, dass wir zukünftig in wesentlich stärkerem Maße als bisher um Investitionen ausländischer Unternehmen am Standort NRW und am Niederrhein werben müssen.
Dabei dürfte gerade von diesen potenziellen Investoren genauestens beobachtet werden, welche Rahmenbedingungen sie bei uns für unternehmerisches Handeln vorfinden und welchen Umgang die Politik insbesondere in Krisensituationen mit den Unternehmen pflegt. Dass ausgerechnet die SPD in dieser Situation von der Landesregierung eine industriepolitische Strategie für den Niederrhein einfordert, ist wirklich bezeichnend.
Den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen werden wir nur bewältigen können, wenn wir eine mittelstandsfreundliche Politik betreiben, meine Damen und Herren. Die Arbeitsmarktdaten der vergangenen Monate verdeutlichen eindrucksvoll, welche Bedeutung dem nordrhein-westfälischen
Die FDP-Landtagsfraktion ist sich bewusst, dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass NRW auch weiterhin das industrielle Kernland der Bundesrepublik bleibt. Gleichwohl müssen wir damit rechnen, dass uns auch zukünftig Hiobsbotschaften von massiven Stellenstreichungen in der Industrie – wie jüngst bei Bayer oder BenQ Mobil – erreichen werden. Deshalb sage ich: Wir können die vor uns stehenden arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen nur bewältigen, wenn wir verstärkt in Forschung, Bildung und Ausbildung investieren.
Nur wenn es uns gelingt, die Versäumnisse der Vergangenheit auf diesen Gebieten aufzuholen, haben wir wieder beste Voraussetzungen, unser Land zukunftssicher zu gestalten. Zudem halten wir einen grundlegenden Mentalitätswechsel in der Wirtschafts- und Strukturpolitik für unumgänglich. Wir werden verhindern, dass weiterhin jedes Jahr mehrere Milliarden Euro an Steinkohlesubventionen in tiefen Schächten ohne erkennbaren volkswirtschaftlichen Nutzen versenkt werden.
Hieraus ergibt sich für die Bergbauregion die Möglichkeit, ihr altes Ruhrgebietsimage abzustreifen und den Strukturwandel aktiv in Angriff zu nehmen.
Wir setzen dabei auf die Bereitschaft der Menschen, aus eigener Kraft etwas auf die Beine zu stellen, indem wir den Rahmen dafür setzen, dass sich vorhandene Stärken frei entfalten können.
Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Thoben das Wort. Bitte.
Blick auf die Problematik der Firma BenQ, die im Antrag angesprochen ist, zunächst darauf hinweisen, dass sich die Landesregierung in intensiven Gesprächen mit der Siemens AG über deren finanzielle Unterstützung für die betroffenen BenQStandorte in Nordrhein-Westfalen befindet. Siemens hat bisher angekündigt, 35 Millionen € im Rahmen eines Hilfsfonds zur Verfügung zu stellen. Die Landesregierung bemüht sich intensiv darum, weitere Unterstützungsmaßnahmen durch die Siemens AG zu erreichen.
Sie wissen, dass Siemens außerhalb der jetzt in eine sehr schwierige Situation geratenen Standorte an anderen Standorten in Nordrhein-Westfalen insgesamt 32.000 Arbeitsplätze anbietet. An zwei Standorten – nämlich bei Flender in Bocholt und bei Power Generation in Mülheim – ist eine weitere Expansion mit der Einstellung zusätzlicher Beschäftigter geplant. Wir sind zuversichtlich, dass davon auch Arbeitnehmer profitieren können, die derzeit bei BenQ sind und den drohenden Arbeitsplatzverlust, wie man wohl sagen muss, im Nacken haben.
Ich gebe auch denen Recht, die sagen: Es ist schwierig, betriebliche Bündnisse in einer schwierigen Situation zu schmieden, wenn nur kurze Zeit später all das, was man verabredet hatte, infrage steht.
Entschuldigung, ich sage Ihnen doch: Ich verstehe das. Mein Kollege Laumann wird gleich im Anschluss nähere Ausführungen zu den laufenden Unterstützungsmaßnahmen der Siemens AG im Zusammenhang mit Qualifizierungsmaßnahmen und einer möglichen Transfergesellschaft machen.
Darüber hinaus bemühen wir uns derzeit mit allen Beteiligten um eine Lösung zur Fortführung der Servicegesellschaft Inservio am Standort Bocholt. Ich bin zuversichtlich, dass hier eine Einigung gefunden wird. Die Insolvenzverwaltung und die Landesregierung führen vertrauliche Gespräche mit möglichen Investoren für den Produktionsstandort in Kamp-Lintfort. Neben der Produktion von hochwertigen Handys kommt beispielsweise die Herstellung von hochpreisigen Nischenprodukten in Betracht. Der Insolvenzverwalter geht davon aus, dass zum Jahreswechsel eine Lösung gefunden wird – wobei ich noch nichts über den Beschäftigungsumfang sage.
Das ist eine Perspektive, die wir gerne sehr groß und stark hätten; das wird Sie nicht wundern. Aber sie besteht eben nicht nur aus einer Maßnahme, sondern auch aus Maßnahmen, von denen wir erwarten, dass sich Siemens an anderen Standorten für zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Mitarbeiter der BenQ-Standorte öffnet.
Außerdem, meine Damen und Herren, verfolgt die Europäische Union ab 2007 eine neue Strukturpolitik neben dem Ausgleichs- und Wachstumsansatz. Das Ausgleichsziel bleibt nach unserer Überzeugung für annähernd 50 % der Mittel das Maßgebliche. Diese Mittel können grundsätzlich in allen Regionen des Landes zum Einsatz kommen. Wir begrüßen diese Neuorientierung; sie erweitert den Handlungsspielraum der Landesregierung.
Besonders vom Strukturwandel betroffene Regionen können von den drei inhaltlichen Schwerpunkten Stärkung der unternehmerischen Basis Innovation, wissensbasierte Wirtschaft und nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung profitieren. Das zukünftige Ziel-2-Programm ist so angelegt, dass die Landesregierung und die betroffenen Regionen jederzeit auch auf jetzt noch nicht absehbare Strukturprobleme reagieren können. Es wird deshalb möglich sein, auch auf gegenwärtig bereits absehbare sowie künftig sich eventuell ergebende Anpassungsprobleme in der Region Niederrhein zu reagieren.
Die Landesregierung wird die Fördermittel, wo immer möglich, in Form von Wettbewerbsverfahren vergeben. Sie will damit ein Stück Mentalitätswandel einleiten. Sie will weg von der Mentalität, dass man seine Region mit möglichst schlechten Wirtschaftsdaten und Arbeitslosenzahlen beschreiben muss, um Fördermittel zu erhalten. Wir möchten nicht den Bedürftigkeitswettbewerb, sondern den Wettbewerb der Regionen im Land um gute Ideen und Konzepte.
Wir sind natürlich nicht blind gegenüber strukturellen Schwächen. Es ist jedoch in erster Linie Aufgabe der jeweiligen Regionen, sich auf eine auf Stärken und Schwächen basierende Entwicklungsstrategie zu verständigen. Sie kennen die Gegebenheiten in der Region am allerbesten. Wir haben deshalb mehrfach erklärt, dass die Grundlage für die Vergabe von öffentlichen Mitteln eine
strukturpolitische Entwicklungsstrategie der Regionen sein muss, die die Landesregierung nicht selbst vorgibt.
Aber ich kann Ihnen sagen – vielleicht wissen Sie es auch schon –: Die Landesregierung hat der Region Niederrhein kürzlich die Finanzierung für die Erstellung eines Entwicklungskonzeptes bewilligt und geht davon aus, dass sich daraus eine Reihe von förderfähigen Projekten zur Unterstützung der regionalen strukturpolitischen Anstrengungen ergeben.
Mit der Clusterstrategie will die Landesregierung das wirtschaftliche Profil stärken, insbesondere ein günstiges Umfeld für Innovationen schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung zu verbessern.
Das Bergwerk Lohberg/Osterfeld wurde in Umsetzung eines bereits im Jahr 2003/04 von den zuständigen Organen der DSK und der RAG getroffenen Unternehmensbeschlusses am 1. Januar 2006 geschlossen. Hintergründe waren sowohl die planmäßige Reduzierung der Steinkohlenförderung in Deutschland als auch die Erschöpfung der für den Kohleabbau erschlossenen Kohlevorräte im Bergwerk Lohberg/Osterfeld.
Nach den bergrechtlichen Vorgaben ist die DSK verpflichtet, die nicht mehr benötigten Betriebsflächen für eine Folgenutzung herzurichten und nutzbar zu machen. Die Bergbehörde wird durch zügige Prüfungs- und Genehmigungsverfahren zum bergrechtlichen Abschlussbetriebsplan sicherstellen, dass es nicht zu Verzögerungen bei der Wiedernutzbarmachung ehemaliger Bergbauflächen kommt. Die städtebauliche Konzeption und planerische Ausweisung möglicher Folgenutzungen liegt jedoch ausschließlich in der Verantwortung der jeweiligen Kommune.
Das Bergwerk Walsum wird nach einer Entscheidung der verantwortlichen Gremien von RAG/DSK aus dem Sommer 2005 zum 30. Juni 2008 geschlossen werden. Hintergrund sind die nicht mit letzter Sicherheit auszuschließenden Risiken des Steinkohlenbergbaus unter dem Rhein und den Rheindeichen für den Hochwasserschutz.
Über die Stilllegung des Bergwerks West in Kamp-Lintfort liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Auch drängt die Landesregierung entgegen der Darstellung in dem vorliegenden Antrag der SPD keinesfalls darauf, das Berg
werk West kurzfristig zu schließen. Diese Behauptung ist völlig haltlos. Gerade solche Unterstellungen erzeugen erhebliche Verunsicherung unter den Mitarbeitern des Bergwerks und in der gesamten Region. Der Abbau von Steinkohle im Bergwerk West erfolgt auf der Basis eines bis zum Jahr 2019 zugelassenen Rahmenbetriebsplans.
Nach Aussagen der DSK produziert das Bergwerk West im Durchschnitt aller NRW-Bergwerke zu vergleichsweise günstigen Förderkosten. Die Landesregierung geht davon aus, dass das Bergwerk West und die dortigen Arbeitsplätze eine ausreichende Perspektive haben.
Aber Sie wissen: Wir sind aus Gründen der Haushaltskonsolidierung entschlossen, die staatliche Unterstützung des Steinkohlenbergbaus auslaufen zu lassen. Dies wird zu einem weiteren Rückgang des Steinkohlenbergbaus in NordrheinWestfalen bis zum endgültigen Auslaufen führen. Die Landesregierung führt intensive Gespräche mit dem Unternehmen RAG, der Bundesregierung und der Gewerkschaft, die von dem primären Ziel geleitet sind, den Personalabbau sozialverträglich zu gestalten. Dies hat der Ministerpräsident selbst in der vergangenen Woche nochmals deutlich hervorgerufen.
Meine Damen und Herren, das oberste Ziel der Landesregierung, das Auslaufen des subventionierten Bergbaus auch dadurch zu begleiten, dass strukturelle Brüche in den heutigen Bergbauregionen vermieden werden, ist unbestritten. Wir werden rechtzeitig vor der tatsächlichen Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus mit dem Bund für eine strukturpolitische Abfederung in den jeweiligen Bergbauregionen sorgen.
Meine Damen und Herren, heute Morgen hat übrigens eine Sitzung stattgefunden, zu der ich eingeladen hatte – das war verabredet, bevor feststand, dass heute über diese Anträge im Plenum debattiert wird –, wo der Kreis Wesel, die Stadt Kamp-Lintfort und die Industrie- und Handelskammer ihre Vorstellungen, soweit sie derzeit erkennbar sind, vorgetragen haben. Wir haben vereinbart, dass wir uns als Landesregierung ab morgen an der Projektentwicklungsgesellschaft beteiligen, um die Leitvorstellungen zu konkreten Projekten verdichten zu können. Ich vermute, wir begeben uns da auf einen vernünftigen Weg.