Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

Der Punkt ist doch folgender:

(Ralf Jäger [SPD]: Als ob Sie das wüssten!)

Herr Jäger, Ihre Fragen kenne ich doch.

Wir wollen eine Regelung, die die Altfälle löst. Daran arbeiten wir seit Langem. Da wir nun hier seit einem Jahr an der Regierung sind und in Berlin einen Innenminister haben, der diesen Fragen offen gegenübersteht, ist es anzunehmen, dass wir nun in den nächsten Tagen möglicherweise eine entsprechende Lösung erreichen.

Sie sprachen die Initiative aus NordrheinWestfalen an und sagten, dass Sie in den Zeitungen nichts darüber gelesen hätten. – Sie hätten uns fragen sollen, an wie vielen Gesprächen wir auf Bundesebene mitgewirkt haben, um so weit zu kommen, wie wir es heute sind.

Das ist vielleicht ein entscheidender Unterschied in der Art und Weise des politischen Umgangs miteinander: Wir versuchen, Ergebnisse zu erzielen, und wir versuchen, sie durch Gespräche dort zu beeinflussen, wo verhandelt wird. Falls Sie wissen möchten, wer von uns an wie vielen Gesprächen teilgenommen hat, dann können wir uns darüber gerne unterhalten.

Fakt ist doch, dass wir jetzt so weit sind, dass in der Innenministerkonferenz mit den Ministern der Länder in den nächsten Tagen darüber gesprochen wird, welche der Lösungen, die im Raume stehen, gewählt wird. Gegenwärtig liegen zwei Alternativen auf dem Tisch: das Eckpunktepapier der Konferenz aus dem Oktober und die Überlegungen von gestern

(Monika Düker [GRÜNE]: Vereinbarungen!)

aus der Großen Koalition.

Nun wird die Konferenz, Frau Düker, in den nächsten Tagen die Aufgabe haben, diese in Übereinstimmung zu bringen. Sie wird sich nach einigen Kriterien, die entscheidend sind, ausrichten müssen. Wir haben immer gesagt: Wir stützen ein Bleiberecht für die Menschen, die wirtschaftlich und sozial im Bundesgebiet integriert sind. Und das wird auch das Kriterium bleiben.

Ob die Integration über eine Duldung oder über ein Aufenthaltsrecht festgelegt wird, darauf mag

sich die Innenministerkonferenz verständigen. Wir wollen den Weg gehen, aber wir werden an den Forderungen eines längeren Aufenthaltes und der Frage der Integration festhalten; über die Einzelheiten mag sich die Konferenz einigen. Denn unabhängig davon, welchen Weg wir heute hier hochhalten, fallen die Entscheidungen in der Konferenz, und deswegen möchte ich nicht kundtun, ob mir das eine lieber als das andere ist.

Das wird einiger Überlegungen bedürfen, und diese Überlegungen werden Folgendes beinhalten: Wie verhindern wir, dass es eine Zuwanderung in die Sozialsysteme gibt? – Ich mache gar keinen Hehl daraus, dass es für uns eine Selbstverständlichkeit ist, dass diejenigen, die ein Bleiberecht bekommen – egal, wie es rechtlich ausgestaltet ist –, natürlich in der Lage sein müssen, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Ob das über einige Monate oder – von mir aus – auch etwas länger geschieht, wird die Einigung nicht aufhalten.

Sie haben eben beklagt, warum ursprünglich neun Monate vorgesehen waren. Es ist ganz simpel: Im Augenblick dauert es auch bei uns nicht länger als neun Monate, jemanden zu vermitteln, der in der Lage ist, Arbeit zu suchen und Arbeit zu leisten.

Diesen Prozess werden wir nicht nur begleiten, sondern auch unterstützen. Wir werden unserem Innenminister dabei jede Unterstützung geben, die er braucht, um einen vernünftigen Vorschlag mit zu erarbeiten.

Ich mache allerdings auch ganz deutlich, Herr Rudolph – wenn Sie sich damit auseinandergesetzt hätten, wäre Ihnen klar geworden, dass Ihre Zahl ziemlich mutig ist –: Diejenigen, die die Ausländerbehörden vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht haben, können kein Bleiberecht erhalten.

(Beifall von der CDU)

Dieser Punkt ist für uns nicht verhandelbar.

(Lothar Hegemann [CDU]: So ist es!)

Diejenigen, die rechtmäßig hier sind, sich rechtmäßig verhalten und integriert sind, behalten wir gerne hier. Aber demjenigen, der täuschte und damit deutlich machte, dass er diesen Staat ausnutzen will, kann diese Gunst nicht erwiesen werden.

(Beifall von der CDU)

Fazit: Wir haben hier über Jahre und Monate intensiv gestritten. Ich bin ganz froh, dass es heute keinen Grund mehr gibt, sich zu streiten. Denn ähnlich wie Sie bin ich voller Hoffnung, dass sich

die Konferenz des Bundesinnenministers mit den Innenministern der Länder in den nächsten Tagen einigen wird. Und darum begrüße ich es, dass wir heute nicht streitig entscheiden. Lassen Sie uns weitermachen, sobald die Entscheidung in den nächsten Tagen getroffen ist. In diesem Sinne wünsche ich dem Innenminister viel Glück. Denn die Arbeit, die zu leisten sein wird, wird noch Schweiß kosten.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Biesenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Düker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Biesenbach, eigentlich wollte ich mit einer positiven Einschätzung der Situation beginnen. Ich möchte allerdings etwas vorweg stellen, was ich recht unangemessen finde.

Sie sagen, die Dinge seien nun aufgrund der Initiative der CDU sowie der Regierungswechsel sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene so weit gediehen. Es liege nur an Ihnen. Sie möchten sich sozusagen die Dynamik auf Ihre parteipolitische Karte schreiben. Das halte ich – mit Verlaub – für eine Geschichtsklitterung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn es war die CDU, die in der Innenministerkonferenz in den letzten Jahren mehrheitlich die Minister gestellt hat und mit dafür verantwortlich war, dass in dieser Innenministerkonferenz ein wirkliches Trauerspiel deutscher Innenpolitik stattfand: Es fand über Jahre ein Herauszögern einer Lösung statt.

Ich kann Ihnen die Protokolle mit den Protokollnotizen, die die sozialdemokratischen Minister dann pflichtschuldig zur Kenntnis gegeben haben,

(Zuruf von Minister Armin Laschet)

gerne zeigen, Herr Laschet. Sie konnten sich bei den CDU-Ministern mit einer wirksamen Bleiberechtsregelung nicht durchsetzen.

(Minister Armin Laschet: Schily oder wer?)

Nein, die Innenministerkonferenz besteht nicht nur aus Herrn Schily. Auch andere Minister, die dort Initiativen einbrachten, gehören dazu.

Zweitens verweise ich auf dieses furchtbare Gezerre im Vermittlungsausschuss um das Zuwanderungsgesetz, Herr Biesenbach. Dieses erbärm

liche Gezerre und der Murks, der dann dabei herausgekommen ist, gehen auch auf Ihre Karte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es sind Personen wie Bosbach, Koschyk und andere, die im Vermittlungsausschuss eine wirksame Bleiberechtsregelung verhindert und das ursprüngliche rot-grüne Gesetz sehr viel restriktiver haben aussehen lassen. Dort wurden über Jahre Lösungen blockiert, und es war Ihre Partei, die diese blockiert hat. So viel zur Geschichte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nun ein Blick nach vorne. Es ist klar so – das muss man hier eindeutig sagen –, dass diese gesetzliche Lösung, die die beiden Minister Schäuble und Müntefering jetzt vorschlagen, das Beste ist, was wir seit Jahren als Vorschlag zu diesem Thema auf dem Tisch haben. Das muss man so sagen und auch anerkennen.

Ausschlaggebend ist: All denjenigen, die keine Chance hatten – Sie haben es richtigerweise benannt –, wirtschaftlich unabhängig zu sein, die Familie selbst zu ernähren, weil sie keine Arbeitsgenehmigung haben, hat Herr Müntefering jetzt eine Arbeitsgenehmigung zugesichert, und zwar einen unbeschränkten gleichrangigen Zugang für zwei Jahre mit einem festen Aufenthaltsstatus. Damit wird jedem Geduldeten eine faire Chance gegeben, sich wirtschaftlich zu integrieren.

Meine Damen und Herren, ich fand es bemerkenswert, dass die SPD im Innenausschuss genau an dieser Regelung Kritik geübt hat. Gott sei Dank hat sich die SPD aus dem nordrheinwestfälischen Landtag nicht durchgesetzt, sondern Herr Müntefering.

Herr Rudolph, Sie haben im Innenausschuss Bedenken in Richtung des gleichrangigen Arbeitsmarktzugangs geäußert. Sie sahen da Gefahren für den Arbeitsmarkt. Ich bin froh, dass Herr Müntefering grünes Licht gegeben hat, dass wir gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt für die Flüchtlinge haben: zwei Jahre einen festen Aufenthaltsstatus, keine Duldung. Dadurch haben die Menschen eine faire Chance, sich integrieren zu können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Das muss man zunächst so feststellen. Der Weg ist aber noch sehr lang. Es liegen auch noch einige dicke Steine im Weg. Ich hoffe, dass sie aus dem Weg geräumt werden können.

Dritte Bemerkung: Wenn die Preise, die im politischen Raum von einigen Konservativen und Innenministern aus Ihren Reihen, Herr Kruse, Herr Biesenbach, formuliert werden, weiterhin so hoch angesetzt werden – die Preise, das sind Restriktionen im Ausländerrecht, damit diese Bleiberechtsregelung auch eine Zustimmung im Bundesrat bekommt –, dass sie schließlich zu hoch sind, dann ist es eher ein Pyrrhussieg für die Flüchtlinge. Denn mit einem restriktiven Ausländerrecht auf der einen Seite kann man dieses Bleiberecht auf der anderen Seite auch nur bedingt positiv sehen.

Das heißt, wir wissen noch nicht, welchen Preis es hier zu zahlen gilt. Wir wissen noch nicht, wie dieses Geschachere und Gezerre ausgehen wird. Ich hoffe, dass da nicht zuviel geschachert und gezerrt wird.

Viertens – es ist mir sehr wichtig, dies im Landtag noch einmal zu formulieren –: Wenn wir eine gesetzliche Lösung anstreben, heißt das, dass es noch ein halbes Jahr dauern wird, bis sie unter Dach und Fach ist. Und, meine Damen und Herren, wir wissen alle aus unseren Wahlkreisen, wie viele Flüchtlingsfamilien – wir reden hier nicht über irgendwelche Fälle und Fallkonstruktionen, sondern von realen Menschen und Familien – akut von Abschiebung bedroht sind.

Es dürfen in diesem halben Jahr keine Fakten dadurch geschaffen werden, dass man diese Menschen vor der gesetzlichen Regelung abschiebt. Leider ist diese Gefahr bei vielen Menschen gegeben.

Wir brauchen, auch um die Verunsicherung bei den Ausländerbehörden, die da ist, zu beseitigen – sie wissen nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen –, Rechtssicherheit. Das heißt, wir brauchen eine Vorgriffsregelung, wir brauchen einen Abschiebestopp, wir brauchen ein Moratorium – wie immer Sie es nennen wollen –, damit in dem halben Jahr, bis dieses Gesetz auf den Weg kommt, die Menschen nicht mehr abgeschoben werden, meine Damen und Herren.

(Beifall von Rüdiger Sagel [GRÜNE])